TE Vfgh Beschluss 2022/12/14 KR1/2021

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Veröffentlicht am 14.12.2022
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Index

L0012 LKontrollamt, LRechnungshof

Norm

B-VG Art140 Abs7
Stmk L-VG 2010 Art50 Abs1 Z7, Art50 Abs4
VfGG §7 Abs1, §36f Abs2
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Auswertung in Arbeit

Spruch

I. Der Antrag wird zurückgewiesen.

II. Das Land Steiermark ist schuldig, den beteiligten Wohnbauträgern zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 3.924,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt, Antrag und Vorverfahren

1. Der Landesrechnungshof Steiermark stellte – gestützt auf Art50 Abs4 des (Stmk.) Landes-Verfassungsgesetzes 2010 (L-VG) – den Antrag,

"[d]er Verfassungsgerichtshof möge

1. feststellen, dass Art50 Abs1 Z7 L-VG dem Landesrechnungshof Steiermark die Prüfkompetenz zur Durchführung einer umfassenden Gebarungskontrolle einräumt,

2. feststellen, dass der Landesrechnungshof Steiermark befugt ist, zum Zwecke der umfassenden Gebarungsprüfung der gemeinnützigen Wohnbauträger in der Steiermark in sämtliche Unterlagen, soweit dies zur Überprüfung der Gebarung notwendig ist, betreffend den Zeitraum vom 1. Jänner 2018 bis 31. Dezember 2020, Einsicht zu nehmen und

3. aussprechen, dass die gemeinnützigen Wohnbauträger schuldig sind, diese Einsicht bei sonstiger Exekution zu ermöglichen."

2. Diesem Antrag liegt folgender – außer Streit stehender – Sachverhalt zugrunde:

2.1. Auf Ersuchen der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. Dezember 1982 übermittelten 26 gemeinnützige Wohnbauträger der Steiermärkischen Landesregierung Verpflichtungserklärungen des Inhaltes, "sich der Kontrolle durch den mit Steiermärkischen Landesverfassungsgesetz vom 29.6.1982, LGBl 59, eingerichteten Landesrechnungshof ohne Einschränkung zu unterwerfen" – zwei davon eingeschränkt auf "die in der Steiermark errichteten bzw zu errichtenden Objekte".

2.2. Auf Antrag von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Landtages des Landes Steiermark vom 13. Dezember 2019 gemäß Art51 Abs2 Z2 iVm Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG, der Landesrechnungshof Steiermark möge eine Gebarungskontrolle der gemeinnützigen Wohnbauträger in der Steiermark durchführen, stellte der Landesrechnungshof Steiermark betreffend seine "Prüfkompetenz" fest, dass bei allen 26 gemeinnützigen Wohnbauträgern, die in den Jahren 2018 bis 2020 Mittel aus der Wohnbauförderung aus aufrechten Förderverträgen erhalten hätten, die Voraussetzung des vertraglichen Vorbehalts gemäß Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG erfüllt sei, und bejahte daher seine "Prüfkompetenz" gemäß Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG.

2.3. Nachdem über die beabsichtigte Gebarungskontrolle mit Schreiben vom 2. März 2021 informiert worden war, führte der Landesrechnungshof Steiermark mit der für die Aufsicht zuständigen Fachabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung ein "Antrittsgespräch" und übermittelte dieser zwei Fragenkataloge, die beide fristgerecht beantwortet wurden.

2.4. Am 24. März 2021 wurde gegenüber einem der 26 Wohnbauträger die Gebarungskontrolle angekündigt und der Entwurf eines Fragenkataloges übermittelt. Nach Durchführung eines "Antrittsgespräches" am 29. März 2021 legte der Wohnbauträger dem Landesrechnungshof Steiermark am 8. April 2021 die Beantwortung des Fragenkataloges vor.

2.5. Der Österreichische Verband Gemeinnütziger Bauvereinigungen, Landesgruppe Steiermark, ersuchte den Landesrechnungshof Steiermark um eine Einschränkung des Fragenkataloges mangels Zulässigkeit einer Gebarungsprüfung des gesamten Unternehmens, woraufhin der vom Landesrechnungshof Steiermark zuerst kontaktierte Wohnbauträger erklärte, bis zur weiteren Abklärung des Prüfungsumfanges keine Auskünfte im Sinne des Prüfungsbegehrens mehr zu erteilen.

