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72/01 HochschulorganisationNorm
B-VG Art81c Abs1Leitsatz
Aufhebung einer Verordnung des Rektorates einer Universität betreffend die Äquivalenz von Bachelorarbeiten mangels Zuständigkeit; keine Befugnis des Rektorates durch Verordnung Regelungen über die Abfassung von Bachelorarbeiten oder Übergangsbestimmungen zur Abfassung von Bachelorarbeiten im Hinblick auf eine neue Version des Curriculums zu treffen; Befugnis zur Erlassung und Änderung der Curricula für Studien sowie der Satzung kommt Senat – auf Vorschlag des Rektorats – zuSpruch
I. Die Verordnung des Rektorats betreffend die Äquivalenz von Bachelorarbeiten, Mitteilungsblatt der Karl-Franzens-Universität Graz vom 20. März 2013, 25.a Stück, Sondernr 30, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, §2 der Verordnung des Rektorats der Karl-Franzens-Universität Graz betreffend die Äquivalenz von Bachelorarbeiten, Mitteilungsblatt der Karl-Franzens-Universität Graz vom 20. März 2013, 25.a Stück, Sondernr 30 (in der Folge: Verordnung des Rektorats), in eventu diese Verordnung zur Gänze, als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die angefochtene Verordnung des Rektorats betreffend die Äquivalenz von Bachelorarbeiten, Mitteilungsblatt der Karl-Franzens-Universität Graz vom 20. März 2013, 25.a Stück, Sondernr 30, lautet wie folgt (der im Hauptantrag angefochtene §2 ist hervorgehoben):
"§1
Entsprechend §51 Abs2 Z7 UG und §80 Abs1 UG sind Bachelorarbeiten eigenständige schriftliche, nichtwissenschaftliche Arbeiten, die im Rahmen von Lehrveranstaltungen abzufassen sind. Sie können im Rahmen der Beurteilung von Lehrveranstaltungen eigenständige Teilleistungen darstellen. Eine gemeinsame Bearbeitung eines Themas durch mehrere Studierende ist zulässig, sofern die Leistung jeder/jedes Studierenden gesondert beurteilbar ist. Diesbezügliche nähere Bestimmungen sind im jeweiligen Curriculum festzulegen.
§2
§78 UG (Anerkennung von Prüfungen) findet auf Bachelorarbeiten keine Anwendung.
§3
Studierende, die sich freiwillig einer neuen Version eines Curriculums desselben Studiums unterstellen und bereits mit der Abfassung einer Bachelorarbeit begonnen haben, sind berechtigt, diese Bachelorarbeit im Rahmen der neuen Version des Curriculums zur Beurteilung einzureichen.
§4
Wird ein Studium nach dem jeweils geltenden Curriculum nicht fristgerecht abgeschlossen und erfolgt zuvor keine freiwillige Unterstellung unter eine neue Version des Curriculums, sind die Studierenden berechtigt, sofern sie vor Ablauf der Übergangsfrist bereits mit der Abfassung einer Bachelorarbeit begonnen haben, diese Bachelorarbeit im Rahmen der neuen Version des Curriculums zur Beurteilung einzureichen.
§5
Ist eine Bachelorarbeit zum Zeitpunkt der freiwillig oder durch Fristablauf erfolgten Unterstellung unter eine neue Curriculumsversion derselben Studienrichtung bereits beurteilt, ist die Bachelorarbeit der neuen Curriculumsversion zuzuordnen. Die Studierenden sind in diesen Fällen nicht verpflichtet, eine neue Bachelorarbeit zu verfassen.
