Diskriminierungsgrund
MehrfachdiskriminierungDiskriminierungstatbestand
Berufsberatung, Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit)Text
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl Nr 108/1979 idgF)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 27. September 2022 über den am 17. Mai 2021 - samt Konkretisierungen vom 28. Juni und 25. Juli 2021 - eingelangten Antrag von A (Antragstellerin) nach amtswegiger Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und der ethnischen Zugehörigkeit bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 4 Abs 1 und 18 Abs 1 iVm 17 Abs 1 GlBG durch Z (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl II Nr 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/1009/21-M, zu folgendem
PRÜFUNGSERGEBNIS:
1. A ist nicht aufgrund des Geschlechtes bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 4 Abs 1 GlBG durch Z diskriminiert worden.
2. A ist nicht aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 18 Abs 1 iVm § 17 Abs 1 GlBG durch Z diskriminiert worden.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangte, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt, konnte das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und der ethnischen Zugehörigkeit bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung gemäß §§ 3 Z 4 und 17 Abs 1 Z 4 GlBG, bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß §§ 3 Z 6 und 17 Abs 1 Z 6 GlBG, bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 3 Z 7 und 17 Abs 1 Z 7 GlBG sowie durch eine Belästigung gemäß §§ 7 Abs 1 Z 1 und 21 Abs 1 Z 1 GlBG nicht überprüft werden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
VORBRINGEN
Im Antrag und den Antragskonkretisierungen wurde zusammengefasst Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei vom 28. Februar 2020 bis 19. Jänner 2021 im Rahmen einer Berufsausbildung zur Kinderbetreuerin beim Antragsgegner beschäftigt gewesen. Zunächst sei sie mit ihrer Tätigkeit sehr zufrieden gewesen, im Laufe der Zeit habe sie aber mit ihrem Vorgesetzten Y (Antragsgegnervertreter) zunehmend Probleme aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit bekommen.
Im Juni 2020 habe sich der Antragsgegnervertreter erstmals abfällig über die Herkunft der Antragstellerin geäußert. Die Antragstellerin sei an diesem Tag aufgrund einer Verzögerung bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs zehn Minuten zu spät in die Arbeit gekommen und habe sich dafür beim Antragsgegnervertreter entschuldigt. Er habe sich daraufhin auf eine von seiner Ehegattin Mag.a X (Obfrau des Antragsgegners) stammende Aussage berufen und gesagt „Was erwartest du von ihr, sie ist eine …“ (Bezeichnung einer Person aus Land 1).
Die Antragstellerin habe sich dadurch gedemütigt gefühlt, da der Antragsgegnervertreter ihr eine aufgrund ihrer Herkunft zu erwartende Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit unterstellt habe. Obwohl sie sich belästigt gefühlt habe, habe sie beschlossen, die Aussage des Antragsgegnervertreters zu ignorieren, da sie vor kurzem ihren 3-jährigen Sohn an der Schule eingeschrieben habe.
In der ersten Dezemberwoche 2020, also nur wenige Wochen vor der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses, habe zwischen dem Antragsgegnervertreter und der Antragstellerin ein Gespräch stattgefunden, im Zuge dessen der Antragsgegnervertreter zur Antragstellerin „Fuck off“ gesagt habe, nachdem sie zum Ausdruck gebracht habe, dass sie mangels zeitlicher Kapazität eine Aufgabe nicht erfüllen habe können. Sie habe diese Aussage in Zusammenhang mit ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihrem Geschlecht in Verbindung gebracht. Die Beschimpfung „Fuck off“ sei ein sexualisierter Ausdruck, der als Belästigung aufgrund des Geschlechtes zu qualifizieren sei. Englische Beschimpfungen seinen im Gegensatz zu deutschen im Allgemeinen stärker sexualisiert und stärker auf das Geschlecht bezogen. Die Aussage „Fuck off“ wäre einem männlichen Kollegen gegenüber nicht gefallen.
Die Antragstellerin habe als Reaktion auf die beleidigende Äußerung des Antragsgegnervertreters den Arbeitsplatz verlassen wollen. Der Antragsgegnervertreter habe daraufhin zu ihr gesagt: „Geh! Du bist eine … (Bezeichnung einer Person aus Land 1) und wir alle wissen, wie es mit den … (Bezeichnung von Personen aus Land 1) ist“. Damit habe der Antragsgegnervertreter erneut herabwürdigende Aussage über die Herkunft der Antragstellerin gemacht, indem er ihr unterstellt habe, dass sie eine schlechte und unzuverlässige Mitarbeiterin sei.
Daraufhin habe die Antragstellerin ihre Bildungsmanagerin und Ansprechperson für ihren Bildungsplan, Mag.a W angerufen und über ihre Probleme mit dem Antragsgegnervertreter berichtet. Während des gesamten Telefongesprächs habe aber der Antragsgegnervertreter zugehört, weshalb sich die Antragstellerin nicht getraut habe, über die Diskriminierungen zu berichten. Sie habe schließlich nur über den stressigen Zustand berichtet, in dem sie arbeiten und studieren müsste. Zuvor habe der Antragsgegnervertreter der Antragstellerin verboten, während der Arbeitszeit mit der Bildungsmanagerin zu telefonieren.
