TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/19 94/04/0262

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Veröffentlicht am 19.12.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §73 Abs2;
GewO 1973 §74;
GewO 1994 §74 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Sulyok und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Oktober 1994, Zl. 316.608/1-III/A/2a/93, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin begehrte mit Ansuchen vom 11. Mai 1992 die "Genehmigung zur Änderung der Betriebsanlage durch Hinzunahme eines Schanigartens in der Länge der Lokalfront (9,6 m) in W, F-Gasse 15".

Der Magistrat der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk) versagte die Genehmigung dieser Änderung der Betriebsanlage mit Bescheid vom 27. Juli 1992.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. September 1992 wurde - über Berufung der Beschwerdeführerin - der genannte erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und "die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen".

Begründend wurde in diesem Berufungsbescheid unter anderem ausgeführt, das erstinstanzliche Verfahren sei zufolge nicht erfolgter Schallpegelmessungen mangelhaft geblieben, weil dadurch dem medizinischen Amtssachverständigen die Möglichkeit genommen worden sei, die durch den Schanigarten verursachten Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse bzw. die durch diesen zu erwartenden Auswirkungen auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen eben solchen Erwachsenen in nachvollziehbarer Weise gutächtlich zu begründen.

Am 5. April 1993 langte (bei der Magistratsabteilung 63) folgender Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin ein:

"Mit Berufungsbescheid vom 10.9.1992, Zl. da A 808/92, zugestellt am 17.9.1992, wurde der Erstbehörde, dem MBA 1/8, die Neudurchführung des Verfahrens aufgetragen.

Da die Entscheidungsfrist gemäß AVG jedenfalls abgelaufen,

eine Entscheidung jedoch nicht zugestellt ist,

begehrt

die Dw.in nunmehr die Entscheidung des Landeshauptmannes."

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. Juli 1993 wurde "das Verlangen der Frau A vom 1. April 1993 auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über das am 13. Mai 1992 beim Magistratischen Bezirksamt für den 1./8. Bezirk eingebrachte Ansuchen um Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage im Standort W, F-Gasse 15, an den Landeshauptmann von Wien als der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde gemäß § 73 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG abgewiesen".

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1994 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides im Grunde des § 73 Abs. 2 AVG" als unbegründet ab. Zur Begründung wurde (nach Darlegung der Rechtslage) ausgeführt, die (der erstinstanzlichen Behörde aufgetragenen) Schallpegelmessungen hätten erst während der wärmeren Jahreszeit vorgenommen werden können, weil die Behörde (nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) verpflichtet gewesen sei, die Immissionsauswirkungen des beantragten Schanigartens unter Zugrundelegung der für die Nachbarn belastendsten Situation zu beurteilen, aber - wie der belangten Behörde aufgrund ihrer gewerberechtlichen Vollzugspraxis und der Lebenserfahrung bekannt sei - Schanigärten ab Oktober nur spärlich von Gästen besucht würden. Der Behörde könne (bei der gegebenen Sach- und Rechtslage) daher kein Verschulden vorgeworfen werden, wenn sie die in Rede stehenden Messungen erst für das nächstfolgende Frühjahr vorgesehen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig zurück- bzw. in eventu als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen nach in dem von ihr angenommenen Recht auf Sachentscheidung bzw. auf stattgebende Entscheidung über ihr Devolutionsbegehren verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, die Beschwerde müsse aus Gründen der Wahrung von Amtshaftungsansprüchen erhoben werden. Die belangte Behörde habe übersehen, daß die erstinstanzliche Behörde "ohne unnötigen Aufschub" über die Sache zu entscheiden gehabt hätte. Seit Einlangen des (eine neuerliche Entscheidung auftragenden) Aufhebungsbescheides bei der Erstbehörde "am 14.2.1992" (richtig und erkennbar gemeint wohl: am 14.9.1992) habe kein Hindernis bestanden, die Schallpegelmessungen "noch im September durchzuführen". Selbst bei Einbringung des Devolutionsantrages seien die Messungen nicht "ausgeschrieben geschweige denn durchgeführt" gewesen, weil die Erstbehörde die Messungen zufolge der Rechtslage des § 148 GewO 1994 (bereits) für obsolet gehalten habe.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

§ 73 Abs. 1, 2 und 3 AVG (in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung) lauten:

"(1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

(2) Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die in Abs. 1 bezeichnete Frist mit dem Tag des Einlangens des Antrages zu laufen."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verzögerung der Entscheidung im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1982, Slg. NF. Nr. 10.758/A, u.a.). Das Fehlen eines derartigen "ausschließlichen Verschuldens" der belangten Behörde kann dann angenommen werden, wenn im Hinblick auf den Abspruchsgegenstand und die damit im Zusammenhang durchzuführenden Erhebungen sowie unter Bedachtnahme auf die Verpflichtung der Behörde zur Einräumung des Parteiengehörs die Erforderlichkeit eines über die Dauer der Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG hinausgehenden Ermittlungsverfahren erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0055).

Wie der Verwaltungsgerichtshof auch bereits wiederholt dargelegt hat, ist in einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (bzw. hier: Verfahren betreffend die Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage) im Hinblick auf dessen Abspruchsgegenstand und die damit im Zusammenhang durchzuführenden Erhebungen sowie unter Bedachtnahme auf die Verpflichtung der Behörde zur Einräumung des Parteiengehörs davon auszugehen, daß in einer Vielzahl von Fällen ein in seiner Dauer über die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG hinausgehendes Ermittlungsverfahren erforderlich ist, ein Umstand, der aber die belangte Behörde nicht ihrer Verpflichtung zu einer fallbezogenen, der Bestimmung des § 60 AVG entsprechenden Begründung der Entscheidung über einen Devolutionsantrag enthebt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. September 1988, Zl. 88/04/0059, und vom 18. April 1989, Zl. 88/04/0338).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage bedeutet dies für den Beschwerdefall, daß der angefochtene Bescheid die geforderte fallbezogene Begründung enthält. Darin hat die belangte Behörde mit nicht als unschlüssig zu erkennenden Ausführungen dargelegt, warum eine sofortige Durchführung des ergänzenden Ermittlungsverfahrens im Herbst und im Winter zu keinem tauglichen Ergebnis geführt hätte, und warum die in Rede stehenden Schallpegelmessungen sinnvollerweise erst während der wärmeren Jahreszeit durchgeführt werden sollten. Die Durchführung des ergänzenden Ermittlungsverfahrens war - entgegen den anderslautenden Beschwerdeausführungen - daher durch witterungsbedingte Gründe behindert. Bei diesem Ergebnis kann im Hinblick auf die im allgemeinen in diesem Zusammenhang zu treffenden Vorkehrungen von einem ausschließlichen Verschulden der Behörde an der Verzögerung im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG aber nicht gesprochen werden, wenn Schallpegelmessungen nicht sofort im September 1992 durchgeführt wurden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 10. März 1992, Zl. 91/07/0113).

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinVerschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994040262.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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