Index
L82000 BauordnungNorm
AVG §42 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätin Mag. Rehak und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. der R H und 2. des D H, beide in F, und 3. der Dr. I S in R, alle vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 29. Jänner 2019, LVwG-2018/39/2144-3, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer baurechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Fieberbrunn; mitbeteiligte Partei: V GmbH in H, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Tschurtschenthalerstraße 4a; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Marktgemeinde F hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei beantragte mit Eingabe vom 16. Jänner 2018 die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Bauabschnitt 2 der Hotelanlage mit Haus 5 und 6, der Apartementhäuser 7 bis 10, einem Doppelchalet sowie einem Sockelgeschoß unter Haus 8-9 im Rahmen eines Beherbergungsgroßbetriebes auf dem Grundstück Nr. X, KG F.
2 In der vom Bürgermeister der Marktgemeinde Fieberbrunn (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) am 25. April 2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung erhoben die revisionswerbenden Parteien als Eigentümer von benachbarten Grundstücken Einwendungen.
3 Mit Bescheid vom 14. Juni 2018 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für das beantragte Bauvorhaben unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen.
4 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde, der die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 3. September 2018 teilweise Folge gab; im Übrigen wurde der Beschwerde keine Folge gegeben.
5 Auf Grund eines Vorlageantrages der revisionswerbenden Parteien wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unzulässig zurück.
6 In seinen Entscheidungsgründen gab das Verwaltungsgericht zunächst den Verfahrensgang wieder. Im Abschnitt „Beweiswürdigung“ wurde ausgeführt, dass Beweis durch Einsicht in den behördlichen Bauakt aufgenommen worden sei.
7 Nach Darstellung maßgeblicher Rechtsvorschriften stellte das Verwaltungsgericht im Abschnitt „Erwägungen“ unter anderem fest, dass die revisionswerbenden Parteien mit ihren Grundstücken Nr. Y bzw. Nr. Z im Süden unmittelbar an das Baugrundstück angrenzten. Sie seien berechtigt, die in § 33 Abs. 3 Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) aufgeführten Nachbarrechte geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienten. Keine Nachbarstellung und damit in diesem Umfang keine Parteistellung stehe dabei der Eigentümerin des Grundstücks Nr. Z (Anm.: im Eigentum der Drittrevisionswerberin) hinsichtlich der Häuser 5, 6 und 10 zu, weil sich diese Gebäude aufgrund ihrer projektierten Lage in einer horizontalen Entfernung von mehr als 50 m zum nähest gelegenen Punkt ihrer Grundgrenze befänden.
8 Soweit für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung, führte das Verwaltungsgericht in den Erwägungen ferner aus, die taxativen Gründe in § 33 Abs. 3 TBO 2018 bezögen sich nur auf inhaltliche (materiell-rechtliche) Einwendungen. Verfahrensrechtliche Einwendungen seien davon nicht betroffen. Vor diesem Hintergrund habe ein Nachbar eines Bauverfahrens kein Recht darauf, dass die Planunterlagen und Belege vollständig der Rechtslage entsprechend der Baubehörde vorgelegt würden. Den Nachbarn sei aber ein Recht darauf zuzugestehen, dass die Projektunterlagen in einer Weise vorlägen, als ihnen jene Informationen vermittelt würden, die sie zur Verfolgung ihrer Rechte im Verwaltungsverfahren und vor den Verwaltungsgerichten bräuchten. Vorgaben, wie Planunterlagen für ein Bauvorhaben zu erstellen seien, stelle die Planunterlagenverordnung 1998 auf.
9 Laut Vorbringen in der mündlichen Verhandlung (vor der belangten Behörde) sähen sich die revisionswerbenden Parteien durch eine Missachtung der Vorschrift des § 1 Abs. 2 lit. l der Planunterlagenverordnung 1998 in ihren Rechten verletzt. Nach dieser Vorschrift habe der Lageplan (Vermessungsplan nach § 31 Abs. 2 TBO 2018) die Bebauungsplanfestlegungen für den Bauplatz zu enthalten.
