TE Lvwg Beschluss 2022/5/2 VGW-101/042/4737/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.05.2022
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Entscheidungsdatum

02.05.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L00019 Landesverfassung Wien
L10109 Stadtrecht Wien

Norm

AVG §8
AVG §18 Abs4
AVG §58
WStV 1968 §30 Abs2 Z1
WStV 1968 §64 Abs4
WStV 1968 §66 Abs2
ZustG §28 Abs3
  1. AVG § 18 heute
  2. AVG § 18 gültig ab 01.01.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  3. AVG § 18 gültig von 01.03.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  4. AVG § 18 gültig von 01.01.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  5. AVG § 18 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  6. AVG § 18 gültig von 01.07.1995 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  7. AVG § 18 gültig von 01.02.1991 bis 30.06.1995
  1. ZustG § 28 heute
  2. ZustG § 28 gültig ab 01.07.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 205/2022
  3. ZustG § 28 gültig von 01.12.2019 bis 30.06.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2018
  4. ZustG § 28 gültig von 13.04.2017 bis 30.11.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 40/2017
  5. ZustG § 28 gültig von 01.01.2011 bis 12.04.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010
  6. ZustG § 28 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  7. ZustG § 28 gültig von 01.03.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  8. ZustG § 28 gültig von 01.10.1998 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  9. ZustG § 28 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 357/1990
  10. ZustG § 28 gültig von 01.03.1983 bis 31.12.1990

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch den Richter Mag. DDr. Tessar über die Beschwerde der Frau A. B. gegen das Schreiben der Bezirksvertretung C., vom 18.2.2022, Zl. S ...1/22/7, wegen Nichtzulassung eines Resolutionsantrages, den

B E S C H L U S S

I. Die Beschwerde wird gemäß § 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren liegt ein als „Beschwerde“ titulierter Schriftsatz der Beschwerdeführerin von, in welchem im Wesentlichen ausgeführt wird wie folgt:

„Ich erhebe gern Art 130 Abs 1 Z 1 iVm Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG

BESCHWERDE

an das Landesverwaltungsgericht Wien binnen offener Frist gegen den Bescheid der Bezirksvertretung vom 18.2.2022 und führe dazu aus wie folgt:

Der Bescheid wird in seinem gesamten Umfang angefochten.

1. Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit

Der Bescheid wurde mir am 18.2.2022 per E-Mail zugestellt. Die am 18.3.2022 erhobene Beschwerde ist daher rechtzeitig.

Die mir zugestellte Erklärung über die Nichtzulassung meines Antrags ist eine von einer Verwaltungsbehörde im Bereich der Hoheitsverwaltung förmlich erlassene individuelle außenwirksame Norm, also ein Bescheid, da sie meine individuelle Rechtsposition geändert hat und damit also normative Wirkung entfaltet hat.

Der Bescheid wurde von D. E. als Vorsitzender für die Bezirksvertretung C., welche gern § 8 Abs 1 Z 8 Wiener Stadtverfassung (WStV) ein Organ der Gemeinde, also eine Verwaltungsbehörde ist, erlassen. Die Beschwerde wird gertf § 12 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht.

Da sich nach Art 131 Abs 2 und Abs 3 B-VG nichts anderes ergibt, ist gern Art 131 Abs 1 B-VG das Landesverwaltungsgericht Wien zuständig.

Ein System des effektiven Rechtsschutzes ist Ausdruck des rechtstaatlichen Verfassungsprinzips. Das bedeutet - und so sieht es auch der VfGH in seiner ständigen Rechtsprechung - dass nur solche Rechtsakte bestehen bleiben können, die in Einklang mit den ihnen übergeordneten Rechtsnormen stehen (siehe zB VfSIg 2929, VfSIg 8279, VfSIg 11196). Laut der Lehre darf der Staat daher nur in Formen handeln, die Rechtsschutz gewährleisten (siehe zB Eberhard in Ennöckl et al 65 (70); Raschauer N., Investorenwarnungen, ÖZW2008, 95 (100)).

Diese Rechtsschutzüberlegungen müssen zur Zulässigkeit einer Bescheidbeschwerde führen.

2. Sachverhalt

ich bin Mandatarin in der Bezirksvertretung C. für die Partei X.. In dieser Funktion habe ich am 17.02.2022 einen Resolutionsantrag mit der Nummer S...1/22 eingebracht. Der Antragstext lautete:

„Die Bezirksvertretung C. spricht sich gegen die Polizeirepressionen gegenüber Klimaaktivist*innen des Lobau-Protestcamps aus.“

Mir wurde am 18.2.2022 von F. G. (Kanzleileiterin der BV C.) per E- Mail mitgeteilt, dass dieser nicht zur Abstimmung in der Bezirksvertretungssitzung am 22.2.2022 zugelassen wird. Diese Mitteilung lautete: „Im Auftrag des Vorsitzenden der Bezirksvertretung übermittle ich Ihnen nachstehend die Begründungen für die Nichtzulassung folgender Anträge bzw. Resolutionen:“

Die meinen Antrag betreffende Begründung lautete: „Das gemeinte Protestcamp richtet sich meines Wissens gegen die „Stadtstraße“ und nicht gegen den „Lobautunnel“ oder gar gegen die Lobau. Die Räumung dieses Camps - unabhängig Ihrer/unserer/meiner persönlichen Meinung zum Thema des Protestes - als Polizeirepressionen zu betiteln, halte ich für fragwürdig.“

Der Antrag wurde in Folge in der Bezirksvertretungssitzung nicht behandelt.