Die Bildungsmanagerin habe der Antragstellerin vorgeschlagen, das Ausbildungsverhältnis fortzusetzen, weshalb sie beschlossen habe, weiterzumachen. Sie habe gehofft, dass der Antragsgegnervertreter das diskriminierende Verhalten nun einstellen würde.
Die Antragstellerin habe bis zum letzten Schultag im Jahre 2020 gearbeitet, obwohl die Arbeitsatmosphäre angespannt gewesen sei. Sie habe ständig Angst gehabt, zur Arbeit zu gehen, und habe befürchtet, aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit erneut herabgesetzt zu werden. Am 4. Jänner 2021 habe sich die Antragstellerin für den Monat Jänner aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme krankgemeldet. Sie sei extrem verletzt gewesen und im Zustand völliger Verzweiflung, denn sie habe auch in ihrem Privatleben schwere Herausforderungen zu bewältigen gehabt.
Mitte Jänner habe die Antragstellerin häusliche Gewalt erlebt. Ihr ehemaliger Ehemann sei von der Polizei aus der Wohnung weggewiesen worden und die Antragstellerin habe daraufhin ein Annäherungsverbot erwirkt. Am 19. Jänner 2021 habe die Antragstellerin dem Antragsgegnervertreter über das Annäherungsverbot informiert, da sich ihr Sohn in der Betreuung des Kindergartens des Antragsgegners befunden habe.
Eine halbe Stunde nachdem die Antragstellerin den Antragsgegnervertreter von der häuslichen Gewalt informiert habe, habe sie einen Anruf von der Bildungsmanagerin erhalten, dass der Antragsgegner das Ausbildungsverhältnis beendet habe. Die Antragstellerin habe dies als Reaktion auf die häusliche Gewalt sowie auf ihr Auflehnen gegen die Belästigungen des Antragsgegnervertreters empfunden. Die Beendigung stehe im Zusammenhang mit dem Geschlecht und der ethnischen Zugehörigkeit der Antragstellerin.
In 90 % aller Fälle seinen Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Da hauptsächlich Frauen von der häuslichen Gewalt betroffen seien, sei eine Auflösung des Ausbildungsverhältnisses aufgrund häuslicher Gewalt eine Maßnahme, die zu einem großen Teil Frauen treffen würde. Es sei ein Hinweis auf eine mittelbare Diskriminierung. Die von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen seien mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Diese Vorurteile, welche bei Personen mit nicht-österreichischer Herkunft vermehrt auftreten würden, seien für die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses durch den Antragsgegner ausschlaggebend gewesen.
Die Antragstellerin sei vom Antragsgegnervertreter belästigt worden, weil sie eine Frau sei, die aus Land 1 stamme. Sie sei aufgrund des Geschlechtes und der damit verbundenen Rollenvorstellungen, sowie aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert worden. Sie sei als … (Bezeichnung einer Person aus Land 1) mit anderen Vorurteilen und Rollenbildern konfrontiert worden, als wenn sie eine Frau ohne Migrationshintergrund oder ein … (aus Land 1 stammender) Mann wäre.
Der Antragsgegnervertreter habe abfällige Bemerkungen über die Antragstellerin und die anderen Frauen im Team gemacht. Er habe sich Frauen gegenüber gönnerhaft und herablassend verhalten. Der einzige männliche Kollege sei vom Antragsgegnervertreter respektvoll behandelt worden.
Schließlich sei die Antragstellerin durch die diskriminierende Beendigung daran gehindert worden, ihre Ausbildung abzuschließen.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von dem Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 7. Oktober 2021 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen zusammengefasst wie folgt entgegen:
Der Antragsgegner forciere eine größtmögliche kulturelle Diversität an Lehrpersonal und stelle bereitwillig Personal aus einem anderen Sprach- und Kulturkreis an. Die Schüler des Antragsgegners würden von diesen Personen profitieren, weil sie dadurch unterschiedliche Sprachen und Mentalitäten kennenlernen würden. Dementsprechend beschäftige der Antragsgegner neben österreich-stämmigen Personen auch eine Italienerin, einen Briten, einen Ägypter, eine Russin, zuvor auch Personen aus Serbien oder Argentinien. An der Schule würden darüber hinaus vorwiegend weibliche Angestellte arbeiten und es werde geschlechtlich kein Unterschied gemacht.
Die Antragstellerin sei ursprünglich auf den Antragsgegner zugekommen, um ein Zimmer im Gebäude des Antragsgegners für sich und ihren Sohn anzumieten. Im Zuge der Gespräche habe sich die Idee ergeben, die Antragstellerin im Betrieb des Antragsgegners zu integrieren, was für den Antragsgegner interessant gewesen sei, zumal die Antragstellerin aus einem anderen Kulturkreis komme und dies für die Schüler sehr wertvoll sein könnte. Das …-Modell sei gemeinsam angedacht und schließlich auch umgesetzt worden. Dieses habe gewisse Ausbildungen und Praxisteile vorgesehen.
Im Laufe der Ausbildung habe sich die Suche nach den für die Antragstellerin passenden Aufgaben als schwierig erwiesen. Die Begleitung von Kindern sei aus sprachlichen und fachlichen Gründen unpassend gewesen. Die Antragstellerin habe sich dann auf die Erstellung von Schulmaterialien konzentriert, was aber einen über die Maße langen Zeitraum in Anspruch genommen habe. Sie sei mit ihren Arbeiten massiv in Verzug geraten und habe zudem einige der vom Antragsgegner vorgeschlagenen Arbeiten (zB kleinere Reinigungs- und Aufräumarbeiten) abgelehnt.
