Index
E3D E11306000Norm
AVG §8Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen 1. der E S und 2. des Mag. A K, beide in I, beide vertreten durch Mag. Patrick Gaulin, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 2-4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 4. Mai 2022, Zlen. 1. LVwG-2022/37/0469-1 und 2. LVwG-2022/37/0470-1, betreffend Anträge auf Zuerkennung der Parteistellung in einem Verfahren nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck; mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde I), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit jeweils Spruchpunkt I. der Bescheide der belangten Behörde vom 6. Dezember 2021 wurden die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf Zuerkennung der Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren der mitbeteiligten Partei betreffend die Erneuerung des Hochwasserschutzes an der S. als Instandhaltungsmaßnahmen auf der orografisch rechten Uferseite von Flusskilometer 2,016 bis 2,070 abgewiesen. Mit jeweils Spruchpunkt II. dieser Bescheide wurden die von den revisionswerbenden Parteien darüber hinaus vorgebrachten Anträge und Einwände als unzulässig zurückgewiesen.
2 Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerden. Darin brachten sie jeweils - unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 20. Dezember 2017, Protect, C-664/17 (in der Folge: Rs. Protect) - im Wesentlichen vor, ihre Grundstücke grenzten an den betroffenen Fluss bzw. dessen Ufer an. Diese befänden sich zwar nicht unmittelbar, jedoch nur 90 m von der vom Vorhaben der mitbeteiligten Partei betroffenen Liegenschaft entfernt. Die revisionswerbenden Parteien seien damit auch als natürliche Personen eine „betroffene Öffentlichkeit“ im Sinn des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) bzw. eine „interessierte Stelle“ im Sinn des Art. 14 Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG (WRRL). Sie seien daher gemäß Art. 9 Abs. 3 und 4 Aarhus-Übereinkommen iVm. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) berechtigt, mögliche Verletzungen von Unionsumweltrecht, insbesondere Art. 4 WRRL, wirksam als Parteien und somit in Gestalt von Einwendungen im behördlichen Bewilligungsverfahren geltend zu machen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2020 habe die mitbeteiligte Partei unter Vorlage und nach Maßgabe von Projektsunterlagen mit der Bezeichnung „Instandhaltungsmaßnahmen S. - vorgezogene Baumaßnahme Flkm 2,016 - Flkm 2,070 rechts“ (in der Folge: Teilprojekt) um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für näher beschriebene Maßnahmen im angeführten Uferabschnitt angesucht. Diese vorzuziehenden Maßnahmen stünden in Zusammenhang mit dem Projekt „S. Hochwasserschutz; Abschnitt (...) Flkm 2,016 bis Flkm 2,410“ (in der Folge: Gesamtprojekt). Das Gesamtprojekt sei zum Zeitpunkt der Einreichung des Teilprojekts noch nicht entscheidungsreif gewesen.
5 Die revisionswerbenden Parteien seien jeweils Miteigentümer des Grundstücks Nr. 1948/2 sowie der Bauparzelle .281/1, beide KG P. Beide Grundstücke würden weder durch die vorgesehenen Maßnahmen des Teilprojekts noch durch jene des Gesamtprojekts baulich berührt. Die revisionswerbenden Parteien seien auch nicht Inhaber von nach § 12 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) geschützten Wasserrechten.
6 Zur behaupteten Parteistellung führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren bestimme sich der Parteienkreis nach § 102 Abs. 1 WRG 1959. Insbesondere dessen lit. b umschreibe die Tatbestände, bei deren Vorliegen entsprechende Einwendungen - auch von Einzelnen - zulässigerweise erhoben werden könnten. Eine solche zulässige Einwendung liege immer nur dann vor, wenn die Partei die Verletzung eines subjektiven Rechts geltend mache.
7 Die Novelle BGBl. I Nr. 73/2018 (Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018) habe lediglich Umweltorganisationen als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit nach Art. 2 Aarhus-Übereinkommen unter näher definierten Voraussetzungen die Stellung als Beteiligte im wasserrechtlichen Verfahren eingeräumt (§ 102 Abs. 2 und 3 WRG 1959) und unter den in § 102 Abs. 5 WRG 1959 definierten Voraussetzungen zur Erhebung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht legitimiert. Eine Ausdehnung der Einzelnen eingeräumten Rechte gemäß § 102 Abs. 1 WRG 1959 sei durch die genannte Novelle nicht erfolgt.
