TE Vwgh Beschluss 1995/12/21 95/20/0456

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Veröffentlicht am 21.12.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1332;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über den Antrag des T in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von der zur hg. Zl. 94/20/0513 protokollierten Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 1994, Zl. 4.326.467/2-III/13/91, anhaftenden Mängeln, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattgegeben.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte durch seinen Rechtsvertreter gegen den angefochtenen Bescheid vom 11. Jänner 1994 am 4. August 1994 eine Beschwerde ein, ohne gleichzeitig eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. August 1994 wurde der Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters unter Rückmittlung seiner Beschwerde aufgefordert, eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides anzuschließen.

Innerhalb der gesetzten Frist ist der Beschwerdeführer diesem Auftrag aber nur insoferne nachgekommen, als er zwar eine Kopie des angefochtenen Bescheides vorgelegt hat, welche aber infolge Fehlens der insbesondere das Bescheiddatum und die Unterfertigung bzw. Beglaubigung des Bescheides beinhaltenden Seite 7 des Bescheides unvollständig war.

Der Beschwerdeführer ist somit dem ihm erteilten Verbesserungsauftrag nur zum Teil nachgekommen. Das Beschwerdeverfahren wurde daher wegen Unterlassung der Behebung von Mängeln gemäß §§ 33 und 34 Abs. 2 VwGG mit Beschluß vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0513-8, eingestellt.

Im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wird geltend gemacht:

"Der Verfahrenshelfer Dr. W wurde von der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich mit Bescheid VZ 500/94 vom 1.6.1994, eingelangt am 29.6.1994, als Verfahrenshelfer bestellt.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer zur Besprechung der Angelegenheit eingeladen und wurde rechtzeitig die gegenständliche Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht.

Da der Beschwerde irrtümlich der angefochtene Bescheid nicht beigelegt war, wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines Verfahrenshelfers am 15.9.1994 das Schreiben des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 1994/20/0513-2, vom 22.8.1994 zugestellt, in welchem eine Frist zur Behebung des Mangels von 2 Wochen gewährt wurde. Da sich die gemeinsam mit dem Verfahrenshelferbestellungsbeschluß übermittelte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides jedoch nicht im Akt befand, wurde der Beschwerdeführer erneut zur Vorsprache unter Mitnahme der gesamten vorhandenen Unterlagen in die Kanzlei des Verfahrenshelfers eingeladen." ...

"Die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, welche dem Beschwerdeführer direkt zugekommen ist, beinhaltet jedoch nicht die Seite 7 des angefochtenen Bescheides, wenngleich die letzte Seite, nämlich die kurze vietnamesische Übersetzung vorhanden war. Es ist daher weder dem Sachbearbeiter Mag. H, noch der Kanzleikraft, welche die Eingabe geschrieben und die Kopien angefertigt hat, aufgefallen, daß die vorletzte Seite des Konvolutes fehlte.

Dieser Umstand ist auch dem Verfahrenshelfer bzw. dem Partner der Kanzleigemeinschaft, welcher an diesem Tag die Post abfertigte und trotz erfolgter Kontrolle nicht aufgefallen, da eben gerade die vorletzte Seite des Konvolutes fehlte und mangels vorliegen einer vollständigen Bescheidausfertigung dieser Irrtum eigentlich auch nicht auffallen konnte.

Nunmehr ist jedoch die ursprünglich in Verstoß geratene Ausfertigung, welche dem Verfahrenshelfer ursprünglich gemeinsam mit dem Verfahrenshelferbestellungsbeschluß übermittelt wurde, wieder aufgetaucht, da dieser irrtümlich in einen anderen Akt abgelegt worden ist.

Es wird daher nunmehr eine Kopie der ursprünglich übermittelten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides beigelegt."