3. Beschwerdegründe

-Passives Wahlrecht - Ausübung des Mandats

Die Ablehnung meines Resolutionsantrags verletzt mein passives Wahlrecht zur Bezirks Vertretung nach § 61 a WStV. Das passive Wahlrecht umfasst nach hL nicht nur das Recht zur Wahl anzutreten, sondern auch als gewählte Mandatarin dieses Amt auch auszuüben (Berka et. al, Verfassungsrecht 2019: 778). „Ansonsten könnte dieses Recht durch Aushöhlung inhaltlos werden und seine Bedeutung verlieren.“, so Berka ’ (2019: 778).

Als deutsche Staatsangehörige und damit Unionsbürgerin übe ich durch mein Amt als Bezirksrätin auch mein Recht auf aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen gern Art 40 GRC aus.

Nach § 24 Abs 1 der Geschäftsordnung der Bezirksvertretung (GO-BV) iVm § 104 WStV habe ich das Recht, Anträge an die Bezirksvertretung zu stellen. Laut Krasa/Pollak (2008: Kommentar § 19 GO-BV) gelten die Bestimmungen über Anträge auch für Resolutionsanträge.

Durch die Nichtzulassung meines Resolutionsantrags wurde daher mein passives Wahlrecht verletzt, da ich dieses nicht frei ausüben kann, wenn meine Anträge ohne Rechtfertigung nicht zur Verhandlung zugelassen werden.

-        Mangelnde Begründung der Nichtzulassung des Antrags

Die Begründung mit der mein Antrag für unzulässig erklärt wurde, ist mangelhaft und unschlüssig. Das dort erwähnte Protestcamp richtet sich sehr wohl gegen den Lobautunne! (siehe zB die Informationen dazu unter httpsV/lobaubleibt.at/warum/). ferner ist der Name „Lobau-Protestcamp” ein selbstgewählter Eigenname der Protestbewegung (vgl. Medienberichterstattung sowie https://lobaubleibt.at). Der Hinweis darauf ist also erstens faktisch falsch und zweitens ist nicht ersichtlich, was die Tatsache, ob sich das Protestcamp gegen den Lobautunnel richtet oder nicht, mit der Zulassung zu Bezirksvertretungssitzung zu tun hat.

Weiters fehlt auch jeder Hinweis darauf, welche rechtliche Relevanz betreffend die Zulassung oder Nichtzulassung eines Antrags der Hinweis hat, die Räumung als „Polizeirepression" zu betiteln sei „fragwürdig“. Dies ist inhaltlich nicht nachvollziehbar, da die Räumung erstens durch die Polizei vorgenommen wurden und zweitens diese in ihrer repressiven Funktion tätig war (im Gegensatz zu ihrer präventiven Funktion). Siehe zu diesen Funktionen der Sicherheitsbehörden zB auch Zerbes, Spitzeln, Spähen, Spionieren (2010) 243 f. Es mag sein, dass der Begriff der Repression negativ belegt ist, und in diesem Sinne ist auch mein Antrag zu lesen, nichtsdestotrotz ist er zweifelsfrei für das Polizeivorgehen auch der (wissenschaftlich) korrekte Begriff. Würde der Antrag zugelassen werden, könnten diese Argumente öffentlich vorgebracht werden, Teil der Debatte in der Bezirksvertretungssitzung werden und stünde es allen Mandatar*innen frei für oder gegen den Antrag zu stimmen. Rechtlich komplett ohne Deckung und daher behördliche Willkür ist es allerdings, mit dieser Art der politischen Argumentation eine Nichtzulassung zu begründen.

-        Fehlende Bescheidteile

Zudem ist der Bescheid rechtswidrig, da er nicht gern § 58 Abs 1 AVG als Bescheid bezeichnet ist, und er keine Rechtsmittelbelehrung enthält.

4.       Anträge

Aus diesen Gründen stelle ich die

ANTRÄGE,

das Landesverwaltungsgericht Wien möge

1.       den angefochten Bescheid ersatzlos aufheben,

2.       die Sache zur Erledigung an die zuständige Behörde zurückverweisen und

3.       eine mündliche Verhandlung durchführen“

Dieser „Beschwerde“ beigeschlossen war ein Resolutionstext der Beschwerdeführerin zur Bezirksvertretersitzung vom 22.2.2022, welcher wie folgt lautet.

„Die Bezirksvertretung C. spricht sich gegen die Polizeirepressionen gegenüber KlimaaktivisPinnen des Lobau-Protestcamps aus.

Begründung

C. ist Menschenrechtsbezirk, das schließt die Rechte von Kindern und Jugendlichen, unter dem Punkt „Kinder- und Jugendrechte“ genauso ein, wie alle anderen Generationen auch. Ferner ist das Protestieren und Demonstrieren gegen Maßnahmen und Entscheidungen seitens Regierungen ebenfalls ein Menschenrecht - zum Beispiel bezogen auf die Punkte „Recht auf freie Meinungsäußerung" und „Recht auf politische Mitbestimmung“. Es ist ein zentraler Grundpfeiler unserer Demokratie, den es zu verteidigen gilt.