2.6. Mit Schreiben vom 12. Mai 2021 gab der Landesrechnungshof Steiermark dem Österreichischen Verband Gemeinnütziger Bauvereinigungen, Landesgruppe Steiermark, bekannt, dass er von einer umfassenden Prüfzuständigkeit ausgehe, weshalb dem Begehren auf Einschränkung des Prüfungsumfanges bzw -gegenstandes nicht Folge geleistet werde, und kündigte am 2. Juni 2021 den übrigen (25) Wohnbauträgern gleichzeitig mit der Übermittlung eines ersten Fragenkataloges die Gebarungskontrolle an.

2.7. Daraufhin gingen im Laufe des Monats Juni 2021 beim Landesrechnungshof Steiermark wortgleiche Schreiben von 22 Wohnbauträgern ein, in denen mitgeteilt wurde, eine abschließende Klärung über den Prüfungsumfang abwarten zu wollen. Von zwei Wohnbauträgern wurde keine Antwort übermittelt, einer beantwortete den Fragenkatalog. Im Zeitraum von Juni bis August 2021 widerriefen sämtliche Wohnbauträger, die von der beabsichtigten Gebarungskontrolle des Landesrechnungshofes Steiermark betroffen waren, ihre auf Grund der Aufforderung der Landesregierung vom 23. Dezember 1982 abgegebenen "Verpflichtungserklärungen".

3. Am 9. November 2021 stellte der Landesrechnungshof Steiermark den vorliegenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof, den der Landesrechnungshof Steiermark – nach Wiedergabe des soeben dargestellten Sachverhaltes – im Wesentlichen damit begründet, dass es die Intention des Steiermärkischen Landesverfassungsgesetzgebers gewesen sei, diejenigen Wohnbauträger, die Mittel aus der Wohnbauförderung erhalten, einer umfassenden Gebarungskontrolle durch den Rechnungshof zu unterziehen. Dies sei sowohl aus dem Wortlaut des Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG als auch aus der Systematik dieser Bestimmung ableitbar und werde durch die Literatur zur historischen Genese dieser Regelung bekräftigt. Eine umfassende Gebarungskontrolle sei innerhalb der relativen Verfassungsautonomie der Bundesländer zulässig und entspreche dem Legalitätsgebot. Die mit einer umfassenden Gebarungskontrolle einhergehenden möglichen Grundrechtseingriffe lägen im öffentlichen Interesse, seien geeignet sowie erforderlich und entsprächen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

4. Am 20. Jänner 2022 erstattete das Land Steiermark eine Äußerung, in der – näher begründet – ausgeführt wird, dass dem Landesrechnungshof Steiermark mit Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG die Befugnis zur Kontrolle der Gebarung von gemeinnützigen Wohnbauträgern eingeräumt werde, sich die Kontrolle aber auf die Verwendung der gewährten Mittel aus der Wohnbauförderung beschränke.

5. Am 28. Jänner 2022 erstatteten alle 26 gemeinnützigen Wohnbauträger gemeinsam eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages des Landesrechnungshofes Steiermark und dessen Zuständigkeit zur Durchführung einer umfassenden Gebarungskontrolle von gemeinnützigen Wohnbauträgern in der Steiermark bestreiten. Sie beantragen, den Antrag des Landesrechnungshofes Steiermark zurückzuweisen, in eventu, kostenpflichtig festzustellen, "dass Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG dem Landesrechnungshof Steiermark keine Prüfkompetenz zur Durchführung einer umfassenden Gebarungskontrolle bei den Antragsgegnern einräumt; […] fest[zu]stellen, dass der Landesrechnungshof Steiermark folglich nicht befugt ist, in sämtliche Unterlagen der Antragsgegner betreffend den Zeitraum 1. Jänner 2018 bis 31. Dezember 2020 Einsicht zu nehmen; aus[zu]sprechen, dass die Antragsgegner nicht schuldig sind, eine solche uneingeschränkte Einsicht bei sonstiger Exekution zu ermöglichen" und "dem Rechtsträger des Antragstellers gemäß §36f Abs2 VfGG den Ersatz der regelmäßigen anfallenden Kosten der Antragsgegner binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gemäß §19a RAO zu Handen deren ausgewiesener Rechtsvertreterin auf[zu]erlegen".

