Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GewO 1973 §366 Abs1 Z4 idF 1988/399;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. Oktober 1993, Zl. VwSen - 220300/2/Kon/Fb, betreffend Übertretungen der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17. August 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt wie folgt:
"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Tatzeitpunkte 16.1.1992 und 23.1.1992 sowie für den Tatzeitpunkt 28.4.1992 als verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der B-GmbH in W zu vertreten, daß in die dort mit ha. Bescheid Ge-227/27-1980 vom 29.1.1980 genehmigte Betriebsanlage (damaliger Konsensinhaber C. B-KG.)
1)
ohne die hiefür erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung geändert wurde, indem, wie von Organen der BH Linz-Land anläßlich eines Lokalaugenscheines am 23.1.1992 festgestellt wurde, im Bereich der P-Str. (an der linken Gebäudeseite, vom Haupteingang aus gesehen) mit der Errichtung eines Zubaues begonnen wurde (es waren bereits die Fundamente ausgehoben, eine Sauberkeitsschicht betoniert und Stahlbetonköcher für die Stützen versetzt und die Bauarbeiten zum Zeitpunkt der Überprüfung voll im Gang)
2)
nach erfolgter Änderung ohne die hiefür erforderliche Genehmigung betrieben wurde, indem,
wie von Organen der BH Linz-Land anläßlich einer Überprüfung am 16.1.1992 festgestellt wurde, im Zuschneideraum konsenslos eine Späneabsauganlage errichtet wurde, die Trennwand zwischen Verkaufsraum und Zuschneideraum nicht zur Ausführung gelangte und im Verkaufsbereich die Holzprofile eine Kreissäge mit mechanischer Absaugung und Sackfilteranlage aufgestellt wurde, und weiters
wie von Organen der BH Linz-Land anläßlich eines Lokalaugenscheines am 28.4.1992 festgestellt wurde, das Betriebsgebäude auf Parzelle Nr. 1665/2, KG Pasching, gegen Nordwesten hin durch einen konsenslos errichteten Zubau erweitert wurde und in diesem Zubau und auf der der angrenzenden Freifläche die Lagerung von Gartengeräten, Blumentöpfen, Fertigzäunen, Folien, Gartenerde sowie Düngermittel erfolgte,
wodurch die Möglichkeit einer Gefährdung von Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, z.B. im Falle eines Brandes oder die Möglichkeit einer Belästigung von Nachbarn durch Lärm und Geruch durch die konsenslos errichteten und betriebenen Betriebsanlagenteile bestand.
Verwaltungsübertretungen nach:
zu 1) und 2) § 366 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 81 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973, BGBl. Nr. 50/1974 in der Fassung BGBl. Nr. 686/1991."
Über den Beschwerdeführer wurde zu 1) und zu 2) jeweils eine Geldstrafe von S 5.000,--, insgesamt S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 5 Tage) gemäß "§ 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973" verhängt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Oktober 1993 wurde über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wie folgt abgesprochen:
"Ia. Der Berufung gegen die unter Faktum 1 und Faktum 2 erlassenen Schuldsprüche wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§ 366 Abs. 1 (erster Fall) i.V.m. § 81 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 GewO 1973; § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 24 VStG.
Ib. Der Berufung gegen das Strafausmaß wird betreffend der zu
Faktum 1 verhängten Strafe insoweit Folge gegeben, als dieses auf den Betrag von 3.000,-- Schilling, die Ersatzfreiheitsstrafe auf die Dauer von 3 Tagen und der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auf 300,-- herabgesetzt werden.
Hinsichtlich der zu Faktum 2 verhängten Strafe wird der Berufung keine Folge gegeben und das Ausmaß der hiezu verhängten Strafe bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§ 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973; § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 24 VStG, §§ 16 und 19 VStG."
In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 erfasse mit dem Tatbestandsmerkmal "ändert" jede durch die erteilte Genehmigung nicht gedeckte - bauliche oder sonstige - die ursprünglich genehmigte Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 leg. cit. verändernde Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage, durch die sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 ergeben könnten. Eine Änderung liege schon dann vor, wenn mit der Errichtung der Baulichkeit begonnen worden sei. Die Strafbehörde habe nicht die Genehmigungsfähigkeit der Änderung der Betriebsanlage dahingehend zu prüfen, ob auf Grund der Änderung überhaupt oder bei Einhaltung bestimmter geeigneter Auflagen zu erwarten sei, daß eine Gefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. ausgeschlossen sei und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 leg. cit. auf zumutbares Maß beschränkt würden, sondern lediglich die Frage zu beurteilen, ob sich durch die den Gegenstand des Strafverfahrens bildende Änderung der Betriebsanlagen neue oder größere Auswirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 bis 5 ergeben könnten. Abgesehen davon, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schon die abstrakte Möglichkeit des Entstehens neuer oder größerer nachteiliger Auswirkungen die Genehmigungspflicht begründe, erachte die belangte Behörde "im vorliegenden Fall diese Möglichkeit gemessen an den Erfahrungen des täglichen Lebens als eine über die bloß theoretische Wahrscheinlichkeit hinausgehende".