10 Bei diesen geforderten Eintragungen der Bebauungsplanfestlegungen in den Vermessungsplan handle es sich lediglich um eine Kenntlichmachung bzw. Ausweisung dieser in einem Raumordnungsplan rechtskräftig verordneten Festlegungen. Eine normgebende Wirkung für diese Feststellungen sei mit diesen Darstellungen im Vermessungsplan daher nicht verbunden.
11 Gewähre die Rechtsprechung den Nachbarn ein Recht auf Vollständigkeit der Planunterlagen aber nur in einem solchen Umfang, der es ihnen ermögliche, ihre nachbarrechtlichen Interessen im Verfahren wahren zu können, im konkreten Zusammenhang also ein Recht dahingehend, das Bauverfahren unter dem Blickwinkel der Einhaltung der Festlegungen des Bebauungsplanes (im Umfang, in dem ihnen nach § 33 Abs. 3 TBO 2018 ein solches Nachbarrecht darauf auch zustehe) prüfen zu können, so werde ihnen dieses Prüfungsrecht aber nicht erst bzw. nur über kenntlich gemachte Festlegungen im Vermessungsplan im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. l der Planunterlagenverordnung 1998, sondern vielmehr allein durch den Bebauungsplan selbst sowie eine Einschau in diesen gewährt. Durch fehlende Eintragungen der Bebauungsplanfestlegungen (auch) im Vermessungsplan sei demnach das Recht der Nachbarn auf eine ihnen zustehende Vollständigkeit der Planunterlagen nicht berührt. Die Nachbarn würden daher nicht erst durch eine Eintragung der Festlegungen des Bebauungsplanes in den Vermessungsplan in die Lage versetzt, ihre einschlägigen Rechte zu kontrollieren.
12 Da sich der Vorhalt der Unvollständigkeit der Planunterlagen in der mündlichen Verhandlung einzig auf deren Mangelhaftigkeit unter dem Titel des § 1 Abs. 2 lit. l Planunterlagenverordnung 1998 beschränkt habe, erweise sich dieses Vorbringen aus den genannten Gründen als unzulässig und es sei zur Frage der Vollständigkeit der Planunterlagen mangels eines weiteren dazu erhobenen Vorbringens mit Schluss der mündlichen Verhandlung Präklusion eingetreten. Infolge eingetretener Präklusion hätten die revisionswerbenden Parteien in weiterer Folge aber auch nicht durch unterlassenes Parteiengehör zu dem um die Festlegungen des Bebauungsplanes ergänzten Vermessungsplan in ihren Nachbarrechten verletzt sein können. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang festgehalten, dass laut Aktenlage im Widerspruch zum Beschwerdevorbringen jedenfalls die Festlegung der Baufluchtlinie im ursprünglichen Vermessungsplan bereits ausgewiesen gewesen sei.
13 Weiters führte das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen aus, es werde festgestellt, dass die in der mündlichen Verhandlung ebenfalls unter dem Titel der Vorschrift des § 1 Abs. 2 lit. l der Planunterlagenverordnung 1998 erhobene Forderung der revisionswerbenden Parteien nach Eintragung auch der First- und Gebäudehöhen des projektierten Bauvorhabens selbst in den Vermessungsplan nicht der Rechtslage entspreche. Vielmehr handle es sich bei projektierten Gebäude- und Firsthöhen um Inhalte der in den Einreichunterlagen darzustellenden Ansichten bzw. Schnitte nach § 1 Abs. 4 bzw. 5 der Planunterlagenverordnung 1998. Dass aber diese Planunterlagen mangelhaft bzw. unrichtig erstellt worden wären, sei von den revisionswerbenden Parteien nicht behauptet worden.
