Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1973 §71a idF 1988/399;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jaksuch, Dr. Gruber, Dr. Sulyok und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der X-AG in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1995, Zl. MA 63 - M 151/93, betreffend Vorschreibung von Auflagen gemäß § 79 GewO 1973 (mitbeteiligte Parteien: 1.) RH und
2.) HH, beide in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk) vom 23. Februar 1993 wurden der Beschwerdeführerin für ihre Betriebsanlage im Standort Wien, K 2, auf Grund des § 79 GewO 1973 (insgesamt fünf) zusätzliche Auflagen vorgeschrieben. Die Auflage 3.) hatte hiebei folgenden Wortlaut:
"3.) Durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. das Aufstellen von Schallschutzwänden, ist sicherzustellen, daß in einer Entfernung von 4 m von den Axialkondensatoren der Schalldruckpegel der Betriebsgeräuche bei Vollast maximal 43 dB, A bewertet beträgt."
Die Beschwerdeführerin erhob (nur) gegen diese Auflagenvorschreibung Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1995 wurde die bekämpfte Auflage gemäß § 66 Abs. 4 AVG durch folgende Vorschreibung ersetzt:
"3) Durch schalltechnische Maßnahmen (z.B. Aufstellen von Schallschutzwänden) ist sicherzustellen, daß die Betriebsgeräusche des Axialkondensators für die Minus-Kühlanlage bei Vollast den Wert von 32 dB, A bew. nicht überschreiten. Tonhaltige Komponenten dürfen nicht wahrnehmbar sein.
Mit der Auswahl und Durchführung der schalldämmenden Maßnahmen ist ein einschlägiges Fachunternehmen zu betrauen."
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, zur Klarstellung des maßgeblichen Sachverhaltes seien Gutachten der Magistratsabteilung 15 (Gesundheitsamt), Magistratsabteilung 22 (Umweltschutz) und der Magistratsabteilung 36 (Technische Gewerbeangelegenheiten und Feuerpolizei) einzuholen gewesen, aus welchen sich zusammengefaßt folgendes ergebe: In drei miteinander verbundenen Lichthöfen seien mehrere Kondensatoren und Kühlaggregate situiert bzw. mündeten in diese Lichthöfe Abluftleitungen aus verschiedenen Betrieben und Betriebsbereichen. Seit mehreren Jahren beklagten Nachbarn die Belästigung durch kontinuierliche Brummgeräusche. Diverse Maßnahmen zur Schalldämmung an mehreren schallemitierenden Objekten hätten offenbar keine befriedigende Besserung der Situation gebracht. Aus dem Schreiben der Magistratsabteilung 36-A vom 14. Juni 1994 sei zu entnehmen, daß auf dem überdachten Lichthof (Lichthof 1) zwei Axialkondensatoren aufgestellt seien, wobei ein Axialkondensator für die Raumklimaanlage und der zweite Axialkondensator für die Minus-Kühlanlage erforderlich sei. Der erste Axialkondensator der Raumklimaanlage sei mit einer Zeitschaltuhr ausgestaltet, welche gewährleiste, daß dieser nur während der Betriebszeiten (Tageszeiten) in Betrieb stehe. Da die Minus-Kühlanlage ständig betrieben werde, sei der zugehörige Axialkondensator (zweiter Axialkondensator für die Minus-Kühlanlage) auch zur Nachtzeit (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) in Betrieb. Bei einer am 8. August 1991 in der Zeit ab 22.00 Uhr durch die Magistratsabteilung 22 durchgeführten Schallpegelmessung sei im überdachten Lichthof 2 ein Grundgeräuschpegel von 40 dB(A) gemessen worden, welcher sohin ebenfalls vor den Fenstern der Wohnung der Familie H vorherrsche. Auf Grund zahlreicher Verkehrslärmmessungen, welche im Bereich O-K-Straße über längere Zeiträume (24 Stunden-Messungen im Zeitraum von einer Woche) durchgeführt worden seien, lasse sich im Lichthof 2 für den ruhigsten Zeitraum (03.30 Uhr bis 04.00 Uhr) der Nachtzeit ein Grundgeräuschpegel von 32 dB(A) errechnen. Der Grundgeräuschpegel von 32 dB(A) herrsche sohin auch vor den Wohnungsfenstern