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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung eines vorübergehenden Fahrverbotes des Bürgermeisters einer Steiermärkischen Gemeinde wegen der Möglichkeit der Beantragung einer AusnahmebewilligungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit Verordnung vom 7. April 2022, Z 030/1-22-02 ga/stk, erließ der Bürgermeister der Gemeinde Lochau auf Grund von Bauarbeiten für die Trinkwasserversorgung sowie für den Neubau des Schmutzwasserkanals und von Versorgungsleitungen gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 auf der Gemeindestraße Oberhaggen/Hintermoos von Straßenkilometer 0,390 bis Straßenkilometer 0,735 sowie auf der Straße Hintermoos der Güterweggenossenschaft Lochau – Haggen – Hintermoos von Straßenkilometer 0,0 bis Straßenkilometer 0,130 bzw vor den Häusern Altreute 1 und 2, für den Zeitraum von 11. April 2022 bis 24. Juni 2022, jeweils von 07.30 Uhr bis 17. 30 Uhr, gemäß §52 lita Z1 StVO 1960 ein (vorübergehendes) Fahrverbot in beiden Richtungen mit dem Zusatz "ausgenommen Einsatzfahrzeuge".
2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Lochau vom 7. April 2022, Z030/1-22-02 ga/stk, als gesetzwidrig aufheben, in eventu gemäß Art139 Abs4 B-VG feststellen, dass diese Verordnung gesetzwidrig war.
2.1. Der Antragsteller bringt zunächst zu seiner Antragslegitimation vor, dass er als Eigentümer einer Liegenschaft in 6911 Lochau, ***, durch die angefochtene Verordnung unmittelbar in seinen Rechten verletzt sei, weil diese ihn an der ordnungsgemäßen Zufahrt zu seinem Wohnhaus (aus beruflichen Gründen, zur Vornahme von Behördengängen bzw Arztbesuchen) hindere. Die Feststellung der Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung sei zudem Voraussetzung für die rechtswirksame Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen, die der Antragsteller geltend zu machen beabsichtige.
2.2. In der Folge legt der Antragsteller seine Bedenken gegen die angefochtene Verordnung dar:
Die verordnungserlassende Behörde habe kein Ermittlungsverfahren iSd §43 Abs1 litb StVO 1960 vorgenommen. Ungeachtet dessen, dass Bauarbeiten für die Trinkwasserversorgung sowie der Neubau des Schmutzwasserkanals und von Versorgungsleitungen im öffentlichen Interesse gelegen seien, müsse auf die Interessen der Anwohner Bedacht genommen werden. Die verordnungserlassende Behörde habe sich insbesondere nicht mit alternativen Maßnahmen, wie etwa einer alternativen Zufahrt zu den betroffenen Grundstücken über die Wegstrecke Hintermoos bis Pfänderdohle, auseinandergesetzt.
Im Übrigen habe der Antragsteller als Eigentümer und Mitglied der Güterweggenossenschaft entgegen der vorhandenen Korrespondenz mit der Gemeinde keinesfalls die Zustimmung zu einer derart langen Bausperre, die sich auch auf einen Bereich der Güterweggenossenschaft Lochau – Haggen – Hintermoos beziehe, erteilt.
3. Der Antrag ist unzulässig.
3.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
3.2. Bei verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nach §43 StVO 1960 kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein zumutbarer Weg darin bestehen, die Erteilung einer Ausnahmebewilligung iSd §45 Abs2 StVO 1960 zu beantragen (vgl zB VfGH 21.9.2020, V525-526/2020).
3.3. Auch im vorliegenden Fall stellt die Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung (§45 Abs2 StVO 1960) von dem mit der angefochtenen Verordnung angeordneten Fahrverbot einen zumutbaren Weg dar. Damit steht dem Antragsteller ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder aber – wenn dieser Weg erfolglos bleiben sollte – in einer Beschwerde gegen die die Ausnahme versagende (letztinstanzliche) Entscheidung die Frage der Gesetzmäßigkeit der verkehrsbeschränkenden Maßnahme an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl VfSlg 8553/1979, 9740/1983; VfGH 21.9.2020, V525-526/2020 mwN).
4. Der Antrag ist daher schon mangels Legitimation des Antragstellers gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Verkehrsbeschränkungen, Fahrverbot, VfGH / Individualantrag, VfGH / Weg zumutbarer, Ausnahmebewilligung, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V182.2022Zuletzt aktualisiert am
10.01.2023