Mit der Zeit habe sich auch herausgestellt, dass die Antragstellerin die für die AMS-Maßnahme erforderliche Zeit nicht annähernd aufbringen habe können. Aus Verständnis für die schwierige familiäre Situation der Antragstellerin habe der Antragsgegner aber über die Minusstunden hinweggeschaut. Die AMS-Maßnahme sei im weiteren Verlauf geändert und der Stundenausmaß deutlich reduziert worden.
Nachdem die Antragstellerin den Wunsch geäußert habe, mit den jüngsten Kindern (sog. „Vorprimaria“) arbeiten zu wollen, sei der Antragsgegner auch diesem Wunsch nachgegangen und habe versucht, die Antragstellerin in diese Gruppe zu integrieren. Mit ihrem Einverständnis habe die Antragstellerin sodann die Küchenarbeit übernommen, sie habe die Jause vorberietet und zu Mittag gekocht. Im Vergleich zu anderen Mitarbeiterinnen habe die Antragstellerin jedoch beinahe die doppelte Zeit für die Küchenarbeit benötigt und habe regelmäßig während der Arbeitszeit ihr Tablet oder Smartphone im Einsatz gehabt. Sie habe außerdem den Menüplan und die Speisen so verändert, dass einige Kinder sie nicht mehr gegessen hätten, dies trotz mehrmaliger Anweisung des Antragsgegners, dass sie sich an dem bestehenden Menüplan halten solle. Der Kücheneinsatz der Antragstellerin habe in weiterer Folge eingeschränkt werden müssen, was sie sehr persönlich genommen habe. Sie habe daraufhin erklärt, dass sie jetzt gar nicht mehr kochen wolle.
Der Sohn der Antragstellerin habe zudem mehrmals täglich die Gruppe verlassen und sei zur Antragstellerin in die Küche gegangen. Die Antragstellerin sei dann in Anwesenheit von anderen Kindern in einer rauen Weise mit ihrem Sohn umgegangen, weshalb der Antragsgegner eine Teambesprechung abhalten und die Antragstellerin bitten habe müssen, mit ihrem Sohn freundlich umzugehen.
Aus der Kollegenschaft der Antragstellerin habe sich Unmut gehäuft, dass der Antragstellerin eine Sonderstellung eingeräumt worden sei, da sie die Arbeitszeiten nicht eingehalten und die vorgesehenen Arbeiten nicht erbracht habe. Sie sei zu den Ausbildungsmodulen zu spät oder gar nicht erschienen. Einmal sei sie unentschuldigt von der Ausbildung ferngeblieben und sei dann in einem Einkaufzentrum bei einem Auftritt als Sängerin gesehen worden.
Das Verhalten der Antragstellerin sei ein impulsives, emotional stark schwankendes gewesen, weshalb sie die Zusammenarbeit als mühsam dargestellt habe. Der Antragsgegner habe stets Verständnis für die schwierige private Situation gezeigt, von der die Antragstellerin immer wieder erzählt habe, und habe auch die Bemühungen der Antragstellerin gesehen, ihre Arbeit irgendwie hinzubekommen. Schließlich habe der Antragsgegnervertreter vorgeschlagen, dass die Antragstellerin die ausstehenden Materialarbeiten von Zuhause aus erledigen solle, um nicht mehr regelmäßig in die Schule kommen zu müssen.
Aufgrund der Corona-Maßnahmen seien alle für die AMS-Maßnahme gebuchten Kurse gestrichen geworden. Die Antragstellerin habe trotz monatelangem Warten keine Ersatzkurse auftreiben können. Der Grund für die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses sei nicht persönlich gewesen, das Programm habe – alleine schon aufgrund fehlender Theoriekurse – nicht fortgesetzt werden können.
Am 9. Dezember 2020 habe der Antragsgegnervertreter mit der Antragstellerin ein Gespräch über ihre Materialarbeiten geführt. Der Antragsgegnervertreter habe den Eindruck gehabt, dass die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt unter gehörigem privatem Druck gestanden sei.
Nach einem kurzen Gespräch habe die Antragstellerin wortlos den Klassenraum verlassen und sei in die Garderobe hingegangen. Auf Nachfrage des Antragsgegnervertreters habe die Antragstellerin erklärt, dass sie die Schule verlassen wolle, weil ihr das reichen würde. Nachdem der Antragsgegnervertreter aber darauf hingewiesen habe, dass dies einer Kündigung gleichkommen würde, sei die Antragstellerin doch geblieben.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs habe die Antragstellerin dem Antragsgegnervertreter gegenüber Aussagen gemacht wie „you are a fucking liar“, „you will never have success in this school“ „I don´t wanna argue with you, I am out of this bullshit“ und „the way you run your school is bullshit“. Sie habe dann in Gegenwart des Antragsgegnervertreters ihre Bildungsmanagerin Mag.a W angerufen, obwohl der Antragsgegnervertreter sie darauf hingewiesen habe, dass sie in der Arbeitszeit nicht so einfach telefonieren könne. Die Bildungsmanagerin habe der Antragstellerin empfohlen, einfach ihre Arbeit zu tun und in der Schule zu bleiben.