§6
Diese Verordnung tritt mit Ende des Sommersemesters 2013 am 30.09.2013 in Kraft und ist auf Bachelorarbeiten anzuwenden, welche nach diesem Datum begonnen werden."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl I 120/2002, idF BGBl I 177/2021 lauten auszugsweise wie folgt:
"Rektorat
§22. (1) Das Rektorat leitet die Universität und vertritt diese nach außen. Es hat alle Aufgaben wahrzunehmen, die durch dieses Bundesgesetz nicht einem anderen Organ zugewiesen sind. Zu seinen Aufgaben zählen insbesondere:
1. Erstellung eines Entwurfs der Satzung sowie von Entwürfen von Satzungsänderungen zur Vorlage an den Senat;
2. […]
12. Initiierung der Erlassung und Änderung von Curricula und Information des Senats; das zuständige vom Senat eingesetzte Kollegialorgan für Studienangelegenheiten gemäß §25 Abs8 Z3 hat die Vorschläge des Rektorats innerhalb von sechs Monaten zu behandeln und den Senat und das Rektorat über das Ergebnis seiner Beratungen zu informieren;
12a. Erlassung von Richtlinien zur strukturellen Gestaltung von Curricula nach Stellungnahme des Senates;
12b. Einrichtung und Auflassung von Studien, Stellungnahme zu den Curricula, Untersagung von Curricula oder deren Änderungen, wenn diese dem Entwicklungsplan oder den Richtlinien gemäß Z12a widersprechen oder wenn diese nicht bedeckbar sind, oder, wenn ein vom Rektorat in Auftrag gegebenes nach international anerkannten wissenschaftlichen Kriterien erstelltes Gutachten zu dem Schluss kommt, dass der Inhalt des Curriculums in Hinblick auf die wissenschaftliche und künstlerische Berufsvorbildung und die Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten, welche die Anwendung wissenschaftlicher und künstlerischer Erkenntnisse und Methoden erfordern, nicht ausreichend ist; bei der Auflassung eines Studiums oder Untersagung eines Curriculums oder dessen Änderung sowie der Beauftragung eines Gutachtens ist nach Möglichkeit das Einvernehmen mit dem Senat herzustellen;
13. […]
Senat
§25. (1) Der Senat hat folgende Aufgaben:
1. Erlassung und Änderung der Satzung auf Vorschlag des Rektorates;
2. […]
10. Stellungnahme an das Rektorat zu den Richtlinien zur strukturellen Gestaltung von Curricula;
10a. Erlassung und Änderung der Curricula für Studien (§§56 und 58) nach Maßgabe der §§22 Abs1 Z12 und 54d Abs2;
11. […]"
3. §78 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl I 120/2002, idF BGBl I 129/2017 lautet auszugsweise wie folgt:
"Anerkennung von Prüfungen
§78. (1) Auf Antrag der oder des ordentlichen Studierenden sind positiv beurteilte Prüfungen, soweit sie den im Curriculum vorgeschriebenen Prüfungen gleichwertig sind, vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ bescheidmäßig anzuerkennen, wenn sie
1. an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung,
2. in Studien an einer anerkannten inländischen Bildungseinrichtung, deren Zugang die allgemeine Universitätsreife erfordert,
3. an einer berufsbildenden höheren Schule in den für die künftige Berufstätigkeit erforderlichen Fächern,
4. an einer Höheren Anstalt für Lehrer- und Erzieherbildung in den für die künftige Berufstätigkeit erforderlichen Fächern,
5. an allgemein bildenden höheren Schulen unter besonderer Berücksichtigung der musischen oder der sportlichen Ausbildung in künstlerischen und künstlerisch-wissenschaftlichen sowie in sportlichen und sportlich-wissenschaftlichen Fächern, oder
6. an österreichischen Konservatorien mit Öffentlichkeitsrecht
abgelegt wurden. Die an einer inländischen postsekundären Bildungseinrichtung oder an einer anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung eines EU- oder EWR-Staates für ein Fach abgelegten Prüfungen sind für das gleiche Fach im weiteren Studium desselben Studiums an einer anderen inländischen Universität jedenfalls anzuerkennen, wenn die ECTS-Anrechnungspunkte gleich sind oder nur geringfügig abweichen. Solche Anerkennungen können im Curriculum generell festgelegt werden.
(2) […]"
4. §78 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl I 120/2002, idF BGBl I 93/2021 lautet auszugsweise wie folgt:
"Anerkennung von Prüfungen, anderen Studienleistungen,
Tätigkeiten und Qualifikationen
§78. (1) Positiv beurteilte Prüfungen und andere Studienleistungen sind bis zu dem in Abs4 Z6 festgelegten Höchstausmaß anzuerkennen, wenn
1. keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen (Lernergebnisse) bestehen und
2. sie an einer der folgenden Bildungseinrichtungen abgelegt wurden:
a) einer anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung gemäß §51 Abs2 Z1;
b) einer berufsbildenden höheren Schule in den für die künftige Berufstätigkeit erforderlichen berufsqualifizierenden Fächern;
c) einer allgemeinbildenden höheren Schule unter besonderer Berücksichtigung der musischen oder der sportlichen Ausbildung in künstlerischen und künstlerisch-wissenschaftlichen sowie in sportlichen und sportlich-wissenschaftlichen Fächern.
