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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art144 Abs1 / AllgLeitsatz
Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und einer Beschwerde wegen Verspätung auf Grund gültiger Zustellung durch Hinterlegung ohne ZustellversuchSpruch
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit am 13. September 2022 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen das oben genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes und erhebt unter einem Beschwerde dagegen.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, dass das oben genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 16. Dezember 2020 durch Hinterlegung zugestellt worden sei, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorgelegen hätten. Zwar hätte er zu diesem Zeitpunkt auf Grund einer amtswegigen Abmeldung durch die Meldebehörde keine aufrechte Meldeadresse im Inland gehabt, das habe er allerdings bereits am 30. Dezember 2020 durch neuerliche Meldung an eben dieser Adresse korrigiert. Zudem habe sein nunmehriger Rechtsvertreter dem Bundesverwaltungsgericht am 23. Dezember 2020 seine Bevollmächtigung bekannt gegeben, woraufhin das Bundesverwaltungsgericht die angefochtene Entscheidung seinem Rechtsvertreter hätte zustellen können. Der Beschwerdeführer habe daher keine Kenntnis vom oben genannten Erkenntnis gehabt; auch sein Rechtsvertreter habe vor Übermittlung der Entscheidung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13. September 2022 keine Kenntnis von der Beendigung des Asylverfahrens gehabt.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist unzulässig:
2.1. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.
2.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
2.1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.
2.2. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die versäumte Frist bereits zu laufen begonnen hat. Gemäß §82 Abs1 VfGG beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde mit dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses. Soweit der Beschwerdeführer daher vermeint, ihm sei die angefochtene Entscheidung nicht rechtsgültig zugestellt worden, macht er keinen Wiedereinsetzungsgrund geltend. Wäre dem so, würde sich die Beschwerde vor dem Hintergrund des §82 Abs2 VfGG ohnedies als zulässig erweisen.
2.3. Zu prüfen ist daher, ob die angefochtene Entscheidung dem Beschwerdeführer am 16. Dezember 2020 rechtsgültig zugestellt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sein Vorgehen auf §8 Zustellgesetz (ZustG). Nach dessen Abs1 hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, ausweislich Abs2 leg cit die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Der angefochtenen Entscheidung und den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass es sich bei der dem Bundesverwaltungsgericht sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannten Adresse um die Anschrift der Ehegattin des Beschwerdeführers handelte. Die eheliche Gemeinschaft mit dieser war indes seit Anfang April 2020 aufgehoben. Trotzdem war der Beschwerdeführer noch bis August 2020 und dann wieder von Oktober 2020 bis zum 1. Dezember 2020 an dieser Adresse gemeldet, wobei die Landespolizeidirektion Steiermark nach Erhebungen vor Ort mit Schreiben vom 5. November 2020 mit der Begründung Anzeige erstattete, dass der Beschwerdeführer die Anmeldung durch Fälschung der Unterschrift seiner Ehefrau erwirkt habe, er an der Adresse aber tatsächlich nicht mehr aufhältig sei. Mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 2020 wurde der Beschwerdeführer daher vom Bürgermeister der Stadt Graz als zuständiger Meldebehörde von Amts wegen abgemeldet. Da zwischenzeitlich auch der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sein Mandat zurückgelegt hatte, war die angefochtene Entscheidung vom 16. Dezember 2022 an den Beschwerdeführer als Empfänger zuzustellen. Da dessen Abgabestelle am Wohnsitz der Ehefrau allerdings nicht mehr vorlag (zur Anwendung des §8 Abs1 ZustG auf Fälle, in denen die Abgabestelle aufgegeben wurde, vgl VwGH 25.5.2020, Ra 2018/19/0708 mwN), er es aber auch unterlassen hatte, dem Bundesverwaltungsgericht eine neue Abgabestelle mitzuteilen, durfte dieses nach Einholung einer aktuellen Meldeauskunft sowie weiterer Informationen nach §8 Abs2 ZustG die Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch anordnen. Gemäß §23 Abs1 ZustG hat es die für den Beschwerdeführer bestimmte Abschrift zur Abholung bereitgehalten. Dabei schadet es auch nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht von einer Verständigung nach §23 Abs3 ZustG abgesehen hat, selbst wenn man diese für zweckmäßig erachtete (vgl dazu VwGH 12.12.1996, 96/07/0203).
2.4. Wenn der Beschwerdeführer vermeint, ihm und seinem Rechtsvertreter sei der zwischenzeitliche Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unbekannt gewesen, so ist dieses Vorbringen aktenwidrig. Bereits mit Schriftsatz vom 17. Jänner 2022 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen nunmehrigen Rechtsanwalt, Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark, wobei der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 28. Februar 2022, E148/2022 ablehnte. Seite 6 der damals angefochtenen Entscheidung ist indes zu entnehmen, dass die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.12.2020 abgewiesen worden war.
2.5. Damit
erweist sich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als im Sinne des §148 Abs2 ZPO verspätet und war daher zurückzuweisen.
3. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.
4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §149 Abs2 ZPO iVm §35 VfGG und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen, ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E2486.2022Zuletzt aktualisiert am
10.01.2023