Die Klimaaktivist*innen und Demonstrant*innen, von denen wahrscheinlich einige auch C.*innen sind, haben am 1. Februar 2022 gegen den Baubeginn der Stadtstraße und den Abriss des Protestcamps in der Hausfeldstraße, der „Wüste“, protestiert. Dies stieß auf unverhältnismäßige Gewaltüberschreitungen seitens der Polizei durch den Einsatz von Pfefferspray und körperlicher Gewalt. Klimaprotest und -Aktivismus ist allerdings kein Verbrechen, die Aktivistinnen kämpfen für ihre Zukunft und unser aller Zukunft. Sie machen so auch von ihrem Menschenrecht „Recht auf eine saubere Umwelt“ und eine „nachhaltige Entwicklung“ der Stadt gebrauch. Dem folgten falsche Medienberichterstattungen, in denen zum Beispiel vom Einsatz von Pfefferspray der DemonstranPinnen gegen Polizist*innen die Rede war, was allerdings auf ein versehentliches Selbstansprühen des Polizisten zurückzuführen ist und NICHT auf die Aktivistinnen.

Neben dem „Recht auf Schutz vor Gewalt", wurde hier unter anderem gegen das „Recht auf Sicherheit für Kinder und Jugendliche“ verstoßen. Die Drohungen, in Form von Klagsdrohungen, seitens der Stadt Wien ausgesprochen, zusammen mit den anschließenden Polizeirepressionen und Willkürlichen Hausbesuchen von Polizist*innen bei Minderjährigen, ist weder ein „begegnen auf Augenhöhe“ von dem Ulli Sima immer spricht, noch schafft es einen sicheren Ort zum Leben und zur Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs.

Als Menschenrechtsbezirk ist es unsere Aufgabe auf die Einhaltung dieser Punkte zu achten und bei Missachtungen darauf aufmerksam zu machen.“

Weiters war der „Beschwerde“ eine am 18.2.2022 von Frau F. G. in ihrer Eigenschaft als Kanzleileiterin an einen nicht näher bestimmten Adressatenkreis versendete Email, in welcher ausgeführt wird wie folgt:

„On Fri, 18 Feb 2022 at 14:55, G. F.

<F..G.@wien.Qv.at<mailto:F..G.@wien.av.at» wrote:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Auftrag des Vorsitzenden der Bezirksvertretung übermittle ich Ihnen nachstehend die Begründungen für die Nichtzulassung folgender Anträge bzw. Resolutionen:

S...6/22:

Die Bezirksvorsteherin ist nur im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die formal richtige Adressatin.

S...7/22:

Die Bezirksvorsteherin ist nur im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die formal richtige Adressatin.

S...9/22:

Die Bezirksvorsteherin ist nur im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die formal richtige Adressatin.

S...87/22:

Siehe Stellungnahme der MD-Recht.

S...3/22:

Die Durchführung einer Bürgerbefragung liegt gemäß Wiener Stadtverfassung nicht im Zuständigkeitsbereich der Bezirksvorsteherin. Somit kann sie auch nicht Antragsadressat in dieser Angelegenheit sein.

S...2/22:

Seitens der Stadt Wien wird diese Infrastruktur von Wien-Energie bereitgestellt. Wien- Energie ist kein Organ der öffentlichen Verwaltung und kann somit kein Antragsadressat sein.

S...8/22:

Angelegenheiten, die außerhalb der der Bezirksvorsteherin als Organ zugeordneten Aufgaben angesiedelt sind, können nicht per Antrag gemäß § 104 WStV an sie gerichtet werden.

S...42/22:

Der Antragsadressat kann nicht die Anzahl von Selbstverteidigungskursen forcieren. Entsprechende Kursangebote müssten von Anbietern (z.B. VHS, Vereine, etc.) kommen, diese könnten dann gefördert werden.

S...73/22:

Die Stadträtin ist keine Botengängerin für außerhalb Ihrer Kompetenzen liegende Angelegenheiten.

S...32/22:

Siehe Stellungnahme der MD-Recht.

S...43/22:

Das Maßnahmenziel liegt außerhalb des Wrkungsbereiches der Gemeinde, daher ist keine Organbotenbeauftragung als Botengänger möglich.

S...1/22:

Das gemeinte Protestcamp richtet sich meines Wissens gegen die „Stadtstraße“ und nicht gegen den „Lobautunnel“ oder gar gegen die Lobau. Die Räumung dieses Camps - unabhängig Ihrer/unserer/meiner persönlichen Meinung zum Thema des Protestes - als Polizeirepressionen zu betiteln, halte ich für fragwürdig.

S...07/22:

Diese Forderung wäre nur durch legistische Änderung des Mietrechtsgesetzes und des Richtwertgesetzes umsetzbar(lt. § 104 WStV)

S...23/22:

Der Terminus technicus „Bürgerbefragung“ findet sich weder in der WStV, noch in der GO- BV bzw. GEM wider. Dadurch ist nicht erkennbar, welches Organ der Stadt Wien mit dieser Forderung angesprochen werden soll.