der Familie H vor und sei daher als Grundlage für die weitere Beurteilung heranzuziehen. In medizinischer Hinsicht könne eine Schalleinwirkung verschiedene, teils erwünschte, teils ungewünschte Reaktionen bei Menschen auslösen. Direkt gesundheitsschädigend seien laute Schalleinwirkungen, die zu einer vorübergehenden oder bleibenden Schädigung des Hörorgans führen könnten. Diese auralen Wirkungen von Schall kämen unterhalb eines Dauerschallpegels von 75 dB (A) und sohin im gegenständlichen Fall nicht in Betracht (WHO 1980). Es seien vielmehr die extraauralen Wirkungen des Schalls zu untersuchen: Der Hörsinn stelle eine natürliche Alarmanlage mit einer entwicklungsgeschichtlichen Warnfunktion dar; seine Signale würden über das Nervensystem dem ganzen Organismus zugeleitet. Diese Funktion sei sowohl im Wachen wie im Schlaf unabschaltbar in Bereitschaft. Normalerweise bestehe ein rhythmischer Wechsel zwischen ergotropen Leistungsphasen und trophotropen Erholungsphasen. Dieser Wechsel halte jenes dynamische Gleichgewicht aufrecht, welches für die ausgeglichene Funktion aller vom vegetativen Nervensystem gesteuerten Organe notwendig sei. Durch akustische Reize werde dieses Gleichgewicht in Richtung der ergotropen Phase verschoben oder Körper in einen Zustand erhöhter Aktivierung versetzt (ÖAL 1991). Langfristig seien daher Schallreize als wichtige Streßfaktoren und somit als mögliche Auslöser kardiovaskulärer Risikofaktoren (Bluthochdruck) zu sehen. Diese Wirkung einzelner Schallereignisse komme allerdings nur dann zum Tragen, wenn die vegetativen Reaktionen auf einen Schallstimulus noch nicht bis zum Auftreten des nächsten Stimulus abgeklungen seien (Griefahn; 1982). Gerade in den von Verkehrslärm geprägten innerstädtischen Wohngebieten sei subjektiv empfundene Ruhe zwischen einzelnen distinkt wahrnehmbaren Schallereignissen wesentlich. In diesem Zusammenhang sei an die Definition des Grundgeräuschpegels laut ÖNORM S 5004 erinnert, als "der geringste an einem Ort während eines bestimmten Zeitraumes gemessene A-bewertete Schallpegel in dB, der durch entfernte Geräusche verursacht wird, und bei dessen Einwirkung Ruhe empfunden wird". Somit seien Dauergeräusche besonders kritisch zu betrachten, weil diese durch das Fehlen von Pausen die Empfindung "Ruhe" stark beeinträchtigen könnten. Die durch Dauergeräusche verursachten Schallpegel sollten daher den Grundgeräuschpegel nicht übersteigen (Haider; 1990). Neben der Beeinflussung der Abklingphase vegetativer Reaktionen auf akustische Einzelereignisse stellten kontinuierliche Geräusche auch direkte Belästigungsquellen dar. Das Ausmaß der erlebten Belästigung hänge zweifellos auch von situativen Umständen wie der Einstellung des Belästigten zum Schallverursacher und der Vermeidbarkeit der Lärmstörung ab. Es ließen sich jedoch auch qualitative Merkmale des Lärms bezeichnen, die neben der Lautstärke das Ausmaß der Belästigung mitbestimmten: Die Ortung einer Schallquelle erfolge unter anderem auf Grund der Zeitverzögerung, die zwischen dem Eintreffen des Schalls an jedem Ort bestehe (plastisches Hören). Diese Ortung sei bei einem Dauergeräusch erschwert. Während das Geräusch z.B. eines vorbeifahrenden Autos einer Lärmquelle außerhalb der Wohnung zuzuordnen sei, sei dies bei einem kontinuierlichen Geräusch nicht so leicht möglich. Ein kontinuierlich im Wohnbereich wahrgenommenes Geräusch werde daher viel stärker als Eindringen in die Privatsphäre der Wohnung empfunden. Daher würden Dauergeräusche mit weitgehend konstantem Schallpegel, insbesondere bei Nacht, wenn sie sich vom Grundgeräuschpegel eindeutig abhöben, als besondere Quelle der Belästigung erkannt (ÖAW 1993). Darüber hinaus sei die Schallcharakteristik des betreffenden Lärmes zu beachten. Tonhaltige