Die von der Antragstellerin vorgeworfenen Aussagen seien seitens des Antragsgegnervertreters nie gefallen. Eine andere Mitarbeiterin, B, welche sich am 9. Dezember 2020 während des gesamten Gesprächs in unmittelbaren Nähe befunden habe, könne dies als Zeugin bestätigen.
Der Antragsgegnervertreter habe nach dem Gespräch noch einen Versuch unternommen, die Zusammenarbeit doch noch fortsetzen zu können, und hat der Antragstellerin vorgeschlagen, die Arbeiten von zu Hause aus zu erledigen. Ende Dezember sei dann die Krankmeldung der Antragstellerin gekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie nach wie vor keinen Ersatzkurs organisiert. Am 20. Jänner sei die AMS-Maßnahme mangels Theoriekurse beendet worden, was den nachstehenden WhatsApp-Protokollen zu entnehmen sei. Diese WhatsApp-Protokolle würden die Kommunikation mit der Antragstellerin ab Jänner 2021 wiedergeben:
04. Jänner 2021
Dear X, Y & family, by now you must have read my message and I apologize for letting you know this way, but I also know you had a pretty busy at school. I am overwhelmed with many things. The doctor had no doubt I must take some time off, who I went to for health issues and after the therapist highly recommendet it. I must tend to my health, don´t feel fit to continue this way.
I hope you can unterstand, and that we can meet at some point soon for a talk :)
Love,
A
5. Jänner 2021
Hi A, tanks for information and wish you a soon regeneration, Because I am not sure what you ment with „don´t feel fit to continue this way“ I like to ask you: Is it your wish to quit the job/program? Anyway – lets have a meeting as soon as possible to talk about your future. When would you like to come? Best regards, Y
5. Jänner 2021
Hi Y, quitting is not my intention – but it´s hard to say for sure at the moment. What I can say for sure ist hat I take our commitment seriously, specially with my son involved, and that I will keep on pushing for it to succeed. But not in detriment of my health, so I am taking this time to try to heal, I have many issues to heal from and what I mean really, is that I feel I haven`t been performing well lately because of them. Still have a few doctors´appointments the next days and hopefully will have a better sense of the next steps. But we can definitely schedule a meeting for next week, don´t wanna leave you and X hanging about this. I would really appreciate if you told the kids I am just on leave, so they don´t feel „abandoned“.
I greatly appreciate your understanding about this.
11. Jänner 2021
Hi A! Would it be possible for you to come on Wednesday morning for a meeting with me?
12. Jänner 2021
Hello, my condition has gotten a bit worse since I last wrote you… I still need some time, I´m not well. With regards to the open Elternbeiträge: C and I are afraid we cannot meet the payments in the long term anymore. He will get in touch with you personally and help reach an agreement til the end of this week, he said. But surely we will pay what we owe.
The doctor at the end of the week will assess whether or not I am fit to go back to work. I appreciate your unterstanding.
Kind regards,
A
20. Jänner 2021
Good morning A! I am, we are very sorry about the decision to quit … (das Programm). It was not easy to do this step and we really hope you can handle the situation as best as possible. The recent reality showed that a continuation of the programm seems unreal at least because of no available courses – mrs. W told me, that we habe to quit in case you won´t find courses and, too because of Corona this really seems to be an unpossible challenge. Still we are sorry about your sickness and your private situation. And we have to have really soon somebody doing the lessons you did. We already saw this week that compensatioin didn´t really work well. What we can do best is to give your son stability at Z. We all hope things getting cleared for you in a way it´s the best for you. I really would have prefered to talk to you personally, but I respect your message that you don´t want to at the moment. If you ready anytime like to talk with me/us, please let us know. We really enjoyed some of the brilliant works you did for Z, and the kids really liked your way beeing with them. That makes all this not easier and we hope to stay in touch with you. Please give sign when you are able to talk and perhaps we can find a way to help a bit when you feel able to work again…! In the meantime we all wish the best and hope you will contact me/us personally – all the best, Y
21. Jänner 2021
Thank you Y, yes I agree and understand. I must now really take some time to clear out the mess in my personal life. I appreciate the offers, nonetheless I cannot make a decision about it now. I miss the kids, and feel I should soon be able to perhaps talkt to everyone, but right now I don´t know what to say. All I need is the security for … (Sohn), and to find that I need for my peace.
I am supposed to pick … (Sohn) up today, if possible please let … know I will be there a bit earlier.
Thank you.
Kindly, A
Der Antragsgegner habe den Eindruck, dass die finanzielle Situation der Antragstellerin eine Rolle spielen würde. Die Antragstellerin habe sich zwei während ihrer Arbeitszeit erstellten Bilder geborgt „um diese zu duplizieren“ und habe diese trotz mehrfacher Aufforderung nie zurückgegeben. Der Antragsgegnervertreter habe dann von einer anderen Person erfahren, dass die Antragstellerin versucht habe, die während ihrer Arbeitszeit erstellten Bilder zu verkaufen, dies ohne Einverständnis des Antragsgegners.
