Entscheidungsdatum
15.11.2021Index
L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag SteiermarkNorm
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Philipp Lindermuth über die Beschwerde des C D, vertreten durch Dr. E F, Rechtsanwältin, A Rstraße, G, gegen den Bescheid des Stadtsenats der Stadt Graz vom 17.09.2020, GZ: A17-BAB-061017/2020/0007,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet
abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bauansuchen vom 25.06.2020, bei der belangten Behörde am 06.07.2020 eingelangt, suchte die Bauwerberin A B (im Folgenden: Bauwerberin) um Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für eine „seit 32 Jahren bestehende[…] Nebenstiege aus Stahl und deren Adaptierung gemäß ÖNORM“ auf dem im Miteigentum der Bauwerberin stehenden Baugrundstück Nr. ***, inneliegend der Liegenschaft EZ ***, KG ***** A, an, wobei die Stiege von der südseitigen Terrasse der im Hochparterre gelegenen Wohnungen mit der Adresse A Abach, Wohnung Top *, und A Abach, Wohnung Top **, auf die Allgemeinfläche führe. Überdies wird im Bauansuchen darauf verwiesen, dass eine Skizze mit der normgerechten Adaptierung der Treppe nachgereicht werde.
2. In der Folge übermittelte die Bauwerberin mit den Einreichunterlagen vom 30.06.2020 einen Einreichplan der verfahrensgegenständlichen Treppe mit Grundriss- und Schnittdarstellungen.
3. Mit Bescheid des Stadtsenats der Stadt Graz vom 17.09.2020, GZ: A 17-BAB-061017/2020/0007, wurde der Bauwerberin die Bewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Errichtung einer Nebentreppe auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück erteilt. In der Begründung dieses Bescheids wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die gemäß § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG erforderlichen Zustimmungserklärungen der Grundeigentümer vorlägen, weil die Zustimmung der Antragstellerin mit 79 Anteilen und der schriftlich eingebrachten Zustimmungserklärungen der Miteigentümer mit 2.360 Anteilen mit insgesamt 2.439 Anteilen und somit 67,1 % der Mehrheit der Anteile von 3.634 entspreche.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er – auf das für das vorliegende Beschwerdeverfahren Wesentliche reduziert – vorbringt, dass gemäß § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG eine nach den Beschlussfassungsregelungen des § 24 WEG 2002 zustande gekommene Mehrheitsentscheidung der Miteigentümer erforderlich sei und die vorgelegten Zustimmungserklärungen dieser Anforderung nicht genügten. Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, dass die der Behörde vorgelegten Zustimmungen nur für die aktuell bestehende Stiege und nicht für die projektierte Stiege mit unterschiedlichen Stufenhöhen und unterschiedlicher Plattform erteilt worden seien.
5. Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte dem Landesverwaltungsgericht Steiermark die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt vor.
6. Da in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, dass die Zustimmungserklärungen für die projektierte und nicht für die tatsächlich bestehende Stiege erteilt werden müssen, erließ das Landesverwaltungsgericht Steiermark einen Mängelbehebungsauftrag an die Bauwerberin, in dem diese aufgefordert wurde, die unbedingten und unbefristeten Zustimmungserklärungen der Mehrheit der Miteigentümer nach Anteilen iSd § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG zum eingereichten Projekt als Belege sowie den durch die Mehrheit der Miteigentümer nach Anteilen zu unterfertigenden Einreichplan vorzulegen.
7. Auf Grund dieses Mängelbehebungsauftrags brachte die Bauwerberin am 22.10.2021 Zustimmungserklärungen von Miteigentümern sowie durch diese unterfertigte Planunterlagen persönlich beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ein.
