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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 1995, Zl.4.335.723/11-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "früheren SFRJ" und Angehöriger der albanischen Volksgruppe, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 6. Mai 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 28. April 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl. Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde dieser Bescheid mit hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 93/01/0915, aufgehoben, wodurch das Verfahren wiederum bei der belangten Behörde anhängig wurde. Mit dem Bescheid vom 9. Mai 1995 wies die belangte Behörde nach einem ergänzten Ermittlungsverfahren neuerlich die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Sie begründete dies im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe bei seiner am 10. Februar 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung angegeben, er sei in seinem Heimatland weder religiös noch politisch verfolgt worden. Er sei Angehöriger der albanischen Volksgruppe und habe wegen dieser Zugehörigkeit keine Rechte gehabt. Am 8. Februar 1992 hätten vier Milizorgane ihn von zu Hause zur Armeeinheit nach Mies mitnehmen wollen, er sei jedoch nicht zu Hause gewesen. Dies habe ihm seine Gattin mitgeteilt. Da er nicht gegen eigene Landsleute habe kämpfen wollen, habe er dieser Aufforderung keine Folge geleistet. Er habe auch seinen letzten Arbeitsplatz verloren. Die wirtschaftliche Lage sei katastrophal. Er habe seine Familie nicht mehr ernähren können. Er habe sich daher entschlossen, sein Heimatland zu verlassen und sich hier eine neue Existenz aufzubauen. In seiner fristgerechten Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe er ausgeführt, die politische Situation habe ihn gezwungen, sein Heimatland zu verlassen. Er habe die Einberufung zum Militär erhalten. Wegen seiner politischen Einstellung habe er der Einberufung nicht Folge geleistet, weshalb er sich vor der ihn verfolgenden Polizei habe verstecken müssen, bis ihm schließlich die Flucht nach Österreich gelungen sei. In der ihm ermöglichten Berufungsergänzung habe er ausgeführt, es sei keineswegs nur die Einberufung zum Militärdienst in seinem Heimatland gewesen, die ihn zur Flucht veranlaßt habe, sondern die gesamte politische Situation dort. Sein "Problem" sei nicht auf wirtschaftlicher, sondern vielmehr auf rein politischer Linie gelegen. In früheren Jahren sei er als Angehöriger der albanischen Volksgruppe mehrmals hintereinander zur Bundesarmee eingezogen worden, wo er auf der Seite der Serben habe kämpfen müssen. Die Polizei habe ihn einfach von zu Hause abgeholt und zur Armee mitgenommen. Für die begründete Furcht vor Verfolgung sei im übrigen nicht nur die subjektive Verfassung des Asylwerbers entscheidend, sondern auch, daß diese Verfassung durch objektive Tatsachen begründet sein müsse. Die begründete Furcht müsse nicht unbedingt auf eigenen persönlichen Erfahrungen des Asylwerbers beruhen und könne auch aus dem, was Freunden, Verwandten oder anderen Angehörigen der gleichen Rasse oder sozialen Gruppe angetan werde, geschlossen werden. Es könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß gerade die albanische Volksgruppe im Kosovo Grund habe, sich insbesondere vor der serbischen Armee zu fürchten. Im übrigen sei er allein auf Grund seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe erhöhten Repressionen der staatlichen Behörden ausgesetzt. Polizeiübergriffe seien an der Tagesordnung gewesen. Er sei, nicht wie in der niederschriftlichen Vernehmung angeführt, Gelegenheitsarbeiter, sondern Goldschmied gewesen. Die Polizei habe rechtswidrigerweise seinen gesamten Goldvorrat beschlagnahmt, um seine wirtschaftliche Existenz zu vernichten. Diese Vorgangsweise der serbischen Behörden sei üblich gewesen und habe dazu gedient, die kulturelle Selbständigkeit und ethnische Identität der albanischen Bevölkerung zu vernichten. Auch im Falle seiner Einberufung sei er erhöhter Gefahr in der Armee ausgesetzt gewesen, er wäre diskriminiert und als minderwertiger Mensch behandelt sowie bevorzugt an besonders gefährlichen Frontabschnitten eingesetzt worden.
