TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/6 VGW-101/042/12268/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2022
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Entscheidungsdatum

06.10.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §13 Abs3
TNRSG 1995 §10a
  1. AVG § 13 heute
  2. AVG § 13 gültig ab 15.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018
  3. AVG § 13 gültig von 01.01.2012 bis 14.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011
  4. AVG § 13 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  5. AVG § 13 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  6. AVG § 13 gültig von 01.07.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  7. AVG § 13 gültig von 01.03.2004 bis 30.06.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  8. AVG § 13 gültig von 20.04.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  9. AVG § 13 gültig von 01.01.2002 bis 19.04.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  10. AVG § 13 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  11. AVG § 13 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch den Richter Mag. DDr. Tessar über die Säumnisbeschwerde der A. Austria GmbH, vertreten durch B. Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Parkring 2, betreffend Anträge der A. Austria Ges.m.b.H. vom 11.5.2020 auf Zulassung eines neuartigen Tabakerzeugnisses beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Zl. 2021-...6, zu Recht:

I. Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 28 i.Vm. § 8 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG abgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

In der verfahrensgegenständlichen, bei der erstinstanzlichen Behörde am 17.5.2021 eingelangten Säumnisbeschwerde führte die Beschwerdeführerin aus wie folgt:

„ln umseits bezeichneter Rechtssache wird bekanntgegeben, dass die Beschwerdeführerin der B. Rechtsanwälte GmbH Vollmacht erteilt hat, und um Zustellung zu Händen der Vertreterin ersucht.

Die Beschwerdeführerin erhebt gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG iVm §§ 8 und 9 Abs 5 VwGVG

Säumnisbeschwerde

an das Landesverwaltungsgericht Wien und führt dazu nachstehend aus.

Das Verfahren betrifft den Antrag auf Zulassung mehrerer Varianten eines neuartigen Tabakerzeugnisses iSd § 10a TNRSG. Dasselbe Tabakerzeugnis ist in anderen Varianten (dh in anderen Geschmacksvarianten) bereits rechtskräftig zugelassen und in Verkehr. Auch in diversen anderen Mitgliedstaaten der EU werden die gegenständlichen Produkte bereits vertrieben. Vor diesem Hintergrund ist der Beschwerdeführerin unerklärlich, warum die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag bis dato - ein Jahr nach Antragstellung - nicht erledigt hat, sondern die Erledigung durch Erteilung von (unberechtigten) Verbesserungsaufträgen und der Einholung von Sachverständigengutachten zu fachlich im Grunde unstrittigen Fragen verzögert und dadurch ihre Entscheidungspflicht verletzt.

Dazu nachstehend im Einzelnen.

1. SACHVERHALT UND VERFAHRENSGANG

a. Mit verfahrenseinleitendem Antrag vom 11.05.2020 - vor exakt einem Jahr (!) - begehrte die Beschwerdeführerin die Zulassung eines neuartigen Tabakerzeugnisses gemäß § 10a TNRSG iVm NTZulV mit der Bezeichnung Elektrisch Erhitztes Tabakerzeugnis (Electrically Heated Tobacco Product, „EHTP"), kommerzialisiert unter dem Markennamen C.. Der Antrag hatte die folgenden Varianten des EHTP zum Gegenstand:

• C. D. Selection,

• C. E. Selection,

« C. F. Selection,

• C. G. Selection und

• C. H. Selection.

b. Antragsgegenstand sind somit lediglich weitere Varianten eines bereits rechtskräftig zugelassenen und damit seitens des BMSGPK und der Bewertungsstelle der AGES bewerteten neuartigen Tabakerzeugnisses (vgl dortige GZ BMASGK-.../2019 und VGW-101/056/15462/2019-4). In dem dortigen Verfahren handelte es sich um folgende Varianten des EHTP:

• C. I. Selection,

• C. J. Selection,

• C. K. Selection,

• C. L. Selection,

• C. M. Selection und

• C. N. Selection.

