TE Lvwg Erkenntnis 2022/7/13 LVwG 47.10-3656/2021

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Veröffentlicht am 13.07.2022
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Entscheidungsdatum

13.07.2022

Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark
L92006 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Steiermark

Norm

SHG Stmk 1998 §1 Abs1
SHG Stmk 1998 §4 Abs1
SHG Stmk 1998 §9 Abs2 lita
StSUG §8
ABGB §914
ABGB §915

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark erkennt durch die Richterin HR Dr. Clement über die Beschwerde der Frau A B, geb. am ******, vertreten durch C D Rechtsanwälte GmbH, Kweg, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 09.11.2021, GZ: 9.20-L1634/2021,

z u R e c h t :

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet

abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz wurde der Antrag von Frau A B, vertreten durch Frau E F und G H, vom 23.05.2021 auf Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form eines Kostenzuschusses zur 24-Stunden-Betreuung gemäß §§ 1, 4, 5, 7, 8 und 9 SHG abgewiesen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, mit welcher ausgeführt wird, dass mit Übergabsvertrags vom 20.10.2011 die Liegenschaft der Beschwerdeführerin übergeben worden sei, diese sei verwitwet und lebe im Einfamilienhaus in T. Mit diesem Übergabsvertrags habe sich der Sohn I J verpflichtet, die Pflege und Betreuung im üblichen häuslichen Umfang zu gewährleisten, womit den Übergebern der Aufenthalt in einem Altenheim erspart werden sollte. Diese Verpflichtung sollte nur so lange bestehen, als ärztlicherseits ein Anstaltsaufenthalt nicht als angebracht empfohlen werde. Laut Bestätigung von Dr. K L vom 09.11.2021 seien bei der Beschwerdeführerin pflegerische Maßnahmen erforderlich, deren Qualität mit einer Betreuung in einer stationären Einrichtung vergleichbar seien. Derartige pflegerische Maßnahmen seien dem Sohn der Beschwerdeführerin nicht zumutbar, zumal die Beschwerdeführerin Pflegegeld der Stufe 4 beziehe. Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht widerspreche der ständigen Judikatur des Landesverwaltungsgerichts, wonach die Kosten der Hilfe der mobilen Pflege bis zu jenem Betrag zu gewähren seien, der vergleichsweise für dieselben Leistungen in einer stationären Einrichtung anfallen. Ein Kostenzuschuss werde dann geleistet, wenn die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 StSHG vorliegen und der Pflegebedarf eine stationäre Unterbringung rechtfertigen würde. Die belangte Behörde habe die Vertragsteile des Übergabsvertrags vom 20.10.2011 nicht zum Inhalt des Vertragspunktes III befragt. Nach dem Willen der Vertragsteile sollte eine Pflege und Betreuungsverpflichtung der Übernehmer entfallen, wenn für die Beschwerdeführerin pflegerische Maßnahmen in einer Qualität erforderlich seien, die eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung rechtfertigen würde. Es wird daher die Einvernahme der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes I J beantragt. Der Beschwerde beigelegt war eine Bestätigung des allgemeinen Mediziners Dr. K L.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2022, wird nachfolgender Sachverhalt festgestellt:

Mit Übergabsvertrag vom 20.10.2011 übergaben M N und A B, die nunmehrige Beschwerdeführerin, ihre Liegenschaft EZ *** des Grundbuches *****, an ihren Sohn I J. Es wurde ein Ausgedinge vereinbart. I J ist verpflichtet den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin zu sichern und die Kosten der häuslichen Pflege zu tragen.

