TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/21 95/18/1164

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Veröffentlicht am 21.12.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des S in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Mai 1995, Zl. SD 541/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Mai 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

In der Begründung ihres Bescheides nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 26. Juli 1994 wegen Raubes sowie (vorsätzlicher) schwerer und leichter Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, davon 14 Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe in den Monaten Februar und März 1994 zusammen mit mehreren Gleichaltrigen fünf Raubüberfälle, wobei es sich um "recht brutalen Straßenraub" gehandelt habe, und andere "brutale Gewalttaten" verübt. Es könne kein Zweifel bestehen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers aufgrund dieser bestimmten Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. gefährde.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Heimat nur die Volksschule besucht. Er sei im Jahre 1988 als Zehnjähriger mit seinen Eltern nach Österreich gekommen und lebe seitdem im Bundesgebiet. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie seien daher "sehr beträchtlich". Aufgrund der Straftaten des Beschwerdeführers sei diese Maßnahme jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Rechte und Freiheiten anderer und Verhinderung strafbarer Handlungen) "dringenst geboten" (und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig). Da den vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen - auch bei Begehung "durch jugendliche Gewalttäter" - sehr energisch entgegengetreten werden müsse, wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme.

Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei von der Erstbehörde, angesichts der Möglichkeit der Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes und unter Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers, mit zehn Jahren richtig bemessen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die - aufgrund des festgestellten Sachverhaltes unbedenkliche - Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei.

Er vermeint jedoch, daß es sich bei den Raubüberfällen um Delikte handle, "wie sie unter Jugendlichen immer wieder vorkommen". Derartigen strafbaren Handlungen komme nicht dasselbe Gewicht wie strafbaren Handlungen Erwachsener zu. Dies ergebe sich schon aus der unterschiedlichen (straf)gesetzlichen Behandlung von Jugendlichen und Erwachsenen. "Weder die erkennende Behörde, noch die Berufungsinstanz" hätten es "der Mühe wert gefunden, ... den Strafakt zu lesen".

Der Beschwerdeführer läßt damit die wesentliche Feststellung unbestritten, daß seiner Verurteilung fünf Raubüberfälle und zusätzlich noch andere "Gewalttaten" (Körperverletzungen) zugrunde liegen. Diese Straftaten des Beschwerdeführers zeugen jedenfalls von einer krassen Mißachtung des Eigentums und der körperlichen Integrität anderer. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht handelt es sich bei Raubüberfällen, die - trotz Anwendung der privilegierenden Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes - zur Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten führen, keinesfalls nur um Handlungen, wie sie unter Jugendlichen immer wieder vorkommen. Die Beschwerde tut auch gar nicht dar, aufgrund welcher konkreter Umstände es sich bei den vorliegenden Straftaten nur um übliche Fehltritte eines Jugendlichen handle. Sie hat damit die Relevanz der als Verfahrensmangel geltend gemachten Unterlassung der Feststellung der genauen Tatabläufe (nach Einsichtnahme in den gerichtlichen Strafakt) nicht aufgezeigt. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn sie aufgrund des der Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erachtete.

1.2. Die Beschwerde rügt, daß es die belangte Behörde bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG und bei der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 leg. cit. unterlassen habe, zugunsten des Beschwerdeführers den von ihr festgestellten Umstand, daß "sein gesamter Lebensinhalt und seine gesamte Familiensituation in Österreich sich abwickelt", zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1988 mit seinen Eltern im Bundesgebiet lebt, ohnehin einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen schwerwiegenden Eingriff in dessen Privat- und Familienleben angenommen. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Gewaltverbrechen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer, der fünf Raubüberfälle verübt habe, zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, keinen Bedenken.

Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung war zu berücksichtigen, daß die aus dem lang dauernden inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbare Integration eine nicht unbeträchtliche Minderung aufgrund der Beeinträchtigung der dafür wesentlichen sozialen Komponente durch die schweren Straftaten erfährt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 94/18/1043). Mit Rücksicht auf die dargestellte erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers kann das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung nicht als rechtswidrig erkannt werden.

1.3. Mit dem Vorbringen, die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei unzulässig, weil der Beschwerdeführer die Voraussetzungen zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfülle, beruft sich der Beschwerdeführer erkennbar auf die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Ein Aufenthaltsverbot darf außerdem nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z. 1 zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist."

Unabdingbare Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ist nach dem § 10 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die Tatsache, daß der Fremde seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat. Da sich der Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde erst seit 1988 im Bundesgebiet aufhält, ist diese Voraussetzung nicht gegeben, weshalb die Bestimmung des § 20 Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegensteht.

1.4. Was die vom Beschwerdeführer bekämpfte Dauer des Aufenthaltsverbotes anlangt, ist darauf zu verweisen, daß nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0366) - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Wenn sich die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht imstande sah, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes vor Verstreichen von zehn Jahren anzunehmen, so begegnet dies auf dem Boden der dargestellten Rechtslage unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände keinem Einwand.

2. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995181164.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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