14 Auch der hochbautechnische Sachverständige habe die vorgelegten Einreichunterlagen als den gesetzlichen Vorschriften entsprechend und als zur Beurteilung einer Zulässigkeit des Bauvorhabens vollständig beurteilt.
15 Ferner hätten die revisionswerbenden Parteien in der mündlichen Verhandlung (vor der belangten Behörde) insofern die nicht ausreichende Berücksichtigung ihrer Brandschutzbelange vorgebracht, als die Möglichkeiten für eine geeignete Feuerwehrzufahrt und notwendige Aufstellungsflächen fehlten. Ein Mitspracherecht dahingehend, dass die Zufahrt für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr gewährleistet sein müsse, sei dem Nachbarn durch § 33 TBO 2018 aber nicht eingeräumt. Da damit diese Brandschutzbelange betreffende Einwendung aber unzulässig sei, sei mit Schluss der mündlichen Verhandlung (vor der belangten Behörde) von Präklusion auszugehen. Ungeachtet dessen sei auf den im gegenständlichen Bauverfahren erstellten Gesamt-Feuerwehrplan und die dazu erstellte positive Stellungnahme des Bezirksfeuerwehrinspektors hingewiesen.
16 Die revisionswerbenden Parteien seien zur mündlichen Verhandlung rechtzeitig persönlich und unter Hinweis auf die gemäß § 42 AVG eintretenden Rechtsfolgen geladen worden. Mangels rechtzeitiger Erhebung zulässiger Einwendungen hätten die revisionswerbenden Parteien mit Schluss der mündlichen Verhandlung vor der Behörde ihre Parteistellung verloren.
17 Abschließend hielt das Verwaltungsgericht fest, gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG habe die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen können.
18 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
19 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof beantragten sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei in ihren jeweiligen Revisionsbeantwortungen die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision und die Zuerkennung von Aufwandersatz. Die Tiroler Landesregierung als weitere Partei des Verfahrens teilte mit, auf eine Revisionsbeantwortung zu verzichten.
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
21 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision zusammengefasst unter anderem vorgebracht, der angefochtene Beschluss weiche hinsichtlich der Begründungsplicht gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG, der Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie zur Frage der Präklusion gemäß § 42 AVG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
22 Die Revision erweist sich aus den genannten Gründen als zulässig. Sie ist aus nachstehenden Erwägungen auch begründet.
23 § 33 TBO 2018, LGBl. Nr. 28/2018, lautet auszugsweise:
„§ 33
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.
(...)
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
(...)
b) der Bestimmungen über den Brandschutz,
c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
(...)“
24 § 1 der Planunterlagenverordnung 1998, LGBl. Nr. 90/1998, lautet auszugsweise:
„§ 1
Planunterlagen für Neu- und Zubauten von Gebäuden
(1) Die einem Bauansuchen für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes anzuschließenden Planunterlagen haben zu umfassen:
a) den Lageplan,
(...)
(2) Der Lageplan hat zu enthalten:
(...)
l) die Bebauungsplanfestlegungen für den Bauplatz.
(...)“
25 § 42 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
„§ 42.
(1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.
(...)“
26 Die revisionswerbenden Parteien bringen unter anderem vor, sie hätten in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde die Einwendung erhoben, dass die eingereichten Planunterlagen so mangelhaft seien, dass den Nachbarn nicht jene Informationen gegeben würden, die sie zur Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte benötigten, zumal der dem Bauverfahren zu Grunde liegende Lageplan nicht der gültigen Planunterlagenverordnung entspreche, weil er entgegen § 1 Abs. 2 lit. l leg. cit. die Bebauungsplanfestlegungen für den Bauplatz nicht enthalte und im Lageplan auch Firsthöhen, Gebäudehöhen, etc. fehlten, weshalb nicht beurteilt werden könne, ob das Projekt den Festlegungen des Bebauungsplanes entspreche. Damit sei hinsichtlich der Planunterlagen ein Vorbringen erstattet worden, das den rechtlichen Kriterien einer Einwendung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG Rechnung trage. Die Annahme der Präklusion sei sohin rechtlich verfehlt. Ferner sei ein „verbesserter Lageplan“ von der Bauwerberin nachgereicht worden und hinsichtlich dieses Lageplanes den revisionswerbenden Parteien kein Parteiengehör gewährt worden.