c. Die nunmehr antragsgegenständlichen Varianten sind im Wesentlichen mit den bereits zugelassenen Varianten identisch. Der zentrale Unterschied zwischen den einzelnen Varianten sind lediglich die geschmackgebenden Zusatzstoffe, wobei diese in so kleinen Mengen (0,01 bis 0,17%) zugesetzt werden, dass sie keine messbaren Auswirkungen auf die Emissionsbildung haben. Aus Sicht der Beschwerdeführerin bilden sämtliche Varianten ein einheitliches Produkt, das auch unter demselben Markennamen (C.) vertrieben wird. Man könnte sich daher rechtlich sogar auf den Standpunkt stellen, dass eine weitere Zulassung wegen Identität der Sache nicht notwendig ist. Jedenfalls gibt es hinsichtlich der gegenständlich relevanten Produktvarianten keine für die Beurteilung der Zulassungsvoraussetzungen maßgeblichen Unterschiede gegenüber den schon zugelassenen Produkten, sodass - rechtlich und praktisch - eine rasche Erledigung des Antrags vom 11.05.2020 zu erwarten gewesen wäre.

d. Gemäß § 10a TNRSG und § 5 NTZulV sowie aufbauend auf den Erfahrungen im Zusammenhang mit dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Zulassungsverfahren stellte die Beschwerdeführerin den Antrag vom 11.05.2020 mit den folgenden Unterlagen:

• Anschreiben an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES),

• Anhang 1 - Antrag auf Zulassung eines neuartigen Tabakerzeugnisses gern § 10a Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz (BGBl Nr 431/1995 idgF) und der Verordnung über die Zulassung neuartiger Tabakerzeugnisse (NTZulV) (BGBl II Nr 42/2017 idgF),

• Anhang 2 - Nachweis der Gewerbeberechtigung,

• Anhang 3 - Bewilligung für ein Tabakwarenlager,

• Anhang 3a - Bewilligung zum Großhandel mit Zigaretten,

• Anhang 3b - Erweiterung der Bewilligung zum Großhandel um Feinschnitt,

• Anhang 3c - Bewilligung zum Großhandel mit Zigaretten, Feinschnitt (Zigarettentabake) und Tabak zum Erhitzen,

• Anhang 4 - Technisches und Wissenschaftliches Dossier für EHTP samt Figures, Tables and Appendices,

• Anhang 5 - Übersicht der Emissionsdaten für die schon zugelassenen und die verfahrensgegenständlichen Varianten von C.,

• Anhang 6 - Übersicht über Publikationen aus der unabhängigen Forschung, relevant für Konsumenten-Wahrnehmung und -Verhalten, sowie zu Präferenzen unterschiedlicher Konsumentengruppen,

• Anhang 7 - Detailliertes Verzeichnis der Inhaltsstoffe für jede Variante von C.,

• Anhang 8 - Übersicht über Zulassungen des Produkts in anderen EU-Mitgliedstaaten,

• Anhang 9 - Kopie des Dossiers in der in anderen EU Mitgliedstaaten eingereichten Version,

• Anhang 10 - Verpackungsbeispiele (wie für den österreichischen Markt vorgesehen) die C.-Varianten.

e. Am 29.05.2020 erteilte die belangte Behörde einen Verbesserungsauftrag ("1. Verbesserungsauftrag"). Im 1. Verbesserungsauftrag vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass zur Beurteilung des Antrags noch "zusätzliche Unterlagen sowie hinreichende Nachweise und Testergebnisse zur Beurteilung des ggst. Antrags" erforderlich seien. Im Einzelnen verlangte sie die Vorlage der folgenden "Unterlagen/Nachweise/Testergebnisse" unverzüglich und längstens binnen dreier Monate:

1. Emissionsmesswerte in Excel-Format:

1.1. Separate Darstellung der Emissionsmesswerte jedes einzelnen Produkts

1.2. Darstellung der Emissionsmesswerte der einzelnen Produkte vergleichend zu den Emissionsmesswerten der Referenzzigarette 3R... und der Produkte "EHTP O." und "EHTP P.":

o als tatsächliche Werte der Emissionen

o bezogen auf den Nikotingehalt in den Emissionen unter Angabe mindestens folgender Informationen:

o Mittelwert

o Standardabweichung

o Stichprobenumfang

o Vergleich zur Referenzzigarette 3R... sowie zu den Produkten "EHTP O." und "EHTP P." hinsichtlich der REDUKTION bzw. ERHÖHUNG von Emissionen in %.