S...27/22:

Der Terminus technicus „Bürgerbefragung“ findet sich weder in der WStV, noch in der GO- BV bzw. GEM wider. Dadurch ist nicht erkennbar, welches Organ der Stadt Wien mit dieser Forderung angesprochen werden soll.

Mit freundlichen Grüßen

[…]

F. G. Kanzleileiterin

Wien, …

Telefon +43 1 4000 … Fax +43 1 4000 99 …

Mail    F..G.@wien.gv.at<mailto:F..G.@wien.gv.at>“

Im Zuge der Beschwerdevorlage wurde von der Bezirksvorstehung C. eine ununterfertigte Stellungnahme von Herrn D. E. vom 4.4.2022 übermittelt, welche wie folgt lautet:

„Stellungnahme zur Beschwerde vom 18. März 2022 von Frau Bezirksrätin A. B.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zur Beschwerde vom 18. März 2022 von Frau Bezirksrätin A. B. gebe ich folgende Stellungnahme ab:

Am 18.02.2022 übermittelte Frau G. F., Kanzleileiterin der Bezirksvorstehung C., in meinem Auftrag als Vorsitzender der Bezirksvertretung fristgerecht und somit konform mit der Geschäftsordnung der Bezirksvertretungen bzw. der Wiener Stadtverfassung per Email die Begründungen für die Nichtzulassung von Anträgen bzw. Resolutionen an die Klubvorsitzenden der Bezirksvertretung C..

Festhalten möchte ich auch, dass ich als Vorsitzender den betreffenden Resolutionsantrag S...1/22 nicht „abgelehnt" habe - wie die Beschwerdeführerin im Punkt 3 anführt, sondern diesen als nicht zulässig beurteilt habe.

Meines Wissens handelt es sich bei der Übermittlung der Begründung für die Nichtzulassung von Anträgen bzw. Resolutionen nicht um einen Bescheid, da laut Geschäftsordnung der Bezirksvertretungen die Klubvorsitzenden zu informieren sind und nicht die Antragstellerin selbst, wobei wir in C. freiwillig auch den einzelnen Bezirksrät*innen der Kleinparteien X., Y. und Z. diese Informationen zukommen lassen.

Für nähere Auskünfte stehe ich Ihnen gerne jederzeit unter +43 … oder D..E.@chello.at zur Verfügung.“

Weiter wurde ein mit 12.4.2022 datierter Schriftsatz des Verfassungsdienstes der Magistratsdirektion des Magistrats der Stadt Wien beigeschlossen, aus welchem wie folgt hervorgeht:

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender der Bezirksvertretung!

Mit Schreiben vom 22. März 2022 wurde die MDR durch den Vorsitzenden der Bezirksvertretung des ... Wiener Gemeindebezirkes ersucht, bezüglich einer Beschwerde, die sich gegen die Nichtzulassung eines Resolutionsantrages richtet, eine rechtliche Überprüfung durchzuführen. Dazu teilt die MDR Folgendes mit:

Ausgangslage

1. Ausführungen der beteiligten Personen:

Nach den Angaben in der gegenständlichen, auf „Art. 130 Abs 1 Z 1 i. V. m. Art. 132 Abs 1 Z1 B-VG" gestützten, sich „gegen den Bescheid der Bezirksvertretung vom 18. Februar 2022" gerichteten „Beschwerde" an das Verwaltungsgericht Wien, welche am 18. März 2022 rechtszeitig erhoben worden sei, habe die „Beschwerdeführerin", Frau A. B., Bezirksrätin in der Bezirksvertretung des ... Wiener Gemeindebezirkes, am 17. Februar2022 einen Resolutionsantrag zur Zahl S...1/22 eingebracht. Die Kanzleileiterin der Bezirksvorstehung für den ... Wiener Gemeindebezirk habe ihr daraufhin - am 18. Februar 2022 - per E-Mail mitgeteilt, dass dieser Antrag nicht zur Abstimmung in der Bezirksvertretungssitzung am 22. Februar 2022 zugelassen werde. Dabei handle es sich um einem vom Vorsitzenden der Bezirksvertretung für den ... Wiener Gemeindebezirk, Herrn D. E., unterfertigten Bescheid. Die Bezirksvertretung sei ein Organ der Gemeinde, also eine Verwaltungsbehörde. Der Antrag sei in der Folge in der Bezirksvertretung nicht behandelt worden.

Mit Schreiben vom 4. April 2022 teilte der Vorsitzende der Bezirksvertretung des ... Bezirkes (und Stellvertreter der Bezirksvorsteherin) der MDR mit, dass die Kanzleileiterin der Bezirksvorstehung für den ... Wiener Gemeindebezirk am 18. Februar 2022 in seinem Auftrag fristgerecht per E-Mail die Begründungen für die Nichtzulassung von Anträgen bzw. Resolutionen an die Klubvorsitzenden übermittelt habe. „Abgelehnt" habe er als Vorsitzender den gegenständlichen Resolutionsantrag entgegen den Ausführungen der „Beschwerdeführerin" nicht, sondern diesen als nicht zulässig beurteilt. Laut Geschäftsordnung der Bezirksvertretungen seien die Klubvorsitzenden zu informieren und nicht die Antragstellerin selbst. Freiwillig würden jedoch u. a. auch der „Beschwerdeführerin", als Angehörige einer Kleinpartei, diese Informationen übermittelt werden. Ein Bescheid liege nicht vor.