(2) […]
(4) Für Anerkennungen von Prüfungen, anderen Studienleistungen, Tätigkeiten und Qualifikationen gilt Folgendes:
1. […]
9. Die Anerkennung von Prüfungen kann auch durch Verordnung des für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organs erfolgen.
(5) […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht ist seit 11. Jänner 2021 für das Bachelorstudium "Wirtschaftsrecht für technische Berufe" an der Karl-Franzens-Universität Graz inskribiert. Er stellte am selben Tag den Antrag auf Anerkennung der Lehrveranstaltung "Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, der Moderation und Präsentation" und seiner ebenfalls im Rahmen des Bachelorstudiums Betriebswirtschaft verfassten Bachelorarbeit für das Modul "Methodik und Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens" des Bachelorstudiums "Wirtschaftsrecht für technische Berufe". Das studienrechtliche Organ der Karl-Franzens-Universität Graz, das ist gemäß §2 des Satzungsteiles Studienrechtliche Bestimmungen – Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2020, Mitteilungsblatt der Karl-Franzens-Universität Graz vom 23. Dezember 2020, 12.b Stück, Sondernr 18, "die Studiendirektorin/der Studiendirektor", wies den Antrag auf Anerkennung ab. Eine Bachelorarbeit sei keine Prüfung iSd §78 Abs1 UG und könne deswegen im Anerkennungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Lehrveranstaltung für sich genommen stelle (bezogen auf Inhalt und ECTS) keine gleichartige und gleichwertige Leistung dar.
2. In der an das Bundesverwaltungsgericht erhobenen Beschwerde führt der Beschwerdeführer unter anderem aus, dass auch eine Bachelorarbeit eine Prüfung iSd §78 UG sei und im Anerkennungsverfahren berücksichtigt werden müsse. Anlässlich der Behandlung der Beschwerde hegt das Bundesverwaltungsgericht Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §2 der Verordnung des Rektorats, der die Anwendung des §78 UG auf Bachelorarbeiten ausschließt, und stellt den vorliegenden Antrag. Seine Bedenken legt das Gericht wie folgt dar:
"[…] Zur Unzuständigkeit des Rektorats
Das UG nimmt in den §§22 und 25 eine Abgrenzung zwischen den Aufgaben des Rektorats und des Senates vor.
Die angefochtene Verordnung regelt die Äquivalenz von Bachelorarbeiten sowohl im Allgemeinen bei der Anerkennung von Prüfungen (§2), als auch im Besonderen die Anerkennung von im selben Studium verfassten oder zu verfassenden Bachelorarbeiten bei der Neufassung von Curricula (§§3 bis 5). Die §§2 bis 5 stellen somit studienrechtliche Sonderbestimmungen zu den Curricula der einzelnen Studienrichtungen dar.
Gemäß §25 Abs1 Z10 UG gehört die Erlassung und Änderung der Curricula für ordentliche Studien und Lehrgänge zu den Aufgaben des Senates, wobei dem Rektorat nur eine Mitwirkung gemäß §22 Abs1 Z12 UG zukommt.
Dass es sich gegenständlich um eine Verordnung des Rektorats handelt, ist unzweifelhaft sowohl aus dem Wortlaut des Titels der Verordnung erkennbar (Verordnung des Rektorats...) als auch aus der Approbationsklausel (Für das Rektorat: Der Studiendirektor...).
Die §§2 bis 5 der angefochtenen Verordnung des Rektorates erweisen sich daher als von einer unzuständigen Behörde – dem Rektorat – erlassen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass §78 UG mit BGBI I Nr 93/2021 eine Änderung erfahren hat, dadurch ist jedoch nichts gewonnen, da mit §78 Abs4 Z9 idF BGBl I Nr 93/2021 eine Verordnungsermächtigung für das für studienrechtliche Angelegenheiten zuständige Organ geschaffen wurde, wodurch das Rektorat auch weiterhin eine unzuständige Behörde darstellt.
[…] sonstige Gründe
Aus §51 Abs2 Z7 UG geht zweifelsfrei hervor, dass Bachelorarbeiten keine für sich stehenden Leistungen sind, sondern eigenständige schriftliche oder künstlerische Arbeiten, die im Rahmen von Lehrveranstaltungen abzufassen sind.
Aus §76 Abs2 UG erhellt weiters, dass Lehrveranstaltungen bereits zu ihrem Beginn feststehende Inhalte, Methoden, Beurteilungskriterien und Beurteilungsmaßstäbe aufzuweisen haben. Insofern hat sich die Bachelorarbeit ebenso in diese Vorgaben einzufügen.
