TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/21 95/18/0041

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Veröffentlicht am 21.12.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1994, Zl. 101.468/2-III/11/94, betreffend Aussetzung eines Verfahrens nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. März 1994 war der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen worden.

2. Aufgrund der dagegen eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers setzte der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 15. November 1994 gemäß § 38 AVG das Verfahren "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das derzeit anhängige Verfahren bei der SiD Wien über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes" aus.

Bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien sei eine Berufung des Beschwerdeführers gegen das von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 23. September 1994 gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot anhängig. "Dieser Umstand" sei im Rahmen des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG relevant, weil eine Aufenthaltsbewilligung nur erteilt werden dürfe, wenn kein Sichtvermerksversagungsgrund (hier: das Vorliegen eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes) gegeben sei; die "rechtskräftige Erlassung" eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer wäre somit im Rahmen des § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG zu würdigen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund kostenpflichtig aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgeblichen Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

2. Zutreffend vertritt die Beschwerde die Ansicht, daß die belangte Behörde - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 38 AVG - das bei ihr anhängige Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz nicht hätte aussetzen dürfen.

Die bei Heranziehung des § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG maßgebende Frage ist nicht die, welchen Ausgang ein bei der Fremdenbehörde anhängiges Aufenthaltsverbotsverfahren nimmt, sondern die, ob (im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung) ein "rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht". Ausschließlich diese Frage war von der belangten Behörde bei der von ihr ins Auge gefaßten Gebrauchnahme von § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG zu prüfen; allein deren Beantwortung war für sie eine notwendige Entscheidungsgrundlage.

Dadurch daß die belangte Behörde dies verkannte und irrigerweise den Ausgang des anhängigen Aufenthaltsverbotsverfahrens (die in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung) als unabdingbare Voraussetzung für ihre Entscheidung und solcherart als Vorfrage i.S. des § 38 AVG wertete, ist die darauf beruhende, mit dem angefochtenen Bescheid gemäß dieser Gesetzesstelle ausgesprochene Aussetzung des den Beschwerdeführer betreffenden Verfahrens nach dem Aufenthaltsgesetz rechtswidrig.

3. Nach dem Gesagten war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180041.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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