27 Eine Einwendung im Rechtssinn gemäß § 42 Abs. 1 AVG liegt dann vor, wenn das Vorbringen wenigstens die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben erkennen lässt. Das bedeutet, dass aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen sein muss, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachtet. Für die Erhebung von tauglichen Einwendungen reicht es aus, dass die Verletzung von Bestimmungen behauptet wird. Der Nachbar muss das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, nicht ausdrücklich bezeichnen und auch nicht angeben, auf welche Gesetzesstelle sich seine Einwendung stützt; er muss seine Einwendung auch nicht begründen; es muss aus seinem Vorbringen nur erkennbar sein, welche Rechtsverletzung von ihm behauptet wird (vgl. etwa VwGH 25.2.2022, Ra 2021/06/0133 bis 0134, mwN).
28 Gemäß dem bereits zitierten § 33 Abs. 3 TBO 2018 sind die dort genannten Nachbarn berechtigt, die Nichteinhaltung näher genannter bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen. Dazu zählen gemäß § 33 Abs. 3 lit. c TBO 2018 Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe.
29 Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Planunterlagenverordnung 1998, LGBl. Nr. 90/1998 in der Fassung LGBl. Nr. 94/2007, haben die einem Bauansuchen für den Neu- und Zubau eines Gebäudes anzuschließenden Planunterlagen unter anderem den Lageplan zu umfassen. Dieser hat gemäß § 1 Abs. 2 lit. l der Planunterlagenverordnung 1998 unter anderem die Bebauungsplanfestlegungen für den Bauplatz zu enthalten.
30 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Nachbar Mängel in den Planunterlagen dann als Verletzung von Nachbarrechten geltend machen, wenn er sich infolge dieser Mängel nicht ausreichend über die Art und den Umfang des Bauvorhabens sowie über die Einflussnahme auf seine Rechte informieren konnte (vgl. VwGH 28.11.2014, Ro 2014/06/0030; 22.12.2015, Ra 2015/06/0121).
31 Das Verwaltungsgericht ist trotz der in Rede stehenden erhobenen Einwendung im Ergebnis deswegen von der Präklusion der revisionswerbenden Parteien ausgegangen, weil es sich bei den geforderten Eintragungen der Bebauungsplanfestlegungen in dem Vermessungsplan lediglich um eine Kenntlichmachung der in einem Raumordnungsplan rechtskräftig verordneten Festlegungen handle und den Nachbarn das Prüfungsrecht nach § 33 Abs. 3 TBO 2018 allein durch den Bebauungsplan selbst sowie eine Einschau in diesen gewährt werde.
32 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 28. November 2014, Ro 2014/06/0030, ausgesprochen, der Umstand, dass näher genannte Angaben und Berechnungen den eingereichten Planunterlagen nicht zu entnehmen seien, diese jedoch einem der Stellungnahme des Stadtmagistrats, Bau- und Feuerpolizei, beiliegenden Lageplan entnommen werden könnten, ändere nichts an der dem Bauwerber obliegenden Verpflichtung zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen.
33 In seinem Beschluss vom 22. Dezember 2015, Ra 2015/06/0121, hat es der Verwaltungsgerichtshof als mit seiner Rechtsprechung im Einklang stehend beurteilt, dass punktuelle Höhen im Lageplan durch Zuhilfenahme (unstrittig) vorliegender Detailpläne bestimmt werden könnten.
