Entscheidungsdatum
10.10.2022Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Dr. Miliker über die Beschwerde der A B GmbH, Estraße, G, vertreten durch die Wirtschaftstreuhänder C D SteuerberatungsgmbH & Co KG, Lstraße, G, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Graz vom 07.06.2022, GZ: A7-019619/2021/0003,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde
teilweise Folge gegeben,
und der bekämpfte Bescheid dahingehend abgeändert, dass eine Vergütung für den Verdienstentgang in der Höhe von € 871,57 gewährt wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Graz (im Folgenden belangte Behörde) vom 07.06.2022, GZ: A7-019619/2021/0003, wurde dem Antrag auf Vergütung für den Verdienstentgang der A B GmbH (im Folgenden Beschwerdeführerin), eingebracht am 18.02.2021, als Dienstgeberin von Herrn E F, geb. am ******, für den Zeitraum von 07.12.2020 bis 13.12.2020, infolge des Absonderungsbescheides des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 07.12.2020, GZ: A7-74055/2020-35160, in der Höhe von € 704,70 teilweise stattgegeben (Spruchpunkt I). Das Mehrbegehren wurde abgewiesen (Spruchpunkt II). Begründend wurde ausgeführt, dass der Zeitraum vom 03.12.2020 bis 06.12.2020 von der behördlich verfügten Absonderung nicht mitumfasst sei und daher auch bei der Berechnung des Vergütungsanspruches nicht mitberücksichtigt wurde. Als Rechtsgrundlagen werden § 32 Abs 1 Z 1, § 32 Abs 3 und Abs 7 iVm § 36 Abs 1 lit i und Abs 2 Epidemiegesetz 1950 (im Folgenden EpiG) angeführt.
Gegen diesen Bescheid erhob die nunmehrige Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertretung fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark und wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ausklammerung des Zeitraums von 03.12.2020 bis 06.12.2020 zu Unrecht erfolgt sei. Laut § 7 EpiG solle durch die Absonderung die Weiterverbreitung der Krankheit möglichst verhindert werden, somit sei auch die Absonderung möglichst frühzeitig einzusetzen. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn man den Vergütungsanspruch erst für den Zeitraum ab dem Ausspruch der behördlichen Absonderung bejahen, aber für jenen davor gelegenen Zeitraum, in welchem bereits ein Ansteckungsverdacht bestanden und in welchem sich der bzw. die Betroffene aus eigenem Antrieb abgesondert habe, verneinen würde. Durch die eigenständig vorgenommene Selbstabsonderung habe der Betroffene immerhin das Seinige unternommen, um eine Weiterverbreitung der Krankheit möglichst zu vermeiden und habe dieser damit genau jenes Verhalten gesetzt, dass das EpiG vom verständigen Bürger erwarte, wenn es in § 7 Abs 1 EpiG die behördliche Absonderungsmaßnahme u.a. vom Verhalten des Betroffenen abhängig mache. Überdies sei auf die Bestimmung des § 3b EpiG zu verweisen, wonach auf eine selbstüberwachte Heimquarantäne die Bestimmungen des § 32 EpiG sinngemäß anzuwenden seien. Laut Zeitaufzeichnungen sei der Dienstnehmer am 03.12.2020 noch am Arbeitsplatz aufhältig gewesen und habe sich dieser tatsächlich erst ab 04.12.2020 in Quarantäne begeben.
Es werde daher die antragsgemäße Erledigung beantragt.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat erwogen:
Sachverhalt:
Herr E F, geb. am ******, war als Rechtsanwaltsanwärter im Jahr 2020 von 01.07.2020 bis 31.12.2020 bei der Beschwerdeführerin beschäftigt (Abrechnungszeitraum für Sonderzahlungen daher 184 Tage). Laut Lohnkonto erhielt der Dienstnehmer im Dezember 2020 ein Bruttogehalt in Höhe von € 2.200,00. Dem Dienstnehmer gebührten überdies Sonderzahlungen in einer Gesamthöhe von € 2.218,08, welche in zwei Tranchen (November und Dezember) ausgezahlt wurden. Der Dienstgeberanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung und Unfallversicherung betrug im Jahr 2020 4,98 % (Krankenversicherung: 3,78 %, Unfallversicherung: 1,20 %). Der Dienstnehmer leistete einen monatlichen Betrag für die Versorgungseinrichtung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer in Höhe von € 310,25. Dieser Betrag wurde zur Gänze vom Dienstnehmer selbst getragen, wobei dieser von der Beschwerdeführerin eingehoben wurde.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 07.12.2020, GZ: A7-74055/2020-35160, wurde der Dienstnehmer gemäß § 7 EpiG abgesondert. Der Spruch des Bescheides lautet:
„Zum Schutz der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 („neuartiges Coronavirus“) wird E F, geboren am ******, mit 07.12.2020 abgesondert.
(….)
3. Die Absonderung bleibt 10 Tage ab 03.12.2020, somit bis zum 13.12.2020 aufrecht.“ …
Vor der behördlichen Absonderung war der Dienstnehmer zuletzt am 03.12.2020 am Arbeitsplatz aufhältig und befand sich ab 04.12.2020 coronabedingt in Quarantäne. Der Dienstnehmer befand sich nicht in Kurzarbeit und wurden für ihn (im Absonderungszeitraum) keine Kurzarbeitsunterstützungen bezogen.
