Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Lonin in der Strafsache gegen * D* wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 zweiter und vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 19. Mai 2022, GZ 26 Hv 127/21d-58, und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * D* jeweils eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I/) und der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 zweiter und vierter Fall (iVm Abs 1) StGB (IV/), mehrerer Verbrechen der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (II/) sowie mehrerer Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (III/) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in S* und an anderen Orten des Bundesgebiets
I/ mit dem Vorsatz, dadurch (zu 4/, 5/ [in Bezug auf Verwaltungsübertretungen], 7/ und 8/) den Staat an seinem Recht auf Strafverfolgung sowie (zu 1/) die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark, als betreibende Gläubigerin, (zu 2/ und 3/) die S* AG als klagende Partei, (zu 5/) die Bezirkshauptmannschaft Z* und (zu 6/) das Arbeitsmarktservice L* als Drittschuldner jeweils an deren Vermögen zu schädigen, Beamte wissentlich zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, vorsätzlich zu missbrauchen, indem er diese durch die Übermittlung von (im angefochtenen Urteil näher bezeichneten) Schriftstücken, in denen er unberechtigte Schadenersatzforderungen stellte und deren Eintragung als Pfandrecht in ein internationales Schuldenregister samt anschließender gerichtlicher und exekutiver Geltendmachung (vgl US 19 ff) androhte, sinngemäß zu folgendem gesetzwidrigen Verhalten aufforderte, wobei es jeweils mangels deren Mitwirkung beim Versuch blieb, und zwar
1/ am 15. November 2016 die Diplomrechtspflegerin des Bezirksgerichts F*, * P*, als im gegen den Angeklagten zum AZ * dieses Gerichts geführten Exekutionsverfahren zuständige Beamtin zur Einstellung dieses Verfahrens,
2/ am 21. November 2016 die Diplomrechtspflegerin des Bezirksgerichts L*, * Pf*, als im Zivilverfahren zum AZ * dieses Gerichts zuständige Beamtin zur Ab- oder Zurückweisung der gegen den Angeklagten eingebrachten Mahnklage,
3/ am 6. Dezember 2016 die Richterin des Bezirksgerichts L*, Mag. * K*, als im Zivilverfahren zum AZ * dieses Gerichts zuständige „Beamtin“ zur Ab- oder Zurückweisung der gegen den Angeklagten eingebrachten Mahnklage,
4/ am 24. Jänner 2017 den Polizeibeamten * R* als im gegen den Angeklagten zum AZ * der Staatsanwaltschaft G* geführten Strafverfahren zuständigen Beamten zur Unterlassung der Durchführung der staatsanwaltschaftlich angeordneten Vernehmung seiner Person als Beschuldigter,
5/ am 15. Februar 2017 den Bezirkshauptmann Mag. Dr. * G* und die Referentin * F* als im gegen den Angeklagten zum AZ * der Bezirkshauptmannschaft Z* geführten Verwaltungsstrafverfahren zuständige Beamte zur Einstellung dieses Verfahrens,
6/ am 27. April 2017 die Diplomrechtspflegerin des Bezirksgerichts L*, * Fr*, als im gegen den Angeklagten zum AZ * dieses Gerichts geführten Exekutionsverfahren zuständige Beamtin zur Aufhebung eines in diesem Verfahren am 30. Dezember 2016 ergangenen Beschlusses, mit dem die Kosten des Drittschuldners bestimmt wurden,
7/ am 21. Juni 2017 den Polizeibeamten R* als im gegen den Angeklagten zum AZ * der Staatsanwaltschaft G* geführten Strafverfahren zuständigen Beamten zur Unterlassung der Durchführung der staatsanwaltschaftlich angeordneten Vernehmung seiner Person als Beschuldigter, sowie
