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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/01/0142Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1) der A K in S, geboren am 20. Mai 1985, vertreten durch ihre Mutter U K (Zweitbeschwerdeführerin), und 2) der U K in S, geboren am 13. Oktober 1960, diese vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 21. April 1995, Zl. 4.206.221/9-111/13/94 (hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin, hg. Zl. 95/01/0141) und Zl. 4.206.221/5-111/13/93 (hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin, hg. Zl. 95/01/0142), beide betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerinnen wurden mit den Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 15. Jänner 1985 (Zweitbeschwerdeführerin) bzw. vom 21. Juni 1985 (Erstbeschwerdeführerin) als Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes (1968), verbunden mit der Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet, anerkannt. Mit den gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1995 wurde jedoch in Erledigung der Berufungen der Beschwerdeführerinnen gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 9. März 1993 jeweils in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 festgestellt, daß hinsichtlich der Person der Beschwerdeführerinnen der im Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, von der jeweiligen Beschwerdeführerin in Ansehung des sie betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, daß die Zweitbeschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 9. März 1993 unter anderem angegeben hat, daß ihr die polnische Regierung im Jahre 1986 die polnische Staatsbürgerschaft aberkannt habe und "dies auch für meine Tochter" (die Erstbeschwerdeführerin) "gelten dürfte". Würden die Beschwerdeführerinnen tatsächlich die polnische Staatsbürgerschaft nicht (mehr) besitzen, so könnte nicht davon gesprochen werden, daß Polen als ihr "Heimatland" im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sei, orientiert sich doch dieser Begriff - der sich vor allem auch im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention) findet - ausschließlich an der Staatsangehörigkeit (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli ,1993, Zl. 92/01/1038, und vom 17. Mai 1995, Zl. 95/01/0007). Abgesehen davon, daß die erwähnte Angabe der Zweitbeschwerdeführerin in Ansehung ihrer Person eine bloße Behauptung darstellte, die sie im Verwaltungsverfahren trotz Aufforderung nicht belegen konnte, und sie in bezug auf ihre Tochter lediglich auf einer Vermutung beruhte, fällt auf, daß in beiden Beschwerden der Feststellung der belangten Behörde, Polen sei das Heimatland der Beschwerdeführerinnen, nicht entgegengetreten wird. Demnach kann aber von der Richtigkeit dieser Feststellung ausgegangen werden, weshalb die belangte Behörde - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - jeweils zutreffend Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention herangezogen hat, wonach dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden wird, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat. Darauf, ob die Zweitbeschwerdeführerin deshalb, weil die belangte Behörde hinsichtlich ihrer Person zusätzlich ausgeführt hat, daß dann, wenn die Zweitbeschwerdeführerin (in Ermangelung eines Heimatlandes) staatenlos wäre, Art. 1 Abschnitt C Z. 6 der Genfer Flüchtlingskonvention zum Tragen käme, eine derartige Feststellung aber im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht getroffen wurde, in ihren Rechten verletzt worden wäre, braucht daher nicht eingegangen zu werden (vgl. aber diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/1018).
Die Zweitbeschwerdeführerin hat am 9. März 1993 weiters erklärt, daß es ihr nicht möglich sei, nach Polen zurückzukehren und sich dort ein normales Leben aufzubauen. Da ihr Gatte (und Vater der Erstbeschwerdeführerin) "aus militärischen Gründen" dort weiterhin gesucht werde, könne auch sie nicht zurückkehren. Außerdem sei die Erstbeschwerdeführerin in Österreich geboren und gehe hier zur Schule. Das erstinstanzliche Verfahren war nun insoweit mangelhaft, als die Zweitbeschwerdeführerin ergänzend zu befragen gewesen wäre, um welche "militärischen Gründe", derentwegen ihr Gatte weiterhin in Polen gesucht werde, es sich konkret handle. Diese näheren Angaben haben aber beide Beschwerdeführerinnen von sich aus nachgetragen, indem sie sich in ihrer gemeinsamen - ebenfalls von ihrem Gatten bzw. Vater in Ansehung eines ihn betreffenden Bescheides erhobenen - Berufung dessen Behauptung angeschlossen haben, er sei Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes in Polen gewesen und, weil er "eben engen Kontakt mit ausländischen Geheimdiensten hatte und in diesem Zusammenhang auch Geheimnisse preisgegeben habe, aus Polen geflohen", wobei ihm diesbezüglich politisches Asyl in Österreich gewährt worden sei. Die belangte Behörde hat mit Recht auf dieses Berufungsvorbringen Bedacht genommen, wobei unerörtert bleiben kann, ob sie dazu auf Grund des § 20 Abs. 2 in Verbindung mit dessen Abs. 1 Asylgesetz 1991 oder mangels Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf Verfahren nach § 5 Abs. 1 leg. cit. zufolge der allgemeinen Bestimmung des S 39 Abs. 2 AVG verpflichtet war. Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, die vorliegenden Beschwerdefälle würden - mit der Maßgabe, daß es sich hier um eine Feststellung gemäß S 5 Abs. 1 Asylgesetz 1991 handelt