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer vor, die ihm vorgeworfenen baulichen Änderungen seien, insbesondere was ihre örtliche Situierung und ihr bauliches Ausmaß betreffe, so ungenau umschrieben, daß eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bestrafung auf ihre Rechtsrichtigkeit nicht genau durchgeführt werden könne. Es sei schon keine rechtmäßige Verfolgungshandlung, die die vorgeworfene Tat genau beschreiben müsse, gesetzt worden, sodaß Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Im übrigen lasse die ungenaue Beschreibung der ihm zur Last gelegten Änderungen im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land eine Überprüfung nicht zu, insbesondere insoweit als nicht erkannt werden könne, inwiefern die zur Last gelegten Änderungen nicht ohnehin durch den Betriebsanlagenänderungsgenehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. Jänner 1992 erfaßt seien. Bei Durchführung ordnungsgemäßer Ermittlungen hätte festgestellt werden können, daß keine gefährdeten Nachbarn vorhanden seien, daß Kunden nicht gefährdet würden und daß die Zubauten überhaupt Interessen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 nicht berühren könnten. Dies treffe im besonderen auf den im Spruchpunkt 1 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vorgeworfenen Zubau zu; diesbezüglich sei nur eine "marginale Bautätigkeit" festgestellt worden. Dieser festgestellte Zubau sei jedenfalls "per se" nicht gefährlich. Es hätte zu dem noch ermittelt werden müssen, wie dieser begonnene Zubau letztendlich nach Abschluß der Arbeiten beschaffen sein solle; erst die Kenntnis dieser Umstände hätte die Genehmigungspflicht des Zubaus abschließend beurteilen lassen. Selbst wenn diese Änderungen genehmigungspflichtig sein sollten, wäre diese nicht eindeutig, sodaß den Beschwerdeführer an der konsenslosen Durchführung der Änderungen kein Verschulden treffe. Bei der Instandhaltung der Späneabsaubanlage handle es sich um den bloßen Austausch einer Maschine in der bestehenden Anlage, die mit Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vom 29. Jänner 1980 genehmigt worden sei. Diesbezügliche Ermittlungen habe die belangte Behörde nicht durchgeführt. Der Austausch der Späneabsaubanlage sei nicht genehmigungspflichtig. Eine Unterlassung könne nie eine Änderung einer Betriebsanlage sein, da eine solche ein aktives Tun voraussetze. Der Vorwurf, die Trennwand zwischen Verkaufsraum und Zuschneideraum sei nicht zur Ausführung gelangt, sei jedoch eine Unterlassung, welche nicht nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 strafbar sei.
Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 - in der hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu 50.000,-- Schilling zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach deren Änderung betreibt (§ 81).
Nach § 81 Abs. 1 erster Satz leg. cit. bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.
Zufolge § 74 Abs. 2 leg. cit. dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Z. 1 bis 5 angeführten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.
Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Um den Erfordernissen der zuletzt genannten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11466/A).
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. März 1991, Zl. 91/04/0220, und die dort zitierte Vorjudikatur), bedarf nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 81 Abs. 1 GewO 1973 nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die im § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen.
Wie sich aus dem Wortlaut des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 - "ändert oder nach deren Änderung betreibt" - ergibt, enthält diese Gesetzesstelle zwei - alternative - Straftatbestände (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1994, Zl. 93/04/0087, und die dort zitierte Vorjudikatur). Bei der konsenslosen Änderung einer genehmigten Betriebsanlage ist im Verwaltungsstrafverfahren die Frage der Genehmigungspflicht der Änderung der Betriebsanlage zu prüfen. Es genügt für die Tatbestandserfüllung auch des ersten Falles des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973, daß sich durch diese erwarteten Auswirkungen der Änderung neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen usw. im Sinne des § 74 Abs. 2 ergeben können. Die Genehmigungspflicht ist immer schon dann gegeben, wenn solche Auswirkungen auf bestimmte Personen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973 oder auch bestimmte Tätigkeits- oder Sachbereiche im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 3, 4 und 5 GewO 1973 nicht auszuschließen sind. Tatbestandselement nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 ist die mit einer gewerblichen Betriebsanlage verbundene konkrete Eignung, die in der zitierten Gesetzesstelle näher bezeichneten Auswirkungen herbeizuführen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/04/0221).
Dem im angefochtenen Bescheid unter Spruchpunkt Ia. betreffend Faktum 1 (Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses der BH Linz-Land vom 17. August 1992) bestätigten Schuldspruch kann nicht entnommen werden, welche Tatumstände vorlagen, die eine Beurteilung dahin zulassen, welche der im § 74 Abs. 2 GewO 1973 genannten Interessen durch die festgestellte Änderung der Betriebsanlage beeinträchtigt werden könnten. Die belangte Behörde belastete daher diesbezüglich den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, da ein Schuldspruch nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973, um das Erfordernis des § 44a Z. 1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1994, Zl. 92/04/0214).
Auch bezüglich des weiteren im angefochtenen Bescheid unter Spruchpunkt Ia. bestätigten Schuldspruches des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17. August 1992 (Spruchpunkt 2 dieses Straferkenntnisses) haftet dem angefochtenen Bescheid eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes an.
Dieser Schuldspruch umfaßt zwei Tathandlungen zu verschiedenen Tatzeitpunkten. Beide zur Last gelegten Tathandlungen beinhalten spruchgemäß den Vorwurf des § 366 Abs. 1 Z. 4 zweite Alternative GewO 1973 ("nach der Änderung betreibt"), die spruchgemäße Umschreibung der Tathandlung für den Tatzeitpunkt 16. Jänner 1992 beinhaltet jedoch ausschließlich die Umschreibung der ersten Alternative des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 ("ändert"). Des weiteren betrifft diese Tathandlung sowohl den Vorwurf der Errichtung einer Späneabsauganlage, das Aufstellen einer Kreissäge mit mechanischer Absaugung und Sackfilteranlage sowie - ohne näheren Hinweis - den Vorwurf der Unterlassung des Aufstellens einer Trennwand. Der Spruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17. August 1992 ist daher bezüglich der als Faktum 2 bezeichneten Tathandlungen derart undeutlich, daß er den Erfordernissen des § 44a Z. 1 VStG nicht gerecht wird.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993040239.X00Im RIS seit
20.11.2000