Die Antragstellerin habe während der Ausbildung beim Antragsgegner die Kinderbetreuungsbeihilfe vom AMS erhalten, habe aber trotzdem die Elternbeiträge für ihren Sohn nicht bezahlt. Es seien mehrere tausend Euro offen. Der Antragsgegner habe diese Beträge nur aus Verständnis für die schwierige Lebenssituation der Antragstellerin bis dato nicht eingeklagt.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und von Y (informierter Vertreter des Antragsgegners) vom 27. September 2022. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass Y zunächst als Zweitantragsgegner geladen war. Im Ermittlungsverfahren stellte sich heraus, dass die Obfrau des Antragsgegners, Mag.a X, nur sporadisch für den Antragsgegner tätig war und Y die Funktion des Schulleiters innehatte. Er trat auch gegenüber der Antragstellerin als Schulleiter auf. Er wurde daher schlussendlich als informierter Antragsgegnervertreter befragt.
Als weitere Auskunftsperson wurde am 27. September 2022 B befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die schriftliche Stellungnahme der Auskunftsperson Mag.a W vom 16. September 2022.
BEGRÜNDUNG2
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl I Nr 66/2004 idgF, lauten:
„§ 4. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden
1. bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses,
2. bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer/innen/- oder Arbeitgeber/innen/organisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen,
3. bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit.“
„§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses,
2. bei der Festsetzung des Entgelts,
3. bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen,
4. bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung,
5. beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen,
6. bei den sonstigen Arbeitsbedingungen,
7. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.“
„§ 18. Aus den im § 17 genannten Gründen darf niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden
1. bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses,
2. bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer/innen/- oder Arbeitgeber/innen/organisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen,
3. bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit.“
Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die eine Diskriminierung vorbringt, welche unter einen Tatbestand im Sinne der §§ 4, 18 Z 1 iVm § 17 Abs 1 GlBG fällt, diese glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.
Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers/der Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die aufgrund ihres Geschlechtes und ihrer ethnischen Zugehörigkeit durch Belästigung und Beendigung des Ausbildungsverhältnisses diskriminiert worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die aus Land 1 stammende Antragstellerin absolvierte beim Antragsgegner im Zeitraum 28. Februar 2020 bis 19. Jänner 2021 eine Ausbildung zur Kinderbetreuerin im Rahmen eines …-Programms.
Bei dem …-Programm … handelt es sich um eine AMS-Maßnahme iSd § 34 AMSG. Es besteht aus einer theoretischen Ausbildung (z.B. Kurs einer Bildungseinrichtung) und aus einer praktischen Ausbildung im Ausbildungsbetrieb. Während der Ausbildung erhalten die Teilnehmer eine Beihilfe des AMS. Die Ausbildungskosten werden von den Kooperationspartnern des AMS finanziert, welche zum Teil durch das Bundesland 2 gefördert werden. Die Kooperationspartner erstellen einen Bildungsplan und suchen nach einem geeigneten Ausbildungsbetrieb. Die Ausbildungsbetriebe leisten Unternehmensbeiträge an Kooperationspartner.
Im Betreib des Antragsgegners sind vorwiegend Frauen beschäftigt. Die Hälfte des Personals hat außerdem einen Migrationshintergrund.
In der Zeit, in der die Antragstellerin beim Antragsgegner tätig war, besuchte der 3-jährige Sohn der Antragstellerin den Kindergarten des Antragsgegners. Die Antragstellerin stand zu diesem Zeitpunkt vor einer Scheidung und hatte finanzielle Schwierigkeiten. In der Coronazeit ist die Situation für die Antragstellerin noch belastender geworden, da sie während des Lockdowns ihren Sohn zu Hause betreuen musste und schließlich daran gehindert war, ihrer Ausbildung im vorgesehenen Zeitausmaß nachzugehen. Die AMS-Maßnahme wurde folglich im Einvernehmen geändert bzw. das Stundenausmaß reduziert.
Aufgrund der Corona-Maßnahmen wurden außerdem alle für das Ausbildungsprogramm der Antragstellerin gebuchten Theoriekurse gestrichen. Die Antragstellerin konnte trotz monatelangem Warten seitens des AMS keine Ersatzkurse auftreiben. Aufgrund der Corona-Situation gab es keine verfügbaren Theoriekurse und es war auch nicht absehbar, wann diese wieder besucht werden können.
Am 9. Dezember 2020 führte der Antragsgegnervertreter mit der Antragstellerin ein Gespräch über ihre ausständigen Materialarbeiten. Im Zuge dieses Gesprächs kam es zwischen den Beiden zu einer Auseinandersetzung. Die Antragstellerin ging aufgebracht aus dem Klassenraum raus und wollte anschließend die Schule verlassen. Der Antragsgegnervertreter ging der Antragstellerin nach und fragte, was sie vorhatte. Er erklärte der Antragstellerin, dass sie nicht so einfach gehen könne, weil dies einer Kündigung gleichkäme.
Sie Antragstellerin rief dann im Beisein des Antragsgegnervertreters ihre Bildungsmanagerin an. Diese riet ihr an, einfach ihre Arbeit zu tun und in der Schule zu bleiben.
