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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)Norm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung eines Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ABGB betreffend den Ausschluss der Möglichkeit, ein zwischen Lebensgefährten vereinbartes Veräußerungs- und Belastungsverbot mit Drittwirksamkeit im Grundbuch einzutragen; zulässige Form des Ausgleichs zwischen dem Interesse am Erhalt des Familienvermögens und dem Interesse der Allgemeinheit an der Verkehrsfähigkeit von Liegenschaften; rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschrittenRechtssatz
Der Parteiantrag auf Aufhebung der Wortfolge "zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern, Eltern und Kindern, Wahl- und Pflegekindern oder deren Ehegatten oder eingetragenen Partnern" in Satz 2 des §364c ABGB idF BGBl I 135/2009 wird abgewiesen.
In §364c zweiter Satz ABGB wäre auch im Falle der begehrten Aufhebung die Möglichkeit normiert, hinsichtlich Liegenschaften eine Drittwirkung durch Eintragung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes in das Grundbuch zu erwirken. Zutreffend ist, dass die personelle Reichweite dieser Möglichkeit im Falle einer Aufhebung erweitert würde, weil ein drittwirksames Veräußerungs- und Belastungsverbot diesfalls ohne personelle Einschränkung vorgesehen werden könnte. Ein dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Regelungsinhalt wäre darin aber nicht zu erblicken.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:
Den Antragstellern ist es nicht verwehrt, ein schuldrechtliches Veräußerungs- und Belastungsverbot gemäß §364c erster Satz ABGB abzuschließen. Ein Eingriff in dieses schuldrechtliche Veräußerungs- und Belastungsverbot kann Dritte unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Schadenersatz verpflichten. Die derzeit geltende Rechtslage verwehrt es ihnen lediglich, dieses Veräußerungs- und Belastungsverbot durch Eintragung im Grundbuch auch mit (genereller) Wirkung gegenüber Dritten auszustatten.
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des §364c zweiter Satz ABGB einen Interessenausgleich zwischen dem Erhalt des Familienvermögens einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an der Verkehrsfähigkeit von Liegenschaften andererseits verfolgt. Ein Veräußerungs- und Belastungsverbot mit Drittwirksamkeit soll demnach nur in engen (personellen) Grenzen erlangt werden können, um die Veräußerbarkeit von Liegenschaftsvermögen nicht in unbilliger Weise zu beschränken. Aus diesem Grund überschreitet der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er Lebensgefährten von der Möglichkeit ausschließt, ein zwischen ihnen geschlossenes Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch eintragen zu lassen und damit mit Wirkung gegenüber Dritten auszustatten.
Im Übrigen ist auch darauf zu verweisen, dass das Grundbuchsverfahren dem Grundsatz nach als reines Urkundenverfahren ausgestaltet ist. Gemäß §26 GBG 1955 können Einverleibungen und Vormerkungen nur auf Grund von Urkunden bewilligt werden, die in der zu ihrer Gültigkeit vorgeschriebenen Form ausgefertigt sind. Dies gilt auch für Veräußerungs- und Belastungsverbote. Bei Lebensgefährten kann - anders als bei den in §364c zweiter Satz ABGB genannten Personen bzw Rechtsverhältnissen - bei der Prüfung des Grundbuchsgesuches nicht auf (öffentliche) Urkunden zurückgegriffen werden, die das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft unzweifelhaft bestätigen könnten. Das Bestehen einer Lebensgemeinschaft muss nämlich im jeweiligen Einzelfall anhand einer Reihe von Kriterien beurteilt werden.
Zum behaupteten Verstoß gegen Art8 EMRK iVm Art14EMRK wiederholen die Antragsteller im Wesentlichen jene Argumente, die sie zum Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B-VG vorgetragen haben; ein Verstoß liegt daher nicht vor.
Schlagworte
Zivilrecht, Grundbuch, Lebensgemeinschaft, Eherecht, Rechtspolitik, VfGH / Parteiantrag, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:G32.2021Zuletzt aktualisiert am
17.01.2023