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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BDG 1979 §75 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführres Mag. Leitner, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. März 1994, Zl. 6344/188-II/4/93, betreffend Ablehnung der Vollanrechnung von Karenzurlaubszeiten nach § 75 Abs. 3 BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Major in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich.
Mit Schreiben vom 26. August 1992 ersuchte der Beschwerdeführer um Gewährung eines Karenzurlaubes nach § 75 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) ab 1. Jänner 1993 für die Dauer von drei Jahren. Er habe sich im April 1992 um den Dienstposten des Stellvertreters des Stadtwachkommandanten der Stadtpolizei B mit der Möglichkeit der Nachfolge als Kommandant dieses Wachkörpers beworben. Die Funktion des Stellvertreters solle mit 1. Jänner 1993, die des Kommandanten mit 1. Jänner 1994 neu besetzt werden. Der Vorschlag, ihn mit jener Funktion zu betrauen, sei durch einstimmigen Gemeinderatsbeschluß angenommen worden, sodaß er mit einer Übernahme in den Dienststand der Stadtgemeinde zum 1. Jänner 1993 rechnen könne. Dies bedeute, daß er mit Ablauf des Jahres 1992 seinen Austritt aus dem Bundesdienst erklären müsse. Nach Gesprächen mit Vorgesetzten, die fast alle seiner Absicht neutral bis zustimmend gegenüber gestanden seien, sei er zur Erkenntnis gelangt, daß ihn mit der Gendarmerie, insbesondere mit dem GEK, dem er beinahe zwölf Jahre angehöre, sehr viel verbinde. Zur Gewährung des Karenzurlaubes, die Ermessenssache sei, führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, die Chance, den Dienstposten bei der Stadtpolizei B angeboten zu bekommen und vom Gemeinderat einstimmig bestellt zu werden, sei wahrscheinlich einmalig. Die erfolgreiche Tätigkeit der Stadtpolizei B in all den Jahren, die hohe Akzeptanz dieses Wachkörpers bei B Bewohner, die Aufgabe selbst, die gute soziale Stellung und der Umstand, den Beruf im Wohnort ausüben zu können, seien Faktoren, die ihn zu diesem Entschluß veranlaßt hätten. Die von einigen Gesprächspartnern im Zusammenhang mit dem ab 1. Mai 1993 in Kraft tretenden Sicherheitspolizeigesetz und der gegenwärtigen Umstrukturierung innerhalb der Gendarmerie vorgebrachten Bedenken, hätten ihn doch etwas nachdenklich gestimmt. Daher ersuche er auch um einen Karenzurlaub an. Er benötige den Karenzurlaub nicht, um irgendein waghalsiges Unternehmen zu gründen, eine artfremde Tätigkeit auszuüben oder einer finanziellen Verlockung zu folgen. Er sehe die vom BDG 1979 eröffnete Möglichkeit in seinem Fall nur so, innerhalb der erbetenen Frist eine Rückkehrmöglichkeit aus einer im Grunde gleichen beruflichen Tätigkeit zu haben. Schließlich böte der Karenzurlaub sowohl für die Stadtgemeinde B als Dienstgeber als auch für ihn als Dienstnehmer eine Chance, das tatsächliche Aufgabengebiet und die Form der Zusammenarbeit zunächst über einen bestimmten Zeitraum kennenzulernen.