Geräusche (das seien Geräusche mit hervortretenden Schallenergieanteilen in diskreten Frequenzen) würden erfahrungsgemäß als besonders lästig empfunden. Ein Pegelzuschlag von 3 bis 6 dB (je nach Terzanalyse; ÖNROM S 5004) gebe diese Zunahme der Belästigungswirkung nur unvollständig wieder (Traun 1994). Darüber hinaus könne es beim Vorliegen von mehreren Schallquellen mit tonhaltigen Anteilen zu Interferenzeffekten kommen, die äußerst unangenehm empfunden würden. Eine unmittelbare und direkte Gesundheitsgefährdung sei durch ein kontinuierliches Geräusch mit einem Beurteilungspegel an oder bis zu 5 dB über dem Grundgeräuschpegel nicht zu erwarten. Dennoch könne ein solches Geräusch, je nach dessen Qualität und je nach verschiedenen situativen Umständen als erhebliche Belästigung empfunden werden. Der Begriff der Belästigung beinhalte auch Störungen höherer Funktionen und Leistungen - wie etwa der geistigen Arbeit, der Lern- und Konzentrationsfähigkeit, der Sprachkommunikation etc. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, daß solche Funktions- und Leistungsstörungen über einen längeren Zeitraum hinweg indirekt sehr wohl zu einer Gesundheitsgefährdung werden könnten. Generell sollte daher im Wohnbereich die Strategie verfolgt werden, jede belästigende Geräuschimmission zu minimieren. Der Versuch, die aus medizinischer Sicht verträgliche Gesamtschallimmission durch Angabe eines maximal zulässigen Schallpegels zu bestimmen, könne im gegenständlichen Fall nur dann als Kompromiß akzeptiert werden, wenn tonhaltige Komponenten aus den verfahrensgegenständlichen Betriebsanlagenteilen im Grundgeräuschpegel von 32 dB (A) unbemerkt blieben. In Anbetracht des Vorhandenseins mehrerer kontinuierlicher Lärmquellen in den Innenhöfen, deren mögliche Summations- und Kombinationswirkung zu berücksichtigen sei, habe als Mindesterfordernis für die Immission eines distinkten kontinuierlichen Geräusches zu gelten, daß der Grundgeräuschpegel von 32 dB (A) durch die verfahrensrelevanten Betriebsanlagenteile nicht überschritten werden dürfe. Dies solle durch die bekämpfte Auflage in der nunmehr geänderten Fassung sichergestellt werden. Der Hinweis, daß die von der Magistratsabteilung 36 genannte Abluftanlage die intensivste Lärmquelle sei, beziehe sich auf ein Gerät, das nicht zur vorliegenden Betriebsanlage gehöre und daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei. Hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage ergebe sich aber aus den schlüssig wirkenden gutächtlichen Äußerungen der gehörten Amtssachverständigen, daß bei Einhaltung aller Auflagen Gesundheitsgefährdungen des geschützten Personenkreises vermieden und Belästigungen auf ein zumutbares Ausmaß reduziert würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht "auf Unterlassung der Vorschreibung der mit Berufungsbescheid vorgeschriebenen Auflage verletzt". Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zunächst vor, die MA 63 habe im Verfahren die Fachabteilungen - also die MA 36, die MA 22 und die MA 15 - je zweimal zu Gutachtenserstellungen eingeladen. Sie übernehme letztendlich in ihren eigenen Feststellungen - und das nur teilweise - die Ausführungen der MA 15 in ihrem Gutachten vom 8. Februar 1995. Sie setze sich mit allen anderen Verfahrensergebnissen nicht auseinander bzw. begebe sich ohne jede nähere Begründung in offenen Widerspruch zu den Verfahrensergebnissen. Die belangte Behörde unterlasse es, selbst beim zitierten Gutachten der MA 15 vom 8. Februar 1995 sehr wesentliche Feststellungen der MA 15 zu zitieren, "geschweige denn, daß sie irgendeine Begründung dafür abgibt, warum sie die Bedenken der MA 15 für nicht richtig hält". Die MA 15 habe ausdrücklich festgehalten, daß die MA 22 bei ihren Ausführungen nur von