Mit fristgerechtem Antrag vom 18.02.2021 beantragte die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin von Herrn E F, die Zuerkennung einer Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG im Ausmaß von 11 Tagen in Höhe von € 1.366,69 inkl. aliquoter Sonderzahlungen in Höhe von € 1.109,04. Beigelegt wurden dem Antrag sowohl die Formulare „Verdienstentgang bei Quarantänebescheid nach Epidemiegesetz (Antrag)“ und „Berechnungsblatt Verdienstentgang Nichtselbstständige Erwerbstätige“ als auch die Lohn- und Gehaltsabrechnung für Dezember 2020. Der Antrag und die Berechnung erstrecken sich auf den Zeitraum 03.12.2020 bis 13.12.2020.
In der Folge erging der nunmehr bekämpfte Bescheid, in welchem dem Antrag der Beschwerdeführerin nur teilweise stattgegeben wird und eine Vergütung nur für den kürzeren Absonderungszeitraum 07.12.2020 bis 13.12.2020, also für 7 Tage, in der Höhe von € 704,70 gewährt wurde.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des Behördenakts und werden im Übrigen seitens der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. Die Absonderung und deren Zeitraum ergeben sich aus dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 07.12.2020, GZ: A7-74055/2020-35160.
Dass der Dienstnehmer sich bereits ab 04.12.2020 in (Selbst-)Quarantäne begab, ergibt sich aus der Zusammenschau der diesbezüglichen glaubhaften schriftlichen Angaben in der Beschwerde, des amtlichen Erhebungsblattes der Stadt Graz („Erhebungsblatt Verdachtsfall Covid19“), aus welchem klar hervorgeht, dass der Dienstnehmer zuletzt am 03.12.2020 am Arbeitsplatz aufhältig war und den Arbeitszeitaufzeichnungen für den Monat Dezember 2020.
Aus den vorgelegten Unterlagen lassen sich zum einen zweifelsfrei das regelmäßige monatliche Gehalt und die Sonderzahlungen ablesen. Zum anderen ergibt sich aus dem nach Aufforderung durch die belangte Behörde übermittelten Jahreslohnkonto 2020, dass sich der Dienstnehmer nicht in Kurzarbeit befand, zumal Kurzarbeitsunterstützungen gesondert im Lohnkonto auszuweisen wären. Die Feststellung, dass der Dienstnehmer im Jahr 2020 erst ab 01.07.2020 ein Dienstverhältnis mit der Beschwerdeführerin begründete, lässt sich ebenfalls aus dem Jahreslohnkonto 2020 ablesen (vgl. Jahreslohnkonto 2020 „Ersteintritt: 01.07.2020“). Dass der Dienstnehmer den monatlichen Betrag für die Versorgungseinrichtung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer selbst getragen hat und dieser von der Beschwerdeführerin lediglich eingehoben wurde, ergibt sich ebenfalls aus den vorgelegten Lohnunterlagen, da der Betrag von dem Bruttobezug des Dienstnehmers abgezogen und zusätzlich als Werbungskosten des Dienstnehmers berücksichtigt wurde.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte abgesehen werden, da die Aktenlage erkennen lässt, dass durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Der Sachverhalt ist unstrittig, und es wurden – insbesondere angesichts der zitierten Rechtsprechung des VfGH und VwGH – auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht erforderlich wäre (VwGH 17.10.2019, Ra 2016/08/0010, mwN).
Rechtliche Beurteilung:
Art. 131 Abs 1 B-VG bestimmt, dass soweit sich aus Abs 2 und 3 dieser Bestimmung nicht anderes ergibt, über Beschwerden nach Art. 130 Abs 1 B-VG die Verwaltungsgerichte der Länder entscheiden.
Entsprechend der Bestimmung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Zu Spruchpunkt I.
Die für das Verfahren wesentlichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl Nr. 186/1950 idF BGBl I Nr. 131/2022, lauten:
„Absonderung Kranker.
§ 7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen oder Verkehrsbeschränkungen verfügt werden können.
(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen abgesondert oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. In Fällen unmittelbar drohender Gefahr der Weiterverbreitung kann die Absonderung auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides erfolgen. Hierüber ist innerhalb von 48 Stunden ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Absonderung endet. […]“
„Vergütung für den Verdienstentgang
§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
7. sie in einem Epidemiegebiet, über das Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind, aufhältig sind oder Beschränkungen hinsichtlich des Betretens unterworfen sind,
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(1a) Abweichend von Abs. 1 Z 1 und Z 3 ist für die Dauer der Pandemie mit COVID-19 eine Vergütung nach Abs. 1 auch dann zu leisten, wenn bei einer natürlichen Person der Nachweis einer befugten Stelle über ein positives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 vorliegt. Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, für den eine Maßnahme gemäß § 7 oder § 17 angeordnet worden wäre. Ebenso ist eine Vergütung zu leisten, wenn einer Person aufgrund einer Verordnung nach § 7b Abs. 1 Verkehrsbeschränkungen auferlegt wurden und ihr deshalb durch die Behinderung ihres Erwerbes ein Vermögensnachteil entstanden ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
(3a) Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund gemäß Abs. 3 besteht ungeachtet privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen zur Fortzahlung des Entgelts beziehungsweise der Bezüge.
(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen. Dies gilt nicht im Falle der Fortzahlung des Entgelts bzw. der Bezüge gemäß Abs. 3a.
(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen.
(7) Auf Grund dieser Bestimmung erlassene Bescheide, denen unrichtige Angaben eines Antragstellers über anspruchsbegründende Tatsachen zugrunde liegen, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler im Sinne des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG.“
„Frist zur Geltendmachung des Anspruches auf Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentganges
§ 33. Der Anspruch auf Entschädigung gemäß § 29 ist binnen sechs Wochen nach erfolgter Desinfektion oder Rückstellung des Gegenstandes oder nach Verständigung von der erfolgten Vernichtung, der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen be