Entscheidungsdatum
12.12.2022Index
90/02 KraftfahrgesetzNorm
KFG 1967 §103 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Koderhold über die Beschwerde des Herrn A. B., gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 04.10.2022, Zl. ..., betreffend Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) zu Recht:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 EUR (das sind 20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Zum vorangegangenen verwaltungsbehördlichen Verfahren
1.1. Die Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C. (kurz: belangte Behörde) erließ ein Straferkenntnis, datiert vom 04.10.2022, Zl. .... Darin wurde der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe in Höhe von 100,-- EUR, Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden, bestraft.
1.2. Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde das Straferkenntnis dadurch, dass der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des KFZ mit dem Kennzeichen W-... mit Schreiben der belangten Behörde vom 31.01.2022 aufgefordert worden sei, binnen zwei Wochen ab Zustellung, der belangten Behörde bekanntzugeben, wer das KFZ am 11.11.2021, 08:40 Uhr in Wien, D.-straße in Höhe ONr. 15-21, Richtung E.-Straße gelenkt habe. Da die (elektronische) Zustellung am 01.02.2022 geschehen sei und innerhalb der daran knüpfenden Frist keine Auskunft erteilt worden sei, habe die belangte Behörde die oben näher beschriebene Strafe verhängt, weil er gegen § 103 Abs 2 KFG verstoßen habe.
2. Zum Beschwerdevorbringen
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer der belangten Behörde mitgeteilt habe, ausschließlich über den Postweg behördliche Schriftstücke erhalten zu wollen. Da dies nicht geschehen sei, sei (Anm. implizit vorgebracht) die Zustellung nicht korrekt gewesen. Er könne im Übrigen keine Auskunft geben, wer das KFZ am 11.11.2021 lenkte. Er wisse auch nicht was ihm konkret vorgeworfen werde.
Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt.
3. Zum durchgeführten verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahren
3.1. Die belangte Behörde legte mittels Schreiben vom 25.10.2022, eingelangt am 04.11.2022, dem Verwaltungsgericht Wien den gesamten Verwaltungsstrafakt, mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde vor. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt. Eine solche konnte somit gemäß §§ 44 Abs 3 Z 3 VwGVG entfallen.
3.2. In der Folge stellte das Verwaltungsgericht Wien zum Thema der korrekten elektronischen Zustellung, eine Anfrage an die Bundesrechenzentrum GmbH (kurz: BRZ).
3.3. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Akt des verwaltungsbehördlichen Verfahrens sowie in die Stellungnahme des BRZ.
4. Feststellungen
4.1. Der Beschwerdeführer meldete sich am 29.01.2021 über www.oesterreich.gv.at für die elektronische Zustellung an. In den Zeiträumen vom 20.04.2021 – 15.05.2021 und vom 21.05.2021 – 18.06.2021 war der Beschwerdeführer als abwesend gemeldet. Der Beschwerdeführer war jedenfalls bis zum 30.11.2022 aktiver Teilnehmer der elektronischen Zustellung. Eine Deaktivierung fand seit seiner Anmeldung nicht statt. Die hinterlegte Emailadresse lautet: a..b.@gmail.com. Über diese Emailadresse brachte der Beschwerdeführer auch seine Beschwerde am 10.10.2022 ein.
4.2. Sämtliche (verfahrensrelevanten) behördlichen Zustellungen an den Beschwerdeführer wurden im behördlichen Verfahren von der belangten Behörde elektronisch vorgenommen. Zu diesen lagen folgende Informationen vor:
Nachricht 2022-01-31
Empfänger: B. A.
Versender: W ... PK C.
Betreff: ... – VStVF 37 – Lenkererhebung
Zustellung: 2022-01-31 16:42:32
Akzeptiert: 2022-02-01 00:13:07
Gelesen: 2022-02-01 00:13:09
Zustellqualität: RSa
Verständigungsadresse: a..b.@gmail.com
Verständigung 1: 2022-01-31 16:42:39
Die Lenkererhebung wurde am 01.02.2022 00:13:07 Uhr abgeholt.
Nachricht 2022-04-11
Empfänger: B. A.
Versender: W ... PK C.
Betreff: ... – VStVF 47 – Strafverfügung
Zustellung: 2022-04-11 12:42:08
Akzeptiert: 2022-04-11 12:46:06
Gelesen: 2022-04-11 12:46:11
Zustellqualität: RSa
Verständigungsadresse: a..b.@gmail.com
Verständigung 1: 2022-04-11 12:43:24
Die Strafverfügung wurde am 11.04.2022 12:46:06 Uhr abgeholt.
Nachricht 2022-10-04
Empfänger: B. A.