Am 23.05.2021 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz ein Antrag auf Kostenzuschuss zur mobilen Pflege für die Beschwerdeführerin ein. Am 23.05.2021 hat die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Sohn O P, einen Betreuungsvertrag mit Q R und einen weiteren Betreuungsvertrag mit S T am 13.10.2021 abgeschlossen. Der Werklohn für die Erbringung der vereinbarten Tätigkeiten beträgt pro Tag bei Pflegestufe 4 € 80,00 inklusive Fahrtkosten, den die Beschwerdeführerin aus ihrem Einkommen bezahlt. Am 23.05.2021 hat die Beschwerdeführerin einen Vermittlungsvertrag mit der U V OG abgeschlossen, den auch O P unterschrieben hat. Die Vermittlungsgebühr hat einmalig € 400,00 betragen. Die Agenturgebühr beträgt € 420,00 pro Monat. Die Agenturgebühr haftet offen aus. O P regelt die finanziellen Belange für die Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin benötigt pflegerische Maßnahmen bei depressivem Zustandsbild. Es besteht Sturzneigung. Die Beschwerdeführerin ist bereits seit mehreren Jahren – in etwa drei bis vier – pflegebedürftig und wurde die Pflege vorerst privat ohne Agentur organisiert und fand auch familiäre Unterstützung durch die drei Söhne und eine Schwiegertochter statt. Die Beschwerdeführerin lebt im Erdgeschoß des Hauses Hstraße in T. I J lebt im Obergeschoß desselben Hauses und war ihm die Pflegebedürftigkeit seiner Mutter bekannt. Ein Heimaufenthalt wurde bisher ärztlicherseits nicht als angebracht empfohlen.

Die Beschwerdeführerin hat 2021 eine Pension von € 1.148,22 ohne Sonderzahlung, Pflegegeld der Stufe 4 von € 700,10 und einen Zuschuss des Bundessozialamtes von monatlich € 550,00 bezogen.

Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen stützen sich im Wesentlichen zur Frage der ausreichenden Mittel der Beschwerdeführerin auf den Übergabsvertrag vom 20.10.2011, sowie zur Frage der Pflegebedürftigkeit der Beschwerdeführerin auf die ärztliche Bestätigung Dr. K L vom 09.11.2021. Unter Punkt III des Übergabsvertrages ist wörtlich die Sicherung des Lebensunterhaltes als Verpflichtung des Übernehmers festgehalten. Dr. K L beschreibt in knappen Worten, weshalb eine Behandlung erforderlich ist und dass Sturzneigung besteht, die eine Bereitschaft erfordert. Er vergleicht die pflegerischen Maßnahmen mit einer Betreuung in einer stationären Einrichtung ohne einen Aufenthalt in einer solchen Einrichtung für die Betreuung und Pflege der Beschwerdeführerin zu empfehlen oder als angebracht festzustellen oder auch nur andeutungsweise darzulegen, dass die erforderlichen pflegerischen Maßnahmen durch eine 24-Stunden-Pflege im häuslichen Umfeld nicht erbracht werden könnten. Dass die Agenturgebühr bisher nicht bezahlt worden ist, ergibt sich aus der Aussage der Zeugen I J und O P und der Auskunft G Hs vom 07.07.2022. Aus dem Vermittlungsvertrag mit der 24-Stunden-Pflege ergibt sich jedoch auch, dass O P diesen Vertrag unterschrieben hat und somit ein Vertragsverhältnis auch mit ihm begründet worden ist. Gestützt auf die Aussage des Zeugen O P ergibt sich auch, dass dieser sich um alle finanziellen Belange der Beschwerdeführerin kümmert. Der Zeuge O P bestätigte auch, dass den Eltern ein Heimaufenthalt erspart werden sollte, was auch I J übereinstimmend hierzu angab. Die Dauer der Pflegebedürftigkeit der Beschwerdeführerin legte der Zeuge O P durchaus glaubwürdig dar. Erst im Mai 2021 wäre die Agentur W X organisiert worden, nachdem die Pflege zuerst privat organisiert und offenbar auch bezahlt worden ist. Schlüssig ergibt sich, dass O P sowohl eine Kontovollmacht besitzt und alle finanziellen Belange regelt, als auch die Pflege organisiert hat und den Agenturvertrag unterschrieben hat. Schlüssig ergibt sich ein finanzielles Interesse am Ausgang des Verfahrens der Zeugen O P und I J. In diesem Licht ist auch die Aussage des Übernehmers I J zu werten, dass vereinbart worden sei, dass er nichts bezahlen müsse und er keine Verpflichtung bei sich sehe. Obwohl I J Vertragspartner ist, kümmert sich sein Bruder um die finanziellen Angelegenheiten der Mutter und will I J darüber nicht Bescheid wissen. Es zeigt sich eine Interessenskollision aller Beteiligten, die beweiswürdigend zu berücksichtigen ist. Dass I J nicht verpflichtet werden sollte, ist nicht glaubwürdig.

Rechtliche Beurteilung:

Die maßgebenden Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl Nr. 29/1998, zuletzt geändert durch das LGBl Nr. 1/2022 (im Folgenden SHG) lauten wie folgt:

§ 1 SHG:

„Aufgabe der Sozialhilfe

(1) Durch die Sozialhilfe soll jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

(2) Die Sozialhilfe umfasst:

         1.       Hilfe zur Sicherung des Pflege- und Betreuungsbedarfs sowie des Bedarfs bei Krankheit und der Bestattungsaufwand,

         2.       Hilfe in besonderen Lebenslagen,

         3.       Soziale Dienste.

(3) Die Sozialhilfe ist zu gewähren, um eine bestehende Notlage zu beseitigen oder eine drohende Notlage abzuwenden. Sie ist fortzusetzen, wenn dies notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern.“

§ 4 SHG:

„Voraussetzung der Hilfe

(1) Personen, die sich in der Steiermark aufhalten und ihren Pflege- und Betreuungsbedarf oder Bedarf bei Krankheit nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln beschaffen können und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten, haben einen Anspruch auf Hilfe zur Sicherung dieser Bedarfe.

(2) Keinen Anspruch auf Leistungen nach Abs. 1 haben Personen, die zur Zielgruppe von Leistungen nach dem Stmk. Grundversorgungsgesetz zählen.“

§ 5 SHG:

„Einsatz der eigenen Mittel

(1) Hilfeleistungen gemäß § 13 sind nur soweit zu gewähren, als das Einkommen der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers nicht ausreicht, um die erforderliche Pflege und Betreuung zu sichern. Hilfeleistungen gemäß § 9 Abs. 2 lit. a und c sind nur soweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um die erforderliche Pflege und Betreuung zu sichern.

(1a) Nähere Bestimmungen zum Einkommensbegriff und zum Nachweis des Einkommens hat die Landesregierung durch Verordnung zu erlassen.

(1b) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege, durch die Bedarfe gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 und 2 nicht ausreichend gesichert werden, sind nicht zu berücksichtigen.

(1c) Das Pflegegeld ist bei Zuerkennung von Hilfeleistungen gemäß § 9 Abs. 2 lit. a und b und § 13 zu berücksichtigen.

(2) Hilfeempfänger haben Ansprüche gegenüber Dritten zu verfolgen, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar oder mit einem unverhältnismäßigen Kostenrisiko verbunden ist. Keine Rechtsverfolgungspflicht besteht bei Ansprüchen gemäß § 947 ABGB, bei Schmerzengeldansprüchen sowie bei nichttitulierten Unterhaltsansprüchen des Hilfeempfängers.

(3) Zum verwertbaren Vermögen gehören nicht jene Sachen, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung allgemein anerkannter kultureller Bedürfnisse dienen.

(4) Hat der Hilfeempfänger Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder zumutbar ist, kann im Zuerkennungsbescheid oder in einem getrennten Verfahren die Sicherstellung des Ersatzanspruches verfügt werden.“

§ 9 SHG:

„Erforderliche Pflege

(1) Zum Lebensbedarf gehört jene Pflege, die erforderlich wird, wenn auf Grund des körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes die Fähigkeit fehlt, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen.

