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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke Flurbereinigung TirolNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision der Agrargemeinschaft Alpinteressentschaft A in S, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 17. Dezember 2018, Zl. LVwG-2015/33/1210-1, betreffend Feststellung von Gemeindegut (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S in S), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 12. Mai 1975 beantragten die Beteiligten der W Alpe aus der Gemeinde S bei der Agrarbehörde die Regulierung der Benützungs- und Verwaltungsrechte. Anlässlich der agrarbehördlichen Verhandlung vom 18. November 1975 erfolgte hinsichtlich des in Aussicht genommenen Regulierungsgebietes die Feststellung, dass aufgrund der Servitutenregulierungsurkunden aus den Jahren 1885 und 1887 für die W Alpe die damaligen Gemeinden W und A als Eigentümer aufschienen. Die W Alpe bestehe aus der Grundparzelle X, die zur Gänze auf italienischem Staatsgebiet liege, und den Grundparzellen Y, die auf österreichischem Staatsgebiet lägen, jedoch grundbücherlich als Überlandparzellen in der KG W eingetragen seien.
2 Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 22. März 1978 wurde festgestellt, dass es sich bei den Grundparzellen Y KG A um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969 handle und das Eigentum an diesen Grundstücken der Nachbarschaft A (früher Gemeinde A) zustehe. Nach Rechtskraft dieses Bescheides sei für die Grundparzellen Y im Grundbuch eine neue Einlagezahl zu eröffnen und dafür das Eigentumsrecht für die Nachbarschaft A einzutragen. Zugleich werde für diese neue Einlagezahl das Verfahren zur Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte eingeleitet, welches nach Rechtskraft dieses Bescheides im A2-Blatt anzumerken sei.
3 Begründend wurde hinsichtlich der Grundstücksqualifizierung ausgeführt, dass die Grundparzellen Y KG A vor 1918 als Überlandparzellen in der KG W zusammen mit der Grundparzelle X KG W vorgetragen gewesen seien. Die Grundparzelle X KG W liege nunmehr auf italienischem Staatsgebiet, die vorgenannten Grundparzellen auf österreichischem Staatsgebiet. Im Grundbuch von W sei nur mehr die Grundparzelle X KG W aufzufinden. Für die Grundparzellen Y KG A finde sich dort kein Hinweis. Der Nachweis des Eigentums ergebe sich aus den Servitutenregulierungsurkunden vom 14. November 1885, Nr. 18439/990 Serv., und vom 8. Februar 1887 (richtig: 6. Februar 1887), Nr. 2045/109 Serv., die seinerzeit im Verfachbuch III. Teil im Bezirksgericht S verfacht worden seien.
4 Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Lienz vom 8. Juni 1979 erfolgte die Eröffnung einer neuen Einlagezahl Z KG A für die Grundstücke Nr. Y und die Einverleibung des Eigentumsrechtes hierauf für die Agrargemeinschaft Nachbarschaft A.
5 Mit Bescheid vom 14. September 1984 wurde der Bescheid „Liste der Parteien“ erlassen und eine Verwaltungssatzung verliehen. Eine Feststellung hinsichtlich der agrargemeinschaftlichen Grundstücke erfolgte nicht.
6 Auch bei Erlassung des Bescheides vom 21. Dezember 1984 („Verzeichnis der Anteilsrechte“) erfolgte keine Feststellung hinsichtlich der agrargemeinschaftlichen Grundstücke.
7 Mit Bescheid vom 6. August 1985 wurde der Regulierungsplan für die revisionswerbende Agrargemeinschaft erlassen. Hinsichtlich des Regulierungsgebietes erfolgte die Feststellung, dass dieses aus den Grundparzellen Y, EZ Z, KG A bestehe und es sich um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 33 Abs. 1 TFLG 1978 handle, die im Eigentum der revisionswerbenden Agrargemeinschaft stünden.
8 Mit Eingabe vom 14. Jänner 2015 beantragte die Marktgemeinde S die Feststellung, um welche Form der Agrargemeinschaft es sich bei der revisionswerbenden Agrargemeinschaft handle.