einem errechneten Grundgeräuschpegel ausgehe, und daß die MA 22 die von der MA 63 gestellte Frage - und damit wohl zu diesem Zeitpunkt von der MA 63 für wesentlich gehaltene Frage -, welcher Schalldruckpegel der Axialkondensator für die Minus-Kühlanlage verursache, nicht beantworte, und die MA 15 daher auch nicht darauf eingehen könne. Die MA 15 habe ausdrücklich dargestellt, daß sie aus dem Bericht vom 18. November 1993 der MA 22 nicht entnehmen könne, ob es sich beim genannten Kältekompressor, bei dem Körperschallübertragungen festgestellt worden seien, um den Kältekompressor der Minus-Kühlanlage handle - und nur um diesen gehe es ja in dem Verfahren -, noch daß sie dem Gutachten zugrunde legen könne, welcher Störgeräuschpegel "nach Behebung des genannten Mangels" vorliege. Hiezu hätte die belangte Behörde aber konkrete Feststellungen zu treffen gehabt, weil es selbstverständlich wesentlich sei, wenn einem Teil einer von mehreren Anlagen Vorschreibungen gegeben werden sollten, festzustellen, welche Geräusche überhaupt von dieser Anlage stammten. Die belangte Behörde schreibe vor, daß tonhaltige Geräusche einen gewissen dB (A)-Wert nicht überschreiten dürften, ohne daß überhaupt irgendwelche Feststellungen darüber getroffen worden seien, ob die gegenständlichen Geräusche tonhältig seien oder nicht. Die belangte Behörde begründe nicht, warum sie meine, Vorschreibungen nach § 79 der Gewerbeordnung erteilen zu dürfen, obwohl die MA 15 ausdrücklich feststelle, daß eine unmittelbare und direkte Gesundheitsgefährdung nicht gegeben sei, sondern nur indirekt Geräusche zu einer Gesundheitsgefährdung "werden können", und die MA 15 allgemein vorschlage, daß im Wohnbereich die Strategie verfolgt werden solle, jede belästigende Geräuschimmission zu minimieren - eine Forderung, die wohl im städtischen Bereich schwer zu erfüllen sei. Im übrigen ergebe sich schon aus der Formulierung der MA 15, nämlich daß über einen längeren Zeitraum hinweg Geräusche indirekt zu einer Gesundheitsgefährdung werden könnten, daß die MA 15 sich hier allein auf das Gebiet der Vermutung begebe.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht:
Gemäß § 79 der - im Hinblick auf die Verfahrensdaten unter Beachtung des Art. IV Abs. 10 der Gewerberechtsnovelle 1992 sowie des Art. 49a Abs. 3 B-VG anzuwendenden - GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992 hat die Behörde (§§ 333, 334, 335), wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid und im Betriebsbewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Nach Abs. 2 sind zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind, Auflagen im Sinne des Abs. 1 nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. Auflagen im Sinne des Abs. 1 zur Vermeidung einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung durch Luftschadstoffe, Lärm oder gefährliche Abfälle sind, sofern sie nicht unter den ersten Satz fallen, zugunsten solcher Personen nur dann vorzuschreiben, wenn diese Auflagen im Sinne des Abs. 1 verhältnismäßig sind.
Eine "Auflage" im Sinne des § 79 wie im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1973 kann jede bestimmte, der Vermeidung von Immissionen dienende und zur Erfüllung dieses Zweckes geeignete und behördlich erzwingbare Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage zum Gegenstand haben (vgl. hiezu etwa die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0238, und die dort zitierte weitere
hg. Rechtsprechung). Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters bereits in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1989, Zl. 89/04/0140, dargetan hat, kann, wenn das Ziel einer Auflage dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient, der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen.