1.3. Signifikanztest der Emissionsmesswerte jedes einzelnen Analyten und jedes einzelnen Produkts im Vergleich zu EHTP O. und EHTP P.:

o als Werte der Emissionen pro Stick

o bezogen auf den Nikotingehalt in den Emissionen

1.4. Beweisführung u.a. basierend auf den Ergebnissen der Signifikanztests gemäß Punkt 1.3., die darlegt, dass sich die einzelnen Produkte nicht wesentlich von den in den Studien untersuchten Produkten "EHTP O." und "EHTP P.", vor allem hinsichtlich der Emissionen, unterscheiden.

1.5. Alternativ zu 1.3. und 1.4.: Vorlage neuer toxikologischer Studien (analog zu jenen in Anhang 4) jedoch spezifisch zu den einzelnen Produkten.

2. Toxikologische Studien (Anhang 4):

Vorlage vorhandener toxikologischer Studien zu Stoffen der Prioritätenliste gemäß § 8a TNRSG.

3. Q.-Gerät:

3.1. Angabe, mit welchem Q.-Gerät die Emissionswerte ermittelt wurden.

3.2. Übermittlung eines Exemplars dieses Q.-Geräts.

3.3. Beweisführung, die darlegt, dass sich die Emissionsmesswerte der Produkte "EHTP O." und "EHTP P." durch Verwendung der unterschiedlichen Q.-Geräte nicht verändern

4. Erhitzungsprozess (Anhang 4):

Messwerte der Größe und Menge der Feststoffpartikel im Aerosol, die an der Grenzfläche Heizblättchen/Tabakstrang gebildet werden. Die Messung hat dabei direkt am Ort der Entstehung zu erfolgen und nicht nach Passieren des Filtersystems.

5. Produktmuster:

Produktmuster zu folgenden Produkten sind nachzureichen:

o C. F. Selection und

O C. H. Selection

f. Auftragsgemäß und fristgerecht legte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 27.08.2020 folgende Urkunden vor:

• Anschreiben an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES),

• Anlage 1 - Datenübersicht HPHC / Analyte zu allen beantragten Produkt-

Varianten,

• Anlage 2 - Cytotoxicity data for the five notified Q. C. SKUs i.e. C.

D. Selection, C. E. Selection, C. F. Selection, C. G. Selection and C. H. Selection in comparison to the investigational test items,

• Anlage 2a - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from the test item, tobacco heating system O. tobacco stick, and the reference item, 3R..., in the neutral red uptake assay, Study number RLS-ZRH-2015-250,

• Anlage 2b - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from the test item, tobacco heating system P. tobacco stick, and the reference item, 3R..., in the neutral red uptake assay, Study number RLS-ZRH-2015-249,

• Anlage 2c - Determination of the in vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions derived from five platform 1 (P1) products in the neutral red uptake assay on balb/c 3T3 cells, Study number RLS-CA-2020-12,

• Anlage 2d - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from two tobacco heating system variants of platform 1 in the neutral red uptake assay, study number RLS-ZRH-2015-495,

• Anlage 2e - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from four tobacco heating system tobacco sticks aftercuts in the neutral red up-take assay, Study number RLS-ZRH-2016-187,

• Anlage 2f - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from platform 1 tobacco heating system tobacco stick aftercuts in the neutral red up-take assay, Study number RLS-ZRH 2017-395,

• Anlage 2g - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of the mainstream aerosol fraction derived from platform 1 (project ...), Study number RLS-ZRH 2018-497,

• Anlage 3 - Datenübersicht HPHCs / Analytes - Q.,

• Anlage 4 - Investigation of solid particles in the mainstream aerosol of the Tobacco Heating System THS2.2 and mainstream smoke of a 3R... reference Cigarette,

• Anlage 5 - Experimental Plan and Report: Absence of heating- and combustionrelated solid particles,

• Anlage 6 - Testing of different Q. stick versions,

• Anlage 7 - C. F. and C. H. samples.

