Entscheidungsdatum
12.12.2022Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §207Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Gstir aus Anlass des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 06.02.2019 über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 14.12.2018, Zl ***, betreffend die Vorschreibung einer Kanalanschlussgebühr
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 14.12.2018, Zl ***, sowie die Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 06.02.2019, Zl ***/BV, aufgehoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 14.12.2018, Zl ***, wurde aufgrund der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Z gegenüber AA (in der Folge: Beschwerdeführer) für das Gebäude auf Gst **1 KG Z-Land eine Kanalanschlussgebühr in Höhe von insgesamt Euro 5.157,79 (inkl. 10 % USt) festgesetzt und binnen eines Monats ab Zustellung des Bescheides zur Zahlung vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde vom 17.12.2018 erhoben und darin zusammengefasst ausführt, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Gebäude um eine ehemalige Almhütte handle. Seine Mutter habe die Almhütte von ihrem Vater übernommen und saniert und bestehe für einen erfolgten Um- und Zubau die Baubewilligung vom 10.10.1974, Zl *** und sei dieses Gebäude auch im Freizeitwohnsitz-verzeichnis eingetragen. Eine Zugänglichkeit zu diesem Gebäude sei nur ca von Mai bis September gegeben. Die 2018/2019 neu errichtete Anlage zur Abwasserbeseitigung sei noch nicht fertiggestellt und daher das gegenständliche Grundstück auch noch nicht angeschlossen. Auch führe der öffentliche Kanal derzeit weder auf das gegenständliche Grundstück noch an die Außenwand des Gebäudes. Auch bestehe derzeit noch keine Feststellung der Anschlusspflicht. Die Vorschreibung der Mindestgebühr sei bei den Almhütten im Innergschlöß nicht gerechtfertigt und entspreche diese einer Baumasse von 504 m3, die Almhütten seien jedoch wesentlich kleiner. Aufgrund der auf die Sommermonate eingeschränkten Nutzung des Gebäudes sei eine Reduktion um die Hälfte geboten.
Weiters wurde die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO beantragt.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 06.02.2019, ***/BV, wurde in Spruchpunkt I. die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und in Spruchpunkt II. dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung keine Folge gegeben.
Im Weiteren brachte der Beschwerdeführer den Vorlageantrag vom 14.02.2018 ein wurde in der Folge der Akt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vorgelegt.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren brachte der Beschwerdeführer ergänzend das Schreiben vom 05.08.2020 samt Beilagen ein und machte unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 09.03.2020, Zl LVwG-***, mit näheren Ausführungen geltend, dass die Kanalanschlussgebühr im Zeitpunkt der bekämpften Vorschreibung bereits verjährt gewesen sei.
Aus dem Akt des Landesverwaltungsgerichts Tirol zu Zahl LVwG-*** ergibt sich, dass Baubeginn des Kanalstrangs ***, der BB – CC und DD, im Rahmen von Vorleistungen am 14.09.2011 war (vgl Schreiben des Ingenieurbüros EE vom 04.05.2018 und Schreiben der Abgabenbehörde vom 25.06.2018).
Im Bereich dieses Kanalstrangs befindet sich auch das verfahrensgegenständliche Gst **1 KG Z- Land.
Aus den vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Protokollen der Gemeinderatssitzung am 09.11.2011 [Tagesordnungspunkt c) Umsetzung des Kanalbauprojektes FF vor dem Kanalbauprojekt GG] ergibt sich unter Bezugnahme auf eine eingeholte Stellungnahme des Ingenieurbüros EE, die in der Sitzung vorgelesen wurde, dass 50% der Kanäle in den Ortsteilen Y und X fertiggestellt sind.
Aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung am 20.07.2012 [Tagesordnungspunkt g) BB – Bauarbeiten Fremdfirmen] ergibt sich ua, dass die bereits umfangreich begonnen Kanalbauvorhaben in „X“ und „Y“ noch fertigzustellen sind.
Aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung am 29.03.2013 [Tagesordnungspunkt b – Abwasserbeseitigungsanlage BB „Y“ und „X“ – Bauwerke und Einhausungen – Zurückstellung auf Herbst 2013] ergibt sich, dass die Kanalanlagen in „Y“ und „X“ großteils fertiggestellt sind und nunmehr die Kläranlagen in Angriff genommen werden sollen.
Seitens der belangten Behörde wurde dazu im Rahmen des Parteiengehörs die Stellungnahmen vom 30.11.2022 erstattet. Darin wird zusammengefasst vorgebracht, dass es richtig ist, dass mit dem Bau des Kanalstranges Y im Jahr 2011 begonnen wurde. Der Beginn des Baus des Kanalstrangs auch im einigen Kilometer entfernten X verzögerte sich aber unvorhergesehen um mehrere Jahre und wurde dort erst im Jahr 2013 mit dem Bau begonnen und erfolgte daher die Vorschreibung und der Kanalanschlussgebühr im Jahr 2018. Die vom Beschwerdeführer angeführte Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol betreffe den Ortsteil „Y“ welcher am Beginn des Kanalstrags BB liege und sei daher mit dem gegenständlichen Fall zum Ortsteil „X“, wo mit dem Kanalbau des Kanalstranges BB/2 erst später begonnen worden sei, nicht vergleichbar
In der ergänzend eingebrachten Stellungnahm vom 06.12.2022 führt die belangten Behörde aus, die Baumassenermittlung des gegenständlichen Gebäudes von JJ im Zeitraum 11-12/2017 erfolgte. Dazu wurden dessen Honorarnote vom 02.03.2018, Nr ***, ergänzend übermittelt, in der als Auftragsdatum 11-12/2017 angeführt wird. Weiters wird darin ausgeführt, dass dies Honorarnote auf Basis des Angebotes vom 05.08.2013 erfolgte.
Zudem war dieser Stellungnahme das Schreiben des Ingenieurbüros EE vom 04.05.2018 angeschlossen aus dem sich ergibt, dass aufgrund des Felssturzes am 14.05.2013 an der KKstraße ein totaler Baustopp des Vorhabens zur Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage BB „LL“ erfolgen musste. Der Kanalstrang *** wurde im September 2015 völlig neu gestartet. Es ergibt sich aber daraus auch, dass im Oktober 2011 bereits diverse Kanäle verlegt wurden, damit zu einem späteren Zeitpunkt die Straßen nicht wieder aufgerissen werden müssen.
Abschließend führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund des Felssturzes am 14.05.2013 (höhere Gewalt) sowohl eine Verlängerung als auch Hemmung der Verjährungsfrist gegeben sei.
II. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde übermittelten Abgabenakt sowie den Akt des Landesverwaltungsgerichts Tirol zu Zahl LVwG-***.
Daraus ergibt sich, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt nach Ansicht des erkennenden Gerichts im gegenständlichen Verfahren aufgrund der Aktenlage feststeht und eine mündliche Erörterung, wie im Folgenden im Detail dargetan, eine weitere Klärung der Rechtssache im Umfang der gegenständlichen Prüfbefugnis nicht erwarten lässt.
Es waren keine Fragen der Beweiswürdigung im Umfang der maßgeblichen Entscheidungserwägungen zu klären, sodass einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstanden (vgl EGMR 10.05.2007, Nr 7401/04; EGMR 03.05.2007, Nr 17.912/0518; VwGH 18.10.1999, Zl 96/10/0199; VwGH 27.08.2014,
Zl 2013/05/0169; VwGH 16.10.2019, Ra 2019/07/0095; uva).
Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen, die im Übrigen auch von keiner der Parteien des Beschwerdeverfahrens beantragt wurde.