8/ am 20. Dezember 2017 die Sachbearbeiter 4 und 48 des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Steiermark als im gegen den Angeklagten zum AZ * der Staatsanwaltschaft G* geführten Strafverfahren zuständige Beamte zur Unterlassung der Durchführung der staatsanwaltschaftlich angeordneten Vernehmung seiner Person als Beschuldigter;
II/ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, nämlich durch die Übermittlung der zu I/1/ bis I/3/, I/5/ und I/6/ genannten Schriftstücke, die unberechtigte Schadenersatzforderungen und die Androhung der Eintragung des Pfandrechts in ein internationales Schuldenregister unter anschließender Zwangsvollstreckung enthielten und bei den Opfern den Eindruck erweckten, (Verfahrens-)Kosten für die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche aufbringen zu müssen, zu nachstehenden Handlungen und Unterlassungen zu nötigen versucht, und zwar
1/ am 15. November 2016 die Diplomrechtspflegerin P* zu der zu I/1 beschriebenen Verfahrenseinstellung, wodurch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark, als betreibende Gläubigerin mit 5.617,27 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte,
2/ am 21. November 2016 die Diplomrechtspflegerin Pf* zu der zu I/2/ beschriebenen Klagsab- oder zurückweisung, wodurch die S* AG als klagende Partei mit 4.244,95 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte,
3/ am 6. Dezember 2016 die Richterin Mag. K* zur der zu I/3/ beschriebenen Klagsab- oder zurückweisung, wodurch die S* AG als klagende Partei mit 4.244,95 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte,
4/ am 15. Februar 2017 den Bezirkshauptmann Mag. Dr. G* und die Referentin der Bezirkshauptmannschaft, F*, zu der zu I/5/ beschriebenen Verfahrenseinstellung, wodurch die Bezirkshauptmannschaft Z* oder andere mit 210 Euro am Vermögen geschädigt werden sollten, sowie
5/ am 27. April 2017 die Diplomrechtspflegerin Fr* zu der zu I/6/ beschriebenen Aufhebung eines Kostenbestimmungsbeschlusses, wodurch das Arbeitsmarktservice L* als Drittschuldner mit 25 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte;
III/ Nachgenannte durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, nämlich durch die Übermittlung der zu I/4/, I/7/ und I/8/ genannten Schriftstücke, die unberechtigte Schadenersatzforderungen und die Androhung der Eintragung des Pfandrechts in ein internationales Schuldenregister unter anschließender Zwangsvollstreckung enthielten und bei den Opfern den Eindruck erweckten, (Verfahrens-)Kosten für die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche aufbringen zu müssen, zu nachstehenden Unterlassungen zu nötigen versucht, und zwar
1/ am 24. Jänner 2017 und am 21. Juni 2017 den Polizeibeamten R* zu den zu I/4/ und I/7/ beschriebenen Unterlassungen der Durchführung von staatsanwaltschaftlichen Anordnungen, und
2/ am 20. Dezember 2017 die Sachbearbeiter 4 und 48 des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Steiermark zu der zu I/8/ beschriebenen Unterlassung der Durchführung einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung;
IV/ vom 6. November 2015 bis zum 20. April 2017 (Verhaftungen der führenden Mitglieder des „Staatenbundes Österreich“) eine Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise, nämlich durch
• die systematische und massenweise Versendung von Drohschreiben (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) durch die Mitglieder an sämtliche unten genannten verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich,
• die systematische Herabwürdigung und Verleugnung staatlicher Hoheitsrechte und -akte bei diversen Propagandaveranstaltungen sowie in einer Vielzahl von Youtube-Videos,
