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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §69 Abs1 Z1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision 1. des L O, 2. des O O und 3. des O O, alle in W, alle vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen das am 29. April 2022 mündlich verkündete und mit 15. Juni 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, Zlen. 1. LVwG 70.7-994/2022-19, 2. LVwG 41.7-1216/2022-19 und 3. LVwG 41.7-1217/2022-19, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde, der Steiermärkischen Landesregierung, vom 29. Oktober 2020, wurden die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Erstrevisionswerber sowie die Erstreckung der Verleihung auf seine beiden minderjährigen Kinder, die Zweit- und Drittrevisionswerber, gemäß § 20 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) für den Fall zugesichert, dass innerhalb von zwei Jahren der Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen (nigerianischen) Staatsverband erbracht werde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache dieses Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 69 Abs. 3 AVG (zum Zeitpunkt vor der Zusicherung) wieder aufgenommen und wurden der Verleihungsantrag sowie die Erstreckungsanträge gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 iVm § 18 StbG abgewiesen (I), die Revisionswerber zum Ersatz der Dolmetschkosten verpflichtet (II) sowie eine Revision für unzulässig erklärt (III).
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Erstrevisionswerber die gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erforderliche Prüfung zum Nachweis der erforderlichen Deutschkenntnisse nicht selbst abgelegt habe und hiefür mit Urteil des „LG Graz“ (gemeint: Landesgericht für Strafsachen Graz) auch rechtskräftig wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden verurteilt worden sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 20.4.2022, Ra 2022/01/0018, mwN).
8 Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision, deren Zulässigkeitsbegründung sich im pauschalen Hinweis auf das Vorliegen einer Rechtsfrage, der „zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung“ zukomme, erschöpft (vgl. dazu etwa VwGH 3.9.2018, Ra 2018/02/0236), und deren sonstige Ausführungen ihrem Inhalt nach lediglich Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen, nicht.
9 Abgesehen davon, dass sich die Revision bereits aus diesem Grund als unzulässig erweist, ist im Hinblick auf das Revisionsvorbringen, wonach die gegenständliche Entscheidung einen rechtswidrigen Eingriff in das Familien- und Privatleben der Revisionswerber im Sinne des Art. 8 EMRK darstelle, Folgendes anzumerken:
Im vorliegenden Revisionsfall handelt es sich weder um die Konstellation eines Widerrufs der Zusicherung gemäß § 20 Abs. 2 StbG an einen Verleihungswerber, der durch die Zurücklegung seiner Staatsangehörigkeit den Unionsbürgerstatus verloren hat (sog. JY-Konstellation), noch um die Wiederaufnahme in einem Fall, in dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft erschlichen wurde (vgl. dazu jüngst etwa VwGH 20.7.2022, Ra 2022/01/0170, Rn. 17 bis 19 und Rn. 22, mwN). Die in den beiden genannten Konstellationen unionsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung war daher im vorliegenden Fall - in dem es um die Erschleichung des nach § 20 Abs. 2 StbG ergangenen Zusicherungsbescheides bzw. die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens vor der Zusicherung der Verleihung geht - von der belangten Behörde bzw. vom Verwaltungsgericht nicht vorzunehmen.
10 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. November 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010232.L00Im RIS seit
19.01.2023Zuletzt aktualisiert am
19.01.2023