Versender: W ... PK C.
Betreff: ... – VStVF 46b – Straferkenntnis
Zustellung: 2022-10-04 12:40:06
Akzeptiert: 2022-10-04 13:38:59
Gelesen: 2022-10-04 13:39:01
Zustellqualität: RSa
Verständigungsadresse: a..b.@gmail.com
Verständigung 1: 2022-10-04 12:41:27
Das Straferkenntis wurde am 04.10.2022 13:38:59 Uhr abgeholt.
4.3. Bei sämtlichen Zustellungen wurde keine Bouncing-Mail zur Verständigung generiert. Zusätzlich lautete bei jeder Zustellung die Status-Info bei der belangten Behörde: „Elektronisch zugestellt und abgeholt“. Als Anwendung fungierte bei der belangten Behörde das PAD-MODUL1.
4.4. Die Lenkererhebung der belangten Behörde vom 31.01.2022 langte am selben Tag beim Beschwerdeführer über die elektronische Zustellung ein. Gelesen bzw abgeholt wurde diese am Folgetag. Da der Beschwerdeführer auf diese nicht antwortete, erließ die belangte Behörde sodann eine Strafverfügung, datiert vom 11.04.2022. Diese langte beim Beschwerdeführer ebenfalls über die elektronische Zustellung am selben Tag ein und wurde am Folgetag gelesen bzw abgeholt.
4.5. In der Folge stellte die belangte Behörde an den Beschwerdeführer eine Aufforderung zur Rechtfertigung zu. In seiner Stellungnahme führte der Beschwerdeführer aus, dass er einer elektronischen Zustellung niemals zugestimmt hat. Er begehrte weiters, dass ihm sämtliche künftigen behördlichen Schriftstücke auf dem Postweg zugestellt werden.
4.6. Sodann erließ die belangte Behörde das gegenständlich angefochtene Straferkenntnis, datiert vom 04.10.2022 und stellte dieses dem Beschwerdeführer über die elektronische Zustellung am selben Tag zu.
5. Beweiswürdigung
5.1. Die obigen Feststellungen ergaben sich im Wesentlichen aus dem unbedenklichen Akteninhalt der belangten Behörde. Über das Antwortschreiben des BRZ konnten darüber hinaus noch konkrete Umstände zur elektronischen Zustellung abgeleitet werden. Insbesondere leitete das Verwaltungsgericht Wien daraus ab, dass der Beschwerdeführer zu den jeweiligen Zustellzeiten als Teilnehmer der elektronischen Zustellung aktiv war. Zusätzlich gab es keine Fehlermeldungen (vgl „Bouncing-Mail“).
5.2. Die Ausführungen des Beschwerdeführers waren somit als bloße Schutzbehauptungen zu werten. Aufgrund des Umstandes, dass sämtliche verfahrensrelevanten Zustellungen sogar vom Beschwerdeführer gelesen bzw abgeholt wurden, gehen seine diesbezüglichen Ausführungen, er habe davon nichts gewusst udgl, ins Leere.
5.3. Dass der Beschwerdeführer auf die Lenkererhebung nicht reagierte, ergab sich aus dem Akt, weil dieser keine derartige Antwort enthielt. Der Beschwerdeführer behauptete auch nichts Gegenteiliges, sondern gab vielmehr an, dass er diese Auskunft nicht erteilen konnte.
6. Rechtslage
Die verfahrensrelevante Bestimmung des Kraftfahrgesetzes 1967 lautet:
§ 103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers[…].
Die wesentlichen Normen des Zustellgesetzes lauten:
BegriffsbestimmungenIm Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
[…]
[…]
7. Rechtliche Beurteilung
7.1. Der primäre verfahrensrelevante Fokus ist, ob die Zustellungen an den Beschwerdeführer gesetzesgemäß und korrekt erfolgt sind. Darauf basierend ist zu klären, ob der Beschwerdeführer seinen Pflichten aus der Lenkererhebung nachkam.
7.2. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts nahm die belangte Behörde sämtliche Zustellungen an den Beschwerdeführer im Form einer elektronischen Zustellung (§§ 28 ff ZustG) vor. Im ersten Schritt ist somit zu prüfen, ob hierfür die notwendigen Voraussetzungen vorliegen.
