TE Lvwg Erkenntnis 2022/12/20 VGW-031/101/15024/2022

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Veröffentlicht am 20.12.2022
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Entscheidungsdatum

20.12.2022

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

COVID-19-MaßnahmenV 03te §9 Abs1
VStG §27 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Koderhold über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratische Bezirksämter - COIG, vom 22.11.2022, Zl. ..., betreffend Bestrafung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) zu Recht:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und das Straferkenntnis gemäß § 50 Abs 1 VwGVG iVm § 27 Abs 1 VStG wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Zum vorangegangenen verwaltungsbehördlichen Verfahren

1.1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratische Bezirksämter – COIG (kurz: belangte Behörde) vom 22.11.2022, Zl. ... wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, er habe am 08.11.2021, 07:00 Uhr als Mitarbeiter des Unternehmens C. GmbH (kurz: C-GmbH) den Arbeitsort in D., E.-straße betreten und dabei über keinen 3G-Nachweis verfügt.

1.2. Aufgrund dessen wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 120,-- EUR (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Stunden) verhängt. Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass die Anzeige privat durch die C-GmbH erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe auf die Aufforderung zur Rechtfertigung nicht reagiert, weshalb aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Anzeige die Tat in objektiver Hinsicht als erwiesen gelte. Subjektiv reiche die fahrlässige Begehung, weil es sich um ein Ungehorsamsdelikt handle. Mangels Glaubhaftmachung, dass den Beschwerdeführer kein Verschulden an der Tat treffe, legen auch die subjektiven Voraussetzungen für eine Bestrafung vor.

2. Zum Beschwerdevorbringen

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Im Wesentlichen brachte er vor, dass er lediglich deshalb am Arbeitsort gewesen sei, um die nötigen Stundenscheine abzugeben.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte er nicht.

3. Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren

3.1. Mit Schreiben vom 06.12.2022, eingelangt am selben Tag, legte die belangte Behörde den Akt samt Beschwerde zur Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vor. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde verzichtet.

3.2. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.3. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den verwaltungsbehördlichen Akt.

4. Feststellungen

4.1. Die C-GmbH hat ihren Sitz in Wien, F.-straße. Bei dieser war der Beschwerdeführer zumindest am 08.11.2021 als Arbeitnehmer auf einer Baustelle in D., E.-straße tätig. Die Adresse befindet sich im Bundesland Niederösterreich, Bezirk St. Pölten-Land.

4.2. Am 08.11.2021 führte die C-GmbH eine Kontrolle der 3G-Nachweise bei den auf der Baustelle anwesenden Arbeitnehmern durch, insbesondere auch beim Beschwerdeführer.

4.2. In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22.08.2022 wurde dem Beschwerdeführer als Tatort die Adresse der Baustelle vorgehalten. Das Straferkenntnis in welchem als Tatort der Sitz der C-GmbH vorgehalten wurde, erging am 22.11.2022.

5. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergab sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt der belangten Behörde.

6. Rechtslage

Die wesentliche Bestimmung des VStG lautet auszugsweise:

§ 27.
  1. (1) Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

    […].

Die wesentliche Bestimmung der 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung, BGBl II Nr. 441/2021 idF BGBl II Nr. 459/2021 (kurz: 3. COVID-19-MV) lautet auszugsweise:

Ort der beruflichen Tätigkeit
§ 9.
  1. (1) Arbeitnehmer, Inhaber und Betreiber dürfen Arbeitsorte, an denen physische Kontakte zu anderen Personen nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten, wenn sie über einen 3G-Nachweis verfügen. Nicht als Kontakte im Sinne des ersten Satzes gelten höchstens zwei physische Kontakte pro Tag, die im Freien stattfinden und jeweils nicht länger als 15 Minuten dauern.

    […].

7. Rechtliche Beurteilung

7.1. Eine Verwaltungsübertretung ist regelmäßig als dort begangen anzusehen, wo der Täter gehandelt hat (Begehungsdelikt) oder hätte handeln sollen (Unterlassungsdelikte). In Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen, kommt es für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird. Vielmehr ist der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens. Dies trifft insbesondere in Sachen des Arbeitnehmerschutzrechts und des Arbeitsruhegesetzes. Im Zweifel wird auch der Sitz des Unternehmens des Arbeitsgebers herangezogen (vgl Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 27 (Stand 1.5.2017), Rz 4 und 5).

7.2. Gegenständlich kommt jedoch nicht der Sitz der C-GmbH als Tatort in Frage. Aufgrund des Regelungsinhaltes und dem Zweck der Norm (3. COVID-19-Maßnahmenverordnung und COVID-19-Maßnahmegesetz) ist der direkte Arbeitsort, hier die Baustelle in D., E.-straße als Tatort anzusehen. Schließlich liegt der Zweck dieser COVID-19-Schutznormen darin Maßnahmen zu regeln, die die Verbreitung von COVID-19 verhindern sollen. Dies macht auf einer Baustelle auch Sinn.

7.3. Gemäß § 9 Abs 1 der 3. COVID-19-MV gilt als Arbeitsort jener Ort, an denen physische Kontakte zu anderen Personen nicht ausgeschlossen werden können. Da nach dem festgestellten Sachverhalt die C-GmbH ihre Kontrolle der 3G-Nachweise direkt auf der Baustelle in D., E.-straße durchführte, liegt der Arbeitsort iSd 3. COVID-19-MV gegenständlich direkt auf der Baustelle und nicht am Sitz der C-GmbH. Schließlich kommen auf einer Baustelle regelmäßig die dort arbeitenden Arbeitnehmer physisch zusammen, weshalb dort das Vorliegen eines 3G-Nachweises auch nachvollziehbar ist.

7.4. Daraus folgt, dass die belangte Behörde außerhalb ihres Sprengels tätig wurde und damit örtlich unzuständig ist.

7.5. Selbst wenn man annehmen würde, dass sich der Tatort doch am Sitz der C-GmbH befindet, ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer dieser potentielle Tatort erst mit dem Straferkenntnis vorgehalten wird. Dieses wurde aber nach dem festgestellten Sachverhalt erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährung erlassen, womit ihm dieser Tatort nicht korrekt vorgehalten wurde, sondern lediglich der Tatort in D., E.-straße. Eine Änderung durch das Verwaltungsgericht Wien ist nach § 44a VStG nicht mehr möglich.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Örtliche Zuständigkeit; Tatort; COVID-19; Verhinderung der Verbreitung; Arbeitsort; Baustelle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.101.15024.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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