Entscheidungsdatum
19.07.2022Index
90/02 KraftfahrgesetzNorm
KFG 1967 §102 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pichler über die Beschwerde des Herrn Ing. A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Innere Stadt, vom 30.09.2021, Zl. VStV/…/2021, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes (KFG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass als Übertretungsnorm § 102 Abs. 3 fünfter Satz des Kraftfahrgesetzes, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl I Nr. 134/2020 – KFG anzusehen ist, Strafsanktionsnorm ist § 134 Abs. 3c KFG.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 14,40 Euro (das sind 20 Prozent der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses lautet wie folgt:
„1. Datum/Zeit: 09.08.2021, 16:40 Uhr
Ort: 1010 Wien, Stubenring 1
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-1 (A)
Sie haben als Lenker während der Fahrt ein Mobiltelefon verwendet, obwohl jegliche Verwendung des Mobiltelefons, ausgenommen als Navigationssystem, sofern es im Wageninneren befestigt ist, verboten ist. Das Mobiltelefon wurde auch nicht entsprechend der Ausnahmebestimmung als Navigationssystem verwendet.
Dies wurde bei einer Anhaltung gem. § 97 Abs. 5 StVO festgestellt. Sie haben die Zahlung der Organstrafverfügung verweigert, obwohl Ihnen dies angeboten wurde.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 102 Abs. 3 5. Satz KFG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
1. € 72,00 1 Tage(n) 0 Stunde(n) § 134 Abs. 3c KFG
0 Minute(n)
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher € 82,00“
In seiner frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde bestritt der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung.
In der Angelegenheit wurde am 15.02.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer teilnahm und der Polizeibeamte, der den Vorfall zur Anzeige gebracht hatte, als Zeuge einvernommen wurde.
Das Verwaltungsgericht Wien stellt folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:
Ing. A. B. hat am 09.08.2021 um 16.40 Uhr in Wien 1., Stubenring 1, das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-1 gelenkt.
Er hat unter Benutzung der Freisprecheinrichtung ein Telefonat geführt und dabei sein Mobiltelefon in der Hand gehalten, was von vorbeifahrenden Polizeibeamten wahrgenommen wurde.
Im Zuge der anschließenden Anhaltung wurde dem Beschwerdeführer die Ausstellung einer Organstrafverfügung wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benutzung von Mobiltelefonen während des Lenkens eines Kraftfahrzeuges angeboten, der Beschwerdeführer lehnte dies jedoch ab.
Diesen Sachverhaltsfeststellungen konnte zu den entscheidungsrelevanten Umständen, nämlich, dass der Beschwerdeführer während des Lenkens des Fahrzeuges das Mobiltelefon in der Hand gehalten hat, während er über die Freisprecheinrichtung ein Telefonat geführt hat und ihm die Ausstellung einer Organstrafverfügung angeboten wurde, das übereinstimmende Vorbringen des glaubwürdigen Zeugen sowie des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt werden.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 102 Abs. 3 fünfter Satz des Kraftfahrgesetzes, BGBl Nr. 267/1967 idF BGBl I Nr. 134/2020 ist für den Lenker eines Kraftfahrzeuges während des Fahrens das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung sowie jegliche andere Verwendung des Mobiltelefons, ausgenommen als Navigationssystem, sofern es im Wageninneren befestigt ist, verboten.
In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation geht der Beschwerdeführer davon aus, dass er, obwohl er das Mobiltelefon in der Hand gehalten hat, dieses nicht im Sinne der zitierten Bestimmung „verwendet“ hat, weil er das Telefonat unter Verwendung der Freisprechanlage geführt hat.
Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 14.07.2000, 2000/02/0154, zur Rechtslage nach der Kraftfahrgesetznovelle BGBl I Nr. 147/1998, mit der das Verbot des Telefonierens während des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Benützung der Freisprecheinrichtung normiert wurde, ausgeführt, dass es in Fällen, in denen ein Handy oder Smartphone in der Hand gehalten wird, nicht darauf ankommt, ob damit tatsächlich telefoniert wird. Dazu verweist der Verwaltungsgerichtshof auf den Bericht des Verkehrsausschusses (1334 BlgNR 20. GP), wonach gerade das Halten eines Mobiltelefons während der Fahrt vom Verkehrsgeschehen ablenkt und es deshalb zielführend sei, dieses Problem im Gesetz bei den Lenkerpflichten ausdrücklich zu regeln.
