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E2A Assoziierung Türkei;Norm
21964A1229(01) AssAbk Türkei ;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. September 1995, Zl. SD 913/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 1. September 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Die Beschwerdeführerin sei im Jahr 1990 zu ihrem in Österreich lebenden Ehegatten nachgekommen und habe hier befristete Sichtvermerke bis 23. April 1994 erhalten. Anfang 1993 habe sie ihre drei Kinder illegal nach Österreich gebracht; deren Aufenthalt sei seit 5. Jänner 1993 unrechtmäßig. Für die Kinder gestellte Sichtvermerksanträge seien mit Bescheid vom 23. Juni 1993 mit der Begründung abgewiesen worden, daß die Beschwerdeführerin ihre Kinder illegal nach Österreich gebracht habe. In der Folge sei die Beschwerdeführerin mehrfach, und zwar am 6. Juli 1993, am 21. Juni 1994, am 23. November 1994 und am 13. Jänner 1995 wegen Veranlassung des illegalen Aufenthaltes ihrer Kinder sowie auch wegen ihres eigenen illegalen Aufenthaltes nach dem Fremdengesetz bestraft worden. Es könne kein Zweifel bestehen, daß im Hinblick auf die wiederholten rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretung des Fremdengesetzes die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG gegeben seien und daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin angesichts der Beharrlichkeit, mit der sie ihren und den Aufenthalt ihrer Kinder erzwingen wolle, die öffentliche Ordnung gefährde und damit den Tatbestand des § 18 Abs. 1 leg. cit. verwirkliche, sowie daß der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten sei.
Dem Hinweis der Beschwerdeführerin, die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung hätte im Hinblick auf das Assoziierungsabkommen "zwischen der Türkei und der EU" und den Beschluß des Assoziationsrates Nr. 1/80 nicht abgewiesen werden dürfen, sei entgegenzuhalten, daß das genannte Abkommen bisher von Österreich nicht ratifiziert worden sei und die Beschwerdeführerin schon deshalb daraus keine Rechte für sich in Anspruch nehmen könne.
Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweise, daß sie in ihrer Heimat über keine Lebensgrundlage verfüge und behaupte, dort politisch verfolgt zu werden, und schließlich vorbringe, daß ihre Kinder schon gut Deutsch könnten und hier zur Schule gingen, so sei aus allen diesen Ausführungen in Ansehung der Interessenabwägung nichts für sie zu gewinnen, weil bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Situation, welche die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat vorfinden würde, nicht maßgebend sei, und weil die Situation, in der sich ihre Kinder befänden, von ihr selbst illegalerweise geschaffen worden sei. Was den jetzigen Ehegatten der Beschwerdeführerin (sie sei nunmehr mit einem anderen türkischen Staatsangehörigen verheiratet) anlange, so sei darauf hinzuweisen, daß gleichzeitig auch gegen diesen ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, weil er im Jahr 1992 unter Ausnützung eines zur Durchreise berechtigenden deutschen Sichvermerkes nach Österreich gekommen sei, für zwei Jahre aufgrund seiner Eheschließung einen (österreichischen) Sichtvermerk erhalten habe, keiner Beschäftigung nachgehe, vom Einkommen der Beschwerdeführerin lebe und über ihn mehrfach Strafen wegen illegalen Aufenthaltes verhängt worden seien.
Bei dieser Sachlage habe eine Abwägung der Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Beschwerdeführerin und ihre Familie gegenüber den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme nicht zugunsten der Beschwerdeführerin ausfallen können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde räumt ausdrücklich ein, daß die Beschwerdeführerin "mehrfach" wegen Übertretung des Fremdengesetzes rechtskräftig bestraft worden sei. Sie vertritt indes die Ansicht, daß dessen ungeachtet die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in "diesem speziellen Fall" nicht gerechtfertigt sei.
2.1. In der Mehrzahl der Fälle habe die Beschwerdeführerin lediglich als Anstifterin i.S. des § 7 VStG zu gelten, "womit ein geringeres Maß an Verschulden als jenes, das dem Haupttäter anzulasten ist, der Beschwerdeführerin zur Last gelegt werden kann". Darüber hinaus wäre zu berücksichtigen gewesen, daß die Beschwerdeführerin "aus durchaus verständlichen, menschlichen und familiären Gefühlen gehandelt hat", weshalb auch deswegen die Schuld als gering anzusehen sei; es komme ihr ein "Tatbestand ähnlich dem entschuldigenden Notstand" zugute.