8. Am 28.10.2021 fand vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark eine öffentliche, mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, dessen rechtlicher Vertreterin, der Bauwerberin sowie deren rechtlichen Vertreters statt, in der der Beschwerdeführer durch seine rechtliche Vertreterin das Beschwerdevorbringen wiederholte, dass die Zustimmungserklärungen der Mehrheit der Grundeigentümer nach Anteilen nicht ausreichten, weil die Voraussetzungen nach dem WEG 2002 eingehalten werden müssten. Im Übrigen brachte der Beschwerdeführer in der Verhandlung durch seine rechtliche Vertreterin in Ergänzung zum Beschwerdevorbringen nur vor, dass „[d]as WEG 2002 dem Stmk BauG vor[gehe] und […] eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung vor[liegt].“ Im Beweisverfahren wurden dem Beschwerdeführer die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Zustimmungserklärungen zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Dabei bestritt der Beschwerdeführer nicht, dass die Mehrheit der Grundeigentümer nach Anteilen ihre Zustimmung erteilt haben, sondern wiederholte nur sein Beschwerdevorbringen, dass die Zustimmungsvoraussetzungen nach dem WEG 2002 nicht erfüllt seien. Zur vorgebrachten Verfassungswidrigkeit wurde die rechtliche Vertreterin in einem Rechtsgespräch aufgefordert, ihre Bedenken hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit zu konkretisieren. Dazu führte die rechtliche Vertreterin des Beschwerdeführers aus, dass „die Einengung der Neufassung des § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG auf die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer verfassungswidrig sei, weil es sich um einen Eigentumseingriff in das Eigentum der Minderheitseigentümer hand[le], das verfassungsrechtlich einen besonderen Schutz genieß[e].“
9. Im Anschluss erfolgte die mündliche Verkündung der Entscheidung und wurde die Niederschrift den anwesenden Parteien ausgefolgt.
10. Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 29.10.2021, am selben Tag per E-Mail eingelangt, die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses. Die übrigen revisionslegitimierten Parteien wurden über die Beantragung durch den Beschwerdeführer mit Note vom 02.11.2021 gemäß § 29 Abs 2b VwGVG verständigt.
II. Sachverhalt:
1. Die Bauwerberin ist zu 79/1817 ideellen Anteilen, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung W * verbunden ist, Miteigentümerin der Liegenschaft EZ ***, KG ***** A, bestehend aus den Grundstücken Nr. *** und Nr. *** mit den darauf befindlichen Wohngebäuden mit den Adressen A Abach **, ** und ** sowie Nr. ***mit dem darauf befindlichen Wohngebäude mit der Adresse A Abach.
2. Der Beschwerdeführer ist zu 158/3634 ideellen Anteilen, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung W ** verbunden ist, Miteigentümer dieser Liegenschaft.
3. Mit Bauansuchen vom 25.06.2020, bei der belangten Behörde am 06.07.2020 eingelangt, suchte die Bauwerberin A B (im Folgenden: Bauwerberin) um Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für eine in der Natur bestehende Nebentreppe aus Stahl an, wobei an der tatsächlich bestehenden Nebentreppe Adaptierungen vorgenommen werden sollen.
4. Den mit dem angefochtenen Baubewilligungsbescheid genehmigten und mit Genehmigungsvermerk der belangten Behörde versehenen Einreichunterlagen, insbesondere den Grundriss- und Schnittdarstellungen ist zu entnehmen, dass Gegenstand des Bauverfahrens und des vorliegenden Beschwerdeverfahrens eine Nebentreppe aus Stahl mit fünf Trittstufen aus Gitterrost und einem Handlauf ist, die von der Allgemeinfläche der Liegenschaft auf die beiden Balkone der im Hochparterre gelegenen Wohnungen A Abach, Top *, die im Wohnungseigentum der Bauwerberin steht, sowie A Abach, Top **, führt. Die Gesamthöhe der Stiege beträgt 110 cm, die tragenden Hauptprofile sind zwei Formrohre. Die projektierte Nebentreppe weicht von der in der Natur vorhandenen, tatsächlich ausgeführten Nebentreppe insofern ab, als einerseits die in den Grundriss- und Schnittdarstellungen enthaltenen Bemaßungen der Stufen und des Austrittspodests mit den Dimensionen der tatsächlich ausgeführten Nebentreppe nicht übereinstimmen und andererseits zusätzlich ein bislang nicht bestehender Handlauf projektiert ist.
