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L0012 LKontrollamt, LRechnungshofNorm
B-VG Art121Leitsatz
Verstoß einer Bestimmung des Stmk L-VG 2010 betreffend die Zuständigkeit des Landesrechnungshofs zur Kontrolle der Gebarung von Wohnbauträgern gegen bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen; keine Begründung einer Kontrollzuständigkeit des Landesrechnungshofs Steiermark durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Stmk Landesregierung und einem Wohnbauträger; Begründung von Kontrollbefugnissen des Rechnungshofs des Bundes – und auf Grund der "Gleichartigkeit" auch des Landesrechnungshofs – nur durch Organe der Gesetzgebung im Wege eines Gesetzes im formellen Sinn und nicht durch VerwaltungsorganeRechtssatz
Nach Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG ist der Landesrechnungshof Steiermark zur Kontrolle von Wohnbauträgern, die Mittel aus der Wohnbauförderung erhalten befugt, "sofern sich das Land vertraglich eine solche Kontrolle vorbehalten hat". Der Abschluss einer derartigen vertraglichen Vereinbarung für das Land Steiermark kommt der Steiermärkischen Landesregierung zu. Die Zuständigkeit des Landesrechnungshofes Steiermark zur Kontrolle der Gebarung von Wohnbauträgern hängt damit im Ergebnis vom Handeln eines Verwaltungsorgans ab und wird erst durch eine vertragliche Vereinbarung mit dem dann zu kontrollierenden Rechtsträger begründet.
Auf Grund des Wortlautes der Bestimmung des Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG und deren systematischer Stellung in Art50 Stmk L-VG betreffend die "Gebarungskontrolle" durch den Landesrechnungshof Steiermark ist es für den VfGH eindeutig, dass es sich - entgegen dem Verständnis der Steiermärkischen Landesregierung - bei dieser Bestimmung nicht um einen "Prüfvorbehalt als Tatbestandsmerkmal" handelt, das im Zeitpunkt der Mittelgewährung den Wohnbauträgern als Gegenleistung für gewährte öffentliche Gelder abbedungen wird. Vielmehr regelt Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG seinem Wortlaut nach unmissverständlich, dass eine Kontrollzuständigkeit des Landesrechnungshofes Steiermark nur besteht, "sofern" eine solche vertraglich vereinbart wurde. Auch kommt eine - von der Steiermärkischen Landesregierung vertretene - verfassungskonforme Interpretation des Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG, nach der der zweite Halbsatz dieser Bestimmung unbeachtlich sein soll, nicht in Betracht.
Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG unterscheidet sich von Bestimmungen über die Kontrolle von Unternehmen durch den Rechnungshof des Bundes, nach denen bei der Beurteilung der Zuständigkeit des Rechnungshofes mitunter auch privatrechtliche Gesichtspunkte zugrunde zu legen sind. So können zur rechtlichen Beurteilung einer für die Kontrollzuständigkeit des Rechnungshofes relevanten finanziellen Beteiligung an einem Unternehmen oder Beherrschung eines Unternehmens privatrechtliche Vereinbarungen, wie etwa Gesellschafts- oder Syndikatsverträge, sowie sonstige tatsächliche Vorgänge eine Rolle spielen. Vergleichbares gilt für vertragliche Vereinbarungen, auf Grund derer zu beurteilen ist, ob und in welchem Umfang einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft Mittel einer Gebietskörperschaft im Sinne der Art126b Abs3, Art127 Abs4 und Art127a Abs4 B-VG zur Verfügung gestellt werden. Im Unterschied zu Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG ermöglichen es diese (Verfassungs-)Bestimmungen einem Verwaltungsorgan nicht, über die Zuständigkeit des Rechnungshofes zu disponieren. Vielmehr wird jeweils eine (bestehende) Prüfbefugnis des Rechnungshofes an tatsächliche Umstände geknüpft, deren Vorliegen - bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine Prüfbefugnis besteht bzw wie weit diese reicht - (auch) anhand privatrechtlicher Vereinbarungen zu begründen ist. Die in den genannten Bestimmungen des B-VG bezogenen privatrechtlichen Vereinbarungen selbst zielen nicht (primär) darauf ab, die Zuständigkeit des Rechnungshofes zu regeln, sondern haben einen anderen - insbesondere gesellschaftsrechtlichen - Zweck. In diesen Fällen ergibt sich die Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Kontrolle der Gebarung des jeweiligen Rechtsträgers daher (ausschließlich) aus dem (Bundes-Verfassungs-)Gesetz.
Demgegenüber überlässt es Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG dem Ermessen der Steiermärkischen Landesregierung und damit jenem Verwaltungsorgan, das im Fokus der Kontrollaufgaben des Landesrechnungshofes Steiermark steht, ob eine Zuständigkeit des Landesrechnungshofes Steiermark zur Kontrolle der Gebarung eines Rechtsträgers, der mit Mitteln des Landes Steiermark gefördert wird, (vertraglich) begründet wird oder nicht.