• die Einführung eines Systems der Selbstjustiz in Form eines sogenannten „Völkerrecht-Gerichtes“, bei dem staatliche Entscheidungsträger, Politiker, Beamte und Privatpersonen entführt, gefangen gehalten und „verurteilt“ hätten werden sollen,
• die systematisch und beharrlich versuchte Anwerbung von Mitgliedern des österreichischen Bundesheeres für den Vollzug eigener „Haftbefehle“ und die Übernahme der Macht sowie für die Einsetzung von * U* als unabsetzbares, lebenslanges Staatsoberhaupt in Österreich,
die in der Verfassung festgelegte Staatsform einer demokratischen, parlamentarischen Bundesrepublik (Art 1 und 2 B-VG) und die verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich sowie ihrer Bundesländer, nämlich den Nationalrat (Art 24 B-VG), den Bundesrat (Art 34 B-VG), die Bundesregierung (Art 19, 69 B-VG), den Bundespräsidenten (Art 60 B-VG), das Bundesheer (Art 79 B-VG), die Schulbehörden des Bundes und der Länder (Art 81a B-VG), die ordentliche Gerichtsbarkeit (Art 82 B-VG), die Staatsanwaltschaften (Art 90a B-VG), die Verwaltungsgerichte (Art 129 B-VG), den Verwaltungsgerichtshof (Art 133 B-VG), den Verfassungsgerichtshof (Art 137 B-VG), den Rechnungshof (Art 121 B-VG) sowie die Landtage (Art 15, 95 B-VG), die Landesregierungen (Art 19, 101 B-VG) und die Gemeinden (Art 115 B-VG) zu erschüttern, indem sie abgeschafft und durch eigene Institutionen („Regelwerk“ anstelle der Verfassung, „Waisenrat“ anstelle der Regierungen, „Völkerrecht-Gericht“ anstelle der ordentlichen und außerordentlichen Gerichte etc) der staatsfeindlichen Verbindung ersetzt werden sollten, und der sich österreichweit über 2.000 Mitglieder anschlossen und die über eine auf Dauer, nämlich vom 26. Oktober 2015 bis zumindest 20. April 2017, angelegte, hierarchisch organisierte und arbeitsteilige Struktur mit U* als Anführerin verfügt, nämlich den „Staatenbund Österreich“, sonst in erheblicher Weise unterstützt und für diese Verbindung Mitglieder geworben, indem er
• sich am 6. November 2015 durch den Erwerb einer „Befreiungsbestätigung“ unter der „Befreiungsnummer“ 30 der staatsfeindlichen Verbindung „Staatenbund Österreich“ formell als Mitglied anschloss,
• an mehreren (Rekrutierungs-)Veranstaltungen des „Staatenbundes Österreich“ („Stammtischen“) teilnahm,
• im April 2016 eine „Authentitätskarte“ des „Staatenbundes Österreich“ gegen Bezahlung von zumindest 35 Euro erwarb und die staatsfeindliche Verbindung dadurch finanziell unterstützte, wobei er sich am 17. Jänner 2017 mit der „Authentitätskarte“ im Zuge einer Verkehrskontrolle gegenüber Beamten auszuweisen versuchte,
• am 26. Mai 2016 als Mitbegründer des „Staatlichen Völkerrecht-Gerichts der Allgemein gültigen Rechtsprechung für die Völkerrechtssubjekte Staat Steiermark und Staat Kärnten“ in Erscheinung trat und auf dessen Gründungsurkunde unterzeichnete,
• am 30. Mai 2016 das Fantasie-Kfz-Kennzeichen „St_Lakshmi“ des „Staatenbundes Österreich“ gegen Bezahlung von 100 Euro erwarb und die staatsfeindliche Verbindung dadurch finanziell unterstützte,
• am 14. Oktober 2016 die Urkunde zum „Regelwerk der Verfassung“ für den „Staatenbund Österreich“ mitunterfertigte,
• am 21. Oktober 2016 die Teilabstimmung zum „Regelwerk Steiermark“ unterzeichnete,
• für die staatsfeindliche Verbindung mindestens 50 neue Mitglieder warb, indem er unter anderem die „Befreiungsbestätigungen“ neuer Mitglieder der staatsfeindlichen Verbindung als Zeuge unterschrieb,
• als Verantwortlicher für das „Landbuch“ Eintragungen vornahm und Gelder der Mitglieder verwaltete,
