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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des F, derzeit Strafgefangener in Wien V, Mittersteig 25, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für Justiz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Briefverkehr zwischen Strafgefangenen, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG iVm § 120 Abs. 1 und § 121 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (StVG) wird die Beschwerde des F, vertreten durch Dr. M, vom 28. Juni 1988 gegen die Entscheidung des Leiters der Stravollzugsanstalt Garsten vom 10. Juni 1988, Zl. GV.Nr.: 3865/88 Dü, zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer richtete am 2. Juni 1988, eingelangt am 6. Juni 1988, an den Leiter der Justizanstalt Garsten ein als "Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 86 Abs. 3 StVG zum Briefverkehr mit dem Strafgefangenen H" bezeichnetes Ansuchen. Der Beschwerdeführer konkretisierte sein Begehren wie folgt:
"Was den Antragsteller betrifft, so ist in der Justizanstalt Wien-Mittersteig die Führung eines Briefverkehrs generell bewilligt. Der vorliegende Antrag strebt daher die in die do. Zuständigkeit fallende Bewilligung an, daß der Strafgefangene H die Briefe des Antragstellers empfangen und beantworten darf."
Der Beschwerdeführer stellte den "Antrag, dem Strafgefangenen H gemäß § 86 Abs. 3 StVG die Fortsetzung des Briefverkehrs mit ihm, F, zu bewilligen".
Der Leiter der Strafvollzugsanstalt Garsten teilte dem Beschwerdeführer mit formlosem Schreiben vom 10. Juni 1988 mit, daß der beantragte Briefverkehr nicht bewilligt werde.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen eine mit 28. Juni 1988 datierte Beschwerde gemäß § 120 StVG an das Bundesministerium für Justiz. Der Beschwerdeführer stellte hierin den Antrag, "in Abänderung der formlosen Entscheidung des Leiters der Strafvollzugsanstalt Garsten vom 10. Juni 1988, Zl. Gef.V.Nr. 3865/88, dem Strafgefangenen H die Fortsetzung des Briefverkehrs mit dem Beschwerdeführer zu bewilligen."
Diese Beschwerde wurde dem Bundesministerium für Justiz nicht vorgelegt.
Die belangte Behörde erließ keinen Bescheid, wogegen sich
die vorliegende Säumnisbeschwerde richtet.
In der Gegenschrift der belangten Behörde vom 21. Oktober 1994 begründete diese die Nichtweiterleitung mit dem "Abwarten einer anfänglichen Beobachtungsphase" des Strafgefangenen H. In der Folge sei dem Strafgefangenen sodann aufgrund eines von ihm gestellten Ansuchens im November 1988 erstmals gestattet worden, mit dem Beschwerdeführer schriftlich zu korrespondieren, weshalb eine Befassung des "Bundesministeriums" für Justiz mit den Eingaben des Beschwerdeführers entbehrlich geworden sei.
Des weiteren vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, daß ihrer Ansicht nach keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege, weil das vom Beschwerdeführer an den Leiter der Justizanstalt Garsten gerichtete Begehren in die Rechtssphäre des Strafgefangenen H und den diese Person betreffenden Vollzug falle und daher als bloße Anregung, die Beschwerde gemäß § 120 StVG als (bloße) Aufsichtsbeschwerde zu qualifizieren sei.
Der Beschwerdeführer replizierte, daß auch im Streit um Parteistellung und Antragsbefugnis, insoweit diese zur Entscheidung anstehen, Parteistellung und entsprechende Entscheidungspflicht bestehe; ein Anspruch auf Entscheidung wäre selbst dann gegeben, wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Strittig ist im Beschwerdefall zunächst, ob der Beschwerdeführer zur Erhebung der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof berechtigt ist.
Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß im Streit um eine im Verwaltungsverfahren strittige Parteistellung jedermann, der sie in Anspruch genommen hat und dem sie nicht zuerkannt wurde, beschwerdeberechtigt ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Juni 1969, Zl. 773/68, verstärkter Senat vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/73, Slg. Nr. 9458 A, u. a.). Beschwerdeberechtigt gemäß Art. 132 B-VG ist demnach auch ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren eine Entscheidung geltend zu machen sucht, auch wenn die Entscheidung nur in einer Zurückweisung, etwa wegen Unzulässigkeit des gestellten Begehrens, bestehen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/73, und den hg. Beschluß vom 27. April 1994, Zl. 93/13/0223, u.a.).
Im gegenständlichen Fall wird von der belangten Behörde bestritten, daß dem Beschwerdeführer Parteistellung im Beschwerdeverfahren nach § 120 StVG zukommt. Sie war demnach im Hinblick auf die obzitierte Rechtsprechung verpflichtet, zumindest einen Zurückweisungsbescheid zu erlassen. Die auf Art. 132 B-VG gestützte Beschwerde des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof ist demnach zulässig.
2. In der Frage der Zulässigkeit der auf § 120 StVG gestützten Beschwerde hat die belangte Behörde in der Gegenschrift zu Recht auf die - oben wörtlich wiedergegebene - Ausführung von Begehren und Antrag sowohl des Ansuchens vom 2. Juni 1988 als auch der Beschwerde vom 28. Juni 1988 hingewiesen, woraus sich ergibt, daß der Beschwerdeführer nicht die in seiner Rechtssphäre gelegene Erlaubnis zum Briefverkehr mit anderen Strafgefangenen erreichen wollte (die Führung des Briefkontaktes war dem Beschwerdeführer aufgrund seiner eigenen Angaben im Ansuchen vom 6. Juni 1988 in der Justizanstalt Mittersteig gestattet), sondern daß es dem Strafgefangenen H in der Strafvollzugsanstalt Garsten gestattet werde, mit dem Beschwerdeführer in Briefkontakt zu treten. Diese Frage betrifft ausschließlich eine Angelegenheit, die in den den Strafgefangenen H betreffenden Vollzug fällt.
Wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Partei ist, kann nicht allein anhand des AVG entschieden werden, sondern ist durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift zu klären. Maßgebend für die Parteistellung ist, daß die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift und daß darin eine unmittelbare, nicht bloß abgeleitete mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 104, zitierte umfangreiche Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes).
Im gegenständlichen Fall bestimmt § 119 StVG, daß die Strafgefangenen das Recht haben, hinsichtlich des IHRE PERSON BETREFFENDEN VOLLZUGES in angemessener Form mündlich oder schriftlich Ansuchen zu stellen. Die Frage, ob dem Strafgefangenen H der Briefverkehr mit dem Beschwerdeführer bewilligt werde, greift nur in die Rechtssphäre des H und nicht in die des Beschwerdeführers ein. Es ermangelte dem Beschwerdeführer die Parteistellung deshalb sowohl hinsichtlich des Ansuchens vom 2. Juni 1988 als auch hinsichtlich der gegen die negative Erledigung dieses Ansuchens gerichtete Beschwerde gemäß § 120 StVG, weshalb die Beschwerde vom 28. Juni 1988 zurückzuweisen war.
3. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich (im Rahmen des konkret gestellten Begehrens) auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche AngelegenheitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200412.X00Im RIS seit
20.11.2000