(2) Die erforderliche Pflege umfaßt

         a)       die mobile Pflege;

         b)       die Pflege in geeigneten stationären Einrichtungen;

         c)       die Versorgung mit Pflegemitteln und Pflegebehelfen.

Kosten der Hilfe zu mobiler Pflege sind bis zu jenem Betrag zu gewähren, der vergleichsweise für dieselben Leistungen in einer stationären Einrichtung anfällt.“

Vorweg ist auszuführen, dass das Sozialhilfegesetz mit 01.07.2021 eine Änderung dahingehend erfahren hat, als der Lebensunterhalt und der Wohnbedarf nunmehr im Steiermärkischen Sozialunterstützungsgesetz, LGBl Nr. 51/2021 (im Folgenden StSUG), der Pflege- und Betreuungsbedarf dagegen weiterhin im Steiermärkischen Sozialhilfegesetz geregelt ist. Zwar enthält das seit 01.07.2021 geltende SHG den Begriff „Lebensunterhalt“ nicht mehr, jedoch sind nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes aus der Definition des § 1 Abs 1 SHG, wonach durch die Sozialhilfe ein „menschenwürdiges Leben“ ermöglicht werden soll, die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Anspruchs auf Pflege- und Betreuungsbedarf jedenfalls so auszulegen, dass nach Abzug der Pflege- und Betreuungskosten der Lebensunterhalt gewährleistet sein muss.

Bei der Prüfung der Frage, ob die Beschwerdeführerin ihren Pflege- und Betreuungsbedarf ausreichend aus eigenen Mitteln beschaffen kann und ob sie nach Maßgabe des § 4 Abs 1 SHG einen Rechtsanspruch auf Hilfe zur Sicherung dieser Bedarfe hat, ist abzuklären, ob das Einkommen der Beschwerdeführerin zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfes im Sinne des § 4 Abs 1 SHG ausreicht oder ob eine Hilfsbedürftigkeit der Beschwerdeführerin im Sinne dieses Gesetzes besteht.

Dem Sozialhilfegesetz wohnen zwei Grundprinzipien inne, nämlich die Subsidiarität und die Individualität. Die Sozialhilfe ist gewissermaßen das letzte soziale Auffangnetz und hat die Aufgabe, jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Sie greift daher nur dann, wenn keine anderen ausreichenden Mittel vorhanden sind und sie soll im Sinne der Individualität den konkreten Bedürfnissen des jeweils einzelnen Hilfsbedürftigen entsprechen (vgl. u.a. Manuel Mayr/Walter J. Pfeil, Mindestsicherung und Sozialhilfe, in Pürgy (Hrsg), Das Recht der Länder II/1 (2012) 263 f.).

Im Sinne der Subsidiarität hat der Hilfesuchende zuerst eigene Mittel einzusetzen, um seinen Bedarf zu decken und kann sich nur dann, wenn diese nicht ausreichen, an die Gemeinschaft wenden. Der Begriff der eigenen Mittel ist hierbei umfassend zu verstehen – die im konkreten tatsächlich zufließenden Einkünfte fallen jedenfalls darunter (vgl. dazu wiederum M.Mayr/W.J. Pfeil, aaO, 277f.).

Als weitere Leistungsvoraussetzung ist die mangelnde Bedarfsdeckung der hilfsbedürftigen Person durch Dritte anzusehen, wobei hier zwischen Leistungen Dritter und Ansprüchen gegenüber Dritten zu unterscheiden ist. Während Leistungen Dritter zur Deckung des Lebensbedarfes einer hilfesuchenden Person neben tatsächlichen Geldleistungen auch faktische Hilfen einschließen können, also alle Maßnahmen, durch die eine zumindest teilweise Deckung von Bedürfnissen im Rahmen der materiellen Existenzsicherung möglich ist und diese Leistungen Dritter der hilfesuchenden Person somit tatsächlich zur Verfügung stehen, verhält es sich mit Ansprüchen gegenüber Dritten etwas anders. Zu einem Spannungsverhältnis kann es hier kommen, wenn Ansprüche gegen Dritte bestehen, aber Leistungen daraus nicht zufließen, weshalb in den unterschiedlichen Sozialhilfegesetzen der Bundesländer (so auch im § 5 Abs 2 SHG) Rechtsverfolgungsrisiken normiert sind, nach denen die Hilfe der Gemeinschaft davon abhängig sein kann, dass die hilfesuchende Person bedarfsdeckende Ansprüche gegenüber Dritten verfolgt (vgl. wiederum M.Mayr/W.J. Pfeil, aaO, 284 ff).

Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst in einem Erkenntnis vom 24.10.2017 ausgesprochen, dass es bei der Gewährung der Sozialhilfe maßgeblich auf die Frage, ob der Bedarf eines Hilfesuchenden tatsächlich gedeckt wird oder nicht, ankommt. Darauf, ob Dritte diesen Aufwand freiwillig oder unfreiwillig aus jederzeit abänderbaren Gründen tragen, kommt es – unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt des tatsächlich dem Hilfesuchenden erwachsenden Aufwandes – nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich nicht an (Ra 2017/10/0107). Tatsächlich ist derzeit die monatliche Agenturgebühr offen und wird diese Gebühr derzeit von niemandem bezahlt.

In vorliegendem Fall handelt es sich bei der Hilfesuchenden um eine pflegebedürftige Person, die für eben diesen Fall vertraglich vorgesorgt hat und steht ihr folgendes Ausgedingsrecht zu:

Auszug aus dem Übergabsvertrag:

„Ausgedingsrecht

In diesem Zusammenhang verpflichtet sich der Übernehmer, die Übergeber stets respektvoll zu behandeln und im Haushalt Hstraße die liebevolle Pflege und persönliche Betreuung in gesunden und kranken Tagen zu gewährleisten.

Der Übernehmer verpflichtet sich, den Übergebern auf Wunsch die ortsübliche Tischkost in gleicher Art und Güte zu verabreichen, wie sie der Übernehmer selbst einnimmt; über Wunsch auch in das Zimmer gestellt oder an das Bett gereicht. Die volle Verpflegung erstreckt sich im Krankheitsfalle – oder wenn vom Arzt verordnet – auch auf eine entsprechende leichtere Diät bzw. Schonkostverpflegung.

Sämtliche Ausgedingsleistungen sind vom Übernehmer so lange zu erbringen, als sich die Übergeber auf dem Übergabsgegenstand aufhalten.

Die Pflege und Betreuung erfolgt im üblichen häuslichen Umfang und hat den Zweck, den Übergebern den Aufenthalt in einem Altenheim zu ersparen, dies jedoch nur so lange, als nicht ärztlicherseits ein Anstaltsaufenthalt als angebracht empfohlen wird.

Soweit den Übergebern ein Anspruch auf Pflegegeld zusteht, verpflichten sich die Übergeber schon heute, die diesbezüglichen Anträge zu stellen. Ein allfällig zur Auszahlung gelangendes Pfleggeld steht dem Übernehmer bzw. einer die Pflege durchführenden Person nach Maßgabe der Pflege zu. Sollte hingegen der Übernehmer seinen aus dieser Übergabe vertragsmäßig übernommenen Verpflichtungen nicht nachkommen, sind die Übergeber berechtigt, auf Kosten des Übernehmers eine geeignete Betreuungsperson zur Durchführung der Pflegeleistungen in Anspruch zu nehmen, wobei vorrangig das Pflegegeld zur Deckung dieser Kosten dient.

Die Vertragsparteien haben Kenntnis von den Bestimmungen des § 28a Stmk. SHG (Paraghraph achtundzwanzig a des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes), wonach jemand, der von einem Sozialhilfeempfänger innerhalb von drei Jahren vor Beginn der Sozialhilfeleistung eine Schenkung erhalten hat, dem Sozialhilfeträger den Ersatz der Sozialhilfeleistungen schuldet.“

Zum Vorbringen in der Beschwerde hinsichtlich des Übergabsvertrags wird Folgendes ausgeführt:

Die Auslegung von Übergabeverträgen richtet sich nach den Grundsätzen, die auch sonst für die Vertragsauslegung gemäß § 914 f ABGB gelten. Diese lauten wie folgt:


„Auslegungsregeln bei Verträgen.