Hiermit kam die Beschwerdeführerin dem (in weiten Teilen überschießenden, siehe Punkt 4.2) Verbesserungsauftrag vollumfassend nach.

g. Im Anschluss an die Vorlage weiterer Unterlagen von Seiten der Beschwerdeführerin am 27.08.2020 erhielt die Beschwerdeführerin lange keine Rückmeldung. Die Beschwerdeführerin ging davon aus, dass nun alle Unterlagen Vorlagen und die belangte Behörde die Entscheidung vorbereitete.

h. Diese Annahme wurde jedoch enttäuscht, als die belangte Behörde am 07.12.2020 einen weiteren Verbesserungsauftrag ("2. Verbesserungsauftrag") übermittelte. In diesem vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass weiterhin Emissionen und toxikologische Studien fehlten. Die belangte Behörde hielt es darin für erforderlich, dass hinsichtlich jeder einzelnen Produktvariante je alle von ihr genannte Emissionsmesswerte in einer speziellen Art und Weise angegeben werden müssten. Auch verlangte die belangte Behörde zu den einzelnen Produktvarianten die Vorlage neuer toxikologischer Studien (wobei § 10a Abs 2 Z 3 TNRSG lediglich von verfügbaren wissenschaftlichen Studien zu Toxizität spricht). Im Einzelnen: Ad 1.1. und 1.2. [des 1. Verbesserungsauftrags] Emissionsmesswerte in Excel-Format Nach Ansicht der belangten Behörde waren die übermittelten Emissionswerte zu den einzelnen Produkten nicht vollständig. Sie forderte, dass zu jeder Produktvariante Emissionswerte hinsichtlich mindestens 42 näher bezeichneter Stoffe angegeben werden, dies in einer speziellen Weise (so wie im 1. Verbesserungsauftrag angegeben). Ad 1.5. [des 1. Verbesserungsauftrags] Vorlage neuer toxikologischer Studien zu den einzelnen Produkten: Es fehlen Studien im Mindestumfang von:

1.5.1. Zytotoxitätstests (entsprechend der Health Canada Richtlinie T-502 oder einer äquivalenten Richtlinie)

1.5.2. Bakterieller Rückmutationstest (entsprechend der OECD Richtlinie 471, der Health Canada Richtlinie T-501 oder einer äquivalenten Richtlinie)

1.5.3. In vitro Genmutationstest oder Chromosomenaberrationstest an Säugerzellen (entsprechend der Richtlinien OECD 476; OECD 490; OECD 487; Health Canada T-503 oder einer äquivalenten Richtlinie)

Dabei sind folgende Punkte bei allen toxikologischen Tests zu beachten:

[...]

Ad 2. [des ersten Verbesserungsauftrags] Toxikologische Studien Vorhandene toxikologische Studien zu Stoffen der Prioritätenliste gemäß § 8a TNRSG wurden nicht übermittelt. Ad 3.3. [des 1. Verbesserungsauftrags] Q.-Gerät Gefordert wurde eine Beweisführung, die darlegt, dass sich die Emissionsmesswerte der Produkte EHTP O. und EHTP P. durch Verwendung der unterschiedlichen Geräte nicht verändern.

Es fehlen ergänzende Informationen zu den Emissionsmesswerten:

o Angabe welche „C.“ Produkte untersucht wurden

o Bei Analysewerten <LOQ, ist der jeweilige Wert des LOQ anzugeben

Mit Eingabe vom 18.12.2020 erfüllte die Beschwerdeführerin den 2. Verbesserungsauftrag, indem sie weitere Unterlagen, Studien, Dokumente und Emissionsdaten vorlegte:

• Anschreiben an das BMSGPK,

• Response to the 2nd request for additional information and data received from the Federal Minister for Social Matters, Public Health, Care and Consumer Protection (BMSGPK) in Austria, issued on December 7, 2020, following the Submission, on May 11, 2020, of a request for the admittance offive additional variants of the Electrically Heated Tobacco Product (“EHTP”),

• Anlage 1 - Datenübersicht HPHC/Analyte zu allen beantragten Produkt-Varianten,

• Anlage 2 - Datenübersicht Cytotoxicity data for the five notified Q. C. SKUs i.e. C. D. Selection, C. E. Selection, C. F. Selection, C. G. Selection and C. H. Selection in comparison to the investigational test items,

• Anlage 2a - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from the test item, tobacco heating system O. tobacco stick, and the reference item, 3R..., in the neutral red uptake assay, Study number RLS-ZRH-2015-250,

• Anlage 2b - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from the test item, tobacco heating system P. tobacco stick, and the reference item, 3R..., in the neutral red uptake assay, Study number RLS-ZRH-2015-249,

• Anlage 2c - Determination of the in vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions de-rived from five platform 1 (P1) prodücts in the neutral red uptake assay on balb/c 3T3 cells, Study number RLS-CA-2020-12,

• Anlage 2d - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from two tobacco heating system variants of platform 1 in the neutral red uptake assay, study number RLS-ZRH-2015-495,