Die Antragstellerin setzte die Ausbildung fort und arbeitete bis zum letzten Schultag im Jahr 2020. Nach den Weihnachtsferien meldete sie sich krank. Bis zu diesem Zeitpunkt gelang es der Antragstellerin nicht, Ersatztheoriekurse für ihren Bildungsplan zu organisieren. Das AMS und die Bildungsmanagerin haben den Antragsgegnervertreter daher vermehrt unter Druck gesetzt. Die Bildungsmanagerin teilte dem Antragsgegnervertreter schlussendlich mit, dass das …-Programm beendet werden müsse, wenn keine Ersatzkurse gefunden werden.
Mitte Jänner erlebte die Antragstellerin häusliche Gewalt durch ihren ehemaligen Ehegatten. Sie hat daraufhin ein Annäherungsverbot erwirkt und den Antragsgegnervertreter darüber informiert, da ihr Sohn sich in der Betreuung des Antragsgegners befand.
Am 19. Dezember 2021 beendete der Antragsgegner das Ausbildungsverhältnis. Die Antragstellerin wurde darüber von ihrer Bildungsmanagerin telefonisch informiert. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Antragstellerin nach wie vor im Krankenstand.
Der Antragsgegnervertreter schrieb der Antragstellerin am 20. Jänner 2021 eine Nachricht, dass sehr traurig sei über die Entscheidung, das … Programm zu beenden, dass es ihm nicht leicht gefallen sei und dass er hoffe, dass sie damit gut zurechtkomme. Er stütze in seiner Nachricht die Beendigung des Programms darauf, dass es keine Kurse gebe, die die Antragstellerin belegen könne und dass er die Information von der Bildungsmanagerin habe, dass sie das … Programm beenden müssen, wenn sie keine Kurse finde, und die Coronasituation das Ganze noch schwieriger mache.
Nicht festgestellt werden konnte, dass der Antragsgegnervertreter der Antragstellerin gegenüber die Aussagen „Was erwartest du von ihr, sie ist eine … (Bezeichnung einer Person aus Land 1)“, „Fuck off“ und „Geh! Du bist eine … (Bezeichnung einer Person aus Land 1) und wir alle wissen, wie es mit den … (Leuten aus Land 1) ist“ tätigte.
In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
Hinsichtlich der beantragten Tatbestände gelangte der Senat im Zuge des Ermittlungsverfahrens zu dem Schluss, dass es sich bei der Tätigkeit der Antragstellerin bei dem Antragsgegner nicht um ein Arbeitsverhältnis handelte. Dies ergibt sich einerseits aus der von der Antragstellerin mit ihrem Antrag vorgelegten …-Vereinbarung und wurde andererseits auch von der Bildungsmanagerin W in ihrer Stellungnahme vom 16. September 2022 bestätigt. Der Sachverhalt wurde folglich von Amts wegen unter dem Tatbestand der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses subsumiert und die vorgebrachten Diskriminierungen unter diesem Aspekt geprüft.
1. Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 4 Abs 1 GlBG vor.
§ 4 Z 1 GlBG normiert nach den Gesetzesmaterialien entsprechend dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Z 2 GlBG das Diskriminierungsverbot für alle Formen und Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der betrieblichen Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung.4
Es sind auch alle Formen und Ebenen der Berufsberatung etc. umfasst, unabhängig davon, ob sie der Staat, ein privater Arbeitgeber/eine private Arbeitgeberin oder ein Sozialversicherungsträger etc. finanziert. Zu den von § 4 Z 1 GlBG erfassten Personengruppen zählen etwa Volontäre/Volontärinnen, Praktikanten/Praktikantinnen, Gesundheits- und Krankenpflegeschüler/Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen etc. Im Rahmen der praktischen Berufserfahrung sind daher von § 4 Z 1 GlBG praktische Tätigkeiten, die im Rahmen oder in Verbindung mit einer Berufsausbildung, Berufsweiterbildung oder Umschulung, zB auch Maßnahmen gemäß § 18 Abs 6 und 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz anfallen, erfasst.5
Ziel des §§ 1 Abs. 1 Z 2 GlBG ist die Verhinderung von möglichen Diskriminierungen im Zuge der Beschäftigung. So soll damit eine Segmentierung des Arbeitsmarkts, etwa nach dem Geschlecht oder ethnischen Gruppen durch Umschulungs- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten zumindest verringert werden.6
Die Berufsausbildung ist umfassend zu verstehen, sodass nicht nur Lehrberufe, sondern alle Ausbildungen, die einer konkreten Berufsausübung dienen, davon erfasst sind.7
Das gegenständliche Ausbildungsverhältnis fällt demnach unter den Begriff der Berufsausbildung iSd § 4 Abs 1 GlBG.
Die im Antrag behaupteten Vorwürfe, der Antragsgegner habe das Ausbildungsverhältnis der Antragstellerin beendet, weil sie mit häuslicher Gewalt konfrontiert worden sei, können grundsätzlich eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes darstellen.
Der Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung ist nach § 5 Abs 2 GlBG dann erfüllt, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Anders formuliert geht es hier um Regelungen und Maßnahmen, die prima facie ein anderes Unterscheidungskriterium als das Geschlecht verwenden, das in den Auswirkungen zu einer nicht zu rechtfertigenden vermuteten Benachteiligung aufgrund des Geschlechts führt.8
Die Antragstellerin führte in ihrem Antrag schlüssig aus, dass hauptsächlich Frauen von häuslicher Gewalt betroffen seien, weshalb es sich bei der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses aufgrund häuslicher Gewalt um eine Maßnahme handle, von der Frauen hauptsächlich betroffen wären.