II. Rechtslage

Art50 des (Stmk.) Landes-Verfassungsgesetzes 2010 (L-VG), LGBl 77/2010, idF LGBl 76/2014 lautet (ohne die Hervorhebungen im Original) wie folgt:

"Artikel 50

Gebarungskontrolle

(1) Der Landesrechnungshof kontrolliert die Gebarung

1. des Landes, der Stiftungen, Fonds und Anstalten, die von Organen des Landes oder von Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, die hierzu von Organen des Landes bestellt sind;

2. von Unternehmungen, die das Land allein betreibt oder an denen das Land mit mindestens 25 % des Stamm, Grund oder Eigenkapitals beteiligt ist. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist die tatsächliche Beherrschung von Unternehmungen durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Die Erteilung von Aufträgen an Unternehmungen erfüllt für sich allein nicht diesen Tatbestand;

3. von Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen eine Beteiligung oder tatsächliche Beherrschung im Sinne der Z2 durch Unternehmungen, die der Kontrolle durch den Landesrechnungshof unterliegen, gegeben ist;

4. physischer Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und juristischer Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, die Landesvermögen treuhändisch verwalten;

5. öffentlich rechtlicher Körperschaften, soweit diese mit Mitteln des Landes erfolgt;

6. physischer Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und aller juristischer Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, sofern das Land diesen finanzielle Zuwendungen (insbesondere Subventionen, Darlehen, Zinsenzuschüsse) gewährt oder für die das Land eine Ausfallshaftung übernommen hat, wenn sich das Land vertraglich eine solche Kontrolle vorbehalten hat;

7. von Wohnbauträgern, die Mittel aus der Wohnbauförderung erhalten, sofern sich das Land vertraglich eine solche Kontrolle vorbehalten hat;

8. von Gemeinden, die vom Land Mittel erhalten, sofern sich das Land vertraglich eine solche Kontrolle vorbehalten hat.

(2) Der Landesrechnungshof kontrolliert die Gebarung

1. von Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern;

2. von Stiftungen, Fonds und Anstalten, die von Organen einer Gemeinde gemäß Z1 oder von Personen (Personengesellschaften) verwaltet werden, die hierzu von Organen einer Gemeinde gemäß Z1 bestellt sind;

3. von Unternehmungen, die Gemeinden gemäß Z1 allein betreiben oder an denen diese mit mindestens 25% des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt sind. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist die tatsächliche Beherrschung durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Die Erteilung von Aufträgen an eine Unternehmung erfüllt für sich allein nicht diesen Tatbestand;

4. von Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen eine Beteiligung oder tatsächliche Beherrschung im Sinne der Z3 durch Unternehmungen, die der Kontrolle durch den Landesrechnungshof unterliegen, gegeben ist;

5. öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Mitteln einer Gemeinde gemäß Z1.

(3) Der Landesrechnungshof kontrolliert die Gebarung

1. von Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohner;

2. von Stiftungen, Fonds und Anstalten, die von Organen einer Gemeinde gemäß Z1 oder von Personen (Personengesellschaften) verwaltet werden, die hierzu von Organen einer Gemeinde gemäß Z1 bestellt sind;

3. von Unternehmungen, die Gemeinden gemäß Z1 allein betreiben oder an denen diese mit mindestens 25% des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt sind. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist die tatsächliche Beherrschung durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Die Erteilung von Aufträgen an eine Unternehmung erfüllt für sich allein nicht diesen Tatbestand;

4. von Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen eine Beteiligung oder tatsächliche Beherrschung im Sinne der Z3 durch Unternehmungen, die der Kontrolle durch den Landesrechnungshof unterliegen, gegeben ist;

5. öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Mitteln einer Gemeinde gemäß Z1

(4) Entstehen zwischen dem Landesrechnungshof und einem Rechtsträger Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Zuständigkeiten des Landesrechnungshof gemäß Abs1 bis 3, so entscheidet auf Antrag der Landesregierung oder des Landesrechnungshofes der Verfassungsgerichtshof."

III. Erwägungen

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Art127c Z1 B-VG ermächtigt den Landesverfassungsgesetzgeber dazu, eine dem Art126a erster Satz B-VG entsprechende Regelung zur Feststellung der Zuständigkeit des Landesrechnungshofes zu treffen, wenn in einem Land ein Landesrechnungshof eingerichtet ist. Nach Art126a erster Satz B-VG entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof und einem Rechtsträger (Art121 Abs1 B-VG) "über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln". Nähere Bestimmungen über dieses Verfahren sind in den §§36a bis 36f VfGG enthalten.

