TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/21 95/18/0398

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Veröffentlicht am 21.12.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. März 1994, Zl. 100.297/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 25. März 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 und 4 Fremdengesetz - FrG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, daß gegen die Beschwerdeführerin ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe (Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG). Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß der Verwaltungsgerichtshof der dagegen erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Aber selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof zu der Ansicht käme, daß die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot nicht vorlägen, sei eine Aufenthaltsbewilligung nicht zu erteilen, weil durch die Verurteilung der Beschwerdeführerin zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen vorsätzlicher (schwerer) Körperverletzung jedenfalls eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit i.S. des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG begründet sei.

Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei festzustellen, daß sich ihr legaler Aufenthalt in Österreich auf 27 Monate beschränke und somit noch nicht von einer weitgehenden Integration gesprochen werden könne. Es sei demnach den öffentlichen Interessen an der Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführerin Priorität einzuräumen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Das über die Beschwerdeführerin im Instanzenzug verhängte Aufenthaltsverbot (Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Oktober 1993) wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0567, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Dieses Erkenntnis wurde den Parteien des damaligen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens laut den im hg. Beschwerdeakt einliegenden Rückscheinen am 19. April 1994 zugestellt und damit erlassen.

1.2. Der vorliegend bekämpfte Bescheid wurde nach dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen, an dessen Richtigkeit zu zweifeln der Gerichtshof keinen Anlaß hat (im vorgelegten Verwaltungsakt befindet sich kein Nachweis über die Zustellung), der Beschwerdeführerin (zu Handen ihres Rechtsvertreters) am 17. Jänner 1995 zugestellt, also an diesem Tag erlassen.

1.3. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung in dem - insoweit allein maßgebenden - Zeitpunkt der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides kein gegen die Beschwerdeführerin erlassenes rechtskräftiges Aufenthaltsverbot (mehr) bestanden hat. Die Ansicht der belangten Behörde, es liege der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG vor und es sei in dieser Hinsicht der Tatbestand des § 5 Abs. 1 AufG verwirklicht, ist demnach rechtswidrig.

2. Die belangte Behörde war überdies der Meinung, die gerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, erfülle den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG. Auch damit irrte die belangte Behörde:

Zum einen ist für die Verwirklichung des genannten Sichtvermerksversagungsgrundes nicht das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung (oder einer rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bestrafung) maßgeblich, vielmehr das einer solchen Verurteilung (Bestrafung) zugrundeliegende Fehlverhalten des Fremden in seiner Gesamtheit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. November 1995, Zl. 95/18/1120). Zum anderen wäre im vorliegenden Fall dieses Fehlverhalten - wenn die belangte Behörde bei ihrer rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen wäre - nicht ausreichend, um § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG als erfüllt anzusehen, kommt doch einer - einmaligen - tätlichen Auseinandersetzung der Beschwerdeführerin mit einem Kontrollor der Wiener Verkehrsbetriebe und der daraus für diesen resultierenden Körperverletzung (vgl. die Sachverhaltsfeststellungen im aufgehobenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Oktober 1993) nicht ein solches Gewicht zu, daß die Annahme gerechtfertigt wäre, der (weitere) Aufenthalt der Beschwerdeführerin würde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden.

3. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde hinsichtlich beider der von ihr herangezogenen Versagungsgründe die Rechtslage verkannte, sie somit ihre Entscheidung zu Unrecht auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 und 4 FrG stützte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung an Stempelgebühren lediglich S 270,-- (Eingabengebühr S 240,--, Beilagengebühr S 30,--) zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180398.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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