9 Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens stellte die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) mit Bescheid vom 2. April 2015 gemäß § 56 AVG in Verbindung mit den §§ 33, 38, 69 und 73 lit. d Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, LGBl. Nr. 74/1996 in der Fassung LGBl. Nr. 70/2014 (TFLG 1996), fest, dass die Grundstücke Nr. Y, EZ Z, GB A Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996, LGBl. Nr. 74/1996 in der Fassung LGBl. Nr. 70/2014, darstellten.
10 Die dagegen von der revisionswerbenden Agrargemeinschaft erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als im Spruch des Bescheides das Zitat „i.d.F. LGBl. Nr. 70/2014“ jeweils durch „idF LGBl. Nr 86/2017“ ersetzt werde. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
11 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, im vorliegenden Fall sei die Qualifikation der in der EZ Z GB A vorgetragenen und laut Grundbuch im Eigentum der revisionswerbenden Agrargemeinschaft stehenden Grundstücke zu klären.
12 Zunächst sei maßgeblich, dass im Grundbuchsanlegungsprotokoll betreffend die KG A zur Post-Nr. 77 festgehalten worden sei, dass die Parzellen Y Nebenbestandteile der W Alpe der KG W seien. In Vertretung der Gemeinden A und W seien beide Gemeindevorsteher Peter J. und Johann S. erschienen und hätten das Protokoll am 4. Oktober 1911 unterfertigt.
13 Auch aus den Servitutenregulierungsurkunden vom 14. November 1885 und vom 6. Februar 1887 ergebe sich, dass die W Alpe im Eigentum der Gemeinden A und W stehe.
14 Die Übertragung des Eigentums an die revisionswerbende Agrargemeinschaft hinsichtlich der Grundstücke in EZ Z GB A sei mit dem Beschluss des Bezirksgerichtes Lienz vom 8. Juni 1979 zur grundbücherlichen Durchführung der mit Bescheid vom 22. März 1978 erlassene Einleitung des Verfahrens zur Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte für die revisionswerbende Agrargemeinschaft erfolgt.
15 Für die Frage nach dem Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 spiele zunächst insbesondere die im Bescheid vom 22. März 1978 erfolgte Qualifizierung der Grundparzellen Y KG A als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969 eine Rolle.
16 Nach der Leitentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2011, 2010/07/0091, sei mit dem Tatbestandsmerkmal des vormaligen Eigentums der Gemeinde gemeint, dass die fraglichen Grundflächen vormals, also vor dem Zeitpunkt der Übertragung an die Agrargemeinschaft, im Eigentum der politischen Gemeinde gestanden seien. Sei - so die genannte Entscheidung - im historischen Regulierungsplan gemäß § 38 Abs. 1 TFLG 1952 das Regulierungsgebiet als das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut gemäß § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952 festgestellt worden, so beinhalte diese Feststellung die Aussage, dass es sich um Grundstücke handle, die nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung als Gemeindegut genutzt worden seien. Nach den Bestimmungen eben dieser Tiroler Gemeindeordnung 1966 (TGO 1966) wiederum sei das Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde gestanden. Mit diesem Ausspruch des Regulierungsplanes sei aber rechtskräftig festgestellt worden, dass diese Grundstücke in der Vergangenheit, also im Zeitpunkt der Regulierung als Gemeindegut nach den Bestimmungen der TGO 1966 bewirtschaftet worden seien, dass sie also im Regulierungszeitpunkt im Eigentum der Gemeinde gestanden seien. Wenn dem Spruch des Bescheides ohne Zweifel zu entnehmen sei, es handle sich bei den agrargemeinschaftlichen Grundstücken um solche nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952, sei in Übereinstimmung mit VfSlg. 18.446/2008 und VfSlg. 18.933/2009 davon auszugehen, dass eine der Rechtswirkungen des genannten Regulierungsbescheides die rechtskräftige Qualifizierung dieser Grundstücke als Gemeindegut im Sinne der TGO 1966 dargestellt habe.