Wenn nun unter Beachtung des angefochtenen §2 der Verordnung des Rektorats betreffend die Äquivalenz von Bachelorarbeiten §78 UG auf Bachelorarbeiten keine Anwendung findet, führt dies im Ergebnis dazu, dass die Bachelorarbeit sowohl als Beurteilungskriterium, als auch als Beurteilungsmaßstab außer Betracht zu bleiben hat, wodurch eine Anerkennung der Lehrveranstaltung gemäß §78 UG verunmöglicht wird.
Dazu ist jedoch festzuhalten, dass der Ausdruck 'Prüfungen' im Zusammenhang mit §78 in einem weiten Sinn auszulegen ist, sodass diese Bestimmung nicht nur die Anerkennung 'von' Prüfungen regelt, sondern die Anerkennung bestimmter Leistungen 'als' Prüfung. Demnach kommt auch die Anerkennung absolvierter Lehrveranstaltungen in Betracht [vgl Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3.01 §78 Rz 1 (Stand 1.12.2018, rdb.at)].
Dass jedoch Lehrveranstaltungen, in deren Rahmen gemäß §51 Abs2 Z7 UG Bachelorarbeiten abzufassen sind, von einer Anerkennung gemäß §78 UG ausgeschlossen wären, kann weder diesem, noch der sonstigen Systematik des UG entnommen werden. Insofern erweist sich die angefochtene Bestimmung auch aus diesem Grund als gesetzwidrig."
3. Das Rektorat als verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"Das Universitätsgesetz definiert Bachelorarbeiten als die im Bachelorstudium anzufertigenden eigenständigen schriftlichen oder künstlerischen Arbeiten, die im Rahmen von Lehrveranstaltungen abzufassen sind (§51 Abs2 Z7 UG) und gibt weiters vor, dass im Bachelorstudium im Rahmen von Lehrveranstaltungen eine Bachelorarbeit oder mehrere Bachelorarbeiten abzufassen sind, nähere Bestimmungen über Bachelorarbeiten im jeweiligen Curriculum festzulegen sind und bei der Bearbeitung des Themas und der Betreuung der Studierenden die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes, BGBl Nr 111/1936, zu beachten sind (§80 UG). Weitere Regelungen zu Bachelorarbeiten enthält das Universitätsgesetz nicht. Generell teilt das Universitätsgesetz Studienleistungen in 'wissenschaftliche Arbeiten' und 'Prüfungen' ein, wobei Bachelorarbeiten weder der einen noch der anderen Kategorie zur Gänze zugeordnet werden können und daher weder die gesetzlichen Regelungen für Prüfungen noch jene für wissenschaftliche Arbeiten unmittelbar auf Bachelorarbeiten angewendet werden können [vgl Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3.01 §80 (Stand 1.12.2018, rdb.at)].
Da gesetzliche Vorgaben zu Bachelorarbeiten weitgehend fehlen, müssen universitätseigene Normen geschaffen werden. Dies geschieht in erster Linie in den einzelnen Curricula, in denen auf die fachspezifischen Anforderungen an Bachelorarbeiten eingegangen wird. In einigen Bereichen, wie beispielsweise bei der Plagiatsprüfung, der Beurteilungsfrist und auch bei Anerkennungen, bei denen es sich notwendigerweise um studienübergreifende Sachverhalte handelt, ist die Festlegung von universitätsweit für alle Studien geltenden Regeln für Bachelorarbeiten sachgerechter als studienspezifische Regelungen in den einzelnen Curricula. Es besteht auch keine gesetzliche Einschränkung, die einer Festlegung von einheitlichen Standards für Bachelorarbeiten im studienrechtlichen Teil der Satzung oder – wie im gegenständlichen Fall – in einer Verordnung des Rektorats ausschließt. Eine Unzuständigkeit des Rektorats zur Erlassung von universitätsweiten Vorgaben zur Anerkennung von Bachelorarbeiten ist daher aus Sicht der Universität Graz nicht gegeben."
4. Der dazu gemäß §58 Abs2 VfGG eingeladene Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat keine Äußerung erstattet.
IV. Erwägungen
A. Zur Zulässigkeit des Antrages
1. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung des §2 der Verordnung des Rektorats zweifeln ließe.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hegt Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §2 der Verordnung des Rektorats, weil der Ausschluss der Anwendbarkeit des §78 UG auf Bachelorarbeiten dazu führe, dass Lehrveranstaltungen, in deren Rahmen gemäß §51 Abs2 Z7 UG Bachelorarbeiten abzufassen seien, von einer Anerkennung gemäß §78 UG gänzlich ausgeschlossen wären. Ein solcher Ausschluss widerspreche aber der Systematik des §78 UG, der nicht die Anerkennung von Prüfungen, sondern die Anerkennung bestimmter Leistungen als Prüfung regle. Ferner sei §2 bzw die gesamte Verordnung des Rektorats von einer unzuständigen Behörde erlassen worden.