• als „Waisenrat“ des „Staates Steiermark“ auftrat und in dieser Funktion am 21. Jänner 2017 am „Waisenrat-Treffen“ (Treffen aller österreichweiten Anführer des „Staatenbundes Österreich“) in S* teilnahm und dadurch wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen des „Staatenbundes Österreich“ bzw des „Staates Steiermark“ nahm,
• sich als „Schöffe“ für den geplanten „1. Prozess des Völkerrecht-Gerichtes“ am 21. April 2017 zur Verfügung stellte und an dem am 31. März 2017 zur Vorbereitung dieses Prozesses abgehaltenen „Stammtisch“ des „Staatenbundes Österreich“ teilnahm.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 10a, 11 lit a und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Die Tatsachenrüge (Z 10a) zu Punkt I/ des Schuldspruchs vermag mit dem Hinweis auf den Wortlaut der in den Hauptfragen 1 bis 8 bezeichneten Schreiben und daran anknüpfenden beweiswürdigenden Überlegungen zur fehlenden „Ernsthaftigkeit“ dieser „Floskeln“, die nicht geeignet seien, „Beamte […] zu beeinflussen“, weil ihnen „kein relevantes Begehren oder eine Aufforderung“ zu entnehmen sei, keine erheblichen Bedenken (RIS-Justiz RS0119583 [T7]) gegen die Richtigkeit der Beurteilung der Ernstlichkeit und des Sinn- und Aussagegehalts dieser Äußerungen durch die Geschworenen zu wecken (vgl RIS-Justiz RS0092588 [T24, T25]; zum Umfang der Eingriffsbefugnisse des Höchstgerichts siehe RIS-Justiz RS0118780 [T17]).
[5] Soweit die Rüge nicht auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO), sondern auf die Begründung der Anklageschrift (§ 211 Abs 2 zweiter Satz StPO) verweist, verlässt sie den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS-Justiz RS0119310).
[6] Dem kritisierten Unterbleiben der Vernehmung von Zeugen in der Hauptverhandlung genügt zu erwidern, dass sich die Anklägerin und der Angeklagte mit einer Verlesung gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO einverstanden erklärt haben (ON 57 S 19; zur Z 10a als Aufklärungsrüge siehe zudem RIS-Justiz RS0114036).
[7] Indem die Rüge zu den Schuldspruchpunkten II/ und III/ die Eignung der in den inkriminierten Schreiben geäußerten Drohungen, begründete Besorgnis in Bezug auf eine Verletzung am Vermögen einzuflößen, als „höchst bedenklich“ moniert, spricht sie eine Rechtsfrage an (RIS-Justiz RS0092538) und verfehlt solcherart erneut den Anfechtungsrahmen einer Tatsachenrüge (RIS-Justiz RS0118780 [T13, T16]).
[8] Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) gründet ihre auf den Schuldspruch I/ bezogene Behauptung, wonach absolute Versuchsuntauglichkeit (§ 15 Abs 3 StGB) vorliege, weil den inkriminierten Schreiben „keine […] relevante Aufforderung, geschweige denn ein sinnhafter Inhalt entnommen werden kann“, nicht auf den (durch den Wahrspruch zu den Hauptfragen 1 bis 8) festgestellten Urteilssachverhalt (insbesonders zum Bedeutungsinhalt der Eingaben; US 3 ff). Damit verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810, RS0101403). Hinzugefügt sei, dass ein absolut untauglicher Versuch iSd § 15 Abs 3 StGB nur dann vorliegt, wenn die Verwirklichung der angestrebten strafbaren Handlung auf die vorgesehene Art bei generalisierender Betrachtung, somit losgelöst von Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich ist und demzufolge unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann (RIS-Justiz RS0115363 [T1]).
[9] Soweit die Rechtsrüge (Z 11 lit a) auf das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 10a) verweist, vernachlässigt sie den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe (RIS-Justiz RS0115902).