Nach dem genannten § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952 sei zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken „das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut, bzw. ehemalige Ortschafts- oder Fraktionsgut“ zu zählen.
Werde dagegen eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft als solche nach § 36 Abs. 1 lit. b FLG 1952 qualifiziert, so sei damit nach dem hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2011, 2011/07/0039, nicht das Gemeindegut der politischen Gemeinde, sondern das Gut einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten gemeint.
17 Die Aussagen zum TFLG 1952 müssten - so das Verwaltungsgericht - analog auch für Qualifizierungen nach dem TFLG 1969 gelten, weil sich die Regelungen des § 36 Abs. 1 lit b und Abs. 2 lit. d TFLG 1952 wortgleich in § 32 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. c TFLG 1969 wiederfänden. Im vorliegenden Fall seien mit Bescheid vom 22. März 1978 die Grundparzellen Y KG A als „agrargemeinschaftliche Grundstücke iSd § 32 Abs 1 lit b TFLG 1969“ benannt worden, womit ein deutliches Indiz für das Nichtvorliegen von Gemeindegut gegeben sei. Die belangte Behörde sei jedoch zum gegenteiligen Ergebnis gekommen, weil sie diese Qualifizierung auf ein offenkundiges Versehen zurückgeführt habe.
18 Nach dem hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2011, 2010/07/0074, bilde eine Feststellung nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 nach erfolgter Eigentumsübertragung - wie im vorliegenden Fall aufgrund des Bescheides vom 22. März 1978 - den neugeschaffenen Zustand ab, dass nämlich nunmehr das Regulierungsgebiet im Eigentum einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten gestanden sei. Diese Qualifikation habe sich daher nicht auf den Zeitraum vor bzw. den Zeitpunkt bei der Übertragung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke auf die Agrargemeinschaft bezogen, sondern auf einen späteren Zeitpunkt. Daraus folge, - so die belangte Behörde - dass die im Bescheid vom 22. März 1978 erfolgte Qualifikation der agrargemeinschaftlichen Grundstücke nicht für die Beurteilung des Vorliegens einer atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft herangezogen werden könne.
19 Diese Ausführungen träfen zu. Im Bescheid vom 22. März 1978 sei hinsichtlich der Grundstücksqualifizierung begründend ausgeführt worden, dass die Grundparzellen Y KG A vor 1918 als Überlandparzellen in der KG W vorgetragen gewesen seien, und zwar zusammen mit der Grundparzelle X KG W. Diese Grundparzelle liege nunmehr auf italienischem Staatsgebiet, die vorgenannten Grundparzellen auf österreichischem Staatsgebiet. Im Grundbuch von W sei nur mehr die Grundparzelle X KG W aufzufinden; für die Grundparzellen Y KG A finde sich dort kein Hinweis. Der Nachweis des Eigentums ergebe sich für die Agrarbehörde aus den Servitutenregulierungsurkunden aus 1885 und 1887, wonach die W Alpe im Eigentum der Gemeinden A und W gestanden sei.
20 Auch im Zuge der Grundbuchsanlegung sei betreffend die KG A zu Post-Nr. 77 festgehalten worden, dass die Parzellen Y Nebenbestandteile der W Alpe der KG W seien. In Vertretung der Gemeinden A und W seien dann beide Gemeindevorsteher, nämlich Peter J. und Johann S., erschienen, welche das Protokoll am 4. Oktober 1911 unterfertigt hätten.
21 Gemäß § 13 TGO 1866 werde die Gemeinde in ihren Angelegenheiten durch einen Gemeindeausschuss und eine Gemeindevorstehung vertreten. Gemäß § 16 leg. cit. bestehe die Gemeindevorstehung aus dem Gemeindevorsteher (in Städten und Märkten Bürgermeister) und aus mindestens zwei Gemeinderäten. Sohin stehe in Übereinstimmung mit der belangten Behörde fest, dass die politischen Gemeinden A und W das Eigentumsrecht an der W Alpe für sich in Anspruch genommen hätten. Dies stelle im Zuge der Grundbuchsanlegung eine folgelogische Konsequenz aus den vorstehend genannten Servitutenregulierungsurkunden dar.