Die Antragstellerin hat diese Vorwürfe in ihrem schriftlichen Antrag auch insofern glaubwürdig dargestellt, als diesbezüglich ein Verfahren vor der GBK eingeleitet und durchgeführt wurde. Allerdings gelang es der Antragstellerin bei der mündlichen Befragung nicht, die in ihrem Antrag angeführten Vorkommnisse glaubhaft zu machen und insbesondere den Bezug zu ihrem Geschlecht bzw. dem Umstand, dass sie mit häuslicher Gewalt konfrontiert war, herzustellen.
Bei dem Senat der Eindruck, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer finanziellen Probleme und der bevorstehenden Scheidung mit der Gesamtsituation überfordert war, was zur Leistungsminderung und folglich zu Spannungen zwischen ihr und dem Antragsgegnervertreter führte. Es kann nachvollzogen werden, dass der Umstand, dass sie in Zeiten des coronabedingten Online-Unterrichts ihren 3-jährigen Sohn zu Hause betreuen musste und zudem mit häuslicher Gewalt konfrontiert war, eine enorme Belastung für die Antragstellerin darstellte.
Angesichts der schwierigen Gesamtsituation ist es naheliegend, dass die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses die Antragstellerin sehr betroffen hat. Der Senat sieht jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses und der Mitteilung an den Antragsgegnervertreter über das Annäherungsverbot bzw. die häusliche Gewalt. Der Geschlechtsbezug hat sich somit nicht erhärtet.
Die Gründe, wieso das Ausbildungsverhältnis mit der Antragstellerin beendet wurde, konnte der informierte Vertreter des Antragsgegners in seiner mündlichen Befragung glaubwürdig und nachvollziehbar darlegen. Bei dieser Befragung führte er plausibel aus, dass es aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht möglich war, die für die AMS-Maßnahme erforderlichen Theoriekurse zu organisieren, weshalb das Ausbildungsprogramm beendet werden musste. Auch die Auskunftsperson B bestätigte, dass ihres Wissens nach die Ausbildung der Antragstellerin mangels verfügbaren Theoriekursen beendet wurde. Dies stimmt außerdem mit dem Inhalt der WhatsApp-Nachricht des Antragsgegnervertreters an die Antragstellerin vom 20. Jänner 2021 überein.
Aus den WhatsApp-Protokollen ist überdies ersichtlich, dass der Antragsgegnervertreter mehrfach den Versuch unternommen hat, mit der Antragstellerin ein Treffen zu organisieren, um die Zukunft ihres Ausbildungsverhältnisses zu besprechen. Es kann anhand der Nachrichten der Antragstellerin auch nachvollzogen werden, dass es für den Antragsgegner nicht klar war, ob die Antragstellerin überhaupt beabsichtigt, die Ausbildung fortzusetzen. Die Antragstellerin gestand überdies in ihrer Nachricht vom 5. Jänner 2021 ein, dass sie das Gefühl habe, in letzter Zeit nicht die beste Arbeitsleistung erbracht zu haben. Die Antragstellerin hat die Richtigkeit der in der Stellungnahme des Antragsgegners enthaltenen WhatsApp-Protokolle nicht bestritten.
Schließlich räumte die Antragstellerin im Zuge ihrer Befragung selbst ein, dass es natürlich viele sachlichen Gründe für die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gegeben habe, insbesondere die Pandemie und die fehlenden Theoriekurse.
Im Zusammenhang mit dem von der Antragstellerin ebenfalls vorgebrachten Vorwurf, der Antragsgegnervertreter habe zu ihr „fuck off“ gesagt, was sie als geschlechtsbezogene bzw. sexuelle Belästigung aufgefasst habe, ist festzuhalten, dass dieser Ausdruck nach Ansicht des Senats aufgrund seines Bedeutungsgehaltes im allgemeinen Sprachgebrach nicht dem sexuellen bzw. geschlechtsbezogenen Bereich zugeordnet werden kann. Wenngleich derartige Aussagen im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses als äußerst unangebracht anzusehen sind und eine Belästigung darstellen können, sind vom Anwendungsbereich des GlBG nur jene Belästigungen erfasst, die mit einem der durch das GlBG geschützten Merkmale zusammenhängen.
Abgesehen davon konnte nicht festgestellt werden, dass die Aussage „Fuck off“ seitens des Antragsgegnervertreters tatsächlich gefallen ist, zumal auch die befragte Auskunftsperson B, welche bei dem Senat einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterließ, ausführte, dass im Zuge des Gesprächs am 9. Dezember 2020 englische Schimpfwörter nicht seitens des Antragsgegnervertreters, sondern seitens der Antragstellerin getätigt worden seien. Sie führte überdies überzeugend aus, dass der Antragsgegnervertreter nie ausfallend geworden sei und die Antragstellerin – im Gegensatz zum Antragsgegnervertreter – häufig sehr emotional und impulsiv reagiert habe.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist, die Diskriminierung näher zu konkretisieren. Daher kommt es zu keiner Beweislastverteilung und das Beweisdefizit geht zulasten der Antragstellerin.