§ 914:

Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.

§ 915:

Bei einseitig verbindlichen Verträgen wird im Zweifel angenommen, dass sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollte; bei zweiseitig verbindlichen wird eine undeutliche Äußerung zum Nachtheile desjenigen erkläret, der sich derselben bedienet hat (§. 869).“

Mit Übergabsvertrags vom 20.10.2011 erhielt der Sohn von M N und A B ein Grundstück *** mit 917 m² Fläche und dem darauf befindlichen Einfamilienhaus, im welchem der Übernehmer I J auch derzeit wohnt. Das Einfamilienhaus hat eine Wohnfläche von ca. 200 Quadratmeter, wobei I J im Obergeschoss mit 100 m² wohnt und die Beschwerdeführerin mit der Pflegerin im Erdgeschoß mit 100 m². Als Gegenleistung für die Übergabe des Hauses samt Grundstück verpflichtete sich I J den Lebensunterhalt der Übergeber zu sichern und wurde hierzu ein grundbücherlich sicherzustellendes Wohnungs- und Ausgedingsrecht eingeräumt.

Einerseits verpflichtete sich I J zur Instandhaltung des Gebäudes und des lebenslänglich unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechts, andererseits verpflichtete er sich zur liebevollen Pflege und persönlichen Betreuung in gesunden und kranken Tagen. Dabei wurde vereinbart, dass sämtliche Ausgedingsleistungen so lange zu erbringen seien als sich die Übergeber - somit die Beschwerdeführerin - auf dem Übergabsgegenstand aufhalten. Die Pflege und Betreuung wurde insofern näher definiert, als sie im üblichen häuslichen Umfang erfolgen sollte und den Zweck hätte den Übergebern - also der Beschwerdeführerin – den Aufenthalt in einem Altenheim zu ersparen. Dies jedoch nur so lange als nicht ärztlicherseits ein Anstaltsaufenthalt als angebracht empfohlen wird.

Die Beschwerdeführerin befindet sich nach wie vor auf dem Übergabsgegenstand und ein Anstaltsaufenthalt wurde ärztlicherseits bisher nicht empfohlen. Da auch konkrete Regelungen im Hinblick auf einen Anspruch auf Pflegegeld unter Punkt III „Ausgedingsrecht“ des Übergabsvertrages angeführt sind, ist in Interpretation dieser Regelung davon auszugehen, dass auch bei einem derartigen Pflegebedarf, bei welchem bereits Pflegegeld zusteht, die häusliche Pflege vorgesehen war. Dabei wurde explizit keine Pflegestufe ausgeschlossen. Dass auf Kosten des Übernehmers eine geeignete Betreuungsperson zur Durchführung der Pflegeleistungen in Anspruch zu nehmen ist, sollte der Übernehmer seinen aus dieser Übergabe übernommenen Verpflichtungen nicht nachkommen, ist ebenfalls ein Hinweis, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes durch den Übernehmer zu leisten ist. Aus den Ausführungen zur Pflege, dass ein Aufenthalt in einem Altenheim zu ersparen sei und auch bei Pflegegeld ein Anspruch auf häusliche Pflege besteht, ergibt sich bei Auslegung des Vertrages, dass die Kosten einer 24-Stunden-Betreuung durch den Übernehmer I J zu tragen sind. Die Beschwerdeführerin hat daher einen Anspruch auf diese Pflege und deren Kostentragung aus dem Übergabsvertrag.

