Entscheidungsdatum
20.12.2022Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §19Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Luchner über die Beschwerde des AA, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 15.12.2021, Zl ***, ***, betreffend eine Ladung in einer Angelegenheit nach dem Suchtmittelgesetz,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Vorverfahren, Sachverhalt:
Mit dem angefochtenen Ladungsbescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 15.12.2021 wurde der Beschwerdeführer unter Angaben des Gegenstandes „§ 12 Suchtmittelgesetz: amtsärztliche Untersuchung wegen der Annahme eines Suchtmittelmissbrauchs“ am 05.01.2022 um 09:00 Uhr zur belangten Behörde vorgeladen. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er persönlich kommen müsse.
Diesem Ladungsbescheid gemäß § 19 AVG lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 09.11.2021 in CC in der Adresse 1 in **** Z durch die Polizeiinspektion Z beamtshandelt wurde, wobei festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer im Besitz geringer Mengen Cannabiskraut und Kokain für den Eigengebrauch gewesen sei.
Gegen den genannten Ladungsbescheid der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde erhoben und in dieser ausgeführt wie folgt:
„BESCHWERDE
1. In umseits bezeichneter Rechtssache gibt der ausgewiesene Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die ihm erteilte Vollmacht bekannt und ersucht um Kenntnisnahme und Vornahme der weiteren Zustellung zu dessen Händen.
2. Zur Rechtzeitigkeit:
Dem Beschwerdeführer wurde der Ladungsbescheid mit Datum vom 15.12.2021 am 30.12.2021 nach Rückkehr aus dem Ausland (nach zuvor erfolgter Hinterlegung) zugestellt. Die Beschwerde erfolgt daher jedenfalls rechtzeitig.
3. Anfechtungserklärung:
Der Ladungsbescheid vom 15.12.2021, ***, wird in seinem gesamten Umfang bekämpft.
4. Begründung:
4.1. Gemäß § 12 SMG hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde eine Person dann der Begutachtung zuzuführen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine Person Suchtgift mißbraucht.
Der Ladungsbescheid vom 15.12.2021, ***, enthält keinen Hinweis, aufgrund welcher bestimmter Tatsachen die Behörde einen Suchtgiftmissbrauch des Beschwerdeführers annimmt. Es ermangelt diesem Bescheid sohin einer hinreichenden Begründung. Dessen ungeachtet ist jeder Bescheid zu begründen. Verwiesen wird auf die Bestimmungen des § 58 Abs 2 AVG. Dies umso mehr, wenn das Gesetz gewisse Anforderungen für eine behördliche Maßnahme voraussetzt, wie § 12 SMG dies tut.
Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Erwägungen die Behörde eine amtsärztliche Untersuchung gemäß § 12 SMG anordnet. Eine solche Begründung ist jedoch erforderlich, um den jeweiligen Adressaten eine ausreichende Information und Kenntnis darüber zu vermitteln, aus welchen Erwägungen die Behörde eine derartige Anordnung trifft.
Der Beschwerdeführer ist weder in Kenntnis, aufgrund welcher konkreten Annahmen bzw. Unterstellungen an die Behörde eine amtsärztliche Untersuchung anordnet, noch kann er nachvollziehen, welche konkreten Suchtmittel die Behörde vermeint.
4.2. Der Beschwerdeführerstellt höchstvorsorglich einen Suchtmittelabusus jedenfalls in Abrede.
5. Anträge:
Es wird sohin der
Antrag
gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol, in eventu die zuständige Verwaltungsoberbehörde, wolle den Ladungsbescheid vom 15.12.2021 ersatzlos aufheben.
AA“
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt.
II. Rechtliche Bestimmungen:
Bundesgesetz über Suchtgifte, psychotropische Stoffe und Drogenausgangsstoffe (Suchtmittelgesetz – SMG), BGBl I Nr 112/1997 idF BGBl I Nr 254/2021:
„§ 11
Gesundheitsbezogene Maßnahmen bei Suchtgiftmißbrauch
(1) Personen, die wegen Suchtgiftmißbrauchs oder der Gewöhnung an Suchtgift gesundheitsbezogener Maßnahmen gemäß Abs. 2 bedürfen, haben sich den notwendigen und zweckmäßigen, ihnen nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen. Bei Minderjährigen haben die Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten im Rahmen ihrer Pflicht zur Pflege und Erziehung dafür zu sorgen, daß sie sich solchen Maßnahmen unterziehen.
(2) Gesundheitsbezogene Maßnahmen sind
1. die ärztliche Überwachung des Gesundheitszustands,
2. die ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung,
3. die klinisch-psychologische Beratung und Betreuung,
4. die Psychotherapie sowie
5. die psychosoziale Beratung und Betreuung
durch qualifizierte und mit Fragen des Suchtgiftmißbrauchs hinreichend vertraute Personen.