22 Mit Bescheid der Landeshauptmannschaft Kärnten vom 28. Dezember 1938 sei es im Zuge der Einführung der Deutschen Reichsgemeindeordnung zum Zusammenschluss von Gemeinden im Bezirk O gekommen. Die Gemeinde A sei gemeinsam mit zwei weiteren Gemeinden mit der Gemeinde S vereinigt worden. Nach dem Krieg sei es nicht mehr zu einer Verselbstständigung der Gemeinde A gekommen.
23 Der belangten Behörde sei weiters darin beizupflichten, dass die historische Agrarbehörde anlässlich der agrarbehördlichen Verhandlung vom 18. November 1975 die Feststellung getroffen habe, dass aufgrund der Servitutenregulierungsurkunden aus den Jahren 1885 und 1887 für die W Alpe die damaligen Gemeinden W und A aufschienen. Wie bereits zu diesen Urkunden ausgeführt, sei die W Alpe vormals im gemeinsamen Eigentum der Gemeinden A und W gestanden.
24 Ferner sei der belangten Behörde beizupflichten, dass selbst im Bescheid vom 22. März 1978, mit dem die Feststellung erfolgt sei, dass es sich bei den Grundparzellen Y KG A um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969 handle, gleichsam festgestellt worden sei, dass das Eigentum an diesen Grundstücken der Nachbarschaft A zustehe. Hier interessiere insbesondere der „Umstand“ auf den früheren Eigentümer Gemeinde A, ohne dass jedoch eine zwischenzeitige Eigentumsübertragung auf die Nachbarschaft A stattgefunden hätte. Der Grundbuchsstand sei seit der Grundbuchsanlegung im Jahre 1911 unverändert geblieben. Ansonsten hätten keine Anstrengungen dahingehend unternommen werden müssen, die auf österreichischem Staatsgebiet liegenden Grundstücke der W Alpe in eine eigene Einlagezahl zu übertragen und mit dem genannten Bescheid daran das Eigentumsrecht für die revisionswerbende Agrargemeinschaft einzuverleiben.
25 Auch das Verwaltungsgericht komme daher zum Entschluss, dass hier ein offenkundiger Fehler bzw. ein „offenkundiges“ Versehen gegeben sei. Für alle Parteien habe aufgrund der Urkunden sowie des Ergebnisses der agrarbehördlichen Verhandlung vom 18. November 1975 klar erkennbar sein müssen, dass die Agrarbehörde hier nur irrtümlich oder aufgrund einer Flüchtigkeit die falsche Litera des TFLG im Spruch des Bescheides genannt habe. Dies zeige auch, dass zur agrarbehördlichen Verhandlung am 18. November 1975 auch die Gemeinde S mit der Bitte um Teilnahme beigezogen worden sei. Insgesamt liege ein Anwendungsfall im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes 2010/07/0091 vor, der ein Abgehen von der rechtskräftigen Feststellung der historischen Agrarbehörde zulasse.
26 Abschließend hielt das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofes fest, dass die Wirkung des Umstandes, dass Gemeindegut aufgrund eines Regulierungsverfahrens in das Eigentum der Agrargemeinschaft übertragen worden sei, nicht die Beseitigung der Eigenschaft als Gemeindegut, sondern nur der Verlust des Alleineigentums der Gemeinde und dessen Verwandlung in einen Anteil an der neugebildeten Agrargemeinschaft sein habe können. Mit der (verfassungswidrigen) Übertragung des Eigentums am Gemeindegut an die Agrargemeinschaft habe die Gemeinde somit auch Anteil an der Agrargemeinschaft und sei - damit korrespondierend - auch Mitglied der Agrargemeinschaft. Bei der revisionswerbenden Agrargemeinschaft liege somit Gemeindegut vor, weshalb die Beschwerde der Agrargemeinschaft abzuweisen gewesen sei.
27 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
28 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
29 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
30 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
31 Vorauszuschicken ist, dass die Frage der Qualifikation agrargemeinschaftlicher Grundstücke nach § 33 Abs. 2 TFLG 1996 einzelfallbezogen anhand der konkreten Umstände des Falles zu beantworten ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. zu Einzelfallbeurteilungen in ähnlichen Fällen etwa VwGH 22.12.2011, 2011/07/0183; 22.3.2012, 2010/07/0101; 14.12.2017, Ro 2015/07/0043; 23.7.2018, Ro 2018/07/0002 bis 0040; 29.7.2020, Ra 2019/07/0079 bis 0080, jeweils mwN).
32 Zutreffend wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision erkannt, dass die Beurteilung im angefochtenen Erkenntnis, wonach die Grundstücke Nr. Y, EZ 129, GB A, Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 darstellten, im Ergebnis auf zwei alternativen Begründungsinhalten fußt. Zum einen qualifizierte das Verwaltungsgericht die im Bescheid vom 22. März 1978 getroffene Feststellung, dass es sich bei den genannten Grundparzellen um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969 handle, als ein offenkundiges Versehen der Agrarbehörde. Textlich bereits davor hielt das Verwaltungsgericht zum anderen unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2011, 2010/07/0074, fest, dass im Bescheid vom 22. März 1978 der neu geschaffene Zustand nach (bescheidmäßig) erfolgter Eigentumsübertragung abgebildet werde (obwohl - zusammengefasst - zeitlich davor die W Alpe im Eigentum der Gemeinden A und W gestanden sei).
33 Der Frage, ob diese beiden Begründungselemente in jedem Fall miteinander vereinbar wären, muss im vorliegenden Fall nicht nachgegangen werden, weil die Revisionswerberin in ihren Zulässigkeitsausführungen diesbezüglich keine Bedenken äußert.
34 Die Revisionswerberin bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung zum zuletzt genannten Begründungselement (Abbildung des neu geschaffenen Zustands im Bescheidspruch) jedoch vor, die Referenz auf das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2011, 2010/07/0074, wäre nur dann rechtskonform, wenn bereits früher (vor dem Bescheid vom 22. März 1978) eine förmliche Übertragung des Eigentums von der Gemeinde (oder einer gemeindlichen Organisationsform) in das Eigentum der Agrargemeinschaft oder Nachbarschaft erfolgt wäre. Dafür lägen jedoch keine Anhaltspunkte vor.
35 Dieses Vorbringen trifft jedoch nicht zu, wie etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2012, 2011/07/0161, zeigt.
36 Zwar führte der Verwaltungsgerichtshof in dem vom Verwaltungsgericht und in der Revision zitierten Erkenntnis vom 30. Juni 2011, 2010/07/0074, aus, dass das dort verfahrensgegenständliche Regulierungsgebiet im damaligen Regulierungsplan vom 18. März 1949 als ein solches nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1935 festgestellt worden sei und dass diese Feststellung den neu geschaffenen Zustand abgebildet habe, dass nämlich nunmehr - als Folge der Feststellung im früheren Bescheid (Verzeichnis der Anteilsrechte) vom 9. Juli 1936 - das Regulierungsgebiet im Eigentum einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten im Sinne des in § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1935 stehe. Diese Qualifikation habe sich nicht auf den Zeitraum vor bzw. den Zeitpunkt bei der Übertragung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke auf die Agrargemeinschaft bezogen, sondern auf einen späteren Zeitpunkt.