2. Es liegt keine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 18 Abs 1 iVm § 17 Abs 1 GlBG vor.
Gemäß § 18 Abs 1 iVm § 17 Abs 1 GlBG darf aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, auch nicht bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses.
Da § 18 Abs 1 GlBG dem § 4 Abs 1 GlBG nachgebildet wurde, ist von einem gemeinsamen Begriffsverständnis der „Berufsausbildung“ auszugehen. Diesbezüglich wird daher auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Adressaten und Adressatinnen der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit sind Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie auf Grund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden. Eine unterschiedliche Behandlung knüpft überwiegend an Unterschiede an, die auf Grund von Abstammungs- oder Zugehörigkeitsmythen als natürlich angesehen werden und die die betroffenen Personen nicht ändern können. Häufige Erscheinungsformen sind Diskriminierungen wegen der Hautfarbe und anderer äußerer Merkmale sowie wegen einer als fremd angesehenen Muttersprache.9
Dem Antragsgegnervertreter wurde von der Antragstellerin vorgeworfen, Aussagen wie „Was erwartest du von ihr, sie ist eine … (Bezeichnung einer Person aus Land 1)“ und „Geh! Du bist eine … (Bezeichnung einer Person aus Land 1) und wir alle wissen, wie es mit den … (Leuten aus Land 1) ist“ getätigt zu haben, weshalb eine Belästigung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit grundsätzlich in Frage käme.
Die Antragstellerin hat diese Vorwürfe in ihrem schriftlichen Antrag auch glaubwürdig dargestellt, allerdings gelang es der Antragstellerin bei der mündlichen Befragung nicht, die in ihrem Antrag vorgebrachten Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Verhalten des Antragsgegnervertreters glaubhaft zu machen.
In diesem Zusammenhang war für den Senat in seiner Entscheidungsfindung insbesondere die Aussage der Auskunftsperson B, welche die Auseinandersetzung vom 9. Dezember persönlich wahrgenommen hat, ausschlaggebend. Sie erschien dem Senat sehr glaubwürdig, zumal sie nicht mehr bei dem Antragsgegner beschäftigt ist. Ihrer Aussage zufolge sei der Antragsgegnervertreter, nachdem sich die Antragstellerin in die Garderobe begeben habe, der Antragstellerin nachgegangen und habe immer wieder nachgefragt, was passiert sei. Als die Antragstellerin mitgeteilt habe, dass sie jetzt gehen würde, habe sie der Antragsgegnervertreter darauf hingewiesen, dass das einer Kündigung gleichkäme. Dass der Antragsgegnervertreter in diesem Moment – entsprechend dem Vorbringen der Antragstellerin – eine abfällige Bemerkung in Bezug auf die … Herkunft der Antragstellerin getätigt hätte, ergibt sich aus der Schilderung der Auskunftsperson nicht.
Die Auskunftsperson gab überdies überzeugend an, dass sie während der gesamten Zeit ihrer Tätigkeit bei dem Antragsgegner nie erlebt habe, dass der Antragsgegnervertreter ausfallend geworden wäre. Sie beschrieb den Antragsgegnervertreter als eine sehr ruhige Person, die nie laut gestritten hat. Dieses Bild stimmt mit dem vom Senat im Zuge der Befragung gewonnen Eindruck überein.
Hinzukommt, dass das Vorbringen der Antragstellerin betreffend den ersten Diskriminierungsvorfall im Sommer 2020 insofern widersprüchlich ist, als sie im Antrag ausführt, der Antragsgegnervertreter habe sich auf eine von seiner Ehefrau stammende Aussage berufen und „was erwartest du von ihr, sie ist eine … (Bezeichnung einer Person aus Land 1)“ gesagt. Im Zuge der mündlichen Befragung gab die Antragstellerin davon abweichend an, dass der Antragsgegnervertreter quasi als Witz „ah ihr … (Leute aus Land 1)“ gesagt habe.
Anzumerken ist auch, dass der Antragsgegnervertreter im Zuge seiner Befragung sehr überzeugend darlegte, dass er die Personen mit Migrationshintergrund gerade deswegen einstelle, weil sie aus anderen Sprach- und Kulturkreisen kommen und weil er das multikulturelle Lehrpersonal für die Kinder sehr wertvoll finde. Es wäre daher nicht lebensnah, wenn er die Personen, die er wegen ihrer ethnischen Herkunft eingestellt hat, in weiterer Folge aus demselben Grund diskriminieren würde.
Zusammenfassend kam der Senat zu dem Ergebnis, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist glaubhaft zu machen, dass der Antragsgegnervertreter tatsächlich diskriminierende Aussagen in Bezug auf ihre … Herkunft getätigt hat.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 26 Abs 12 GlBG verlagerte sich die Beweislast daher nicht auf den Antragsgegner und das Beweisdefizit geht zu Lasten der Antragstellerin.
Wien, 27. September 2022
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. zB VfSlg. 19.321.
2 Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.
3 Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 4 Rz 3.
5 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 4 Rz 3.
6 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 1 Rz 15.
7 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 1 Rz 16.
8 Vgl. Rebhahn/Windisch-Graetz in Windisch-Graetz (Hrsg), Gleichbehandlungsgesetz § 5 Rz 24.
9 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 17 Rz 15.
Zuletzt aktualisiert am
16.01.2023