7.3. Auf Basis des festgestellten Sachverhalts lässt sich ableiten, dass sich der Beschwerdeführer (freiwillig) zur elektronischen Zustellung bzw zum Teilnehmerverzeichnis gemäß § 28b Abs 1 ZustG anmeldete. Sämtliche verfahrensrelevanten Zustellungen liegen zeitlich nach dieser Anmeldung und fanden ebenso nicht in Zeiten der gemeldeten Abwesenheiten statt. Eine Abmeldung von der elektronischen Zustellung bzw vom Teilnehmerverzeichnis fand zu diesen Zeiten ebenfalls nicht statt. Als elektronische Adresse fungierte die Emailadresse des Beschwerdeführers (a..b.@gmail.com).
7.4. Die Voraussetzung einer elektronischen Zustellung iSd 3. Abschnittes des ZustG ist die Anmeldung zum Teilnehmerverzeichnis bzw zu einem elektronischen Zustelldienst. Als Zustelldienst fungierte gegenständlich das BRZ. Durch diese Anmeldung gibt der Beschwerdeführer seine Einwilligung zum Empfang von Zustellstücken in elektronischer Form.
7.5. Zu klären ist weiters, ob die belangte Behörde im konkreten Fall elektronische Zustellungen der behördlichen Dokumente vornehmen durfte. Die belangte Behörde hat im ersten Schritt durch eine elektronische Abfrage des Teilnehmerverzeichnisses zu ermitteln, ob der Beschwerdeführer (1) zum Teilnehmerverzeichnis angemeldet ist und (2) ob die Zustellung nicht gemäß § 28b Abs 2 zweiter Satz ZustG (gemeldete Abwesenheiten) ausgeschlossen ist.
7.6. Da aufgrund des festgestellten Sachverhalts der Beschwerdeführer zum Teilnehmerverzeichnis angemeldet und nicht als abwesend gemeldet war, konnte eine elektronische Zustellung erfolgen. Wenn der Beschwerdeführer ausführt, dass er darauf besteht sämtliche Zustellungen nur noch in postalischer Form zu erhalten, ist festzuhalten, dass dies kein taugliches Mittel ist, um eine elektronische Zustellung zu deaktivieren. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer jederzeit die Möglichkeit gehabt sich von der elektronischen Zustellung schlichtweg abzumelden. Schließlich wären bei einer Abmeldung vom Teilnehmerverzeichnis die Voraussetzungen für eine elektronische Zustellung (mit Zustellnachweis) nicht mehr gegeben, sodass dann idR alternativ eine postalische Zustellung erfolgen hätte müssen. Da er dies jedoch nicht tat, fanden die elektronischen Zustellungen korrekt statt.
7.7. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer damit zu konfrontieren, dass er nach dem festgestellten Sachverhalt jedes einzelne verfahrensrelevante behördliche Schriftstück selbst abgeholt bzw gelesen hat. Dies unmittelbar nach Zustellung. Diese Informationen waren dem Akt deutlich zu entnehmen, insbesondere über das PAD (personal digital assistans). Damit ist im Wesentlichen die Aufnahme des Zustellnachweises in elektronischer Form gemeint. Außerdem ist festzuhalten, dass durch die Abholung jedenfalls das Dokument als zugestellt gilt (§ 35 Abs 5 ZustG). Seine diesbezüglichen Äußerungen, dass er dies nicht gewusst hätte sind ebenfalls als bloße Schutzbehauptungen zu klassifizieren. Somit ist als Ergebnis festzuhalten, dass die elektronischen Zustellungen gesetzeskonform und korrekt durchgeführt wurden.
7.8. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer das ihm vorgeworfene Delikt sowohl objektiv als auch subjektiv verletzt.
7.9. Durch die korrekte Zustellung der Lenkererhebung begann die Frist zur Auskunft am 01.02.2022 zu laufen und endete mit Ablauf des 15.02.2022. Innerhalb dieser Frist wurde aufgrund des festgestellten Sachverhalts keine Auskunft erteilt.
7.10. Die gegenständliche Auskunft ist vom Zulassungsbesitzer (dem Beschwerdeführer) zu erteilen. Benennt der Zulassungsbesitzer in der Folge eine Person, welche die Auskunft zu erteilen vermag, so hat diese die Auskunft zu erstatten (Vgl. Grundtner/Pürstl, KFG10 [2016] § 103 Anm. 22). Die Auskunft ist dabei stets vollständig und wahrheitsgemäß zu erstatten (Vgl. auch VwGH 12.10.1970, 159/70; VwGH 23.12.1989, 87/18/0117). Da der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall zum einen nicht selbst die Auskunft erteilte, aber auch keine andere Person nannte die schlussendlich die Auskunft erteilen konnte, hat er die Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG verletzt und den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 iVm. § 134 Abs. 1 KFG verwirklicht.
7.11. Gegenständlich liegt ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG vor (Vgl. VwGH 28.03.2006, 2002/03/0264), sodass zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eint