2. E-Mail vom 18. Februar 2022:

Die einen integrierenden Bestandteil dieser „Beschwerde" bildende E-Mail ist mit „Fri, 18 Feb 2022 at 14:55" datiert. Als Absenderin scheint „G. F." auf, deren Name - in der Form „F. G." und mit dem Zusatz „Kanzleileiterin" - auch an das Ende dieser E-Mail gestellt wurde. Eingeleitet wird die E-Mail mit „Im Auftrag des Vorsitzenden der Bezirksvertretung übermittle ich Ihnen nachstehend die Begründungen für die Nichtzulassung folgender Anträge bzw. Resolutionen". Teil der E-Mail ist auch die der Zahl „S...1/22" nachgestellte Wortfolge „Das gemeinte Protestcamp richtet sich meines Wissens gegen die ,Stadtstraße' und nicht gegen den „Lobautunnel“ oder gar gegen die Lobau. Die Räumung dieses Camps - unabhängig Ihrer/unserer/meiner persönlichen Meinung zum Themas des Protestes - als Polizeirepression zu betiteln, halte ich für fragwürdig."

Rechtliche Beurteilung

Es stellt sich die Frage, ob aus der eben geschilderten Ausgangslage der Schluss einer bescheidförmigen Erledigung gezogen werden kann. Mangels anderer Anhaltspunkte kommt als zu beurteilender Akt nur die E-Mail von Frau Kanzleioberkommissärin F. G. vom 18. Februar 2022 in Frage, welche ,[i]m Auftrag des Vorsitzenden der Bezirksvertretung" u. a. zu gegenständlichem Resolutionsantrag eine Begründung „für die Nichtzulassung" übermittelte.

Der hier angesprochene Vorsitzende der Bezirksvertretung wird gemäß § 61b Abs. 3a Wiener Stadtverfassung (WStV), genauso wie seine zwei Stellvertreter, von der Bezirksvertretung aus ihrer Mitte auf die Dauer von fünf Jahren gewählt, wobei er und der eine Stellvertreter von der stärksten, der andere Stellvertreter hingegen von der zweitstärksten wahlwerbenden Partei der Bezirksvertretung vorzuschlagen ist. Dass die Wahl der Vorsitzführung eines allgemeinen Vertretungskörpers durch diesen selbst keine rechtliche Besonderheit darstellt, wird anhand der Bestimmungen der §§ 23 und 122 WStV, denen zufolge die (vier) Vorsitzenden des Wiener Gemeinderates sowie die (drei) Präsidenten des Wiener Landtages jeweils aus deren Mitte gewählt werden, deutlich. Auch die drei Präsidenten des Nationalrates werden aus dessen Mitte gewählt (vgl. Art. 30 Abs. 1 Bundes- Verfassungsgesetz - B-VG). Die Mitglieder der jeweiligen Vertretungskörper haben es somit, im Unterschied zu den Bestellungsmodalitäten anderer mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteter Organe, in der Hand, jene Personen, die die Verhandlungen bzw. Geschäfte dieser Vertretungskörper leiten sowie die Sitzungspolizei wahrnehmen bzw. damit zusammenhängende Entscheidungen treffen, unmittelbar selbst zu bestimmen.

Gemeinsam ist den Leitungsorganen eines allgemeinen Vertretungskörpers dabei auch, dass deren Entscheidungen keiner rechtlichen Kontrolle durch eine andere Stelle unterliegen. So hielt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits im Jahr 1955 fest,1 dass es sich bei der Erteilung des Wortes, der Erklärung der Verhandlung für geschlossen und bei der Anordnung des Schreitens zur Abstimmung nicht um Verwaltungsakte, die dem Begriff des Bescheides (und der ihm gleichgestellten faktischen Amtshandlung) zuzuordnen seien, handle, sondern um Vorgänge im Bereich der Willensbildung eines Kollegialorgans. Die erwähnten Maßnahmen des Vorsitzenden könnten, so der VfGH weiter, von den Mitgliedern nicht in einem Verwaltungsverfahren bekämpft und daher auch nicht mit einer Beschwerde vor dem VfGH angefochten werden. Vorgänge, die sich auf den internen Akt der Willensbildung des Gemeinderates beziehen würden, könnten daher an sich nicht unter dem Gesichtspunkt des Bescheides einer Verwaltungsbehörde bzw. der von einer Verwaltungsbehörde ausgehenden faktischen Amtshandlung von dem von dem Vorgang betroffenen Mitglied des Gemeinderates mit einer Beschwerde angefochten werden.

Eine Verletzung subjektiver Rechte (vgl. Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) von Mitgliedern allgemeiner Vertretungskörper scheidet in diesem Zusammenhang daher aus.