Kommt es aber, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dieser Entscheidung dargelegt hat, nicht darauf an, ob mit dem in der Hand gehaltenen Mobiltelefon überhaupt telefoniert wird, ist auch das Halten des Telefons, während ein Telefonat mit der Freisprecheinrichtung geführt wird, tatbestandsmäßig.
Dies schon im Hinblick darauf, dass wenn das Mobiltelefon in der Hand gehalten wird, jederzeit auf seine Funktionen zugegriffen werden kann.
Dies gilt umso mehr zu der nunmehr anzuwendenden Rechtslage nach der 32. KFG-Novelle, BGBl. I Nr. 40/2016, mit der der fünfte Satz des § 102 Abs. 3 KFG die nunmehrige Fassung erhielt, nach der beim Lenken eines Kraftfahrzeuges jedes „Verwenden“ eines Mobiltelefons untersagt wird.
Das Halten eines Mobiltelefons in einer Hand während des Lenkens eines Kraftfahrzeuges erfüllt daher den Tatbestand einer Übertretung dieser Bestimmung auch dann, wenn das Telefonat mit Zuhilfenahme der Freisprecheinrichtung geführt wird.
Der Beschwerdeführer hat sohin den objektiven Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt.
Da die verletzten Rechtsvorschriften über das Verschulden keine Aussage treffen, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (vgl. § 5 Abs. 1 erster Satz VStG). Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil weder der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr vorausgesetzt, noch über das Verschulden etwas bestimmt wird. Bei solchen Delikten obliegt es gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung entsprechender Beweisanträge (vgl. beispielsweise etwa VwGH 20.11.2013, 2012/10/0070, vom 28.03.2006, 2002/03/0264 oder vom 24.11.2003, 2001/10/0137).
Danach ist bei Ungehorsamsdelikten das Verschulden des Täters nicht von der Behörde zu beweisen, sondern „ohne weiteres anzunehmen“. Dem Täter steht es jedoch frei, diese Vermutung durch Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit zu widerlegen. Der „Entlastungsbeweis“ ist aber nicht notwendig, wenn die Behörde schon bei Ermittlung des äußeren Tatbestandes schuldausschließende Umstände feststellt (vgl. Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 16. Aufl., Anm. 5 zu § 5 VStG).
Schuldausschließende Umstände sind im Verfahren weder behauptet worden noch im Beweisverfahren hervorgekommen.
Dem Beschwerdeführer wurde den unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen zur Folge auch die Ausstellung eines Organstrafmandates angeboten und liegt daher auch kein Verfolgungshindernis vor.
Die Beschwerde war daher in der Schuldfrage spruchgemäß abzuweisen.
Zur Strafbemessung:
Die angelastete Verwaltungsübertretung ist gemäß § 134 Abs. 3c KFG im Falle der Verweigerung der Ausstellung einer Organstrafverfügung mit Geldstrafe bis zu 72,-- Euro bedroht.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die übertretene Rechtsvorschrift dient dem besonderen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit.
Der objektive Unrechtsgehalt der Übertretung war nicht nur geringfügig.
Auch das Ausmaß des den Beschwerdeführer treffenden Verschuldens konnte nicht als geringfügig angesehen werden, da im Verwaltungsstrafverfahren weder hervorgekommen noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Erschwerungsgründe oder Milderungsgründe sind nicht hervorgekommen.
Da der Beschwerdeführer keine Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht hat, waren diese als durchschnittlich anzunehmen.
Unter Bedachtnahme auf die dargelegten Strafzumessungsgründe erweist sich die Ausschöpfung des geringen Strafsatzes bei der Zumessung von Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe nicht als rechtswidrig, weshalb die Beschwerde insgesamt als unbegründet abzuweisen war.
Die Rechtslage erweist sich aus dem Blickwinkel der hier zu beurteilenden Fallkonstellation als eindeutig, die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ihr kommt auch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Da sohin keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen, war die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
Lenken eines Fahrzeuges; Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung; Verwenden eines Mobiltelefons; HaltenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.051.16191.2021Zuletzt aktualisiert am
13.01.2023