5. Zu dieser projektierten Nebentreppe legte die Bauwerberin in Entsprechung des Mängelbehebungsauftrags des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29.09.2021 am 22.10.2021 die Zustimmungserklärungen folgender Grundeigentümer vor, wobei auch deren Anteile nach dem WEG 2002 angegeben sind (gelb markiert sind die Anteile der Bauwerberin selbst):
Unterzeichnete Zustimmungserklärungen und Einreichungen (EZ ***, KG *****)
GB.-Nr.: Anteile Name Summe
** 154/3634 G H 154
** 164/3634 I J 164
** 134/3634 K L 134
** 134/3634 M N 134
** 154/3634 O P 154
** 136/3634 Q R 136
** 154/3634 S T 154
** 166/3634 U V 166
** 164/3634 W X 164
** 79/1817 A B 158
** 77/3634 Y Z 77
** 77/3634 Aa B 77
** 67/1817 Ca D 134
** 154/3634 Ea F 154
** 67/1817 Ga H 134
SUMME der Anteile 2094
entspricht in % 57,62
6. Im Ergebnis liegen somit die Zustimmungserklärungen von Grundeigentümern zum Bauvorhaben vor, deren Anteile – zusammen mit jenen der Bauwerberin selbst – 57,62 % der Anteile am Miteigentum insgesamt entsprechen.
III. Beweiswürdigung:
1. Die Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen an der in Rede stehenden Liegenschaft ergeben sich aus dem öffentlichen Grundbuch.
2. Die Feststellungen zur projektierten Nebentreppe ergeben sich aus den im Verwaltungsakt erliegenden Einreichunterlagen.
3. Die Feststellungen zu den Zustimmungserklärungen von Grundeigentümern zum Bauvorhaben, deren Anteile – zusammen mit jenen der Bauwerberin selbst – der Mehrheit der Anteile am Miteigentum insgesamt entsprechen, ergeben sich aus den durch die Bauwerberin vorgelegten Zustimmungserklärungen und werden durch den Beschwerdeführer auch nicht bestritten. Dieser bringt nur in rechtlicher Hinsicht vor, dass die Vorlage von Zustimmungserklärungen von Grundeigentümern, deren Anteile am Miteigentum die Mehrheit der Anteile ausmacht, nicht ausreichend ist, sondern gemäß § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG eine nach den Beschlussfassungsregelungen des § 24 WEG 2002 zustande gekommene Mehrheitsentscheidung der Miteigentümer erforderlich sei. Darauf wird unten in der rechtlichen Beurteilung eingegangen werden.
IV. Rechtsgrundlagen:
1. § 22 Abs 1 und Abs 2 Z 2 Steiermärkisches Baugesetz lauteten in der vorangegangenen Fassung LGBl. Nr. 59/1995 wie folgt:
„§ 22
Ansuchen
(1) Um die Erteilung der Baubewilligung ist bei der Behörde schriftlich anzusuchen.
(2) Dem Ansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:
[…]
2. die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist;
[…]“
2. § 22 Abs 1 und Abs 2 Z 2 Steiermärkisches Baugesetz lauten in der geltenden, auf den vorliegenden Beschwerdefall anwendbaren Fassung LGBl. Nr. 11/2020 wie folgt:
„§ 22
Ansuchen
(1) Um die Erteilung der Baubewilligung ist bei der Behörde schriftlich anzusuchen.