Im Rahmen eines nach § 79 Abs. 1 GewO 1973 zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1973 normierten Interessen durchgeführten Verfahrens ist Aufgabe des beigezogenen gewerbetechnischen Amtssachverständigen, sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage ausgehenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quelle solcher Immissionen anzusehen sind, und ob und durch welche Vorkehrungen die im Sinne der vordargestellten Gesetzeslage als relevant in Betracht kommenden Immissionen verhütet oder verringert werden können. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die nach der festgestellten Sachlage zu erwartenden Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus auszuüben vermögen. Auf Grund der Ergebnisse dieser dem Sachverhaltsbereich angehörenden Sachverständigengutachten hat sodann die Behörde ihre rechtlichen Schlüsse zu ziehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1991, Zl. 90/04/0178).
Die Ausführungen in der Stellungnahme der MA 15 (Gesundheitswesen) vom 8. Februar 1995, wonach "solche Funktions- und Leistungsstörungen über einen längeren Zeitraum hinweg indirekt sehr wohl zu einer Gesundheitsgefährdung werden können", lassen eine zureichende Beurteilung nicht zu. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 89/04/0256, unter Hinweis auf die dort angeführte hg. Rechtsprechung dargetan hat, würde, was die Frage des "Gefährdungsbegriffes" im § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 anlangt, eine bloß abstrakte Eignung einer gewerblichen Betriebsanlage, Gefährdungen hervorzurufen, eine Vorschreibung von Auflagen noch nicht rechtfertigen, weil hiefür eine konkrete Eignung Voraussetzung ist. Auch wenn ein derartiger Gefährdungsbegriff seinem gesetzlichen Sinngehalt nach nicht etwa die Feststellung eines in Ansehung der Gewißheit seines Eintrittes als auch seiner zeitlichen Komponenten fixierten Schadenseintrittes voraussetzt, sondern es genügt, daß die Gefahr sachverhaltsbezogen nicht ausgeschlossen werden kann, so bleiben die Ausführungen in der Stellungnahme der MA 15 (Gesundheitswesen) vom 8. Februar 1995 doch (bloß) im allgemeinen. Eine für den konkreten Beschwerdefall sachverhaltsbezogene Aussage wird damit nicht getroffen. Dies erhellt insbesondere der nächste Satz der Stellungnahme, wonach generell im Wohnbereich die Strategie verfolgt werden sollte, jede belästigende Geräuschimmission zu minimieren.
In diesem Zusammenhang ist auch hervorzuheben, daß im Sinne des Beschwerdevorbringens nicht nachvollziehbar ist, welcher Art die von der Betriebsanlage ausgehenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind (was darzulegen, Aufgabe des gewerbetechnischen Sachverständigen ist), also ob bzw. in welchem Ausmaß - im Hinblick auf die gegebenen örtlichen Verhältnisse - Lärmimmissionen für die Nachbarschaft der in Rede stehenden Betriebsanlage zugerechnet werden kann. In diesem Sinne wird in der Stellungnahme der MA 15 (Gesundheitswesen) vom 8. Februar 1995 selbst davon ausgegangen, daß zur von der MA 63 gestellten Frage, welchen Schalldruckpegel der Axialkondensator für die Minus-Kühlanlage verursache, die MA 22 nicht Stellung genommen habe. Es soll damit offenkundig zum Ausdruck gebracht werden, daß die entsprechenden konkreten gewerbetechnischen Grundlagen für eine medizinische Begutachtung fehlen.
Derart ist sowohl die Beschwerdeführerin über die von der belangten Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und so in ihrer Rechtsverfolgungsmöglichkeit beeinträchtigt als auch der Verwaltungsgerichtshof an der ihm obliegenden nachprüfenden Kontrolle auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gehindert. Der angefochtene Bescheid war daher schon im Hinblick darauf gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995040120.X00Im RIS seit
20.11.2000