III. Rechtslage:
Gegenständlich sind insbesondere folgende Rechtsvorschrift entscheidungsrelevant:
Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde i.O. idF der Gemeinderatsbeschlüsse vom 20.11.1995, 25.05.1998 und 12.10.1998:
„§ 1
Einteilung der Gebühren
Zur Deckung der Kosten des Aufwandes für die Gemeindekanalanlagen erhebt die Gemeinde Benützungsgebühren in der Form einer Anschlussgebühr, einer laufenden Gebühr (Kanalgebühr) und einer Erweiterungsgebühr.
§ 2
Anschlussgebühr und Erweiterungsgebühr
1. Die Gemeinde erhebt zur Deckung der Kosten der Errichtung oder Erweiterung der Kanalanlagen eine Anschlussgebühr.
2. Die Gebührenpflicht entsteht mit dem Zeitpunkt des Baubeginnes eines Gebäudes, im Falle der erstmaligen Errichtung einer Gemeindekanalanlage bzw. eines neuen Kanalstranges für alle im Anschlussbereich gelegenen Grundstücke und Gebäude bereits einen Monat nach Baubeginn des Kanalbauabschnittes, in dem sie gelegen sind.
(…)“
Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr 164/1961 idF BGBl I Nr 105/2010:
„§ 207
E. Verjährung
(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß
§ 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshof-gesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.
(…)
§ 208
(1) Die Verjährung beginnt
a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;
(…)
§ 209
(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.
(2) Die Verjährung ist gehemmt, solange die Geltendmachung des Anspruches innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist.
(…)“
IV. Erwägungen:
1. Wie sich aus den eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers ergibt, wurde das verfahrensgegenständliche Gebäude jedenfalls bereits seit einem bewilligten Umbau in den 1970er Jahren nicht mehr als Almgebäude, sondern als Freizeitwohnsitz genutzt.
Für das verfahrensgegenständliche Gebäude war daher weder nach der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Z noch aufgrund der statischen Verweise nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz, LGBl 22/1998, ein Ausnahmetatbestand hinsichtlich der Kanalanschlussgebühr gegeben.
Das verfahrensgegenständliche Grundstück und Gebäude unterlag daher gemäß
§ 2 Abs 2 der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Z in der Fassung der Gemeinderatsbeschlüsse vom 20.11.1995, 25.05.1998 und 12.10.1998 der Kanalanschlussgebührenpflicht.
Es konnte daher dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers keine Berechtigung zukommen.
2. Soweit der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 09.03.2020,
Zl LVwG-***, nunmehr zusammengefasst vorbringt, dass die gegenständlich bekämpfte Kanalanschlussgebühr bereits im Zeitpunkt der Festsetzung durch die belangte Behörde verjährt gewesen sei, ist dazu Folgendes auszuführen:
Entsprechend dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften hat das Landesverwaltungsgericht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes seiner Entscheidung zu Grunde zu legen (VwGH 11.09.2015, Ro 2014/17/0026).
Hiebei ist auf die erstmalige Entstehung des Abgabenanspruches abzustellen.
Wurde daher einmal jener Tatbestand verwirklicht an den die jeweils anzuwendende Norm die Entstehung des Abgabenanspruchs knüpft, so entsteht für die Abgabenbehörde damit auch die Berechtigung zur Festsetzung der entsprechenden Abgabe.
Allerdings ist dies aber auch der Zeitpunkt von dem aus sich die Verjährungsfrist und damit das Ende einer für die Abgabenbehörde möglichen Festsetzung berechnet.
3. Gemäß des gegenständlich relevanten § 2 Abs 2 der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Z in der Fassung der Gemeinderatsbeschlüsse vom 20.11.1995, 25.05.1998 und 12.10.1998 entstand die Gebührenpflicht betreffend eine Kanalanschlussgebühr mit dem Zeitpunkt des Baubeginnes eines Gebäudes und im Falle der erstmaligen Errichtung einer Gemeindekanalanlage bzw eines neuen Kanalstranges für alle im Anschlussbereich gelegenen Grundstücke und Gebäude bereits einen Monat nach Baubeginn des Kanalbauabschnittes, in dem sie gelegen sind.
