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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Y in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Februar 1995, Zl. 4.345.711/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, ist am 26. Dezember 1994 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 29. Dezember 1994 einen Asylantrag gestellt.
Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt gab er zu seinen Fluchtgründen - im wesentlichen - an, daß er in der Türkei als Kurde verfolgt worden und diskriminiert gewesen sei. Er habe bis zu seiner Ausreise seit 1970 in Istanbul gelebt, wo er auch gearbeitet habe. An seinem Arbeitsplatz sei er wegen seines alewitischen Glaubens immer wieder von islamischen Fundamentalisten belästigt worden. Bei Behördengängen habe er wesentlich länger warten müssen als andere Staatsbürger nichtkurdischer Abstammung. Er habe auch Probleme bei der Paßausstellung gehabt, weil er ein polizeiliches Führungszeugnis benötigt habe. Obwohl dies üblicherweise kurzfristig ausgestellt werde, habe es bei ihm tagelang gedauert. Er habe in einem Bezirk mit hauptsächlich islamisch-fundamentalistischer Bevölkerung gewohnt, weshalb es immer wieder vorgekommen sei, daß in der Nacht Personen geläutet und ihn bedroht hätten. In einen Bezirk mit hauptsächlich alewitischer Bevölkerung habe er deshalb nicht umsiedeln wollen, weil dieser von seinem Arbeitsplatz weit entfernt sei. Er habe bereits 1990 die Türkei verlassen wollen, dies jedoch damals noch nicht dürfen, weil er seinen Militärdienst noch nicht abgeleistet hatte. Sein Bruder habe vor etwa 2 Jahren die Türkei verlassen, weil er sich dem Militärdienst habe entziehen wollen. Er lebe nunmehr als Flüchtling in Österreich. Nach der Flucht seines Bruders sei er immer wieder von Sicherheitsbeamten (ca. in Abständen von 2 Monaten) angehalten und jeweils für 15 bis 20 Minuten verhört worden. Er sei nach dem Aufenthaltsort seines Bruders befragt worden, wobei er zwar nie geschlagen, jedoch mit Drohungen unter Druck gesetzt worden sei. Die Behörden hätten vermutet, daß sich sein Bruder der PKK angeschlossen habe. Ende Juli 1994 sei er das letzte Mal verhört worden und bis zu seiner Ausreise nicht mehr belästigt worden.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen angefochtenen Bescheid wurde die gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Jänner 1995 erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.
Die belangte Behörde begründete dies damit, daß dem Beschwerdeführer nicht die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Anhaltungen des Beschwerdeführers durch die Behörden seien lediglich deshalb erfolgt, um von ihm Informationen über den Verbleib seines Bruders zu erlangen. Die Verhöre dienten somit nur der Erzielung eines beim Beschwerdeführer vermuteten "Sonderwissens" über den Aufenthaltsort seines Bruders und stellten demgemäß keine direkte, gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungshandlung dar. Die in der Berufung relevierte allgemeine Situation der Kurden in der Türkei sei asylrechtlich nicht von Relevanz, weil maßgeblich sei, ob eine konkrete, gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungshandlung vorgelegen oder von ihm zu befürchten gewesen sei. Die geschilderten Diskriminierungen des Beschwerdeführers hätten nicht eine solche Intensität erreicht, daß deshalb der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Türkei als unerträglich und seine Flucht als wohlbegründet anzusehen wäre. Der in der Berufung vorgelegte Artikel aus der Tageszeitung Standard vom 10./11. Dezember 1994 über die Verurteilung von kurdischen Abgeordneten in der Türkei sei deshalb nicht zu berücksichtigen, weil der Berufungsschrift nicht zu entnehmen sei, daß der Zeitungsartikel vor Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes nicht zugänglich gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Inneres richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs.1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gleichlautend mit der Berufungsschrift wird auch in der Beschwerde beanstandet, daß die belangte Behörde den Verhören des Beschwerdeführers über den Aufenthaltsort seines Bruders zu Unrecht keine asylrechtliche Relevanz beigemessen und die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur kurdischen Volksgruppe (wobei nicht releviert wird, daß der Beschwerdeführer als Alewite in einem noch höheren Ausmaß einer Diskriminierung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre) einen solchen Grad negativer Auswirkungen nach sich gezogen habe, daß seine Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen sei.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger hg. Judikatur Anhaltungen und Verhören dann keine asylrechtliche Relevanz zukommt, wenn diese ohne weitere Folgen geblieben sind. Der Beschwerdeführer war nie politisch-oppositionell tätig, und es wird sein Asylantrag auch nicht darauf gestützt, daß er in der Türkei wegen einer regimekritischen politischen Gesinnung verfolgt oder ihm eine solche unterstellt worden wäre. Demgemäß kann der Standpunkt der belangten Behörde, daß der bislang politisch völlig unauffällige Beschwerdeführer lediglich wegen des Aufenthaltsortes seines Bruders verhört wurde, nicht aber deshalb, weil dem Beschwerdeführer selbst eine gegen die türkische Regierung gerichtete politische Gesinnung unterstellt worden wäre, von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden allgemeinen Schlüssigkeitsprüfung aus nicht beanstandet werden. Mit dieser Annahme in Einklang steht, daß der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben seit seinem letzten Verhör im Juli 1994 von den Behörden nicht mehr belästigt worden sei.
Es kann auch der weiters bekämpfte Standpunkt der belangten Behörde, daß die Ausführungen des Beschwerdeführers zur allgemeinen Lage der Kurden in der Türkei nicht geeignet seien, eine gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete, individuelle Verfolgungsgefahr zu begründen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Diskriminierungen am Arbeitsplatz und bei Behördenerledigungen erreichten nicht eine derartige Intensität, daß daraus begründete Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen abgeleitet werden kann. Dies gilt auch für die nächtlichen Belästigungen, die den Beschwerdeführer nicht einmal veranlaßt haben, einen weiteren Weg zu seinem Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen, zumal in der Beschwerde auch gar nicht mehr hervorgehoben wird, daß der Beschwerdeführer als Alewite einer - gegenüber sonstigen Angehörigen der kurdischen Volksgruppe - zusätzlichen Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre. Insoweit in der Beschwerde allgemein die bürgerkriegsähnlichen Kämpfe zwischen der türkischen Regierung und Angehörigen der PKK in der Nordtürkei sowie die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten für die kurdische Bevölkerung angesprochen werden, ist nicht ersichtlich, inwieweit sich dies konkret auf die Situation des Beschwerdeführers an seinem Wohnort in Istanbul in einer asylrechtlich relevanten Weise niedergeschlagen haben soll. Die allgemeinen Einwirkungen auf die "Psyche jedes Einzelnen" können nicht die vom Gesetz geforderten Kriterien erfüllen, wonach glaubhaft zu machen ist, daß sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen außerhalb seines Heimatlandes befinde, für ihn somit aus objektiver Sicht ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland unerträglich gewesen wäre.
Da die belangte Behörde § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 in seiner durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, Zl. G 92, 93/94-10, bereinigten Fassung (aufgrund der Kundmachung dieses Erkenntnisses am 5. August 1994 in BGBl. Nr. 610/1994) bereits anzuwenden hatte, ist nicht ersichtlich, worin die Bedeutung des diesbezüglichen Hinweises in der Beschwerde gelegen sein soll. Daß die belangte Behörde die geänderte Rechtslage im Zusammenhang mit dem in der Berufungsschrift vorgelegten Zeitungsartikel nicht berücksichtigt hätte, wird in der Beschwerde gar nicht geltend gemacht.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200196.X00Im RIS seit
20.11.2000