[10] Die zu Punkt IV/ des Schuldspruchs auf eine rechtliche Unterstellung der Tat nach § 246 Abs 3 (iVm Abs 1) StGB abzielende Subsumtionsrüge (Z 12) orientiert sich mit der Argumentation, die Mitglieder hätten ihren Beitrittsentschluss bereits vor der festgestellten Tathandlung des Angeklagten (Unterzeichnung der „Befreiungsbestätigungen“) gefasst, sodass die Begehungsweise des zweiten Falls des § 246 Abs 2 StGB nicht vorliege, abermals prozessordnungswidrig nicht an den diesbezüglich getroffenen Urteilskonstatierungen (US 36 f; erneut RIS-Justiz RS0099810, RS0101403). Warum in den im Wahrspruch zu Punkt IV/ des Schuldspruchs festgestellten Unterstützungshandlungen im Einzelnen (vgl etwa US 37 [führende Funktion als „Waisenrat“ des „Staates Steiermark“ sowie Verwaltung der Gelder der Mitglieder]) sowie auch in ihrer Gesamtheit (vgl US 36 ff; vgl RIS-Justiz RS0095840) keine iSd § 246 Abs 2 vierter Fall StGB erhebliche Unterstützung der Verbindung zu ersehen sein soll (Sadoghi in WK2 StGB § 246 Rz 6; Salimi/Tipold SbgK § 246 Rz 44 ff), entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 344, 285i StPO; § 498 Abs 3 StPO).
[12] Bleibt zum Schuldspruch II/4/ wegen §§ 15, 144 Abs 1 StGB anzumerken:
[13] Erpressung setzt eine Nötigung des Opfers (mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung) zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung voraus, die dieses oder einen anderen (unmittelbar) am Vermögen schädigt. Tritt der Schaden an einem anderen Rechtsgut ein, wird § 105 StGB begründet (Eder-Rieder in WK2 StGB § 144 Rz 47).
[14] Inwieferne die vom Angeklagten intendierte „Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens“ einen Vermögensschaden nach § 144 Abs 1 StGB beim Bund (vgl zur fehlenden Rechtsfähigkeit einer Bezirkshauptmannschaft 14 Os 74/21w mN) bewirken hätte können (vgl RIS-Justiz RS0120637; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 616), geht aus den im Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 12 getroffenen Feststellungen, die sich insoweit in der Wiedergabe der verba legalia ohne Herstellung eines entsprechenden Sachverhaltsbezugs erschöpfen (RIS-Justiz RS0100686 [insbes T10 und T12], RS0119090), nicht hervor.
[15] Der staatliche Strafanspruch und damit eine (hier möglicherweise angesprochene) im Verwaltungsstrafverfahren über den Angeklagten verhängte Geldstrafe unterliegt nicht dem Vermögensbegriff des § 144 Abs 1 StGB, weil mit der Einhebung einer Geldstrafe keine Vermögensinteressen verfolgt werden, sondern die Wirksamkeit der (im gegebenen Zusammenhang verwaltungsbehördlichen) Strafverfolgung sichergestellt wird (vgl zu § 146 StGB RIS-Justiz RS0124412; Kert, SbgK § 146 Rz 216; Kienapfel, BT II3 Rz 156; differenzierend nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung Kienapfel/Schmoller, BT II2 § 146 Rz 150 f; vgl auch unter dem Aspekt der Verfahrenshilfe Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 42/1; vgl zur deutschen Rechtslage Perron in Schönke/Schröder StGB30 StGB § 263 Rz 78a, Hefendehl, MüKO StGB3 § 263 Rz 621 und Tiedemann in LK12 § 263 Rz 145 je mit Judikaturnachweisen).
[16] Da dieser (Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO begründende) Rechtsfehler mangels Feststellungen ohne Einfluss auf den Strafrahmen blieb und sich auch sonst nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten auswirkte, besteht kein Anlass für eine amtswegige Maßnahme (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Angesichts dieser Klarstellung ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde an die verfehlte Subsumtion nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E136956European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00084.22T.1206.000Im RIS seit
11.01.2023Zuletzt aktualisiert am
11.01.2023