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in allen für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) jenem gleichen, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, zugrunde lag, ist jedenfalls verfehlt, haben sie doch übersehen, daß die angefochtenen Bescheide erst nach der erfolgten Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof erlassen wurden und kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991, wenn überhaupt, nicht bereits in der bereinigten Fassung nach der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994 angewendet worden ist. Die belangte Behörde hat aber diese Berufungsausführungen jeweils als unglaubwürdig erachtet, weil "dies".die Zweitbeschwerdeführerin
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ebenso wie ihr Gatte - bereits anläßlich ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 23. Oktober 1984 (im Asylverfahren) "relevieren hätte können, aber nicht tat". Ferner hätte der Gatte bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen - sofern er tatsächlich die in der Berufung "dargetanen Befürchtungen hegen würde" - wohl vermieden, sich bei der Polnischen Botschaft in Wien am 8. Jänner 1992 einen polnischen Reisepaß ausstellen zu lassen. Darüber hinaus zeigten seine häufigen Reisen nach Polen, daß er - entgegen seinen anderslautenden Behauptungen - "in Wirklichkeit keinerlei Berührungsängste dem polnischen Staat gegenüber" habe. Er könne daher nicht ablehnen, sich wieder unter den Schutz seines Heimatlandes Polen zu stellen und tue dies faktisch - wie beobachtet habe werden können - ohnehin nicht. Somit sei die Argumentation der Beschwerdeführerinnen, eine allfällige Verfolgung ihres Gatten bzw. Vaters zeitige Auswirkungen jeweils auch auf ihre Person, in Ermangelung einer solchen Verfolgung ihres Gatten bzw. Vaters zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht schlüssig. Die Beschwerdeführerinnen halten dieser Beweiswürdigung gleichlautend lediglich entgegen, daß es ihnen nicht möglich sei, "die Richtigkeit dieser Feststellungen der belangten Behörde zu überprüfen", zumal sie keinen Kontakt zu ihrem Gatten bzw. Vater mehr unterhielten. Tatsache sei allerdings, daß diese Feststellungen, sofern sie überhaupt richtig seien, möglicherweise auf ihren Gatten bzw. Vater, nicht aber auf sie zuträfen. Sie hätten es "bis dato tunlichst unterlassen, einerseits ein polnisches Reisedokument ausstellen zu lassen oder aber Reisen nach Polen zu unternehmen", zumal sie nach wie vor begründete Furcht hätten, in Polen Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu werden. Damit bestreiten die Beschwerdeführerinnen nicht die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen, und zwar nicht nur hinsichtlich des als Unterschutzstellung unter sein Heimatland gewerteten Verhaltens ihres Gatten bzw. Vaters, sondern auch hinsichtlich des Umstandes, daß weder er noch die Zweitbeschwerdeführerin - wie dies auch aus der Aktenlage hervorgeht - in ihren Asylverfahren auf den nunmehr ins Treffen geführten Verfolgungsgrund hingewiesen hat, weshalb dieser auch nicht für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft maßgebend sein konnte. War aber dieser Verfolgungsgrund auf seiten des Gatten bzw. Vaters der Beschwerdeführerinnen demnach nie gegeben, so bestand er auch nicht im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide, wobei eine Verfolgungsgefahr auch aus anderen Gründen offenbar nicht mehr vorlag, ansonsten er nicht seither oftmalige Reisen nach Polen unternommen hätte. Es ist daher für den Standpunkt der Beschwerdeführerinnen nichts zu gewinnen, leiten sie doch eine für sie bestehende Verfolgungsgefahr ausschließlich von einer solchen ihres Gatten bzw. Vaters ab. Sie räumen auch ein, daß die Begründung der angefochtenen Bescheide, es habe "nunmehr ein demokratisch gewähltes Parlament, in der Hauptsache bestehend aus ehemaligen Oppositionsparteien, sich etablieren können und bestünde eine auf demokratischer Basis entstandene Regierung, im generellen richtig sein mag", machen aber geltend, daß sich "die militärische Führung in keiner Weise geändert hat" und "natürlich staatlicherseits nach wie vor daran Interesse daran besteht, der Personen, die geheimdienstlich tätig waren und geflüchtet sind, habhaft zu werden", welchem Vorbringen nur dann Relevanz zukäme, wenn ihnen die belangte Behörde hinsichtlich einer von ihnen zu befürchtenden Verfolgungsgefahr in Polen aus dem von ihnen behaupteten Grund Glauben geschenkt hätte. Ihr Vorwurf, die belangte Behörde begründe "durch nichts, weshalb sich diese wesentliche Sachverhaltsänderung" (gegenüber dem Zeitpunkt der Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft) "in meiner Person ergeben haben soll", ist nicht berechtigt, hat doch die belangte Behörde ausdrücklich auf die in der Zwischenzeit eingetretene, wesentliche Änderung der auf dem Boden des festgestellten Sachverhaltes insoweit maßgeblichen politischen Verhältnisse in Polen hingewiesen, aus denen den Beschwerdeführerinnen keine Verfolgungsgefahr mehr droht.
Da sich somit die Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. W i e n , am 20. Dezember 1995
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995010141.X00Im RIS seit
30.09.2002