8 Die in § 102 Abs. 1 WRG 1959 geregelte Parteistellung sichere auch Einzelnen den Zugang zu Gerichten. Aus Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen allein lasse sich eine über § 102 Abs. 1 WRG 1959 hinausgehende Parteistellung nicht ableiten, weil es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten sei, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollten. Einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen in Verbindung mit Art. 47 GRC habe der EuGH in der Rs. Protect lediglich darin erblickt, dass zum damaligen Zeitpunkt innerstaatliche Vorschriften Umweltorganisationen eine Anfechtung eines Bewilligungsbescheids - im konkreten Fall eines Bescheids, mit dem ein möglicherweise gegen die Verpflichtung aus Art. 4 WRRL, eine Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper zu verhindern, verstoßendes Vorhaben bewilligt worden sei - gänzlich verwehrt hätten. Aufgrund dieses Urteils habe der Gesetzgeber mit dem Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018 § 102 WRG 1959 ergänzt und Umweltorganisationen die Möglichkeit eingeräumt, sich als Beteiligte an wasserrechtlichen Verfahren zu beteiligen sowie bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Beschwerde an Verwaltungsgerichte zu erheben.
9 Die revisionswerbenden Parteien hätten Einwendungen, mit denen sie die Verletzung subjektiver Rechte geltend machten, nicht erhoben. Vielmehr verwiesen sie allgemein auf verschiedene Richtlinien, insbesondere die WRRL und die in Art. 4 WRRL definierten Umweltziele, zu deren Einhaltung und Erreichung die Mitgliedstaaten verpflichtet seien; konkrete subjektive Rechte von Einzelnen begründe diese Vorschrift nicht. Aus Art. 4 WRRL könnten somit Einzelne - auch gestützt auf Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen - für sich keine Parteistellung ableiten. Der von den revisionswerbenden Parteien zudem angeführte Art. 14 WRRL enthalte die sehr allgemein gehaltene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die aktive Beteiligung interessierter Stellen an der Umsetzung der WRRL, insbesondere in Zusammenhang mit den zu erlassenden Bewirtschaftungsplänen, zu fördern. Ergänzend dazu regle die zitierte Bestimmung die Veröffentlichung und Anhörung von Bewirtschaftungsplänen. Aus Art. 14 WRRL ergäben sich keine konkreten Rechte für Einzelne in wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren.
10 Die WRRL, insbesondere deren Art. 4, räume Einzelnen keine über § 102 Abs. 1 WRG 1959 hinausgehenden Rechte ein und begründe daher - auch unter Berücksichtigung des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen - keine über § 102 Abs. 1 WRG 1959 hinausgehende Parteistellung. Den revisionswerbenden Parteien komme somit im gegenständlichen wasserrechtlichen Verfahren keine Parteistellung zu. Eine solche gemäß Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Übereinkommen scheide schon deswegen aus, weil das gegenständliche Projekt keine Arbeiten/Tätigkeiten umfasse, die in Anhang 1 Aarhus-Übereinkommen aufgeführt seien.
11 Zum Entfall der mündlichen Verhandlung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der gegenständliche Sachverhalt sei unstrittig. Zudem sei die Frage der Parteistellung von Einzelpersonen durch § 102 WRG 1959, insbesondere unter Berücksichtigung des Aarhus-Beteiligungsgesetzes 2018 und des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen, eindeutig geregelt. Bei der rechtlichen Beurteilung der von den revisionswerbenden Parteien behaupteten Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren der mitbeteiligten Partei handle es sich somit um keine komplexe Rechtsfrage. Das Verwaltungsgericht habe daher nach § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen können.
12 Die Unzulässigkeit der Revision begründet das Verwaltungsgericht damit, es habe diese Rechtsfrage anhand des eindeutigen Wortlauts des § 102 Abs. 1 WRG 1959 unter Berücksichtigung der EuGH-Judikatur und des Aarhus-Beteiligungsgesetzes 2018 beurteilt und sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 102 Abs. 1 WRG 1959 nicht abgewichen. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien somit nicht zu klären gewesen.
13 Dagegen richten sich die vorliegenden - im Hinblick auf die Zulässigkeitsbegründung inhaltsgleichen - außerordentlichen Revisionen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Revisionsverfahren wurden wegen ihres rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
14 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung in eventu die Abweisung der Revision und weiters beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge ihr gemäß der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 Schriftsatzaufwand zuerkennen.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
19 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. In den „gesonderten“ Gründen ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 12.10.2022, Ra 2022/07/0167 bis 0181, mwN).
20 In den Zulässigkeitsbegründungen der vorliegenden Revisionen wird zunächst vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es die revisionswerbenden Parteien nicht als Parteien im Sinn des § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 angesehen habe. Nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme jedenfalls Umweltorganisationen, die in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren betreffend ein nicht der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegendes Vorhaben Verletzungen von umweltbezogenen EU-Bestimmungen, insbesondere der WRRL (Art. 4, Art. 14) geltend mache, als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen iVm. Art. 47 GRC, bereits im behördlichen Verfahren Parteistellung zu (Hinweis auf VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055).