Beim verfahrensgegenständlichen Grundstück handelt es sich um ein Bestandsgebäude, das bereits vor der Errichtung einer Gemeindekanalanlage im gegenständlichen Bereich bestanden hat.
Es war daher im gegenständlichen Fall darauf abzustellen, wann erstmals mit dem Bau des Kanalbauabschnittes begonnen wurde, in dem sich das gegenständliche Grundstück befindet.
4. Aus dem Akt des Landesverwaltungsgerichts Tirol zu Zahl LVwG-*** ergibt sich, dass beim Kanalstrang mit der Bezeichnung *** für die BB erstmals bereits im September 2011 mit Vorarbeiten begonnen wurde und am 14.09.2011 der Baubeginn war.
5. Soweit von der belangten Behörde dazu vorgebracht wird, dass die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol im Verfahren zu Zahl LVwG-*** mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar sei, da zwar mit dem Bau des Kanalstranges in Y im Jahr 2011 begonnen wurde, der Beginn des Baus des Kanalstrangs BB/2 im einige Kilometer entfernten X (Almdorf) sich aber durch einen Felssturz verzögerte und dort erst im Jahr 2013 mit dem Bau begonnen werden habe können, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:
Aus den vom Beschwerdeführer auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Protokoll der Gemeinderatssitzung der Gemeinde Z am 09.11.2011 [Tagesordnungspunkt c) Umsetzung des Kanalbauprojektes FF vor dem Kanalbauprojekt GG] ergibt sich unter Bezugnahme auf eine eingeholte Stellungnahme des Ingenieurbüros EE, die in diese Sitzung vorgelesen wurde, dass 50% der Kanäle in den Ortsteilen Y und X fertiggestellt sind.
Aus dem von der belangten Behörde im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Schreiben des Ingenieurbüros EE vom 04.05.2018 ergibt sich, dass aufgrund des Felssturzes am 14.05.2013 an der KKstraße ein totaler Baustopp des Vorhabens zur Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage BB „LL“ erfolgen musste und der Kanalstrang *** im September 2015 völlig neu gestartet wurde.
6. In gebotener Zusammenschau der Unterlagen aus dem Akt des Landesverwaltungsgerichts Tirol zu Zahl LVwG-*** sowie den im gegenständlichen Beschwerdeverfahren von der belangten Behörde und vom Beschwerdeführer eingebrachten Unterlagen ergibt sich sohin, dass ein Kanalstrang mit der Bezeichnung „BB/2“ nicht besteht, sondern der Kanalstrang mit der Bezeichnung „***“ der Abwasserbeseitigungsanlage BB „LL“ sowohl den Bereich Y, der Gegenstand des Verfahrens zu Zahl LVwG-*** war, als auch den gegenständlich relevanten weiterführenden Bereich „X“ umfasst, in dem sich das Gst **1
KG Z-Land befindet.
Hinsichtlich der Entstehung des Abgabenanspruchs ist sohin der gegenständliche Fall mit jenem Sachverhalt, der dem Verfahren beim Landesverwaltungsgerichts Tirol zu Zahl LVwG-*** zu Grunde gelegen ist, – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – sehr wohl vergleichbar.
Da im Protokoll der Gemeinderatssitzung am 09.11.2011 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Ingenieurbüros EE, ausgeführt ist, dass 50% der Kanäle in den Ortsteilen Y und X schon fertiggestellt sind, ergibt sich damit, dass mit dem Bau des Kanalstrang *** der Abwasserbeseitigungsanlage BB „LL“ auch im Bereich X sohin schon im Jahr 2011 erstmals begonnen wurde.
Im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist sohin für das verfahrensgegenständliche Grundstück im Bereich X der Abgabenanspruch für die Kanalanschlussgebühr bereits im Jahr 2011 entstanden.
Dem diesbezüglichen Vorbringen der belangten Behörde ist daher keine Berechtigung zukommen.
7. Gemäß § 207 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs 2 leg cit gegenständlichenfalls fünf Jahre.
Gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht in Abs 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.