Eine ärztliche Bescheinigung, dass ein Anstaltsaufenthalt empfohlen wird, liegt deshalb nicht vor, da ein Vergleich von pflegerischen Maßnahmen und deren Aufwand rechtlich nicht als Empfehlung gedeutet werden kann. Zudem spricht die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor zu Hause gepflegt wird gegen die Notwendigkeit eines Anstaltsaufenthalts.

Da die Verfolgung ihres Anspruches offenbar nicht aussichtslos und auch nicht unzumutbar ist oder mit einem unverhältnismäßigen Kostenrisiko verbunden ist, hat die Beschwerdeführerin diesen gemäß § 5 Abs 2 SHG zu verfolgen.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schließt ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf Sicherung des Lebensbedarfs den Anspruch auf entsprechende Sozialhilfeleistungen dann aus, wenn die Hilfe im erforderlichen Ausmaß tatsächlich geleistet wird. Der tatsächlichen Hilfeleistung wird in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Fall gleichgehalten, dass die Hilfe aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gefordert werden kann und diese Forderung im erforderlichen Umfang leicht, das heißt bezogen auf die erforderliche Hilfeleistung rechtzeitig realisierbar ist (vgl. VwGH 02.05.2005, 2003/10/0213 m.w.N.). Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Beschwerdeführerin die Kosten der 24-Stunden-Pflege bis auf die monatliche Agenturgebühr von € 420,00 selbst bezahlt. Diese Agenturgebühr haftet unberichtigt aus, sodass einerseits offenbar von der Agentur ein Kredit gewährt wird, andererseits wurde der Agenturvertrag auch von O P unterfertigt, welcher diese Hilfe auch organisiert hat und somit die Beschwerdeführerin nicht die alleinige Verpflichtete aus dem Vertrag ist. Die Pflege hat vor Abschluss des Agenturvertrages mehrere Jahre auch privat stattgefunden, sodass eine Notlage bzw. Hilfsbedürftigkeit nicht unerwartet eingetreten ist und daher die Beschwerdeführerin - oder der ihre finanziellen Angelegenheiten besorgende Sohn O P - realistischerweise in der Lage war, rechtzeitig die entsprechende Forderung aus dem Übergabevertrag geltend zu machen und zu realisieren. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts ist zu berücksichtigen ist, dass in derartigen Fällen immer ein Interessenskonflikt die Ermittlung des Sachverhaltes erschwert. Weder dieser Interessenskonflikt aller Beteiligten noch ein bewusstes Zusammenwirken dieser kann jedoch zum Nachteil der Gemeinschaft, die als letztes soziale Netz individuell den konkreten Bedürfnissen des jeweiligen Hilfesuchenden dienen soll, gereichen. Es wäre der Beschwerdeführerin nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts möglich gewesen, die für ihren Lebensbedarf erforderlichen Mittel rechtzeitig durchzusetzen und ist ihr dies aufgrund der klaren Regelung des Übergabsvertrages auch zumutbar gewesen (vgl. VwGH 14.05.1990, 90/19/0032 m.w.N.), da der Pflegebedarf nicht überraschend eingetreten ist. Es ist daher eine Vertragsauslegung zu Lasten der Gemeinschaft aufgrund der klaren Regelung im Übergabsvertrag für den nunmehr eingetretenen Fall der Pflege eines der beiden Vertragspartner, wofür eine Gegenleistung vereinbart worden ist, nicht rechtskonform, sodass die Hilfsbedürftigkeit der Beschwerdeführerin zu verneinen ist, da die Frage der rechtzeitigen Realisierbarkeit ihres Anspruches wie dargelegt großzügig nach den Umständen des Einzelfalles auszulegen ist.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die Frage der Hilfsbedürftigkeit der Beschwerdeführerin keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG aufwirft, der grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Schlagworte

Kostenzuschuss 24-Stunden-Betreuung, Pflege- und Betreuungsbedarf, Hilfsbedürftigkeit, Lebensunterhalt, Subsidiarität, eigene Mittel, Leistungen Dritter, Bedarfsdeckung durch Dritte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2022:LVwG.47.10.3656.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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