(2) Dem Ansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:
[…]
2. die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist oder die Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen bei Miteigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 70/2002 idF BGBl. I Nr. 58/2018;
[…]“
V. Rechtliche Beurteilung:
1. Beim Baubewilligungsverfahren handelt es sich auch im Fall einer nachträglichen Baubewilligung um ein Projektgenehmigungsverfahren (vgl. VwGH 16.05.2013, 2013/06/0007; 04.04.2002, 2000/06/0090; 30.09.1986, 84/05/0223), sodass Gegenstand eines baubehördlichen Bewilligungsverfahrens stets nur jenes Projekt ist, wie es sich in den eingereichten Plänen darstellt, nicht aber eine allenfalls erfolgte andere Bauausführung (vgl. VwGH 16.05.2013, 2013/06/0007; 29.10.1987, 86/06/0292). Somit war den Ausführungen der Beschwerde zu folgen, dass die Zustimmungserklärungen sich auf das Bauvorhaben beziehen müssen, das von der tatsächlich ausgeführten Treppe insofern abweicht, als die in den Grundriss- und Schnittdarstellungen enthaltenen Bemaßungen der Stufen und des Austrittspodests von den handschriftlichen Bemaßungen des ursprünglich dem Bauansuchen beigelegten Lichtbilds der bestehenden Treppe abweichen und nunmehr auch ein Handlauf vorgesehen ist. Folglich erteilte das Landesverwaltungsgericht der Bauwerberin einen Mängelbehebungsauftrag, in dem diese aufgefordert wurde, die unbedingten und unbefristeten Zustimmungserklärungen der Mehrheit der Miteigentümer nach Anteilen iSd § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG zum eingereichten Projekt als Belege sowie durch die Mehrheit der Miteigentümer nach Anteilen unterfertigten Planunterlagen vorzulegen.
2. Nach erfolgter Nachreichung der unbedingten und unbefristeten Zustimmungserklärungen zu dem eingereichten Projekt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfüllt das Bauvorhaben nunmehr die Formalerfordernisse des § 22 Z 2 Stmk BauG und § 23 Abs 4 Stmk BauG und gilt das Bauansuchen auf Grund der erfolgten Mängelbehebung nunmehr als ursprünglich richtig eingebracht. Demzufolge wird dem zutreffenden Beschwerdevorbringen, wonach die Zustimmungserklärungen zur tatsächlich bestehenden Stiege und nicht zum eingereichten Projekt erfolgt sind, nunmehr entsprochen.
3. Dem Beschwerdeführer kommt als Miteigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft Parteistellung und ein Mitspracherecht hinsichtlich der Vorfrage des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der geforderten Zustimmung der Miteigentümer zum Bauvorhaben zu (VwGH 06.10.2011, 2010/06/0008). Hingegen kommt dem Beschwerdeführer als Miteigentümer kein subjektiv-öffentliches Recht auf Versagung einer Baubewilligung aus inhaltlichen Gründen zu. Eine inhaltliche Einflussnahme auf das Bauprojekt wäre den Grund(mit-)eigentümern allenfalls zivilrechtlich möglich (siehe dazu VwGH 26.06.2013, 2011/05/0053).
4. Somit ist nur die Frage des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der geforderten Zustimmung der Miteigentümer zum Bauvorhaben Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und ist es dem Landesverwaltungsgericht verwehrt, das Bauvorhaben in Bezug auf andere Fragen zu prüfen, etwa hinsichtlich der in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen des Erfordernisses der Stellung des Bauansuchens auch durch den direkten Wohnungsnachbarn Herrn O P (Punkt 5.) oder der Kindersicherheit der Stiege (Punkt 7.).
5. Die Bestimmung des im vorliegenden Fall anzuwendenden § 22 Abs 2 Z 2 Stmk. BauG wurde vom Gesetzgeber mit der Novelle LGBl. Nr. 11/2020 geändert. Die Vorgängerbestimmung in der Stammfassung LGBl. Nr. 59/1995 lautete wie folgt:
„§ 22
Ansuchen
(1) Um die Erteilung der Baubewilligung ist bei der Behörde schriftlich anzusuchen.
