TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/21 95/18/0775

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Veröffentlicht am 21.12.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §2 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Februar 1995, Zl. 300.007/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 6.12.1994 wies die Behörde erster Instanz den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 9 Abs. 3 dieses Gesetzes (AufG) mit der Begründung ab, daß die für das Jahr 1994 festgesetzte Anzahl von Bewilligungen bereits erreicht sei. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 1995 hob der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Bescheid der Behörde der ersten Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 2 Abs. 1 und 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes ersatzlos auf und begründete dies wie folgt: Zwar sei die mit Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 1023/1994 nunmehr für das Jahr 1995 neu festgesetzte Anzahl von Bewilligungen noch nicht ausgeschöpft. Dennoch könne von der "Rechtsmittelbehörde keine Bewilligung erteilt werden, da die Prüfung der materiellen Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von der Behörde erster Instanz, im Hinblick auf die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorgelegene Quotenausschöpfung" vorzunehmen sei. Hiebei sei "auch eine Bewertung des Sachverhaltes im Hinblick auf andere, bei der Behörde erster Instanz noch offene Anträge erforderlich". Die Entscheidung, welche Anträge bevorzugt zu bewilligen seien, könne nur von der Behörde erster Instanz vorgenommen werden. Zur Wahrung der Rechte des Beschwerdeführers als Partei sei "der Bescheid der ersten Instanz" ersatzlos zu beheben gewesen. Die erstinstanzliche Behörde werde daher "aufgrund dieses Bescheides ihr weiteres Vorgehen nach §§ 2, 4 und 9 Abs. 3 AufG richten".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, sie sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie sei nicht zur ersatzlosen Behebung des Bescheides der Behörde erster Instanz berechtigt gewesen, sondern hätte in der Sache selbst entscheiden müssen. Notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens hätte sie durch die Behörde erster Instanz durchführen lassen oder selbst vornehmen müssen. Die Berufungsbehörde sei gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur Aufhebung eines Bescheides nur dann berechtigt, wenn sich der Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben lasse. Auch die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes betreffend die Führung eines automationsunterstützten Registers, in welches alle in dem betreffenden Jahr erteilten Bewilligungen einzutragen seien, würden zeigen, daß und welche Möglichkeiten die Berufungsbehörde habe, um rechtsrichtige Entscheidungen treffen zu können. Die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise berge für den Beschwerdeführer die Gefahr einer Schlechterstellung, weil mit der Notwendigkeit einer neuerlichen Entscheidung der Erstbehörde über seinen Antrag vom 31. März 1994 "weitere Verzögerungen des Verfahrens zu befürchten sind, welche dann wiederum zum Ergebnis führen könnten, daß das in der Verordnung BGBl. Nr. 1023/1994 festgelegte Kontingent abermals ausgeschöpft ist, bevor über meinen Antrag entschieden wird".

2. Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, die zu dessen Aufhebung führt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird in Fällen, in denen über einen Parteienantrag zu erkennen ist, bei einem Vorgehen der Berufungsbehörde i.S. des § 66 Abs. 4 AVG der Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache nicht entsprochen, wenn zwar der angefochtene Bescheid aufgehoben wird, im übrigen aber ein Abspruch über den dem Bescheid zugrundeliegenden Antrag der Partei unterbleibt. Im Beschwerdefall wurde mit dem angefochtenen Bescheid zwar der Bescheid der ersten Instanz "ersatzlos behoben", der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung blieb jedoch unerledigt. Damit verletzte die belangte Behörde in Verkennung des rechtlichen Gehaltes ihrer sich aus § 66 Abs. 4 AVG ergebenden Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst das Gesetz (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0670, mwN).

3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180775.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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