Nichts Anderes kann bei Zulässigkeitsentscheidungen der angesprochenen Leitungsorgane gelten, bei welchen z. B. der Präsident des Nationalrates kurze mündliche Anfragen von Abgeordneten an die Mitglieder der Bundesregierung, welche die vorgeschriebenen Bedingungen des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 (GOG-NR) nicht erfüllen, „an den anfragenden Abgeordneten zurückstellt" (§95 Abs. 1 und 2GOG-NR). Auch über die Zulassung von ,,kurze[n] Fragen aus dem Bereich der Gemeindeverwaltung" bzw. „aus dem Bereich der Vollziehung des Landes" entscheidet der Vorsitzende bzw. Präsident - nach Anhörung der Präsidialkonferenz,2 ohne dass diese Entscheidung einer (rechtlichen) Überprüfung zugänglich wäre.

In diesem Sinne ist es nur folgerichtig, dass die hier interessierende Aufgabe des Vorsitzenden der Bezirksvertretung, gemäß § 1 Abs. 3 zweiter Satz Geschäftsordnung der Bezirksvertretungen (GO-BV), sofern er beabsichtigt, eine Angelegenheit nicht zur Beratung und Beschlussfassung zuzulassen, darüber spätestens am zweiten Tag vor der Sitzung die Klubvorsitzenden mit Begründung zu informieren, eben in der Art und Weise einer (bloßen) Information konzipiert ist. Es liegt in der alleinigen politischen Verantwortung des Vorsitzenden, über die Zulässigkeit eines Resolutionsantrages zu entscheiden. Die Überprüfung durch eine andere Stelle ist nicht möglich.

Abgesehen davon ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der verfassungsrechtlichen Grundlage einer Bescheidbeschwerde, dass im vorliegenden Fall eine Anfechtung vor dem Verwaltungsgericht ausscheidet: Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.4 Bereits von Verfassungswegen ist daher festgelegt, dass nur der Bescheid einer Verwaltungsbehörde zulässiger Gegenstand einer Bescheidbeschwerde im Sinne von Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (bzw. der §§ 7 und 9 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) sein kann. Dass der fraglichen Verwaltungseinrichtung Behördenqualität zukommen muss, um den verfassungsrechtlichen Bescheidbegriff zu erfüllen, lässt sich aber bereits seit jeher aus einer an die B-VG-Novelle 1925, die den Begriff „Bescheid" in das B-VG einführte, angelehnten historischen Interpretation schließen. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgesetzgeber den Bescheid in den Ausprägungen der damals schon erlassenen Verwaltungsverfahrensgesetze vor Augen hatte, welche auf einen hoheitlichen Akt einer Verwaltungsbehörde rekurrierten.

Es genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen - und damit auch den Voraussetzungen einer an das Verwaltungsgericht gerichteten Bescheidbeschwerde - daher nicht, dass (irgendein) Verwaltungsorgan Urheber des fraglichen Aktes ist. Darüber hinaus muss es in der Rechtsordnung zumindest eine auf dieses Verwaltungsorgan bezogene Ermächtigung zu hoheitlichem Handeln geben. Individuelle „Entscheidungen" von Verwaltungseinrichtungen, die nicht einmal in abstracto zur Erlassung von Bescheiden befugt sind, sind daher keine Bescheide gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

Die Bezirksvertretung ist zwar - siehe § 8 Abs. 1 Z 8 WStV - ein Verwaltungsorgan. Weder der Vorsitzende der Bezirksvertretung noch die Bezirksvertretung selbst werden aber durch irgendeine Rechtsvorschrift ermächtigt, Bescheide zu erlassen.

Mangels Vorliegens eines Anfechtungsgegenstandes - eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde - muss auf sonstige Voraussetzungen einer Bescheidbeschwerde im Sinne von Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG genauso wenig näher eingegangen werden wie auf das weitere Vorbringen der „Beschwerdeführerin" oder auf die Frage, ob diese - da nicht Klubvorsitzende - angesichts der oben zitierten Bestimmung des § 1 Abs. 3 zweiter Satz GO-BV über die beabsichtigte Nichtzulassung überhaupt hätte informiert werden müssen.“

Seitens der Beschwerdeführerin wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, von welcher aber gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abzusehen war.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Im gegenständlichen Fall wird von der Beschwerdeführerin, welche unbestritten Bezirksrätin der Bezirksvertretung C. ist, ein ihr im Emailwege durch eine Kanzleikraft der Bezirksvertretung übermitteltes Schreiben als Bescheid qualifiziert, und diese im Beschwerdewege angefochten.

Tatsächlich ist dieses Schreiben aber nicht als ein Bescheid zu werten, sodass dieses daher auch nicht im Beschwerdewege bei einem Verwaltungsgericht angefochten werden kann.

Zu diesem Ergebnis hat man aus folgenden Gründen zu gelangen:

1) Nichterfüllung der gesetzlichen Erfordernisse für die Zustellung eines Bescheids:

Unbestritten wurde das bekämpfte Schreiben nicht als Schriftstück im Wege der Post oder im Wege einer Eigenhandzustellung der Beschwerdeführerin zugemittelt. Vielmehr erfolgte die Übermittlung im Wege einer Email, daher im elektronischen Wege.

Die elektronische Zustellung von Behördenschriftstücken wird durch die §§ 28ff ZustellG geregelt. Demnach hat eine elektronische Zustellung im Wege der Hoheitsverwaltung auf eine der in § 28 Abs. 3 ZustellG gebotenen Weisen zu erfolgen. Offenkundig erfüllt die gegenständliche Email keine einzige der alternativ gesetzlich für elektronische Zustellungen als zulässig eingestuften Übermittlungsarten.