(2) Dem Ansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:
[…]
2. die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist;
[…]“
6. Die Vorgängerbestimmung des § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG in der Stammfassung verlangte bei Bauvorhaben schlechthin die Zustimmung der Grundeigentümer und sah keine im Hinblick auf das Vorliegen von Miteigentum differenzierende Regelung vor. Nach der zu dieser Bestimmung ergangenen Judikatur des VwGH hatte die Baubehörde bei Vorliegen von Miteigentum nach den anzuwendenden zivilrechtlichen Regelungen (ABGB, WEG) zu prüfen, ob die Zustimmung aller Miteigentümer oder nur einer Mehrheit erforderlich war. Ob die Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich war oder nicht, war mitunter abhängig von der Art des Bauvorhabens (VwGH 29.11.2005, 2004/06/0119). Aus der bloßen Tatsache der baubehördlichen Bewilligungspflicht ergab sich noch nicht die Notwendigkeit der Zustimmung aller Miteigentümer nach zivilrechtlichen Vorschriften (VwGH 15.11.1984, 84/06/0126). Auf die zu der Vorgängerbestimmung des § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG ergangene Entscheidung des LVwG Stmk vom 30.01.2018, LVwG 50.21-1001/2017, wird zutreffend auch durch den Beschwerdeführer verwiesen.
7. Es obliegt nämlich dem Baugesetzgeber, ob er hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses der Miteigentümer im Fall von Miteigentum nach dem WEG 2002 auf die, die Verfügungsmacht des Grundeigentümers einschränkenden zivilrechtlichen Normen abstellt. Wenn der Baugesetzgeber auf die zivilrechtlichen Verhältnisse abstellt, ist anzunehmen, dass er sichern will, dass eine erteilte Baubewilligung auch in zivilrechtlicher Hinsicht konsumiert bzw. realisiert werden kann (vgl. VwGH 29.11.2005, 2004/06/00119). Entkoppelt der Baugesetzgeber die baurechtlichen Zustimmungserfordernisse für ein Bauvorhaben hingegen von jenen nach dem WEG 2002 oder dem ABGB, dann ist das baurechtliche Zustimmungserfordernis unabhängig von der Frage zu beurteilen, ob die wegen Erfüllens des baurechtlichen Zustimmungserfordernisses erteilte Baubewilligung auch in zivilrechtlicher Hinsicht konsumiert bzw. das Bauvorhaben realisiert werden kann (vgl. VwGH 27.08.2013, 2013/06/0126).
8. Mit der Baugesetznovelle 2020 hat der Gesetzgeber nunmehr das Zustimmungserfordernis zum Bauvorhaben bei Vorliegen von Miteigentum nach dem WEG 2002 gesondert geregelt und sieht diesbezüglich vor, dass die Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen am Miteigentum zum Bauvorhaben ausreichen soll. Aufgrund dieser Regelung bedarf es daher bei Vorliegen von Miteigentum nach dem WEG 2002 – aus baurechtlicher Sicht – keiner weiteren Auslegung der Zustimmungserfordernisse nach den einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften unter Berücksichtigung der Art des Bauvorhabens. Verfügt ein Bauwerber über die Zustimmung der Mehrheit von Anteilen am Miteigentum, bedarf es keiner Zustimmung der übrigen Miteigentümer zum Bauvorhaben oder weiterer Formalerfordernisse.
9. Nach dem erkennbaren Zweck dieser Novellierung sollte das Baubewilligungsverfahren bei Vorliegen von Miteigentum dadurch vereinfacht werden, dass es von den zivilrechtlichen Zustimmungserfordernissen der Miteigentümer entkoppelt wird. So wird auch in dem der Beschwerde beigelegten Ausschussbericht zur Baugesetznovelle 2020 als deren wesentlicher Inhalt angeführt, dass bestehende Regelungen zum Zweck eines leichteren Vollzugs angepasst werden sollten (AB EZ 3308/9, 17. GPStLT, 1). Das Zustimmungserfordernis des § 22 Abs 2 Z 2 idgF besteht somit unabhängig davon, ob eine wegen Erfüllens des baurechtlichen Zustimmungserfordernisses erteilte Baubewilligung auch in zivilrechtlicher Hinsicht konsumiert bzw. das Bauvorhaben realisiert werden kann (vgl. VwGH 27.08.2013, 2013/06/0126).