3. Art50 Abs4 Stmk L-VG beruft – gestützt auf die Ermächtigung des Art127c Z1 B-VG – den Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Steiermärkischen Landesregierung oder des Landesrechnungshofes Steiermark zur Entscheidung von "Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Zuständigkeiten des Landesrechnungshof[es] gemäß Abs1 bis 3", die zwischen dem Landesrechnungshof Steiermark und einem Rechtsträger entstehen.

Nach Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG ist der Landesrechnungshof Steiermark zuständig, die Gebarung "von Wohnbauträgern, die Mittel aus der Wohnbauförderung erhalten, sofern sich das Land vertraglich eine solche Kontrolle vorbehalten hat", zu kontrollieren.

4. Mit seinem auf Art50 Abs4 Stmk L-VG gestützten Antrag begehrt der Landesrechnungshof Steiermark, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass ihm Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG "die Prüfkompetenz zur Durchführung einer umfassenden Gebarungskontrolle" einräume und er befugt sei, "zum Zwecke der umfassenden Gebarungsprüfung der gemeinnützigen Wohnbauträger in der Steiermark in sämtliche Unterlagen, soweit dies zur Überprüfung der Gebarung notwendig ist, betreffend den Zeitraum vom 1. Jänner 2018 bis 31. Dezember 2020, Einsicht zu nehmen".

5. Aus Anlass dieses Verfahrens leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG mit Beschluss vom 18. Juni 2022 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG ein. Mit Erkenntnis vom 6. Dezember 2022, G221/2022, hob er diese Regelung als verfassungswidrig auf.

6. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des im Anlassfall zu entscheidenden Sachverhalts nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte (vgl zB VfSlg 3539/1959, 3667/1959, 3674/1960, 7289/1974, 7397/1974, 7651/1975, 7964/1976, 8106/1977, 8690/1979 uva.).

6.1. Der Verfassungsgerichtshof hat daher die Zulässigkeit des vorliegenden Antrages anhand der durch das oben genannte Erkenntnis zu G221/2022 bereinigten Rechtslage zu beurteilen:

6.2. Gemäß Art50 Abs4 Stmk L-VG entscheidet der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Steiermärkischen Landesregierung oder des Landesrechnungshofes Steiermark über "Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Zuständigkeiten des Landesrechnungshof[es] gemäß [Art50] Abs1 bis 3" Stmk L-VG.

Auf Grund der Aufhebung des Art50 Abs1 Z7 Stmk L-VG geht der Antrag des Landesrechnungshofes Steiermark auf Entscheidung einer auf diese Bestimmung bezogenen Meinungsverschiedenheit ins Leere. Der Verfassungsgerichtshof kann eine Sachentscheidung des begehrten Inhaltes nicht (mehr) treffen. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daher aus dem Gesagten in prozessualer Hinsicht der Verlust der Antragslegitimation. Dieser Mangel ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (zur Unzulässigkeit von nach Art138 B-VG erhobenen Anträgen in Folge der erweiterten Anlassfallwirkung des Erkenntnisses in einem Gesetzesprüfungsverfahren vgl das Erkenntnis VfGH 10.3.2021, KI13/2020 ua, E2375/2020; zur Unzulässigkeit von nach Art144 B-VG erhobenen Beschwerden in Folge der Anlassfallwirkung des Erkenntnisses in einem Gesetzesprüfungsverfahren vgl VfSlg 17.020/2003, 17.003/2003).

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §36f Abs2 VfGG; nach dieser Bestimmung kann in Verfahren über eine Meinungsverschiedenheit zwischen einem Rechtsträger, der keine Gebietskörperschaft ist, und dem (Landes)Rechnungshof der unterlegenen Partei auf Antrag der Ersatz der Prozesskosten auferlegt werden.

In den zugesprochenen Kosten sind ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von € 1090,– sowie Umsatzsteuer in der Höhe von € 654,– enthalten.

Schlagworte

Rechnungshof Länder, VfGH / Anlassfall, VfGH / Legitimation, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:KR1.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2023
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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