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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Dezember 1993, Zl. 4.334.399/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Dezember 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der "jugoslawischen Föderation", der am 23. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 24. Februar 1992 den Asylantrag gestellt hat - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. März 1992 - mit dem festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) und daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist - abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewährt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der nach seinem "Fluchtweg" befragte Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung (durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich) am 12. März 1992 u.a. angegeben, er sei von einem Freund in einem Kraftfahrzeug am 16. Februar 1992 nach Maribor (Marburg) gebracht worden. Bis zum 22. Februar 1992 habe er sich dort bei "verschiedenen Parteifreunden" aufgehalten. An diesem Tag sei er dann von einem Freund mit einem Kraftfahrzeug zur slowenisch-österreichischen Grenze gebracht worden, welche er illegal überschritten habe.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich hat ihren abweislichen Bescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Asylgesetz (1968) nicht zukomme.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft näher auseinanderzusetzen - ausschließlich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer bei seinem Aufenthalt in Slowenien vor seiner Einreise in das Bundesgebiet keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und auch nicht hätte befürchten müssen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in sein Heimatland abgeschoben zu werden. Slowenien sei seit dem 27. September 1991 Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention und es spreche nichts dafür, daß es die aus dieser Mitgliedschaft sich ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot etwa vernachlässige. Der Beschwerdeführer hätte somit in Slowenien Verfolgungssicherheit erlangt.
Der Beschwerdeführer wendet sich insofern gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991, als er - sinngemäß - die Auffassung vertritt, daß es ihm, bedingt durch seinen kurzfristigen Verbleib in Slowenien, nicht zumutbar gewesen sei, um politisches Asyl anzusuchen. Damit steht der Beschwerdeführer im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das einen Anspruch auf Asylgewährung begründende Sicherheitsbedürfnis dann wegfällt, wenn der Asylwerber nach Verlassen seines Heimatlandes, in dem er verfolgt zu werden behauptet, sich in einem anderen Staat - selbst nur im Zuge der Durchreise - befunden hat und diese Sicherheit dort hätte in Anspruch nehmen können. Demnach kommt es auch nicht auf den Ort der tatsächlichen "Fluchtbeendigung", sondern darauf an, daß der Flüchtling unter Bedachtnahme auf das (auf die Vermeidung weiterer Verfolgung ausgerichtete) Sicherheitsbedürfnis seinen Fluchtweg schon vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können, was auch dann der Fall ist, wenn die "Verweildauer" - wie im vorliegenden Fall - nur kurz bemessen war (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 1995, Zl. 95/01/0030, und die dort zitierte Vorjudikatur). Insoferne ist der Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides in seinen Rechten nicht verletzt.
Der Beschwerdeführer wendet sich aber auch mit dem Argument gegen die Annahme der belangten Behörde, er hätte in Slowenien Verfolgungssicherheit erlangt, daß in Slowenien das Staats- und Rechtssystem sowie die dortige Gesetzes- und Verfassungsordnung nicht geeignet seien, einem "Flüchtigen und Asylanten" effektiv Asyl zu gewähren.
Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht (gerade noch) ausreichend konkretisiert, um eine Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzung von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413), wird doch mit der Aufstellung dieser Beschwerdebehauptung zum Ausdruck gebracht, die belangte Behörde hätte diesbezügliche Ermittlungen unterlassen.
Der Beschwerdeführer hat diese Behauptung wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - zumal die Erstbehörde ihren abweislichen Bescheid nicht darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer in Slowenien bereits vor Verfolgung sicher gewesen ist - im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm noch nicht bekannten Annahme der belangten Behörde, daß er in Slowenien "Verfolgungssicherheit" erlangt hätte, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.
Bei diesem Ergebnis braucht auf die weiteren, vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensmängel nicht mehr eingegangen zu werden.
Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994010609.X00Im RIS seit
20.11.2000