21 Bei den revisionswerbenden Parteien handelt es sich unzweifelhaft nicht um anerkannte Umweltorganisationen. Nur für solche hat der Verwaltungsgerichtshof im Gefolge des Urteils des EuGH in der Rs. Protect die Parteistellung in wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren (sowohl im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 als auch im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen) bejaht (vgl. VwGH 16.2.2021, Ra 2019/10/0148; 1.3.2021, Ra 2019/10/0164, beide mHa VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055). Schon deshalb ist der dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt nicht mit jenem der angeführten hg. Entscheidung vergleichbar, weshalb es den revisionswerbenden Parteien damit nicht gelingt, ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung aufzuzeigen.
22 In den Zulässigkeitsbegründungen wird ferner ausgeführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen iVm. Art. 47 GRC auch Liegenschaftseigentümern in enger räumlicher Nähe zu einem Vorhaben (wie den revisionswerbenden Parteien zum Vorhaben der mitbeteiligten Partei), die Verletzungen von umweltbezogenen EU-Bestimmungen, insbesondere der WRRL (Art. 4, Art. 14), geltend machten, als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung zukomme.
23 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung liegt eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, dann nicht vor, wenn es zwar keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt, die Rechtslage aber durch ein Urteil des EuGH gelöst ist (vgl. etwa VwGH 28.11.2019, Ro 2018/07/0047, mwN).
24 Der EuGH befasste sich in seinem Urteil vom 28. Mai 2020, IL u.a., C-535/18 (in der Folge Rs. IL), vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen mit Vorlagefragen des deutschen Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung (unter anderem) näherer Bestimmungen der WRRL. Unter anderem hatte er aufgrund der vierten Vorlagefrage zu klären, ob gegen die Genehmigung eines Straßenbauprojekts und damit in Zusammenhang stehenden Entwässerungsmaßnahmen klagende Personen, die im Projektgebiet über einen Hausbrunnen zur privaten Trinkwasserversorgung verfügten, befugt seien, vor den zuständigen nationalen Gerichten die Verletzung der Pflichten zur Verhinderung der Verschlechterung von Wasserkörpern und zur Verbesserung ihres Zustands im Sinn des Art. 4 Abs. 1 WRRL geltend zu machen.
25 Aufgrund der näher dargestellten Umstände des Ausgangsverfahrens beschränkte der EuGH in der Begründung des Urteils seine Prüfung auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. b WRRL, der das Grundwasser betrifft. Dazu hielt er fest, aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 zweiter Gedankenstrich iVm. Art. 2 Nr. 33 WRRL folge, dass die Reduzierung und die Verhinderung der Verschmutzung des Grundwassers nicht zuletzt dazu dienten, die legitime Nutzung des Grundwassers zu ermöglichen. Wer zur Grundwasserentnahme und -nutzung berechtigt sei, nutze das Grundwasser legitim in diesem Sinne. Folglich sei er von der Verletzung der Pflichten zur Verbesserung und zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands der Grundwasserkörper, die seine Quelle speisten, unmittelbar betroffen, da diese Verletzung seine Nutzung beeinträchtigen könne. Folglich seien die Kläger des Ausgangsverfahrens, soweit sie das fragliche Grundwasser rechtmäßig nutzten, von der Verletzung dieser Pflichten unmittelbar betroffen (vgl. EuGH 28.5.2020, IL, C-535/18, Rn. 131, 132 und 134).
26 Folglich antwortete der EuGH auf die vierte Vorlagefrage des deutschen Bundesverwaltungsgerichts, „Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 erster Gedankenstrich sowie Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/60 sind im Licht von Art. 19 EUV und Art. 288 AEUV dahin auszulegen, dass die Mitglieder der von einem Projekt betroffenen Öffentlichkeit befugt sein müssen, vor den zuständigen nationalen Gerichten die Verletzung der Pflichten zur Verhinderung der Verschlechterung von Wasserkörpern und zur Verbesserung ihres Zustands geltend zu machen, wenn diese Verletzung sie unmittelbar betrifft.“
27 Im Lichte des Urteils des EuGH in der Rs. IL zeigen die revisionswerbenden Parteien fallbezogen nicht ansatzweise auf, inwiefern sie von einer (allfälligen) Verletzung des Art. 4 Abs. 1 WRRL durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei im Sinn des Urteils des EuGH auf Grundlage einer legitimen Nutzung „unmittelbar betroffen“ wären. Die räumliche Nähe ihrer Grundstücke zum Vorhaben der mitbeteiligten Partei spielt vor dem Hintergrund der Ausführungen des EuGH jedenfalls für sich allein keine Rolle, weshalb es sich bei der darauf bezugnehmenden Rechtsfrage in der Zulässigkeitsbegründung um keine von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG handelt. Auch wenden sich die revisionswerbenden Parteien nicht gegen die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, wonach sich auch aus Art. 14 WRRL keine konkreten Rechte für Einzelne in wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren ergäben.
