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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 27. Oktober 1994, Zl. 4.344.516/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesminister für Inneres vom 27. Oktober 1994, wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, der am 12. Mai 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 16. Mai 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. Mai 1994, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, abgewiesen (Spruchpunkt 1 des erstangefochtenen Bescheides) und ausgesprochen,daß dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1991 der befristete Aufenthalt im Bundesgebiet bis 27. Oktober 1995 bewilligt werde (Spruchpunkt 2 des erstangefochtenen Bescheides).
Anläßlich seiner am 16. Mai 1994 vor dem Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Befragung hat der Beschwerdeführer angegeben, in seinem Heimatland aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, weil er armenischer Christ sei und seit 1986 aktiv - durch Verteilen von Büchern, Broschüren sowie der Bibel vor den Gottesdiensten - beim Verein der armenischen Kirche in Teheran tätig gewesen sei. Im Jahr 1987 habe er begonnen, an der Universität Teheran Minenforschung zu studieren und habe dort versucht, Kommilitonen zum armenischen Glauben zu bekehren. Er sei von der Universität wiederholt aufgefordert worden, diese Aktivitäten für die armenische Kirche einzustellen. Im Verlauf einer sportlichen Veranstaltung habe ein moslemischer Student den Kreuzschmuck des Beschwerdeführers bemerkt und ihn verspotten wollen, dabei sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen, was der Grund gewesen sei, weshalb der Beschwerdeführer von der Direktion der Universität aufgefordert worden sei, entweder das Studium abzubrechen oder von den religiösen Aktivitäten an der Universität Abstand zu nehmen. Er habe sich zur ersten Variante entschlossen und die Universität verlassen, um in der Folge in der Autolackiererei seines Vaters zu arbeiten. Nach Ermordung des armenischen Bischofs Hovsepian im Jänner 1994 habe er Flugzettel verteilt, in denen die armenische Kirche dieses Verbrechen scharf verurteilt und auf die Menschenrechte hingewiesen habe. Danach sei er von der Polizei beobachtet, für eine Nacht auf dem Polizeirevier in Teheran festgehalten, verhört und dabei auch geschlagen worden. Im Anschluß daran sei er dem Gericht vorgeführt worden und habe zwischen einer Strafe von 75 Peitschenhieben oder einer Geldstrafe von 1,050.000 Rial wählen können. Der Vater des Beschwerdeführers habe die Geldstrafe bezahlt, sodaß seine Freilassung problemlos erfolgt sei. Lediglich Ende Februar/Anfang März 1994 seien noch einmal Polizisten in Zivil erschienen und hätten bei ihm zu Hause erfolglos nach Flugzetteln gesucht, nicht jedoch nach ihm gefragt. Er fürchte, das iranische Regime beabsichtige, alle Armenier "wegen ihres Glaubens aus dem Weg zu räumen".
Die belangte Behörde erachtete die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse insgesamt als nicht geeignet, eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 glaubhaft zu machen.
Offenbar ausschließlich gegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegenden Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet sich unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides gegen die von der belangten Behörde angestellten allgemeinen Schlußfolgerungen mit dem Argument, es komme nicht auf die allgemeine rechtliche Situation, sondern auf die tatsächliche Lage in seinem Heimatland an. Wohlbegründete Furcht sei allein auf Grund des Umstandes, daß er zu 75 Peitschenhieben bzw. einer Geldstrafe von 1,050.000 Rial verurteilt worden sei und die Universität habe verlassen müssen, um seinem Glauben weiterhin nachgehen zu können, offensichtlich. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet sich der Beschwerdeführer gegen die "lediglich auf allgemeine Wendungen" beschränkte Begründung des erstangefochtenen Bescheides, in der die spezielle Situation des Beschwerdeführers nicht ausreichend gewürdigt worden sei, weshalb die belangte Behörde ihrer Pflicht zu einer umfassenden Ermittlungstätigkeit nicht ausreichend nachgekommen sei. "Bei entsprechender Sorgfalt wäre ein anderslautender Bescheid entstanden".