Vor dem Hintergrund der Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes ist der (Haupt-)Antrag auf Aufhebung des §2 der Verordnung des Rektorats auch nicht zu eng gefasst. Eine Anfechtung der gesamten Verordnung im Hinblick auf die behauptete Unzuständigkeit der verordnungserlassenden Behörde ist mit Blick auf Art139 Abs3 Z2 B-VG nicht erforderlich (vgl auch VfGH 16.12.2021, V460/2020).
3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig, sodass auf den Eventualantrag nicht einzugehen ist.
B. In der Sache
Der Antrag ist begründet:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2. Zur behaupteten Unzuständigkeit der verordnungserlassenden Behörde:
2.1. Das Bundesverwaltungsgericht hegt (unter anderem) das Bedenken, dass das Rektorat nicht zur Erlassung der vorliegenden Verordnung betreffend die Äquivalenz von Bachelorarbeiten zuständig sei, weil es sich dabei um Inhalte handle, die in einem Curriculum zu regeln seien und die Erlassung und Änderung von Curricula gemäß §25 Abs1 Z10 UG dem Senat obliege. Dem Rektorat komme dabei nur eine "Mitwirkung" gemäß §22 Abs1 Z12 UG zu.
2.2. Das Rektorat der Karl-Franzens-Universität Graz hält diesem Bedenken entgegen, dass mit Blick auf fehlende gesetzliche Vorgaben fachspezifische Anforderungen an Bachelorarbeiten zunächst zwar in den einzelnen Curricula zu regeln seien. Für studienübergreifende Sachverhalte, wie etwa Plagiatsprüfungen, die Beurteilungsfrist, aber auch Anerkennungen, seien allerdings einheitliche Regelungen innerhalb der Universität sachgerechter. Da keine gesetzlichen Einschränkungen hinsichtlich der Festlegung einheitlicher Standards für Bachelorarbeiten im studienrechtlichen Teil der Satzung oder – im vorliegenden Fall – in einer Verordnung des Rektorats bestünden, sei das Rektorat sohin nicht zur Erlassung von einheitlichen Vorgaben innerhalb der Universität betreffend die Anerkennung von Bachelorarbeiten unzuständig gewesen.
2.3. Die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes treffen zu:
2.3.1. Die angefochtene Verordnung des Rektorats enthält in ihrem §1 zunächst unter weitgehender Wiederholung von §51 Abs2 Z7 und §80 Abs1 UG Regelungen über die Abfassung von Bachelorarbeiten, schließt in §2 die Anwendbarkeit des §78 UG auf Bachelorarbeiten aus und legt schließlich in den §§3, 4, 5 und 6 Übergangsbestimmungen zur Abfassung von Bachelorarbeiten im Zuge der Umstellung des Curriculums auf eine neue Version fest.
Welches Universitätsorgan welche studienrechtlichen Regelungen erlassen darf, regelt unter Bindung an die Vorgaben des Art81c Abs1 B-VG (siehe dazu insbesondere VfSlg 19.786/2013) zunächst das UG: In einem Curriculum sind gemäß §51 Abs2 Z24 erster Satz UG das Qualifikationsprofil – also nach §51 Abs2 Z29 UG jener Teil des Curriculums, der beschreibt, welche wissenschaftlichen, künstlerischen und beruflichen Qualifikationen die Studierenden durch die Absolvierung des betreffenden Studiums erwerben – sowie der Inhalt und der Aufbau eines Studiums und die Prüfungsordnung – gemäß §51 Abs2 Z25 UG jener Teil des Curriculums, der die Arten der Prüfungen, die Festlegung der Prüfungsmethode und nähere Bestimmungen für das Prüfungsverfahren enthält – festzulegen. Nähere Bestimmungen über den Inhalt der Curricula bzw deren Erlassung finden sich insbesondere in den §§54a ff. und 58 UG, aber auch in anderen Bestimmungen des studienrechtlichen Teiles des UG. So sind etwa gemäß §80 Abs1 zweiter Satz UG nähere Regelungen über eine im Rahmen eines Bachelorstudiums abzufassende Bachelorarbeit ebenfalls im Curriculum zu treffen. Im Hinblick auf die generelle Anerkennung von Prüfungen ermächtigte §78 Abs1 dritter Satz UG idF BGBl I 129/2017 dazu, diese im Curriculum vorzunehmen. Ab dem Studienjahr 2022/23 (vgl §143 Abs76 UG) kann die (generelle) Anerkennung von Prüfungen gemäß §78 Abs4 Z9 UG idF BGBl I 93/2021 durch Verordnung des für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organs erfolgen.