28 Daher ist es den revisionswerbenden Parteien nicht gelungen, im Zusammenhang mit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach ihnen im gegenständlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren keine Parteistellung zukomme, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.
29 In den Zulässigkeitsbegründungen wird ferner vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Liegenschaftseigentümern, die in einem den nunmehrigen Uferabschnitt ursprünglich miteinschließenden Verfahren auf wasserrechtliche Bewilligung bereits Parteistellung hätten, bei Abtrennung eines wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens betreffend einen Teilabschnitt des ursprünglichen Vorhabens vor dem Hintergrund unionsrechtlicher Vorgaben im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung umweltbezogener EU-Bestimmungen auch im Teilverfahren weiterhin Parteistellung aufgrund der engen räumlichen Nähe als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit zukomme.
30 Damit setzen die revisionswerbenden Parteien ihre Parteistellung im - nicht revisionsgegenständlichen - wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren über das vom Verwaltungsgericht angesprochene Gesamtprojekt voraus. Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses würden ihre Grundstücke weder durch die vorgesehenen Maßnahmen des (gegenständlichen) Teilprojekts, noch durch jene des Gesamtprojekts baulich berührt und sie seien auch nicht Inhaber von nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 geschützten Wasserrechten. Daraus erhellt, dass den revisionswerbenden Parteien - entgegen ihrer impliziten Behauptung - keine Parteistellung in einem das Gesamtprojekt betreffenden Verfahren zukommt. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist aber der festgestellte Sachverhalt. Entfernen sich die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung - wie vorliegend - von diesem, kann nach der ständigen hg. Rechtsprechung schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. VwGH 10.12.2021, Ra 2020/07/0077, mwN).
31 Sofern in den Zulässigkeitsbegründungen weiter behauptet wird, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es festgestellt habe, dass die Liegenschaften der revisionswerbenden Parteien im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren durch die vorgesehenen Maßnahmen weder des Gesamtprojekts noch des Teilprojekts berührt würden, sowie ihnen kein Parteiengehör gewährt und keine mündliche Verhandlung anberaumt habe, ist dem entgegenzuhalten, dass damit nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten hg. Entscheidung - aufzeigt wird, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das angefochtene Erkenntnis abweiche (vgl. VwGH 18.10.2022, Ra 2022/07/0028, mwN).
32 Im Übrigen sind Rechtsfragen des Verfahrensrechts - wie hier die behauptete unrichtige Sachverhaltsfeststellung - nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn - wovon gegenständlich jedoch nicht auszugehen ist - tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. VwGH 2.7.2021, Ra 2021/05/0102, mwN).
33 Zuletzt wird in den Zulässigkeitsbegründungen vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es festgestellt habe, dass „eine Verletzung von in der Beschwerde angeführten einschlägigen EU-Richtlinien - mangels daraus abzuleitender subjektiver Rechte - nicht vorliegt und damit die meritorische Entscheidung darüber unzulässig vorweggenommen“ habe, obwohl laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Parteistellung gegeben sei, wenn eine Berührung der Rechte durch die projektgemäße Ausübung des mit der behördlichen Bewilligung verliehenen Rechts der Sachlage nach nicht auszuschließen (denkunmöglich) sei. Ob eine Beeinträchtigung dieser Rechte tatsächlich stattfinde, sei Gegenstand des Verfahrens, berühre aber nicht die Parteieigenschaft (unter Hinweis auf die bei Berger in Oberleitner/Berger, WRG-ON4 § 102 Rz 6 dargestellte hg. Rechtsprechung).
34 Das Verwaltungsgericht hat die von den revisionswerbenden Parteien behauptete Feststellung nicht getroffen. Wie bereits ausgeführt, hat es vielmehr in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die revisionswerbenden Parteien nicht Inhaber von nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 geschützten Rechten sind. Die angeführte hg. Rechtsprechung bezieht sich jedoch nur auf Inhaber solcher Rechte, denen dann Parteistellung zukommt, wenn eine Berührung ihrer Rechte durch die projektsgemäße Ausübung des mit der behördlichen Bewilligung verliehenen Rechts der Sachlage nach nicht auszuschließen ist (vgl. etwa VwGH 5.5.2022, Ra 2021/07/0057, mwN). Ausgehend von den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ist daher nicht zu erkennen, in welchen Punkten das angefochtene Erkenntnis von der in den Zulässigkeitsbegründungen angesprochenen hg. Rechtsprechung abweiche.
35 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher - in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
36 Die Vollziehung des WRG 1959 erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung. Kostenersatzanspruch im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG hätte daher der Bund. Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz an sich selbst war daher abzuweisen (vgl. VwGH 4.8.2022, Ra 2020/13/0030, mwN).
Wien, am 15. Dezember 2022
Gerichtsentscheidung
EuGH 62015CJ0664 Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation VORABSchlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022070064.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023