TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/21 94/18/1100

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Veröffentlicht am 21.12.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §39a Abs1;
FrG 1993 §18;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des G in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. November 1994, Zl. SD 603/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. November 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen chinesischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 23. November 1989 in das Bundesgebiet eingereist und habe aufgrund seines Antrages vom 12. Dezember 1989 von der Bundespolizeidirektion Wien einen bis zum 20. Mai 1990 gültigen Sichtvermerk erhalten. Anläßlich dieser Antragstellung habe er eine bestimmte Wohnadresse in Wien bekanntgegeben, wobei spätere Erhebungen ergeben hätten, daß er sich dort nie aufgehalten und es sich somit um eine Scheinmeldung gehandelt habe. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerks sei er in den Bereich der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach übersiedelt, von welcher Behörde er in weiterer Folge Sichtvermerke bis zum 30. Juni 1992 erhalten habe. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 19. April 1994 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, vom Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich bis Mai 1990 in einem "China-Restaurant" in Mistelbach "schwarz" gearbeitet zu haben, während er nach dem Berufungsvorbringen dort erst ab 15. Juni 1990 bis Oktober 1990 beschäftigt gewesen sei und nicht gewußt habe, vom Arbeitgeber lediglich im Zeitraum vom 9. Juli 1990 bis 3. August 1990 "bei der Krankenkasse angemeldet" worden zu sein. Tatsächlich schienen bei der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse keine Versicherungszeiten des Beschwerdeführers auf. Auch für das weitere Vorbringen, der Beschwerdeführer habe von Juni 1991 bis August 1991 in einem Restaurant in St. Valentin gearbeitet, fehle jeglicher Beweis. Abgesehen davon stünde dieses Vorbringen mit den niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vom 19. April 1994 in Widerspruch. Bei dieser Niederschrift habe der Beschwerdeführer ausdrücklich deponiert, im Zeitraum von April 1991 bis April 1993 nicht gearbeitet zu haben. In diesen Zeitraum falle jedoch auch sein an die Bundespolizeidirektion Wien gerichteter Sichtvermerksantrag vom 27. Mai 1992, in welchem er angegeben habe, als Koch etwa S 11.000,-- zu verdienen. In diesem Zusammenhang habe der Beschwerdeführer ausgesagt, ein Freund habe ihn vorübergehend als Koch angemeldet, damit er das Visum bekomme. Nach Erhalt des bis 30. April 1993 gültigen "Arbeitsvisums" habe er die Arbeitsstelle wieder aufgegeben. Dieses Vorbringen, das der Beschwerdeführer "in der Berufung bestreitet", werde dadurch untermauert, daß der Beschwerdeführer tatsächlich nur vom 7. Mai 1992 bis zum 10. Juni 1992 bei der "Krankenkasse in Wien" gemeldet gewesen sei.

Für die Berufungsbehörde stehe daher fest, daß der Beschwerdeführer anläßlich seines Sichtvermerksantrages vom 27. Mai 1992 gegenüber einer österreichischen Behörde bzw. ihren Organen unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht habe, um sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen. Er habe ausdrücklich erklärt, als Koch S 11.000,-- zu verdienen, obwohl er gewußt habe, daß dies nicht den Tatsachen entspreche, sondern ihn vielmehr ein Freund nur deshalb im Restaurant angemeldet habe, um ihm die Erlangung des Sichtvermerkes zu ermöglichen.

"Bemerkenswert" erscheine in diesem Zusammenhang, daß der Beschwerdeführer nach dem Inhalt der von ihm vorgelegten Arbeitsbescheinigung vom 1. Mai 1993 bis zum 31. März 1994 als Koch in einem namentlich genannten Restaurant in Weiz beschäftigt gewesen sei, obwohl er in dieser Gemeinde nur vom 13. April 1993 bis 13. Juli 1993 gemeldet gewesen sei. Dieser Umstand lasse den Schluß zu, daß sich der Beschwerdeführer in Weiz nur für wenige Monate angemeldet habe, um eine Aufenthaltsberechtigung, die ihm von der Bezirkshauptmannschaft Weiz für den Zeitraum vom 10. Mai 1993 bis 23. Oktober 1993 auch tatsächlich erteilt worden sei, zu erlangen.

Das aufgezeigte Fehlverhalten des Beschwerdeführers sowie die dadurch bewirkte Beeinträchtigung "auf dem Gebiet des Fremdenwesens" rechtfertigten jedenfalls die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Der Beschwerdeführer könne sich auf keine familiären Bindungen im Bundesgebiet berufen, weil sämtliche Familienangehörigen in seinem Heimatland lebten. Wenngleich der Beschwerdeführer "zumindest einmal die Aufenthaltsberechtigung nur durch falsche Angaben erlangt hat" und von einem hohen Grad an Integration nicht gesprochen werden könne, sei aufgrund des relativ langen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein im Grunde des § 19 FrG relevanter Eingriff in dessen Privatleben verbunden. Aufgrund der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei diese Maßnahme jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig.