Beginn der 5-jährigen Verjährungsfrist war daher auch im gegenständlichen Fall der Ablauf des 31.12.2011, die Kanalanschlussgebühr wäre daher bis spätestens 31.12.2016 vorzuschreiben gewesen.
Die Kanalanschlussgebühr wurde jedoch erst mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 14.12.2018, Zl ***, festgesetzt und zur Zahlung vorgeschrieben.
8. Werden allerdings innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs 1 BAO um ein Jahr.
Die Verjährungsfrist verlängert sich nach dieser Bestimmung jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.
Die Verlängerung gem § 209 Abs 1 zweiter Satz BAO jeweils um ein weiteres Jahr setzt sohin voraus, dass in jenem Jahr, in dem die nach dem ersten Satz um ein Jahr verlängerte Verjährungsfrist endet, eine weitere Amtshandlung iSd § 209 Abs 1 leg cit erfolgt ist.
Dabei muss die Amtshandlung jeweils nach außen wirksam und auch einwandfrei nach außen erkennbar sein (vgl VwGH 10.06.1991, 90/15/0115; VwGH 14.11.1996, 92/16/0217; VwGH 30.10.2003, 99/15/0098; ua).
Die behördlichen Schritte müssen nicht gegen den Abgabenschuldner selbst gerichtet sein und müssen der dann als Abgabenschuldner in Anspruch genommenen Person auch nicht zur Kenntnis gelangt sein, damit ihnen Verlängerungswirkung zukommt (zB Anfrage an Auskunftsperson in fremder Sache; erforderliche Beauftragung eines Sachverständigung zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage; vgl VwGH 10.6.1991, 90/15/0115; VwGH 08.09.2005, 2003/17/0235; VwGH 07.07.2004, 2004/13/0080; ua).
9. Aus dem Schreiben der belangten Behörde an den Beschwerdeführer vom 30.11.2017 im Rahmen des Parteiengehörs ergibt sich ua, dass zum Zweck der Vorschreibung der Kanalanschlussgebühr seitens der Abgabenbehörde JJ mit der Ermittlung der Baumasse beauftragt wurde und die Ermittlung anhand der Bauakten bzw von Ausmessungen vor Ort erfolgte.
Damit ist von der belangten Behörde im Jahr 2017 – sohin ein Jahr vor Erlassung der bekämpften Entscheidung - eine Amtshandlung iSd § 209 Abs 1 BAO erfolgt.
Es war daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zunächst weiters zu ermitteln, wann eine Beauftragung zur Ermittlung der Baumasse der Bestandsgebäude als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Kanalanschlussgebühr erfolgt ist.
Wäre zB die Beauftragung zur Ermittlung der Baumasse bereits im Jahr 2016 erfolgt, wäre weiter zu prüfen, ob diese im konkreten gegenständlichen Fall als Amtshandlung
iSd § 209 Abs 1 BAO zu qualifizieren wäre.
Bejahendenfalls wäre nämlich dann aufgrund entsprechender Amtshandlungen in den Jahren 2016 und 2017 bis zur Erlassung der bekämpften Entscheidung keine Verjährung eingetreten.
10. In der ergänzend eingebrachten Stellungnahm vom 06.12.2022 führt die belangten Behörde aus, dass die Baumassenermittlung des gegenständlichen Gebäudes von
JJ im Zeitraum 11-12/2017 erfolgte. Dazu wurden dessen Honorarnote vom 02.03.2018, Nr ***, ergänzend übermittelt, in der als Auftragsdatum ebenfalls 11-12/2017 (sohin die Monate November und Dezember 2017) angeführt wird.
Aus diesen ergänzend angeforderten Unterlagen ergibt sich sohin keine Amtshandlung die im Jahr 2016 zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist geführt hätte, die dann in weiterer Folge aufgrund der Amtshandlung zur Wahrung des Parteiengehörs hinsichtlich der ermittelten Baumasse als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Kanalanschlussgebühr eine Verlängerung der Verjährungsfrist um ein weiteres Jahr bedingt hätte, wodurch dann der gegenständlich bekämpfte Bescheid noch binnen der Verjährungsfrist ergangen wäre.
