Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der E in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Jänner 1994, Zl. 4.334.722/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Jänner 1994 wurde in Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. März 1992 ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin - einer Staatsangehörigen der "jugoslawischen Föderation", die am 13. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 14. Februar 1992 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht werden und über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin nach der Feststellung, das Ermittlungsverfahren, insbesondere auch die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin, hätte ihre Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht ergeben, auch deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihr der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg.cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der Beschwerdeführerin anläßlich ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 26. Februar 1992 aus, wonach sie sich vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet je ungefähr eine Woche in Kroatien und Slowenien aufgehalten habe, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, und vom 6. September 1995, Zl. 95/01/0030), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat. Nach der genannten Rechtsprechung steht der Annahme, die Beschwerdeführerin sei bereits in Kroatien bzw. Slowenien vor Verfolgung sicher gewesen, der Umstand, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin "lediglich transitmäßig" erfolgte, nicht entgegen; insoferne wird also mit den Beschwerdeausführungen die inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides nicht dargetan.
Die Beschwerdeführerin bringt aber in tatsächlicher Hinsicht auch vor, daß beide Staaten "erklärt" hätten, daß sie "wegen Überfüllung der entsprechenden Kapazitäten" keine Flüchtlinge mehr aufnehmen würden, sodaß die "extreme" Gefahr bestünde, daß sie in die "Jugoslawische Föderation" abgeschoben werde. Darüber hinaus sei speziell in Kroatien durch die Kriegseinwirkungen in Bosnien offenbar Gewaltbereitschaft gegeben, sodaß die staatliche Verwaltung im Bereich des Flüchtlingswesens nach der Genfer (Flüchtlings)Konvention nicht als effektiv anzusehen sei.
Für diese Ausführungen verwendet die Beschwerde - obwohl sich das Vorbringen auf den Zeitpunkt des Aufenthaltes der beschwerdeführenden Partei in den genannten Staaten beziehen soll - die Gegenwartsform; da aber mit diesen Ausführungen der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin sei es bereits in diesen Staaten möglich gewesen, um Asyl anzusuchen, sie wäre dort vor Verfolgung sicher gewesen und hätte auch nicht befürchten müssen, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden, entgegengetreten werden soll, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß es sich hiebei lediglich um ein Vergreifen in der Zeitform handelt.
Damit macht die Beschwerdeführerin zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Kroatien und Slowenien habe der Beschwerdeführerin einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten. Die Beschwerdeführerin hat auf diese Weise nach Maßgabe der sie im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung ihres Vorbringens bedurft hätte, auch die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, nunmehr aufgrund des von ihr gemäß dessen § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht hat, verstößt ihr (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994010794.X00Im RIS seit
20.11.2000