2) kein Vorliegen eines, einer Person subjektiv-öffentliche Rechte einräumenden Verwaltungsverfahrens:

Der Erlassung eines Bescheids liegt stets ein Verwaltungsverfahren zugrunde, durch welches einer Person subjektiv-öffentliche Rechte eingeräumt werden.

Es ist daher zu prüfen, ob einer Bezirksrätin ein subjektiv-öffentliches Recht i.S.d. § 8 AVG dahingehend zukommt, dass über deren Anliegen, dass deren Resolutionsentwurf auf die Tagesordnung einer Bezirksvertretungssitzung gebracht werde, dann mit Bescheid abgesprochen wird, wenn diesem Anliegen nicht vom Vorsitzenden der Bezirksvertretung entsprochen wird.

Dazu ist zu bemerken, dass die Wr. Stadtverfassung zwar die Existenz von Bezirksvertretungen vorsieht, aber die Rechtsstellung der Mitglieder einer Bezirksvertretung nicht regelt. Im § 66 Abs. 2 Wr. Stadtverfassung wird sogar normiert, dass unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen die Mitglieder der Bezirksvertretung, und damit auch deren Vorsitzender, nicht durch die Mitglieder der Bezirksvertretung selbst, sondern NUR durch den Gemeinderat abgesetzt werden können.

Gegenständlich von Relevanz ist zudem die Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 Wr. Stadtverfassung, wonach in der Geschäftsordnung des Gemeinderats insbesondere auch die Rechte und Pflichten der Mitglieder des Gemeinderats zu regeln sind.

Eine solche Regelung findet sich nun aber in der Wr. Stadtverfassung im Hinblick auf die gemäß § 64 Abs. 4 Wr. Stadtverfassung vom Gemeinderat zu beschließende Geschäftsordnung der Bezirksvertretungen nicht.

Zudem findet sich auch in der vom Gemeinderat beschlossenen Geschäftsordnung für die Bezirksvertretungen, ABl. 2001/29a i.d.F. ABl 2013/52, keine Bestimmung, welche einem Bezirksrat bestimmte individuell durchsetzbare Rechte einräumen würde.

Dazu kommt, dass die Bestimmung des § 1 Abs. 3 Geschäftsordnung für die Bezirksvertretungen, ABl. 2001/29a i.d.F. ABl 2013/52, ausdrücklich normiert, dass der/die Vorsitzende der Bezirksvertretung darüber entscheiden kann, dass eine bestimmte Angelegenheit nicht zur Beratung und Beschlussfassung zugelassen wird. Über diese Entscheidung sind ausdrücklich nur die Klubvorsitzenden, und damit nicht einmal die BezirksrätIn, welche den jeweiligen Antrag auf Behandlung oder Beschlussfassung einer bestimmten Angelegenheit eingebracht hat, zu informieren. Damit ist aber auch evident, dass eine BezirksrätIn, welche einen Antrag auf Behandlung oder Beschlussfassung einer bestimmten Angelegenheit eingebracht hat, und deren Antrag vom/von der Vorsitzenden der Bezirksvertretung nicht zur Beratung und/oder Abstimmung zugelassen wurde, keinerlei Parteistellung im Hinblick auf diese Ablehnungsentscheidung zukommt.

Mangels Parteistellung kommt der Beschwerdeführerin daher auch aus diesem Grunde nicht das Recht zu, diese Entscheidung im Beschwerdewege zu bekämpfen.

3) Nichterfüllung der Formalvoraussetzungen für das Vorliegen eines Bescheides:

Nach der verwaltungsgerichtlichen Judikatur liegt ein hoheitlicher Verwaltungsakt dann vor, wenn durch diesen Akt nach objektiven Kriterien bei Zugrundelegung der Maßfigur eines typischen Normadressaten ein Behörden- bzw. Gerichtswille zum Ausdruck gebracht wird.1

Nach herrschender Auffassung vermag „der Mangel der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid … für sich allein einer Erledigung den rechtlichen Charakter eines Bescheids … nicht zu nehmen, wenn sich der Inhalt der Erledigung in eindeutiger Weiser als eine Entscheidung oder Verfügung, durch die Rechtsverhältnisse festgestellt oder begründet werden sollen, darstellt.“ Damit müssen auch formlos erlassene Verwaltungsakte jeweils daraufhin geprüft werden, ob sie inhaltlich den Merkmalen des Bescheidbegriffs entsprechen.2

Durch Judikatur und Lehre wurden nachfolgende Merkmale für das Vorliegen eines Bescheids entwickelt:3

         1) ausdrückliche Bezeichnung als „Bescheid“

         2) Bezeichnung der Behörde

         3) Datum

         4) Adressat

         5) Spruch

         6) Begründung

         7) Rechtsbelehrung

         8) Unterschrift

Zum Bescheidmerkmal des „Spruchs“ sei darauf hingewiesen, dass „der Spruch des Bescheids den Inhalt der mit dem Bescheid erlassenen Norm (wiedergibt)“. Da nur der Spruch rechtliche Geltung erlangt, muss dieser entsprechend bestimmt sein. Für die Bestimmtheit genügt aber bereits eine inhaltlich bestimmte Verweisung auf ein anderes Dokument. Durch den Spruch wird die „in Verhandlung stehende Angelegenheit“ erledigt.4