10. Diese Ansicht wird gerade auch durch die betreffende, in der Beschwerde zitierte Passage des Ausschussberichts zur Novellierung der Bestimmung des § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG bestätigt, in der ausgeführt wird, dass für das Baubewilligungsverfahren die erforderliche Zustimmung der Miteigentümer nach den Bestimmungen des WEG genügen soll (AB EZ 3308/9, 17. GPStLT, 9). Das erkennende Verwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass – wie in der Beschwerde vorgebracht wird – der Ausschussbericht dabei insofern widersprüchlich formuliert wurde, als dieser nicht – wie der Gesetzestext – auf die erforderliche „Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen bei Miteigentum“ Bezug nimmt, sondern auf die „erforderliche Zustimmung der Miteigentümer nach den Bestimmungen des WEG“. Eine solche könnte – aus zivilrechtlicher Sicht – freilich von dem nunmehr schlechthin gebotenen mehrheitlichen Zustimmungserfordernis der Miteigentümer abweichen. Würde man allerdings auf die nach dem WEG gebotenen Zustimmungserfordernisse abstellen, hätte die Neuregelung des § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG keinen Sinn, da eine solche Prüfung – aufgrund der hierzu ergangenen Judikatur des VwGH – bereits nach der alten Rechtslage anzustellen war und Zweck der Neuregelung gerade die Vereinfachung des Vollzugs durch Entfall des Abstellens auf die Zustimmungserfordernisse des WEG 2002 sein soll.
11. Aufgrund des klaren Wortlautes der gesetzlichen Regelung besteht für das Landesverwaltungsgericht zusammengefasst kein Zweifel, dass nunmehr die Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nach Anteilen iSd WEG 2002 für das Bauverfahren genügt, die Zustimmungserklärungen in Form von Belegen dem Bauansuchen beizulegen sind (vgl. dazu VwGH 27.01.1987, 86/05/0169) und es keiner weitergehenden zivilrechtlichen Auslegung der Zustimmungserfordernisse bezogen auf das eingereichte Bauvorhaben mehr bedarf.
12. Diese Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen konnte von Seiten der Bauwerberin, zumal ursprünglich mangelhaft vorgelegt, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgereicht werden. Zusammenfassend liegt sohin die baurechtlich erforderliche Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen bei Miteigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz nunmehr vor und kommt dem Beschwerdeführer darüber hinaus kein Mitspracherecht zu. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
13. Im Übrigen darf darauf hingewiesen werden, dass nach der Judikatur des VwGH die Erteilung einer Baubewilligung nichts darüber aussagt, ob der bewilligte Bau nicht mit Mitteln des Zivilrechts verhindert werden kann (VwGH 27.08.2013, 2013/06/0126; 27.09.2005, 2002/06/0054). Dazu ist aus zivilrechtlicher Sicht anzumerken, dass die Zulässigkeit der Änderung eines Wohnungseigentumsobjektes nach baurechtlichen Vorschriften für sich allein keine Duldungspflicht der anderen Wohnungseigentümer begründet (vgl OGH RS0082982). Anders formuliert kann auch die Verwirklichung eines baurechtlich bewilligten Projekts nach zivilrechtlichen Vorschriften, etwa des WEG 2002, unzulässig sein.
14. Das Landesverwaltungsgericht teilt auch nicht die in der mündlichen Verhandlung – bloß unsubstantiiert – geäußerten Bedenken des Beschwerdeführers ob der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG: Dem Gesetzgeber kann nämlich von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden, wenn er im Falle von Wohnungseigentum iSd WEG 2002 aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die Zustimmung der Mehrheit der Grundeigentümer ausreichen lässt und auf die Zustimmung der Minderheit der Grundeigentümer verzichtet, zumal die Zulässigkeit nach dem WEG 2002 Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des Bauvorhabens ist und dem Beschwerdeführer diesbezüglich auch der Zivilrechtsweg offensteht (vgl. dazu VfGH 06.03.1997, B 3509/96, VfSlg. 14783/1997; vgl. weiters VwGH 27.08.2013, 2013/06/0126; 13.10.2011, 2011/07/0174; VfGH 20.06.2011, B 644/11).
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Baurecht, Nachbar, Zustimmung, Mehrheit an Anteilen am Miteigentum, Wohnungseigentum, Baubewilligung, zivilrechtliches ZustimmungserfordernisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.50.4.2656.2020Zuletzt aktualisiert am
11.01.2023