Der belangten Behörde ist zunächst darin zuzustimmen, daß die aus allgemeinen Schikanen der moslemisch-iranischen Bevölkerung gegen Minderheiten resultierenden Beeinträchtigungen, wie dies auch für die armenischen Christen zutrifft, ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch nicht jenen Grad der Unerträglichkeit erreichen, daß von einer Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (gleichlautend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention), die auch eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage voraussetzt, gesprochen werden kann. Der Beschwerdeführer hat zwar auch in der Beschwerde zutreffend darauf verwiesen, daß es auf die jeweilige konkrete Situation des Asylwerbers ankommt, doch obliegt es diesem, jene konkret ihn betreffenden Umstände, die über die allgemeinen Beeinträchtigungen, die auch andere Angehörige von Minderheiten treffen, hinausgehen, zu behaupten und glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer hat jedoch in diesem Zusammenhang lediglich zwei Vorfälle genannt, zum einen die tätliche Auseinandersetzung an der Universität, zum anderen die Verhaftung aufgrund des Verteilens von Flugzetteln und die in diesem Zusammenhang ausgesprochene Strafe. Der Beschwerdeführer hat von einem Ausschluß vom Hochschulstudium selbst gar nicht gesprochen, sondern lediglich von einer Entscheidung zwischen der Fortsetzung seines Studiums einerseits und der Fortsetzung der prochristlichen "Aktivitäten" an der Universität andererseits, deren Konsequenzen er selbst zu tragen hat. Diesem von ihm dargelegten Entscheidungskonflikt kann jedenfalls Asylrelevanz nicht zuerkannt werden, weil es Ordnungskräften der Universität überlassen bleiben muß, geeignet erscheinende Maßnahmen zu treffen, um Konflikte auch religiöser Art, die durch unerwünschte Aktivitäten Dritten gegenüber, nicht aber durch die bloße Religionsausübung, provoziert wurden, zumindest in ihrem Einflußbereich zugunsten eines ungestörten Studienverlaufes zu unterbinden. Daß damit eine schwere Beeinträchtigung des gesamten weiteren Lebensweges des Beschwerdeführers und daher eine schwere Diskriminierung seiner Person die Folge gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht; im Gegenteil: Nach dem Verlassen der Universität hat er nach eigenen Angaben unbehelligt in der Autolackiererei seines Vaters weitergearbeitet. Im übrigen ist der belangten Behörde darin zuzustimmen, daß ein erkennbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Vorfall an der Universität und der Flucht des Beschwerdeführers nicht mehr vorliegt, zumal er weitere Folgen dieses Vorfalles nicht behauptet hat. Die durch neuerliches Tätigwerden seinerseits verursachte Anhaltung stellt sich damit nicht als eine "Dauerwirkung" im Zusammenhang mit seiner religiösen Überzeugung dar. Was nun diese kurze Anhaltung, Verhörung und gerichtliche Verurteilung zu Peitschenschlägen bzw. alternativ zu einer nicht unbeträchtlichen Geldstrafe anbelangt, ist darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer auch nach seiner eigenen Darstellung trotz des Umstandes, daß er den staatlichen Stellen seines Heimatlandes (zumindest ab diesem Zeitpunkt) als "Oppositioneller" bekannt gewesen ist, auf freien Fuß gesetzt wurde und - abgesehen von einer nicht konkret gegen ihn gerichteten Hausdurchsuchung im Februar März 1994 - unbehelligt geblieben ist, daher nach objektiven Gesichtspunkten eine weitere Verfolgungsgefahr nicht erkennbar ist. Bloß subjektiv empfundene, unsubtantiierte Furcht vor Verfolgung ("aus dem Weg räumen") genügt nicht (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0251).
Insgesamt kann daher der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle als nicht geeignet erachtet hat, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 darzutun.
Aber auch die Verfahrensrüge geht fehl, weil das bloße Aufzeigen allenfalls vorliegender Verfahrensmängel noch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen kann, wenn nicht auch die Wesentlichkeit der aufgezeigten Verfahrensmängel im einzelnen dargetan wird. Dazu gehört insbesondere, jene vom Beschwerdeführer geltend gemachten Sachverhaltselemente darzulegen, zu denen die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensmängel hätte kommen können und die einen anderslautenden Bescheid hätten begründen können. Die Beschwerdeausführungen enthalten derlei Angaben nicht.
Die Beschwerde war daher ingesamt als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VWGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200121.X00Im RIS seit
20.11.2000