Die in Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG vorgesehene Begründung der Zuständigkeit des Landesrechnungshofes Steiermark (erst) durch eine darauf gerichtete vertragliche Vereinbarung bildet den entscheidenden Unterschied zu den Zuständigkeiten des Rechnungshofes des Bundes zur Kontrolle der Gebarung von Rechtsträgern. Zuständigkeiten des Rechnungshofes des Bundes dürfen vor dem Hintergrund des Art121 Abs1 und des Art126a erster Satz B-VG ausschließlich und unmittelbar im Wege eines Gesetzes im formellen Sinn begründet werden. Somit kommt es von Verfassungs wegen allein den Organen der Gesetzgebung, nicht aber (auch) jenen der Verwaltung zu, die Kontrollbefugnisse des Rechnungshofes zu bestimmen. Die Begründung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes ausschließlich und unmittelbar im Wege von Gesetzen im formellen Sinn und damit korrespondierend der Ausschluss von Zuständigkeiten, die vom Handeln eines Verwaltungsorgans abhängen, ist ein wesentliches Merkmal der Rechnungshofkontrolle des Bundes. Es ist als solches - im Hinblick auf das dem Art127c B-VG auch nach der B-VG-Novelle BGBl I 98/2010 zugrunde liegende Erfordernis der "Gleichartigkeit" mit dem Rechnungshof des Bundes - auch für den Begriff "Landesrechnungshof" in Art127c B-VG prägend.
Das in diesem Zusammenhang vom Rechnungshof des Bundes vorgebrachte Argument, wonach dem Bundesverfassungsgesetzgeber im Jahr 1999 die Regelung einer vertraglich begründeten Kontrollkompetenz des Landesrechnungshofes Steiermark bekannt gewesen sei, als er Art127c B-VG erließ, verfängt nicht: Ziel der angesprochenen B-VG-Novelle BGBl I 148/1999 war es, für den Fall von Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit von bestimmten Einrichtungen der Länder (Kontrollämter, Landesrechnungshöfe) einen adäquaten Konfliktlösungsmechanismus im Sinne des Art126a B-VG zu ermöglichen. Nach dieser Bestimmung besteht eine Zuständigkeit des VfGH zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof des Bundes und den seiner Kontrolle unterliegenden Rechtsträgern über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes des Bundes regeln. Aus dem Umstand, dass gemäß Art127c B-VG durch Landesverfassungsgesetz ein solcher Konfliktlösungsmechanismus nur für dem Rechnungshof des Bundes "gleichartige" Einrichtungen geschaffen werden darf, kann nicht umgekehrt geschlossen werden, dass sämtliche im Jahr 1999 bestehenden (Kontroll-)Einrichtungen der Länder in organisatorischer und funktioneller Hinsicht vom Bundesverfassungsgesetzgeber als "gleichartig" angesehen wurden. Zudem ist der Bundesverfassungsgesetzgeber - wie auch eine Zusammenschau von Art127c Z1 und Art126a erster Satz B-VG zeigt - offenkundig von der oben dargelegten bundesverfassungsrechtlichen Prämisse ausgegangen, dass die Zuständigkeiten des Rechnungshofes (ausschließlich) durch "gesetzliche Bestimmungen" begründet werden. Es kann daher auch aus diesem Grund nicht angenommen werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber im Jahr 1999 bestehende (Kontroll-)Einrichtungen der Länder auch hinsichtlich aller ihrer jeweils organisatorischen und funktionellen Ausprägungen als "gleichartig" mit dem Rechnungshof des Bundes und als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet, dh akzeptiert hat.
Vor diesem Hintergrund mangelt es dem Landesrechnungshof im Umfang seiner Zuständigkeit gemäß Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG an der "Gleichartigkeit" mit dem Rechnungshof des Bundes. Dem Landes(verfassungs)gesetzgeber ist es zwar nicht grundsätzlich verwehrt, auch solche Zuständigkeiten des Landesrechnungshofes vorzusehen. Es kommt ihm dann jedoch nicht zu, eine Zuständigkeit des VfGH zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit einer solchen Zuständigkeit zu begründen. Dem VfGH wird jedoch im vorliegenden Fall auf Grund der Regelung des Art50 Abs4 iVm Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG im Ergebnis eine derartige Zuständigkeit eingeräumt, die von der Ermächtigung des Landesverfassungsgesetzgebers zur Regelung einer Zuständigkeit des VfGH nach Art127c Z1 iVm Art126a erster Satz B-VG nicht gedeckt ist.
Die dargelegte Verfassungswidrigkeit ergibt sich aus dem Zusammenspiel des Art50 Abs1 Z7 mit Art50 Abs4 Stmk L-VG. Zur Herstellung eines Rechtszustandes für den Anlassfall, gegen den die dargelegten Bedenken nicht bestehen, genügt es, die in Prüfung gezogene Bestimmung aufzuheben, zumal Art50 Abs4 Stmk L-VG diese Bestimmung lediglich als eine von mehreren Regelungen über die Zuständigkeiten des Landesrechnungshofes Steiermark zur Gebarungskontrolle in Bezug nimmt. Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG ist jedoch schon aus den dargelegten Gründen zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben: Der Landesverfassungsgesetzgeber hat mit dieser Bestimmung ein "Zuständigkeitsmodell" verwirklicht, nach dem die Zuständigkeit des Landesrechnungshofes zur Gebarungskontrolle nach dem ersten Halbsatz nicht schon auf Grund der Landesverfassung besteht, sondern erst durch eine vertragliche Vereinbarung im Sinne des zweiten Halbsatzes dieser Bestimmung begründet wird. Durch die Aufhebung bloß des zweiten Halbsatzes würde der VfGH somit (erstmals) eine landesverfassungsgesetzliche Zuständigkeit des Landesrechnungshofes begründen, die nach dem Stmk L-VG nicht besteht.
(Anlassfall KR1/2021, B v 14.12.2022, Zurückweisung des Antrags des Landesrechnungshofes Steiermark).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Rechnungshof Länder, VfGH / Rechnungshofzuständigkeit, Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, Wohnbauförderung, VfGH / Verwerfungsumfang, Landesverfassung, Auslegung eines Gesetzes, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G221.2022Zuletzt aktualisiert am
17.01.2023