Der Kommandant des GEK (damals unmittelbarer Vorgesetzter des Beschwerdeführers) bestätigte mit einer undatierten Stellungnahme die Angaben des Beschwerdeführers und die ausgezeichnete Arbeit des Beschwerdeführers (wird näher ausgeführt). Er bedauere die Absicht des Beschwerdeführers zur Stadtpolizei B. wechseln zu wollen, wofür er allerdings nach Kenntnis der im Gesuch angeführten Gründe Verständnis habe. Schließlich müsse dieses Vorhaben die Entscheidung des Beschwerdeführers bleiben. Er sei der Überzeugung, der vom Beschwerdeführer erbetene Karenzurlaub sei nicht so sehr dessen privates Anliegen. Vielmehr dürfte ihm die etwaige Rückkehrmöglichkeit zur Gendarmerie, zu der er mit Sicherheit eine sehr starke Bindung habe, wichtig sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde der Beschwerdeführer dieses vertraute Verhältnis auch dann beibehalten, sollte er tatsächlich zur Stadtpolizei wechseln. So gesehen müßte es sogar im dienstlichen Interesse liegen, dem Beschwerdeführer durch die Gewährung eines Karenzurlaubes eine Bindung zur Gendarmerie über einen bestimmten Zeitraum zu ermöglichen und für alle Fälle zumindest in der erbetenen Frist eine Rückkehrmöglichkeit zu schaffen.
Mit Bescheid vom 28. September 1992 gewährte die belangte Behörde in teilweiser Stattgebung des Ansuchens dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1993 Karenzurlaub. Sie begründete dies damit, die Gewährung des Karenzurlaubes in der vom Beschwerdeführer erbetenen Dauer würde Beispielsfolgerungen nach sich ziehen, die der Verpflichtung zum rationalen Einsatz des vorhandenen Personals und damit den Erfordernissen der Sparsamkeit in der Bundesverwaltung entgegenstünden. Darüber hinaus stehe die derzeit angespannte Personalsituation der dreijährigen Abwesenheit des Beschwerdeführers entgegen.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 1993 ersuchte der Beschwerdeführer (der nach seinen Angaben in der Beschwerde ab 1. Jänner 1994 seine Tätigkeit im Rahmen seines Bundesdienstverhältnisses wieder aufgenommen hat), ihm die Karenzurlaubszeit nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 (voll) anzurechnen.
Einer von der belangten Behörde zunächst vorgesehenen positiven Erledigung dieses Ansuchens stimmte das Bundeskanzleramt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen nicht zu.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. März 1994 wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 2. Dezember 1993 gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 ab. Nach Darstellung der einschlägigen Rechtslage und dem Hinweis auf den den Karenzurlaub gewährenden Bescheid vom 28. September 1992 ging die belangte Behörde (in Anlehnung an die Stellungnahme des BKA) davon aus, die Gewährung dieses Karenzurlaubes sei - wie sich aus dem Ansuchen vom 26. August 1992 ergebe - ausschließlich im privaten Interesse des Beschwerdeführers gewesen. Mit der von ihm angestrebten Bestellung zum Kommandanten der Stadtpolizei B. wäre zwangsläufig sein Austritt aus dem Bundesdienst verbunden gewesen. Daraus ergebe sich eindeutig, daß der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesdienst nicht mehr jenes Interesse gehabt habe, das nunmehr eine Anrechnung der Zeit des Karenzurlaubes für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhingen, rechtfertigen würde. Aus diesem Grund hätten auch der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen die für die Erlassung einer Verfügung nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 unbedingt erforderliche Zustimmung nicht erteilt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 75 Abs. 2 BDG 1979 ist die Zeit des Karenzurlaubes für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle nach Abs. 3 der genannten Bestimmung mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen verfügen, daß die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht in vollem Umfang eintreten.
Aus der Regelung des Abs. 3 folgt, daß eine Nachsicht der mit einem Karenzurlaub sonst verbundenen Folgen im Sinne des Abs. 2 nur dann verfügt werden darf, wenn nicht private Gründe des Beamten für den Karenzurlaub im Vordergrund stehen und gleichzeitig auch berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, 90/12/0294).
Der Bescheid der belangten Behörde vom 28. September 1992, mit dem dem Beschwerdeführer Karenzurlaub gewährt wurde, enthält keinerlei Feststellungen darüber, welche Gründe hiefür maßgeblich waren. Dieser Bescheid hat auch nicht über eine Anrechnung von Zeiten des gewährten Karenzurlaubes nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 abgesprochen.