Die belangte Behörde beurteilte dieses Vorbringen des Beschwerdeführers rechtlich dahingehend, die Einberufung zum Militärdienst stelle keine Verfolgung im Sinne des § 1 AsylG dar, insbesondere lasse sie noch keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation des Staates zu. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen gewesen, daß mit seiner Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre. Nach allgemeinen Ausführungen zur Praxis der Einberufung der Militärdienstpflichtigen im ehemaligen Heimatland des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, für die Zeit der allgemeinen Mobilmachung vom 3. Oktober 1991 bis 26. Mai 1992 habe es Anhaltspunkte gegeben, daß Angehörige von nationalen Minderheiten (darunter auch Kosovo-Albaner) in überproportionalem Umfang als Reservisten aufgeboten worden seien, diese jedoch nach Ausbruch des Krieges mit Kroatien im Herbst 1991 Aufgeboten der jugoslawischen Armee kaum mehr Folge geleistet hätten. Konkrete Einberufungen an Albaner aus dem Kosovo habe es ab diesem Zeitpunkt kaum mehr gegeben. Hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit seien bei der Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen keine Unterschiede gemacht worden, wobei jedoch nicht ausgeschlossen werden könne, daß für spezifische Ausbildungen Angehörige der albanischen Volksgruppe nicht herangezogen würden. Die militärischen Kader gehörten vorwiegend der serbisch-montenegrinischen Volksgruppe an, Führungsfunktionen würden kaum mit Kosovo-Albanern besetzt. Weder für die Behauptung, Angehörige der albanischen Volksgruppe würden an besonders gefährlichen Frontabschnitten oder an vorderster Front zum Einsatz gelangen, noch für die Behauptung, Kosovo-Albaner würden wegen ihrer fehlenden Loyalität mehrheitlich in der Etappe eingesetzt, gebe es eindeutige Beweise. Es fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, daß kosovo-albanische Reservisten oder Rekruten in Kriegsgebieten in Bosnien-Herzegowina oder in der kroatischen Krajina eingesetzt würden. Es würden Kosovo-Albaner nur mehr in technischen Einheiten eingesetzt und nicht mehr an Waffen ausgebildet. Die Befürchtung vieler Wehrpflichtiger, "in den Krieg geschickt zu werden", sei nicht nachvollziehbar und decke sich auch nicht mit den bestehenden Erkenntnissen, da die Armee der "jugoslawischen Föderation" sich nicht am Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina beteilige. Hinsichtlich Desertion und Refraktion mache das Gesetz keinen Unterschied bei der Strafverfolgung bzw. -bemessung nach ethnischen Kriterien. Die in der Berufung behaupteten Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Verfahrens erachtete die belangte Behörde als nicht vorliegend. Im übrigen verwies sie auf die Asylausschlußbestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991, da der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen vor der Einreise in das Bundesgebiet sich in Slowenien aufgehalten habe, welches zum Zeitpunkt seiner Durchreise bereits Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention gewesen sei und wo er demzufolge bereits Verfolgungssicherheit erlangt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Zunächst hält der Beschwerdeführer diesen Ausführungen entgegen, die belangte Behörde habe zu Unrecht das AsylG 1991 anstelle des Asylgesetzes (1968) angewendet, da er "noch vor dem 1. Juni 1992 Berufung ergriffen habe". Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat, ist gemäß § 25 Abs. 2 AsylG 1991 vom Bundesminister für Inneres das bei ihm am Stichtag 1. Juni 1992 anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes fortzuführen. Da auch nach den Ausführungen des Beschwerdeführers das Verfahren beim Bundesminister für Inneres nach dem genannten Zeitpunkt anhängig war, hat die belangte Behörde zutreffend das gegenständliche Asylverfahren nach den Bestimmungen des AsyG 1991 zu Ende geführt. Der belangten Behörde ist aber auch darin zuzustimmen, daß seinem Vorbringen in erster Instanz konkrete Anhaltspunkte für eine ethnisch oder politisch motivierte Verfolgung seines Heimatstaates nicht zu entnehmen war. Insoweit der Beschwerdeführer wiederum geltend macht, die belangte Behörde sei verpflichtet gewesen, amtswegig auf eine Vervollständigung seiner Angaben oder Beischaffung anderer Bescheinigungsmittel zur Darlegung der politischen Situation der albanischen Minderheit im Heimatland der Beschwerdeführers zu dringen, ist ihm entgegenzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche, von ihm auch in der Beschwerde zitierte § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung maßgeblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen, diese Gesetzesstelle jedoch keine Handhabe für die Begründung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Ermittlungspflicht bietet. Nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln. Ebensowenig kann aus § 16 AsylG 1991 eine Verpflichtung der Behörden abgeleitet werden, einen Asylwerber, der lediglich ein gegen ihn gerichtetes Vorgehen von Milizorganen ohne hinreichend deutliche Hinweise darauf, daß diese Aktivitäten aus den im § 1 Z. 1 AsylG 1991 aufgezählten Verfolgungsmotiven gesetzt worden wären, vorbringt, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret hätte gestalten sollen, damit diese von Erfolg gekrönt werden (vgl. hg. Erkenntnisse vom 16. September 1993, Zl. 93/01/0216 und vom 17. Juni 1993, Zl. 93/01/0010, u.a.). Liegen aber im Sinne des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 (vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren auch gar nicht geltend gemachte) relevante Verfahrensverletzungen nicht vor, so hat die belangte Behörde gemäß Abs. 1 dieser Gesetzesstelle die Ergebnisse des Verfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundezulegen. Der belangten Behörde ist auch darin zuzustimmen, wenn sie die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Einberufung zum Militärdienst als solche nicht als konkrete, gegen ihn selbst gerichtete Verfolgung gewertet hat, und er davon ausgegangen ist, daß keine asylrelevanten Umstände im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 geltend gemacht hat (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Daran ändert auch nichts, daß der Beschwerdeführer diese asylrelevanten Aspekte seiner Einberufung in seinen Beschwerden nachgetragen hat.
Da die belangte Behörde zutreffend die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint hat, war auf die Frage des Vorliegens eines Asylausschließungsgrundes im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 nicht mehr einzugehen.
Da sich sohin aus dem Inhalt der Beschwerde ergibt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Aus diesem Grunde erübrigt sich auch eine Entscheidung des Berichters über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995010547.X00Im RIS seit
20.11.2000