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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz in 8020 Graz, Europaplatz 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 7. November 2022, LVwG 50.34-6168/2022-16, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: J GmbH in G; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis behob das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz (Revisionswerber, Behörde) vom 26. April 2022, mit dem unter anderem der mitbeteiligten Partei aufgetragen worden war, näher bezeichnete, nicht mit den Baubewilligungen vom 30. Jänner 2018 bzw. 15. Mai 2019 in Einklang stehende Baumaßnahmen binnen zehn Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen, ersatzlos und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.
Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, mit Bescheid der Behörde vom 11. August 2022 seien rechtskräftig Änderungen betreffend die Baubewilligungen vom 30. Jänner 2018 bzw. 15. Mai 2019 bewilligt worden; nach Aussage des beigezogenen bautechnischen Amtssachverständigen vom 25. Oktober 2022 seien alle im Beseitigungsauftrag vom 26. April 2022 angeführten Baumaßnahmen von der Änderungsbewilligung „umfasst“. Diese Sach- und Rechtslage habe das LVwG bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Da zum Entscheidungszeitpunkt vorschriftswidrige bauliche Anlagen/Maßnahmen nicht mehr vorgelegen seien, sei der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben gewesen.
5 In der Zulässigkeitsbegründung wird ein krasser Ermittlungsmangel insofern gerügt, als das LVwG die Übereinstimmung des mit dem Bescheid vom 11. August 2022 genehmigten Projektes mit dem in der Natur bestehenden Zustand nicht ermittelt habe (Hinweis auf VwGH 4.7.2019, Ra 2017/06/0188). Infolge der Bindungswirkung der ersatzlosen Behebung des Bescheides habe die Behörde keine Möglichkeit, eine neuerliche Sachentscheidung zu treffen; der Mitbeteiligten stehe es somit frei, den rechtswidrigen Zustand zu perpetuieren.
6 Damit wendet sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des LVwG. Dazu ist anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Ob eine (weitere) Beweisaufnahme notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des LVwG. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG könnte sich in diesem Zusammenhang nur dann ergeben, wenn das Verwaltungsgericht diese im Einzelfall vorgenommenen Beurteilungen in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 4.5.2022, Ra 2020/06/0099, Rn. 10, mwN).
7 Die Revision wirft in ihrer Zulässigkeitsbegründung weder über den Einzelfall hinausreichende Fragen auf, noch liegen aufgrund dieses Vorbringens Anhaltspunkte dafür vor, dass das LVwG eine krasse oder unvertretbare Fehlbeurteilung des vorliegenden Sachverhaltes vorgenommen hätte.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens fragte das LVwG mit E-Mail vom 16. September 2022 beim Revisionswerber an, ob der Bescheid vom 11. August 2022 in Rechtskraft erwachsen sei; darüber hinaus wurde um Stellungnahme ersucht, ob die dem Beseitigungsauftrag zugrunde liegenden vorschriftswidrigen baulichen Anlagen/Maßnahmen mit dem Bescheid vom 11. August 2022 allumfassend (rechtlich) saniert worden seien, oder es möge der Bauakt zur Einsichtnahme übermittelt werden.
Mit E-Mail vom 26. September 2022 antwortete der Revisionswerber, „dass der Baubewilligungsbescheid vom 11.08.2022, GZ.: A17-BAB-057526/2022/011, am 19.09.2022 in Rechtskraft erwachsen ist und dieser wohl auch die besagten vorschriftswidrigen (Bau-)Maßnahmen saniert. Damit auch Sie sich davon überzeugen können, werde ich umgehend die Übermittlung des einschlägigen Bauaktes veranlassen. Es ist jedoch anzumerken, dass die faktischen Gegebenheiten vor Ort zurzeit noch nicht dem bewilligten Einreichplan entsprechen.“
Das LVwG zog daraufhin den bautechnischen Amtssachverständigen bei, der mit Schreiben vom 25. Oktober 2022 ausführte, „nach Zusammenschau des bisherigen Verfahrensaktes und der nunmehr mit Bescheid vom 11. Aug. 2022 bewilligten Projektänderungen kann mitgeteilt werden, dass alle im Beseitigungsbescheid vom 26. Apr. 2022 ggstl. Baumaßnahmen von der nunmehr genehmigten Projektänderung umfasst sind.“
Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls nicht unvertretbar, wenn das LVwG davon ausging, dass zum Entscheidungszeitpunkt keine vorschriftswidrigen baulichen Anlagen/Maßnahmen mehr vorgelegen seien. Aus dem Hinweis im E-Mail vom 26. September 2022, wonach „die faktischen Gegebenheiten vor Ort zurzeit noch nicht dem bewilligten Einreichplan entsprechen“, ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, weil sich daraus keine Nichtübereinstimmung des mit der Baubewilligung vom 11. August 2022 konsentierten Projekts mit dem dem Beseitigungsauftrag zugrunde gelegenen Bestand ergibt.
Der gegenständliche Sachverhalt unterscheidet sich von jenem, der dem hg. Erkenntnis VwGH 4.7.2019, Ra 2017/06/0188, zugrunde lag. In jenem Verfahren wurden keine Feststellungen getroffen, ob die den Gegenstand des Beseitigungsauftrages bildenden vorschriftswidrigen baulichen Maßnahme mit der danach erteilten Änderungsbewilligung konsentiert wurden.
8 In der Revision wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 15. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060315.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023