2.2. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin - in der Beschwerde unwidersprochen - auch wegen eigenen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, also als unmittelbare Täterin, rechtskräftig bestraft worden ist, übersieht die Beschwerde, daß einerseits gemäß § 7 VStG für die Anstiftung Vorsatz erforderlich ist und andererseits dem Gesetz nicht entnommen werden kann, daß den Anstifter generell ein geringeres Ausmaß an Schuld treffe als den unmittelbaren Täter. Vielmehr verantwortet jeder der im § 7 VStG genannten Täter, also auch der Anstifter, eigene Schuld. Daß der Beschwerdeführerin - wie sie meint - bei der Veranlassung ihrer Kinder zum unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich aus "menschlichen und familiären Gefühlen" eine notstandsähnliche Situation zugute zu halten gewesen wäre, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, zumal von ihr nicht einmal behauptet wurde, es sei dadurch eine den Kindern drohende Gefahr abgewendet worden. Wenn die Beschwerdeführerin trotz der Abweisung der für die Kinder gestellten Sichtvermerksanträge mit Bescheid vom 23. Juni 1993 und der Tatsache, daß auch die Gültigkeit ihres Sichtvermerkes - unbestritten - mit 23. April 1994 abgelaufen ist, weiterhin an ihrem und ihrer Kinder Aufenthalt in Österreich festhält, so kann der Beurteilung der belangten Behörde, daß diese "Beharrlichkeit, mit der sie den Aufenthalt samt ihren Kindern im Bundesgebiet erzwingen will", die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung) rechtfertige und überdies dazu führe, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin als zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und damit im Grunde des § 19 FrG zulässig zu erachten, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
3. An diesem Ergebnis ändert auch der Beschwerdeeinwand nichts, daß die rechtskräftigen Bestrafungen der Beschwerdeführerin ihre Grundlage in einem "rechtswidrigen Verwaltungsverfahren erster und zweiter Instanz, zuständig für die Erlassung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz" hätten, was der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Zl. 94/18/1137 "festgestellt und (erg.: deshalb) die gegenständlichen Bescheide als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben (hat)". Denn die Aufhebung des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 21. Oktober 1994, mit dem der Beschwerdeführerin die von ihr beantragte Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz versagt wurde, durch den Verwaltungsgerichtshof (mit Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137), hatte lediglich dessen Beseitigung mit Wirkung ex tunc (§ 42 Abs. 3 VwGG) sowie die Verpflichtung der Behörden zur Folge, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Gerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 63 Abs. 1 VwGG). Keinen Einfluß hat dieses - wegen wesentlicher Feststellungsmängel in Ansehung des Tatbestandes des nicht gesicherten Lebensunterhaltes ergangene - aufhebende Erkenntnis hingegen auf den Bestand der besagten rechtskräftigen Straferkenntnisse und den ihnen zugrunde liegenden maßgeblichen Sachverhalt, daß sich die Beschwerdeführerin seit 24. April 1994 und ihre Kinder seit 5. Jänner 1993 ohne Sichtvermerk, aber auch ohne Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz im Bundesgebiet aufhalten. Die zitierte hg. Entscheidung beseitigt weder die Rechtskraft der Straferkenntnisse noch den bezeichneten, für die Bestrafungen wesentlichen Sachverhalt.
4. Auch wenn, wie die Beschwerde entgegen der Ansicht der belangten Behörde meint, das Assoziierungsabkommen EWG - Türkei ex 1963 und der auf dessen Grundlage gefaßte Beschluß Nr. 1/1980 des Assoziationsrates EWG - Türkei seit dem Beitritt Österreichs zur EU am 1.1.1995 innerstaatlich unmittelbar wirksam wären, wäre damit für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts gewonnen, läßt sich doch weder aus dem Abkommen noch aus dem Ratsbeschluß, insbesondere auch nicht aus dessen von der Beschwerde ins Treffen geführten Art. 14, ableiten, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über einen türkischen Staatsangehörigen unzulässig wäre. Vielmehr macht gerade Art. 14 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/1980 ("Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.") deutlich, daß die die Beschäftigung und die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer regelnden Bestimmungen (Abschnitt 1 des Kapitels II des Beschlusses) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehen, wenn es - wie im Beschwerdefall - aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt ist.
5.1. Die Beschwerde hält schließlich die von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin habe aus "verständlicher Gefühlsregung" versucht, "ihre Familie in Österreich zu vereinigen". Zu diesem Zeitpunkt sei die Beschwerdeführerin beschäftigt gewesen; derzeit sei sie aufgrund der Geburt eines Kindes in Karenz und beziehe Karenzgeld. Die Bindungen zu Österreich seien im Hinblick auf den nunmehr bereits mehr als fünfjährigen Aufenthalt "derart stark, daß Interessen zugunsten der Beschwerdeführerin schwerer wiegen als die Annahme, daß unter Umständen die öffentliche Ordnung gefährdet werden könnte, umso mehr als es sich um vergleichsweise gering zu bewertende Verwaltungsübertretungen handelt".
5.2. Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin handelt es sich bei den ihr zur Last liegenden vier Übertretungen des Fremdengesetzes, wie aus § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG zweifelsohne zu ersehen ist, aus der Sicht der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens keineswegs um gering zu veranschlagende Verstöße. Vielmehr manifestiert sich in der durch die mehrfache vorsätzliche Mißachtung fremdenrechtlich bedeutsamer Normen durch die Beschwerdeführerin zum Ausdruck kommenden Beharrlichkeit rechtswidrigen Verhaltens eine gravierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen. Daß die diesen Interessen gegenüberzustellenden privaten und familiären Bindungen der Beschwerdeführerin - ihr sowie ihrer drei Kinder mehrjähriger Aufenthalt in Österreich, Ehe mit einem seit einigen Jahren in Österreich lebenden türkischen Staatsangehörigen - nicht schwerer wiegen, wurde von der belangten Behörde zutreffend erkannt. Dies vor allem im Hinblick darauf, daß der unbestritten gebliebenen Feststellung im angefochtenen Bescheid zufolge gleichzeitig mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin auch über ihren Gatten ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde, es somit - unter der Annahme, daß die Kinder, die bisher in Österreich gemeinsam mit ihrer Mutter in einem Haushalt gelebt haben, mit dieser ausreisen - nicht zu einer Trennung der Familie kommt. Die Geburt eines vierten Kindes vermag - sollte dieses Vorbringen nicht schon gegen das Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) verstoßen - nach dem Vorgesagten an der Unbedenklichkeit des Ergebnisses der Interessenabwägung nichts zu ändern.
6. Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist der Verfahrensrüge in bezug auf Ermittlungs- und Begründungsmängel betreffend die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin der Boden entzogen.
7. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (somit auch ohne Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung) als unbegründet abzuweisen.
8. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995181354.X00Im RIS seit
07.01.2002Zuletzt aktualisiert am
08.09.2015