In einem solchen Fall ist der Rückgriff auf den Antrag des Beamten auf Gewährung des Karenzurlaubs sowie sonstige Unterlagen, die diesem Verfahren zugrunde lagen, wie z.B. Äußerungen von Vorgesetzten, ein geeignetes Mittel, zu klären, ob die Voraussetzungen nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 gegeben sind oder nicht.
Insoweit hat die belangte Behörde zutreffend den Antrag des Beschwerdeführers vom 26. August 1992 auf Gewährung eines Karenzurlaubes herangezogen. Aus ihm hat sie abgeleitet, daß der ihm gewährte Karenzurlaub ausschließlich in seinem privaten Interesse gelegen sei und mit der vom Beschwerdeführer angestrebten Bestellung zum Kommandanten eines Gemeindewachkörpers zwangsläufig der Austritt aus dem Bundesdienst verbunden gewesen wäre, woraus nicht mehr jenes Interesse an einem Verbleib im Bundesdienst folge, das eine nunmehrige Anrechnung der Karenzurlaubszeit nach § 75 Abs. 3 BDG rechtfertigten würde.
Diese Annahmen finden in dem der Entscheidung betreffend den Karenzurlaub zugrundeliegenden Antrag allein keine hinreichende Deckung. Der belangten Behörde ist zwar einzuräumen, daß das Streben des Beschwerdeführers nach einer leitenden Stellung in einem Gemeindewachkörper (jedenfalls bei der im Beschwerdefall gegebenen Fallkonstellation - siehe dazu die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Gewährung des Karenzurlaubes angeführten Beweggründe) seiner "Privatsphäre" zuzurechnen ist. Sie läßt aber völlig außer Betracht, daß nach Art. 21 B-VG die Möglichkeit des Wechsels im Dienstverhältnis zu Gebietskörperschaften gewährleistet ist und daß der Beschwerdeführer den mit einem endgültigen Dienstwechsel verbundenen Schritt des Austritts aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund durch die beantragte Gewährung eines Karenzurlaubes sowohl im Interesse des neuen Dienstgebers als auch im Hinblick auf seine bisherige Verwendung im Bundesdienst "hinausschieben" wollte. Darin liegt bereits ein Hinweis auf ein anderes als privates Interesse des Beamten (vgl. zur Auslegung dieser Tatbestandsvoraussetzung nach § 75 Abs. 3 BDG das hg. Erkenntnis vom 14. September 1994, 94/12/0004). Entscheidend ist aber die Stellungnahme des Vorgesetzten zum Karenzurlaubsgesuch des Beschwerdeführers, die die belangte Behörde überhaupt nicht herangezogen hat. Darin hat aber der das Vorhaben des Beschwerdeführers bedauernde Vorgesetzte klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß wegen der Bewährung des Beschwerdeführers im Gendarmeriedienst, der von ihm gezeigten Qualitäten und seiner Verbundenheit mit diesem Wachkörper auch die Erleichterung der allfälligen Wiederaufnahme seiner dienstlichen Tätigkeit bei der Gendarmerie durch Gewährung des beantragten Karenzurlaubes im dienstlichen Interesse gelegen und vorteilhaft wäre. Diese Äußerungen sind aber ein klares Anzeichen für das Vorhandensein gewichtiger außerhalb der Privatsphäre des Beschwerdeführers gelegener Interessen.
Da das Vorliegen und Überwiegen anderer als privater Interessen des Beschwerdeführers an dem ihm gewährten Karenzurlaub mangels entsprechender Feststellungen der Behörde genausowenig verneint werden kann wie das allfällige Vorliegen berücksichtigungwürdiger Gründe (in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer bei einem Gemeindewachkörper einschlägige Tätigkeiten im Bereich der Sicherheitsverwaltung leistete und die dort gesammelten Erfahrungen auch für den Gendarmeriedienst unter dem Gesichtspunkt der Zusammenarbeit von Interesse sein könnten), mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994120104.X00Im RIS seit
20.11.2000