Das AVG bestimmt ausdrücklich, dass der Spruch des Bescheids besonders zu bezeichnen oder von den übrigen Teilen des Bescheidinhalts (insb von der Begründung) in besonderer Weise zu trennen sei. Der Umfang des Prozessgegenstands, der im Spruch zu erledigen ist, ergibt sich allenfalls im Zusammenhang mit den von den Parteien gestellten Anträgen. Die Hauptfrage ist grundsätzlich im Spruch zur Gänze zu erledigen; dazu gehören auch alle den Prozessgegenstand betreffenden Parteianträge. Diese sind im Spruch – bei sonstiger Rechtswidrigkeit – uno actu einer meritorischen oder prozessualen Erledigung zuzuführen. Mit der Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrags gelten Einwendungen als miterledigt.“5

Als wesentliche Fehler, die zur absoluten Nichtigkeit eines (erlassenen) „Bescheids“ führen, sind die mangelnde Behördenqualität bzw Nichterkennbarkeit der „bescheiderlassenden“ Stelle, die mangelnde Ermächtigung der den Akt genehmigenden Person, für die Behörde durch die Erlassung von Bescheiden tätig zu werden, das Fehlen des Namens des Genehmigenden, das Fehlen der ordnungsgemäßen Fertigung i.S.d. § 18 Abs. 4 AVG, das Fehlen eines normativen Gehalts (Spruch) des Akts und das Fehlen eines Adressaten anzusehen.6

Nach all diesen Rechtssätzen ist zu folgern, dass es sich bei dem gegenständlichen Schreiben um keinen gegen die Beschwerdeführerin erlassenen Bescheid handelt.

Das beginnt schon damit, dass dieses Schreiben entsprechend der Vorgabe des § 1 Abs. 3 Geschäftsordnung für die Bezirksvertretungen nur an die Klubobleute zu richten war, und daher die gegenständliche Übermittlung des Schreibens lediglich als eine (keinerlei Rechtswirkungen auslösende) Information einzustufen ist.

Weiters fehlt es an den Bescheidmerkmalen 1) ausdrückliche Bezeichnung als „Bescheid“, 2) Bezeichnung der Behörde, 3) Datum, 5) Spruch, 6) Begründung, 7) Rechtsbelehrung und 8) Unterschrift.

Vom Nichtvorliegen eines Spruchs ist schon deshalb auszugehen, da entsprechend der Vorgabe des § 1 Abs. 3 Geschäftsordnung für die Bezirksvertretungen mit dem gegenständlichen Schreiben weder eine Rechtslage geschaffen noch festgestellt wurde, sondern nur eine beabsichtigte Vorgangsweise zur Kenntnis gebracht wurde.

Zudem handelte es sich bei der Person, welche das Schreiben versendet hat, und deren Name auf dem Schreiben steht, um eine Person, welche nicht zur Approbation von Bescheiden befugt ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

1  Auch ein bloß als Mitteilung bezeichnetes Schreiben hat eine Bescheidqualität, wenn die Behörde durch dieses die Rechte des Adressaten gestalten will. Dies wird etwa bejaht, wenn jemand einen Feststellungsantrag im Hinblick auf ein behauptetes Recht eingebracht hat, und dieser Antrag nur durch ein (ausdrücklich nicht als Bescheid eingestuftes) formloses Schreiben behandelt wird (vgl. VfSlg. 7436/1974; 12.476/1990; VwGH 19.4.2011, AW 2001/08/0013; Stöger K., Bescheidbegriff und aufschiebende Wirkung einer VwGH-Beschwerde, ZfV 2002, 31 [33ff]). Zur Frage, welcher Inhalt bzw. welche Aussage einem von einem hoheitlichen Vollzugsorgan an einen Antragsteller gesandten Schreiben beizumessen ist, wird nach der ständigen Judikatur und herrschenden Lehre zudem nicht auf die subjektive Absicht des das jeweilige Schreiben verfassenden Organwalters, sondern auf den objektiven Aussagegehalt des Schreibens abgestellt. Maßgeblich ist daher allein wie ein typischer Adressat des Schreibens dieses Schreiben auslegt. Es entspricht nämlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass für die Bedeutung einer Aussage im Spruch einer Entscheidung weder maßgebend ist, wie sie die Behörde - im Nachhinein - verstanden wissen wollte, noch wie sie der Empfänger verstand, sondern wie ihr Inhalt objektiv nach dem Verständnis des typischen Bescheidadressaten zu verstehen ist (vgl. VwGH 24.9.2015, 2012/07/0167, mwN; 12.12.2017, Ra 2017/05/0272; 14.11.2018, Ra 2016/08/0082, vgl. in diesem Sinne auch VwGH 17.10.2018, Ra 2016/11/0093 mwN).

2  Vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (201911) Rn 387

3  Vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (201911) Rn 408ff

4  Vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (201911) Rn 412

5  Vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (201911) Rn 414

6  Vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (201911) Rn 438 - 440

Schlagworte

Bescheid; Formalvoraussetzungen; elektronische Zustellung; Übermittlungsart; subjektiv-öffentliches Recht; Parteistellung; Bezirksvertretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.101.042.4737.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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