Bei der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung fielen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, der nach wie vor enge Beziehungen zu seinem Heimatland habe, nicht maßgeblich ins Gewicht. Demgegenüber sei dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen die "weitaus größere Bedeutung zuzuerkennen". Auch die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei (von der Erstbehörde) richtig bemessen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Verfahrensrüge bringt der Beschwerdeführer vor, der der niederschriftlichen Vernehmung vom 19. April 1994 beigezogene Dolmetscher spreche "kantonesisch", während der Beschwerdeführer "mandarin" spreche. Zwischen diesen beiden Sprachen bestehe ein erheblicher Unterschied, was zu erheblichen Verständigungsschwierigkeiten zwischen Angehörigen dieser Sprachgruppen führe. Die Übersetzungen des Dolmetschers, und zwar sowohl aus dem Deutschen als auch in das Deutsche, seien daher sehr schlecht. So sei die im Protokoll festgehaltene Aussage des Beschwerdeführers, er habe von April 1991 bis April 1993 nicht gearbeitet, nur auf eine "schlichtweg falsche" Übersetzung zurückzuführen. Auch sei die "läppische Diktion" der Niederschrift seiner Aussage zum - aktenwidrigen - Vorhalt der Erstbehörde, er hätte sich zufolge der Vermerke in seinem Reisepaß zu gleicher Zeit an verschiedenen Orten aufhalten müssen, auf eine unrichtige Übersetzung zurückzuführen. In derart "heiklen Angelegenheiten" sei eine fachgerechte Übersetzung ausschließlich durch einen (gerichtlich) beeideten und eingetragenen Dolmetscher gewährleistet, nicht aber durch Personen, die selbst größte Verständigungsschwierigkeiten hätten.

Zwar trifft die in der Beschwerde vertretene Auffassung, im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei eine ordnungsgemäße Übersetzung nur durch Beiziehung eines gerichtlich beeideten Dolmetschers gewährleistet, im Hinblick auf die auch für derartige Verfahren anzuwendende Bestimmung des § 39a Abs. 1 AVG, wonach erforderlichenfalls der der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizuziehen ist, nicht zu.

Die Beschwerde ist aber mit dem Vorwurf, der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, im Ergebnis im Recht:

Die belangte Behörde hat als Grundlage für die Beurteilung, ob der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, ausdrücklich (lediglich) festgestellt, daß der Beschwerdeführer anläßlich seines Sichtvermerksantrages vom 27. Mai 1992 gegenüber einer österreichischen Behörde (Bundespolizeidirektion Wien) bzw. ihren Organen unrichtige Angaben über seine Beschäftigung und sein Einkommen gemacht habe, um sich die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Bezüglich der anderen Sichtvermerksanträge des Beschwerdeführers hat sich die Behörde nicht ausdrücklich festgelegt, ob auch dabei unrichtige Angaben gemacht wurden, um die Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Dies ergibt sich sowohl aus der diese Frage offenlassenden Formulierung der entsprechenden Begründungspassagen des angefochtenen Bescheides, als auch aus der Beurteilung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe "zumindest einmal" die Aufenthaltsberechtigung nur durch falsche Angaben erlangt.

Die wesentliche Feststellung über die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers anläßlich des Sichtvermerksantrages vom 27. Mai 1992 hat die belangte Behörde vor allem auf die Aussage des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 19. April 1994 gestützt, daß er im Zeitraum von April 1991 bis April 1993 nichts gearbeitet habe und ihn ein befreundeter Restaurantbesitzer nur kurzfristig "angemeldet" habe, um ihm die Beantragung eines Visums zu ermöglichen. Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Berufung ausgeführt, die Protokollierung der Niederschrift vom 19. April 1994 sei dadurch zustandegekommen, daß der Dolmetscher "ungenau (um nicht zu sagen unrichtig)" übersetzt habe. Er habe entgegen dem Inhalt der Niederschrift insbesondere nicht ausgesagt, von April 1991 bis April 1993 nichts gearbeitet zu haben und sich in Wien eine "Gefälligkeitsanmeldung" besorgt zu haben.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen und Erhebungen - etwa durch Vernehmung des von der Erstbehörde beigezogenen Dolmetschers zur Frage, ob es tatsächlich Verständigungsschwierigkeiten zwischen diesem und dem Beschwerdeführer gegeben habe - durchzuführen. Dies wäre aber zur Ermittlung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geboten gewesen, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde dadurch zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

2. Da die belangte Behörde nach dem Gesagten den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet hat, war jener gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994181100.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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