37 Dem hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2012, 2011/07/0161, lag ebenfalls ein Sachverhalt zugrunde, gemäß dem ein näher genannter Bescheid im Sinne der Judikatur einen „neu geschaffenen Zustand abbildete“. Diese Beurteilung war jedoch nicht die Folge eines zeitlich vorgeschalteten Rechtsaktes, sondern es wurde in dem im Fokus stehenden Bescheid selbst (Regelungsplan vom 20. Dezember 1940) erstmals festgestellt, dass das Regulierungsgebiet ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1935 darstelle und im Eigentum der Agrargemeinschaft stehe. Der Verwaltungsgerichtshof hielt dazu fest, dass diese Feststellung - angesichts der Vorgeschichte - nur so verstanden werden konnte, dass sie den neu geschaffenen Zustand abbildete, dass nämlich nunmehr das Regulierungsgebiet im Eigentum einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten im Sinne des in § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1935 stehen sollte. Diese Qualifikation bezog sich daher nicht auf den Zeitraum vor bzw. den Zeitpunkt der Übertragung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke auf die Agrargemeinschaft (zur Relevanz dieses Zeitpunktes verwies der Verwaltungsgerichtshof - ebenso wie in VwGH 2010/07/0074 - auch auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofes), sondern auf den dadurch geschaffenen Zustand.
38 Wie der Verwaltungsgerichtshof ebenso unter Verweis auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bereits festhielt, kann das Ende der Qualifikation agrargemeinschaftlicher Grundstücke als Gemeindegut nur durch eine Hauptteilung (oder einen einer Hauptteilung gleichzuhaltenden Akt, bei dem es ebenfalls zu einer Vermögensauseinandersetzung zwischen Agrargemeinschaft und Gemeinde kommt) eintreten (vgl. erneut 30. Juni 2011, 2010/07/0074).
39 Entscheidend ist daher, ob sich ein Bescheid (hier: der Bescheid vom 22. März 1978), mit dem festgestellt wurde, dass es sich bei bestimmten Grundstücken um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969 handle, auf eine entsprechende „Vorgeschichte“ (die gegen das Bestehen von Gemeindegut spricht) oder (für den Fall, dass die Umstände für das historische Vorliegen von Gemeindegut sprechen) auf den Umstand stützen kann, dass bereits früher oder zumindest zeitgleich mit der Erlassung dieses Bescheides eine Hauptteilung bzw. ein gleichzuhaltender Akt mit einer entsprechenden Vermögensauseinandersetzung erfolgte.
40 § 33 Abs. 2 Z 2 lit. c TFLG 1996 spricht von der Übertragung von Eigentum von der Gemeinde auf die Agrargemeinschaft. Im vorliegenden Fall ist der diesbezüglich entscheidende Zeitpunkt jener der Bescheiderlassung vom 22. März 1978, weil sich dort erstmals die Feststellung findet, bei den Grundparzellen Y KG A handle es sich um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969; dies bei gleichzeitiger Feststellung, dass das Eigentum an diesen Grundstücken derzeit der „Nachbarschaft A (früher Gemeinde A)“ zustehe.
41 Das Verwaltungsgericht hielt im angefochtenen Erkenntnis fest, dass die Agrarbehörde im Bescheid vom 22. März 1978 zum „Nachweis des Eigentums“ auf die Servitutenregulierungsurkunden aus 1885 und 1887 verwiesen habe, aus denen sich (jedoch) ergebe, dass die W Alpe im Eigentum der Gemeinden A und W gestanden sei. Ferner sei - so das Verwaltungsgericht weiter - im Zuge der Grundbuchsanlegung betreffend die KG A zu Post-Nr. 77 festgehalten worden, dass die Parzellen Y Nebenbestandteile der W Alpe der KG W seien. In Vertretung der Gemeinden A und W hätten beide Gemeindevorsteher das Protokoll am 4. Oktober 1911 unterfertigt. Die politischen Gemeinden A und W hätten das Eigentumsrecht an der W Alpe für sich in Anspruch genommen. Anlässlich der agrarbehördlichen Verhandlung vom 18. November 1975 habe die Agrarbehörde die Feststellung getroffen, dass aufgrund der Servitutenregulierungsurkunden aus den Jahren 1885 und 1887 für die W Alpe die damaligen Gemeinden W und A aufschienen. Selbst im Bescheid vom 22. März 1978, mit dem die Feststellung erfolgt sei, dass es sich bei den Grundparzellen Y KG A um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969 handle, sei festgestellt worden, dass das Eigentum an diesen Grundstücken der „Nachbarschaft A (früher Gemeinde A)“ zustehe. Dabei hob das Verwaltungsgericht auch den expliziten Hinweis auf den früheren Eigentümer Gemeinde A, ohne dass eine zwischenzeitige Eigentumsübertragung auf die Nachbarschaft A stattgefunden hätte, hervor.
