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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §2 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juni 1992, Zl. 4.277.496/4-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, beantragte am 10. Juli 1989 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. September 1989 abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Mit Antrag vom 8. Mai 1992 suchte der Beschwerdeführer neuerlich um Asyl an. Begründet wurde dieser Antrag damit, daß der Beschwerdeführer von seiner Mutter telephonisch erfahren habe, daß er in der Heimat von der Gendarmerie gesucht würde und mit einer Bestrafung zu rechnen hätte. Der Grund für diese Befürchtung liege darin, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit anderen Türken vor der türkischen Botschaft in Wien und vor dem Konsulat in Salzburg gegen die Regierung, gegen die "Unterdrückung" und den "Völkermord" an den Kurden demonstriert habe. Der Beschwerdeführer sei dabei fotografiert worden und würde daher nun in der Türkei gesucht. Als Beispiel verwies der Beschwerdeführer überdies auf den Fall eines namentlich genannten Freundes, der nach seiner Abschiebung aus der Schweiz eingesperrt, gefoltert und daraufhin verrückt geworden sei. Mit Bescheid vom 20. Mai 1992 der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich wurde dieser Antrag abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid eine mit 1. Juni 1992 datierte Berufung, die am 3. Juni 1992 bei der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich einging. Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers aufgrund der Berufung unter Hinweis auf § 2 Abs. 3 und 4 des Asylgesetzes 1991 "wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen".
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 9. März 1993 ihre Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer wendet sich auch ausdrücklich gegen die Annahme der belangten Behörde, daß das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei und weist darauf hin, daß § 2 Abs. 3 iVm Abs. 4 Asylgesetz verfassungskonform dahingehend auszulegen seien, daß bei Vorliegen neuer Tatsachen, die nicht Grundlage für die Abweisung des ersten Asylantrages gewesen seien, ein neuerlicher Asylantrag auch dann zulässig sein müsse, wenn der Antrag auf neue Tatsachen gestützt werde, die sich nach der Einreise in Österreich ereignet hätten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, festgestellt hat, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, trifft die Annahme der belangten Behörde, daß gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz 1991 im Beschwerdefall bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden gewesen sei, zu (am 1. Juni 1992 war das Verfahren zwar noch nicht bei der belangten Behörde anhängig, da die Berufung des Beschwerdeführers erst am 3. Juni 1992 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich einging, entsprechend dem zitierten Erkenntnis greift aber in einem derartigen Fall § 27 Asylgesetz 1991 ein; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0474).
Da mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag des Beschwerdeführers wegen rechtskräftig entschiedener Sache unter ausdrücklicher Berufung auf § 2 Abs. 3 und 4 des Asylgesetzes 1991 zurückgewiesen wurde, die belangte Behörde sich aber andererseits auch auf § 2 Abs. 2 Z 2 Asylgesetz 1991 berief, ist einerseits zu prüfen, ob sich die belangte Behörde zu Recht im Hinblick auf § 2 Abs. 3 und 4 nicht mit den neu geltend gemachten Asylgründen auseinandersetzte und ob andererseits die Berufung auf § 2 Abs. 2 Z 2 Asylgesetz zu Recht erfolgte.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 2 Abs. 4 Asylgesetz 1991 ausgesprochen hat, kann auch dann, wenn der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Abweisung des ersten Asylantrags nicht in sein Heimatland zurückgekehrt ist, nicht grundsätzlich - wie dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck bringt - von der Irrelevanz neu aufgetretener asylbegründender Tatsachen ausgegangen werden (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0052, vom 27. März 1995, Zl. 94/20/0258, und vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/20/0227).
In diesem Zusammenhang ist maßgeblich, daß der Beschwerdeführer als Grund für seinen neuerlichen Asylantrag tatsächlich Umstände angeführt hat, die sich nach der Abweisung seines ersten Antrages ereignet haben. Die belangte Behörde hätte sich mit den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründen auseinandersetzen müssen.
Sie hätte diese Auseinandersetzung nur dann rechtens unterlassen können, wenn ihre Auffassung hinsichtlich § 2 Abs. 2 Z 2 Asylgesetz 1991 im Beschwerdefall zutreffend wäre.
Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte "gewisse Prävalenz von Ihr (d.i. der Beschwerdeführer) privates Wohlergehen betreffenden Erwägungen und Bestimmungsgründen", von welcher der Beschwerdeführer geprägt sei, vermag keine ausreichende Begründung für die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung zu liefern. Die belangte Behörde gibt damit zwar zu erkennen, daß sie davon ausgegangen ist, das Motiv der Asylerlangung habe andere Gründe deutlich überwogen. Sie hat indes nicht dargelegt, aufgrund welcher Umstände sie zu diesem Schluß kommt. Sie hat somit ihre Annahme nicht nachvollziehbar erläutert, daß der Beschwerdeführer in Österreich Umstände "mit der Absicht" herbeigeführt habe, seine Furcht vor Verfolgung zu begründen, um Asyl gewährt zu erhalten (vgl. für den Fall des Beitritts eines Asylwerbers zum "Rat der iranischen Flüchtlinge" das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, 94/19/0058). Die belangte Behörde hat es auch unterlassen, den Beschwerdeführer zu den Umständen seiner Teilnahme an den Demonstrationen zu befragen, bzw. in der Begründung darzulegen, inwiefern sie vermeint, daß die Teilnahme an einer Demonstration gegen die Regierung im Heimatland eines Ausländers den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Z 2 Asylgesetz 1991 erfülle. Damit ist die belangte Behörde ihrer Verpflichtung aus § 60 AVG, in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Überlegungen und die rechtliche Beurteilung klar und übersichtlich zusammenzufassen, nicht nachgekommen (vgl. z.B das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1987, 86/01/0125). Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis festgestellt hat, hindert ein derartiger Bescheid den Verwaltungsgerichtshof daran, seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie im § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als nicht oder unzureichend begründete Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen. Dieser Mangel ist auch wesentlich, da die Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Heranziehung des Ausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z 2 Asylgesetz 1991 erfolgte somit nicht in einem mängelfreien Verfahren. Die belangte Behörde konnte daher nicht davon absehen, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Asylgründe zu prüfen. Da diese Unterlassung auf der verfehlten Rechtsanschauung der belangten Behörde zu § 2 Abs. 4 Asylgesetz 1991 beruht, liegt insoferne eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor. Diese geht als Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200260.X00Im RIS seit
20.11.2000