Die Befugnis zur Erlassung und Änderung der Curricula für Studien (§§56 und 58) kommt gemäß §25 Abs1 Z10a UG dem Senat zu. Das Rektorat kann dabei gemäß §22 Abs1 Z12 UG die Erlassung und Änderung von Curricula initiieren. Ihm kommt gemäß §22 Abs1 Z12b UG das Recht zur Stellungnahme sowie die Befugnis zur Untersagung von Curricula oder deren Änderungen zu, wenn diese dem Entwicklungsplan oder den Richtlinien gemäß Z12a widersprechen, diese nicht bedeckbar sind, oder, wenn ein vom Rektorat in Auftrag gegebenes nach international anerkannten wissenschaftlichen Kriterien erstelltes Gutachten zu dem Schluss kommt, dass der Inhalt des Curriculums in Hinblick auf die wissenschaftliche und künstlerische Berufsvorbildung und die Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten, welche die Anwendung wissenschaftlicher und künstlerischer Erkenntnisse und Methoden erfordern, nicht ausreichend ist. Bei der Auflassung eines Studiums oder Untersagung eines Curriculums oder dessen Änderung sowie der Beauftragung eines Gutachtens ist nach Möglichkeit das Einvernehmen mit dem Senat herzustellen.
Weiters können gemäß §51 Abs2 Z24 zweiter Satz UG nähere Bestimmungen betreffend Curricula auch in der Satzung geregelt werden bzw sind gemäß §19 Abs2 Z4 UG "studienrechtliche Bestimmungen nach Maßgabe des II. Teils" des UG in der Satzung zu regeln. Auch die Befugnis zur Erlassung und Änderung der Satzung kommt aber nicht dem Rektorat, sondern gemäß §25 Abs1 Z1 UG dem Senat auf Vorschlag des Rektorats (vgl §22 Abs1 Z1 UG) zu.
2.3.2. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung, insbesondere der Regelungskompetenzen des Senates betreffend Studien- und Prüfungsangelegenheiten (vgl Erläut zur RV 1134 BlgNR 21. GP, 80) sowie mit Blick auf die Verordnungskompetenzen in §78 UG und der in §80 Abs1 zweiter Satz UG getroffenen Regelung des Gesetzgebers, nähere Bestimmungen über Bachelorarbeiten im jeweiligen Curriculum festzulegen, kommt dem Rektorat keine Befugnis zu, durch Verordnung festzulegen, inwieweit §78 UG auf Bachelorarbeiten Anwendung findet. Ebenso wenig kommt dem Rektorat eine Befugnis zu, Regelungen über die Abfassung von Bachelorarbeiten oder Übergangsbestimmungen zur Abfassung von Bachelorarbeiten im Hinblick auf eine neue Version des Curriculums zu treffen.
3. Das Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich der fehlenden Zuständigkeit des Rektorats zur Erlassung der vom Bundesverwaltungsgericht (teilweise) angefochtenen Verordnung trifft daher zu.
4. Gemäß Art139 Abs3 Z2 B-VG ist die ganze Verordnung aufzuheben, weil sie von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde.
V. Ergebnis
1. Die Verordnung des Rektorats der Karl-Franzens-Universität Graz betreffend die Äquivalenz von Bachelorarbeiten ist von einer unzuständigen Behörde erlassen worden und daher gemäß Art139 Abs3 Z2 B-VG schon deswegen zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben. Der Aufhebung offenkundig zuwiderlaufende Interessen der Partei des Anlassverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht (dazu, dass Art139 Abs3 letzter Satz B-VG auch für Gerichtsanträge maßgeblich ist, siehe VfSlg 18.331/2007) sind nicht ersichtlich. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag dargelegten Bedenken.
2. Die Verpflichtung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Universität, Verordnung, Zuständigkeit, Hochschulen, Verordnungserlassung, Hochschulen Organisation, Behördenorganisation, VfGH / Gerichtsantrag, BehördenzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V131.2022Zuletzt aktualisiert am
11.01.2023