42 Angesichts dessen und vor dem Hintergrund der zitierten hg. Judikatur erweist sich die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass die aufgrund des Bescheides vom 22. März 1978 getroffene Feststellung der in Rede stehenden Flächen als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969 (lediglich) den mit diesem Bescheid neu geschaffenen Zustand abbilde (wodurch die Eigenschaft als Gemeindegut jedoch nicht beseitigt worden sei), keineswegs als unvertretbar; dies selbst dann nicht, wenn man mit der Revisionswerberin von keinem „offenkundigen Versehen“ der Agrarbehörde ausginge. Dieser Abbildung eines neu geschaffenen Zustands lag keine Hauptteilung (oder ein gleichzuhaltender Akt) zugrunde.
43 Aufgrund des dargestellten Ergebnisses kommt es auf das umfangreiche Zulässigkeitsvorbringen zur (alternativen) Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach die Qualifizierung der in Rede stehenden Grundstücke im Bescheid vom 22. März 1978 als solche im Sinne des § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969 als „offenkundiges Versehen“ der Agrarbehörde zu beurteilen sei, nicht mehr entscheidend an.
44 Schließlich wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision (hilfsweise) vorgebracht, seit der Grundbuchsanlegung im Jahr 1911 habe ruhiges und ungestörtes Eigentum der (gemeinsamen) Alpinteressentschaft A bestanden, die zumindest nach der staatenrechtlichen Trennung des Gebietes je zur Hälfte durch die Nachbarschaften A und W repräsentiert werde. Bis zum Beginn der Regulierung und auch Eintragung des Eigentums der Nachbarschaft A im Grundbuch im Jahr 1978 lägen ca. 67 Jahre, die für eine zivilrechtliche Ersitzung des gegenständlichen Gebietes durch die Mitglieder der Gemeinschaft, nunmehr zugunsten der Agrargemeinschaft als deren Rechtsnachfolgerin, jedenfalls hinreichte. Es fehle Judikatur zur Frage, ob eine durch zivilrechtliche Ersitzung vernichtete vormalige Eigentümerstellung einer Gemeinde in einem nach erfolgter zivilrechtlicher Ersitzung durchgeführten Regulierungsverfahren noch eine Qualifikation einer Agrargemeinschaft als Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 rechtfertigen könne.
45 Mit diesem Vorbringen ist für die Revisionswerberin nichts gewonnen. Abgesehen davon, dass im angefochtenen Erkenntnis eine zivilrechtliche Ersitzung von ehemaligen Gemeinde(guts)flächen nicht festgestellt wurde und das Zulässigkeitsvorbringen insoweit den festgestellten Sachverhalt verlässt (ohne dem Verwaltungsgericht in der hier allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung einen Feststellungs- oder Begründungsmangel vorzuwerfen), ist in diesem Zusammenhang auch auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach etwa auch eine Fallkonstellation, in der mit dem Regulierungsplan die Übertragung von Eigentum nicht ausdrücklich verfügt wurde, dessen ungeachtet eine solche Übertragung aber im Grundbuch unter Bezugnahme auf diesen Generalakt veranlasst und durchgeführt wurde und die Agrargemeinschaft das Eigentum an diesen Flächen möglicherweise erst durch den für die Ersitzung notwendigen Zeitablauf erwarb, zur Entstehung atypischen Gemeindegutes im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 führt (vgl. VwGH 23.1.2020, Ra 2018/07/0443, mwN).
46 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 21. Dezember 2022
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019070024.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023