[…]
§ 12
(1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, daß eine Person Suchtgift mißbraucht, so hat sie die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmißbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinisch-psychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammenzuarbeiten hat, zuzuführen. Die Person hat sich den hiefür notwendigen Untersuchungen zu unterziehen.
(2) Ergibt die Begutachtung, daß eine gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 notwendig ist, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darauf hinzuwirken, daß sich die Person einer solchen zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen Maßnahme unterzieht. Bei der Wahl der gesundheitsbezogenen Maßnahme ist das Wohl der Person, insbesondere der therapeutische Nutzen der Maßnahme, zu beachten. Dabei sind die Kosten im Verhältnis zum Erfolg bei Wahrung der Qualität der Therapie möglichst gering zu halten. Bei mehreren gleichwertig geeigneten Alternativen ist die ökonomisch günstigste zu wählen.
[…]
§ 14
(1) Steht eine Person, die Suchtgift missbraucht, im Verdacht, eine Straftat nach § 27 Abs. 1 oder 2 begangen zu haben, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde nur dann Strafanzeige zu erstatten, wenn sich die Person den notwendigen, zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen gemäß § 11 Abs. 2 nicht unterzieht.
[…]
(2) Die Kriminalpolizei hat der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde die von ihnen wegen des Verdachts einer Straftat nach den §§ 27, 28 oder 28a an die Staatsanwaltschaft erstatteten Berichte auf dem in § 24a Abs. 1 vorgegebenen Weg unverzüglich mitzuteilen.
[…]“
§ 19 AVG lautet (auszugsweise):
„§ 19
Ladungen
(1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung.“
III. Rechtliche Erwägungen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 12 SMG mehrfach die Auffassung vertreten, dass dann, wenn der Verdacht gegeben ist, eine Person missbrauche Suchtgift, im Hinblick auf allenfalls zu setzende ärztliche Maßnahmen, Raschheit geboten sei. Im Regelfall könne daher nicht gesagt werden, dass es gleichgültig sei ob der Betreffende früher oder später bei der Behörde erscheine, weshalb der Behörde eine Überschreitung des Auswahlermessens hinsichtlich der Form der Ladung nicht vorzuwerfen sei, wenn sie sich für einen Ladungsbescheid entscheidet (siehe die Erkenntnisse vom 28.07.2001, 2001/11/0134 und vom 26.02.2002, 2001/11/0348 sowie 2002/11/0109).
Es ist richtig, dass die Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ladungsbescheids zur Verfolgung der im § 12 Abs 1 SMG umschriebenen gesundheitspolizeilichen Zwecke ist, dass bestimmte Tatsachen zur Annahme zwingen, dass „eine Person Suchtgift missbraucht“, wobei im Hinblick auf den Regelungsgegenstand als tatbestandsmäßig anzusehen ist, dass der Suchtgiftmissbrauch in der Person des betreffenden selbst gelegen sein muss. Das Vorhandensein derartiger „bestimmter Tatsachen“ muss zum Zeitpunkt der Erlassung des Ladungsbescheids gegeben sein. Der Verdacht eines aktuellen Suchtmittelmissbrauchs muss gegeben sein.
Diese Voraussetzungen waren im gegenständlichen Fall erfüllt, da eine Anzeige vorliegt aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer durch die Polizei angehalten wurde und im Besitz geringer Mengen Cannabiskraut und Kokain für den Eigenbrauch gewesen war.
Es ist daher durchaus nachvollziehbar, wenn die belangte Behörde aufgrund des ihr vorliegenden Sachverhalts davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer am 09.11.2021 Suchtmittel konsumiert hat. Diese Annahme ist nicht unschlüssig und wird vom Beschwerdeführer auch nicht stichhaltig widerlegt.
Nach § 12 Abs 1 SMG hat der Bürgermeister der Stadt Z, vertreten durch die Gesundheitsbehörde, Personen, bei denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Suchtgift missbrauchen, der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt zuzuführen. Der Konsum von Kokain ist nicht gestattet und somit ist das Konsumieren als „Missbrauch“ anzusehen (siehe das Erkenntnis vom 28.06.2001, 2001/11/0135). Da nach der gegebenen Sachlage anzunehmen war, dass der Beschwerdeführer Suchtgift missbraucht, war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde als Gesundheitsbehörde ausgehend vom § 12 Abs 1 SMG den vorliegenden Ladungsbescheid erlies.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Luchner
(Richterin)
Schlagworte
LadungsbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.17.0490.1Zuletzt aktualisiert am
16.01.2023