34 Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der zitierten Judikatur der bloße Verweis auf die Möglichkeit der Einsicht in den Bebauungsplan geeignet wäre, die von den revisionswerbenden Parteien in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwendung - inhaltlich - als nicht zielführend zu beurteilen. Entscheidend ist fallbezogen jedoch, dass die revisionswerbenden Parteien als Nachbarn gemäß § 33 Abs. 3 TBO 2018 berechtigt sind, „die Nichteinhaltung“ hier der Festlegungen des Bebauungsplanes geltend zu machen und mit dem Vorbringen, aufgrund eines der Planunterlagenverordnung nicht entsprechenden Lageplans nicht jene Informationen erhalten zu haben, die sie zur Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte benötigten, jedenfalls eine zulässige Einwendung im Rechtssinn gemäß § 42 Abs. 1 AVG erhoben haben. Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, es sei in diesem Zusammenhang Präklusion eingetreten, erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
35 Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss die revisionswerbenden Parteien in ihrer Beschwerde unter anderem auch vorgebracht hätten, dass ein nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde überarbeiteter neuer Lageplan den revisionswerbenden Parteien nicht zugestellt worden sei. In der vorliegenden Revision wird diesbezüglich eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör geltend gemacht.
36 Nach den rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts hätten die revisionswerbenden Parteien durch das unterlassene Parteiengehör betreffend den um die Festlegungen des Bebauungsplanes ergänzten Vermessungsplan „infolge eingetretener Präklusion“ nicht in ihren Nachbarrechten verletzt sein können. Diese Beurteilung erweist sich jedoch bereits aufgrund der vorstehenden Ausführungen als unzutreffend.
37 Im Übrigen fehlen im angefochtenen Beschluss auch Feststellungen zu dem konkreten Inhalt (bzw. den Änderungen) des bei der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vorgelegenen und des danach überarbeiteten Vermessungsplanes.
38 Darüber hinaus wird in der Revision zutreffend insgesamt eine den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechende Begründung des angefochtenen Beschlusses behauptet.
39 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Dies gilt gemäß § 31 Abs. 3 VwGVG auch für Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes, sofern es sich nicht um bloß verfahrensleitende Beschlüsse handelt. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
40 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben (vgl. etwa VwGH 7.1.2019, Ra 2017/17/0732).
41 Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht. Nach einer weitgehend im Konjunktiv erfolgten Wiedergabe des Verfahrensgeschehens sind im angefochtenen Beschluss Feststellungen des Verwaltungsgerichts, auf die es seine Entscheidung stützt, nur vereinzelt in den rechtlichen Erwägungen zu finden. Darüber hinaus beschränken sich die Ausführungen im Abschnitt „Beweiswürdigung“ auf einen Verweis auf die Einsicht in den behördlichen Bauakt.
42 Schließlich trifft auch das Revisionsvorbringen zu, wonach das Verwaltungsgericht nicht von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung absehen hätte dürfen. Zwar kann gemäß der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bestimmung des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die mündliche Verhandlung unter anderem dann entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Im vorliegenden Fall hätte das Verwaltungsgericht jedoch bereits aufgrund des Vorbringens der revisionswerbenden Parteien betreffend mangelhafte Planunterlagen, der erst nach der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde erfolgten Planergänzung, hinsichtlich derer den revisionswerbenden Parteien kein Parteiengehör gewährt wurde, und zur Erörterung der Voraussetzungen der - rechtswidrig angenommenen - Präklusion der revisionswerbenden Parteien eine mündliche Verhandlung durchführen müssen (vgl. zur Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG etwa VwGH 13.12.2021, Ra 2021/04/0190).
43 Aus den genannten Erwägungen war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weshalb auf das weitere Revisionsvorbringen ebenso wenig einzugehen war wie auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach der Eigentümerin des Grundstücks Nr. Z hinsichtlich der Häuser 5, 6 und 10 keine Parteistellung zukomme (zumal nach den Darlegungen im angefochtenen Beschluss das in Rede stehende Vorhaben darüber hinaus auch weitere Gebäude umfasst).
44 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. Dezember 2022
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Baupläne BauRallg5/1/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019060155.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023