Von dem zur Einstellung führenden Ereignis habe der Beschwerdeführer erst durch die Zustellung des Einstellungsbeschlusses am 19. Juli 1995 Kenntnis erlangt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag wurde am 2. August 1995 zur Post gegeben und ist somit gemäß § 46 Abs. 3 VwGG rechtzeitig binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses gestellt worden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Zunächst ist festzustellen, daß gemäß dem hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Slg. Nr. 12.742/A, die Frist zur Verbesserung nicht nur dann versäumt wird, wenn dem Auftrag nicht, sondern auch dann, wenn ihm nur unvollständig entsprochen wurde.

"Ereignis" iS. des § 46 Abs. 1 VwGG ist jedes Geschehen, somit auch die gegenständlichen Versehen, die letztlich zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens führten. Die Besonderheit im konkreten Fall liegt darin, daß es sich nicht um ein einzelnes Ereignis handelt, sondern um eine Kette von Versehen.

1. Versehen: Die mit der Bestellung zum Verfahrenshelfer übermittelte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides wurde in der Kanzlei des Verfahrenshelfers irrtümlich in einem anderen Akt abgelegt.

2.

Versehen: Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerde nicht beigelegt.

3.

Versehen: Bei der Vorsprache des Beschwerdeführers aufgrund der hg. Aufforderung zur Ergänzung der Beschwerde fiel nicht auf, daß das Bescheidende (mit Rechtsmittelbelehrung, Fertigungsklausel und Datum) vom Beschwerdeführer dem Verfahrenshelfer nicht übergeben wurde.

4.

Versehen: Bei der Abfertigung der Entsprechung der hg. Aufforderung fiel die Unvollständigkeit des Bescheides in der Kanzlei des Verfahrenshelfers ebenfalls nicht auf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 17. Mai 1995, Zl. 95/01/0056).

Im Falle eines Auftrages zur Mängelbehebung iS. des § 34 Abs. 2 VwGG obliegt es dem Vertreter selbst, sich davon zu überzeugen, welche Erledigungen aufgetragen und ob diesen ZUR GÄNZE nachgekommen wurde (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 24. April 1979, Zl. 777/79, und vom 18. September 1979, Zl. 2318/79).

Es ist daher gleichgültig, welcher Person in der Kanzlei des Vertreters die zitierten Versehen 3. und 4. unterliefen, da der Vertreter jedenfalls selbst zur Kontrolle verpflichtet war.

Der Wiedereinsetzung steht nicht entgegen, wenn dem Rechtsanwalt nur ein minderer Grad des Versehens vorgeworfen werden kann. Der - aus der Zivilprozeßordnung in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 übernommene - Begriff des minderen Grades des Versehens wird im Bereich der Zivilprozeßordnung, z.B. von Fasching im Lehrbuch des österreichischen Zivilprozesses, Rz. 580, als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter dürften also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht gelassen haben. Irrtümer und Fehler von Rechtsanwälten ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwaltes bei der Kontrolle der Vollständigkeit eines übernommenen und in Entsprechung eines Mängelbehebungsauftrages weitergeleiteten Bescheides unterlaufen sind und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung darstellen.

Im gegenständlichen Fall ist - selbst abgesehen von der Häufung der unterlaufenen Versehen - aufgrund des Umstandes, daß das Fehlen eines so wesentlichen, die Rechtsmittelbelehrung, das Datum und die Unterfertigungsklausel enthaltenden Bescheidteiles (welcher sich noch dazu optisch auffällig vom übrigen Bescheidinhalt abhebt), sowohl bei der Übergabe durch seinen Mandanten als auch bei Entsprechung des Mängelbehebungsauftrages bei ordentlicher Kontrolle leicht hätte auffallen können und einem Rechtsanwalt, dem die Bedeutung des genannten Bescheidteiles für dessen rechtsgültige Erlassung klar sein muß, auch hätte auffallen müssen, davon auszugehen, daß das Übersehen der Unvollständigkeit der Mängelbehebung nicht als lediglich minderer Grad des Versehens gewertet werden kann.

Dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 VwGG war daher nicht stattzugeben.

Schlagworte

Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200456.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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