11. Zusammengefasst ergibt sich sohin auch aus den ergänzend eingeholten Unterlagen der belangten Behörde, dass keine Verlängerung der Verjährungsfrist bis zur Erlassung des bekämpften Bescheides gegeben war.
Dass allenfalls sonstige Handlungen iSd § 209 Abs 1 BAO im Jahr 2016 erfolgt wären, wurde von der belangten Behörde nicht vorgebracht und haben sich dafür auch aus dem übermittelten Akt und den ergänzend eingebrachten Unterlagen kein Hinweis ergeben.
12. Soweit die belangte Behörde geltend gemacht hat, dass aufgrund des Felssturzes am 14.05.2013 (höhere Gewalt) sowohl eine Verlängerung als auch eine Hemmung der Verjährungsfrist gegeben sei, ist dazu Folgendes auszuführen:
Gemäß § 209 Abs 2 BAO ist die Verjährung gehemmt, solange die Geltendmachung des Anspruches innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist.
Einem Ereignis der höheren Gewalt kann sohin nur in Bezug auf die Geltendmachung des Anspruches Relevanz zukommen.
Der Felssturz (höhere Gewalt) auf den sich die belangte Behörde bezieht ereignete sich nach ihren eigenen Angaben bereits am 14.05.2013 und sohin 2 ½ Jahre und nicht erst sechs Monate vor Ende der Verjährungsfrist kann daher dieses Ereignis bereits in zeitlicher Hinsicht nicht unter § 209 Abs 2 BAO subsumiert werden.
Es war daher aus diesem Grund auch ein Eingehen auf die weiteren Voraussetzungen einer Hemmung nach § 209 Abs 2 BAO nicht geboten.
Dem diesbezüglichen Vorbringen der belangten Behörde konnte daher keine Berechtigung zukommen.
13. Zusammengefasst hat sich sohin im gegenständlichen Fall ergeben, dass für das verfahrensgegenständliche Grundstück bzw Gebäude des Beschwerdeführers zwar grundsätzlich eine Kanalanschlussgebührenpflicht bestanden hat und diese zu leisten gewesen wäre, der gegenständlich bekämpfte Bescheid jedoch erst nach Eintritt der Verjährung erlassen wurden, da die Voraussetzungen für eine entsprechende Verlängerung oder Hemmung der Verjährungsfrist nach § 209 Abs 1 und 2 BAO bis zur Bescheiderlassung lt Akteninhalt gegenständlich nicht gegeben waren.
Es war daher aus diesem Grund der gegenständlich bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 14.12.2018, Zl ***, sowie die Beschwerdevorentscheidung vom 06.02.2019, Zl ***/BV, aufzuheben.
14. Hinsichtlich der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach
§ 212a BAO ist lediglich der Vollständigkeit halber noch ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:
Ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO stellt kein Rechtsmittel gegen einen Bescheid dar, sondern handelt es sich dabei um einen gesonderten Antrag, über den die Abgabenbehörde nicht im Rechtsmittelverfahren zu entscheiden hat (vgl
LVwG Niederösterreich, LVwG-AV-115/001-2017; uva).
Im gegenständlichen Fall wurde von der belangten Behörde über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO nicht mittels „erstmaligem“ Bescheid, sondern unzulässigerweise mit Beschwerdevorentscheidung – sohin im Rechtsmittelverfahren - entschieden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Dazu kann insbesondere auf die in dieser Entscheidung angeführte höchstgerichtliche Rechtsprechung verwiesen werden.
Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Belehrung und Hinweise
Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.
Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.
Die für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine Revision zu entrichtende Eingabegebühr beträgt Euro 240,00.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Gstir
(Richterin)
Schlagworte
AbgabenpflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2019.36.0418.5Zuletzt aktualisiert am
19.01.2023