• Anlage 2e - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from four tobacco heating system tobacco sticks aftercuts in the neutral red up-take assay, study number RLS-ZRH-2016-187,

• Anlage 2f - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of mainstream aerosol fractions generated from platform 1 tobacco heating system tobacco stick aftercuts in the neutral red up-take assay, study number RLS-ZRH-

2017-395,

• Anlage 2q - Study Report, Determination of the in Vitro Cytotoxicity of the mainstream aerosol fraction derived from platform 1 (project ...), study number RLS-ZRH-2018-497,

• Anlage 3 - Datenübersicht HPHCs/Analytes.

j. Da nach Beantwortung des 2. Verbesserungsauftrags eine Verfahrenserledigung oder sonstige Reaktion der belangten Behörde ausblieb und die Zulassung im Hinblick auf die möglichen wirtschaftlichen Schäden (s dazu unten Punkt 4.3) zusehends pressierte, bevollmächtige die Beschwerdeführerin die hier einschreitende Vertreterin, welche der belangten Behörde am 19.02.2021 ihre Vollmacht bekanntgab und Akteneinsicht beantragte. Daraufhin wurde der Vertreterin am 01.03.2021 persönlich Akteneinsicht gewährt. Dabei erfuhr die Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde nunmehr beabsichtigte, ein Gutachten zur Frage, ob es sich bei den antragsgegenständlichen Produkten um ein "Rauchtabakerzeugnis" oder ein "rauchloses Tabakerzeugnis" handelt, in Auftrag zu geben. Am 06.05.2021 - nachdem somit abermals zwei Monate vergangen waren - erfuhr der Vertreter der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde, dass diese inzwischen Herrn Univ.-Prof. R. S. (... Universität ...) mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt habe. Dieses Vorgehen kam für die Beschwerdeführerin nicht nur deshalb überraschend, weil das Gutachten somit erst knapp ein Jahr nach Verfahrenseinleitung in Auftrag gegeben wurde, sondern auch weil die belangte Behörde das EHPT im rechtskräftig erledigten Vorverfahren bereits als "rauchlos" eingestuft hatte und insofern keinerlei Unterschiede zwischen den Produkten bestehen. Von diesem - massiv verfahrensverzögernden - Vorgang ist die belangte Behörde auch nicht abgegangen, nachdem (und obwohl) die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 26.03.2020 zwölf (!) Gutachten, die im Zuge der Inverkehrbringung auf verschiedenen Märkten erstellt (und teils von Behörden in Auftrag gegeben) wurden, vorgelegt hat, die allesamt zum Ergebnis kommen, dass bei Konsum des EHTP kein Verbrennungsprozess und keine Rauchbildung erfolgt, sodass das Produkt als "rauchlos" einzustufen ist (wie dies auch von der belangten Behörde im Vorverfahren festgestellt worden war).

k. Eine bescheidmäßige Erledigung der belangten Behörde steht - ein Jahr nach Verfahrenseinleitung - aus und ist auch weiterhin nicht absehbar. Vor diesem Hintergrund sieht sich die Beschwerdeführerin zur Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde gezwungen.

(…)

3. ZUSTÄNDIGKEIT DES LANDESVERWALTUNGSGERICHTS WIEN

a. Für Zulassungsentscheidungen gemäß § 10a TNRSG sind gemäß Art 131 Abs 1 B-VG sachlich die Landesverwaltungsgerichte zuständig, da die Vollziehung der Bestimmung - durch den ausnahmsweise erst- und letztinstanzlich zuständigen Bundesminister - in mittelbarer Bundesverwaltung erfolgt (vgl BVwG 28.11.2019, GZ W270 2221892-1/12E; s auch VwGH 20.03.2018, Ko 2018/03/0001, Rz 54 mwN).

b. Die örtliche Zuständigkeit richtet liegt nach § 3 Abs 2 Z 1 VwGVG iVm § 3 Z 2 bzw allenfalls Z 3 AVG beim Verwaltungsgericht Wien.

4. BEGRÜNDETHEIT DER BESCHWERDE

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG iVm §§ 8 und 9 Abs 5 VwGVG ist eine Säumnisbeschwerde berechtigt, wenn die Entscheidungsfrist abgelaufen und die Verzögerung auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Beide Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt:

4.1. Ablauf der Entscheidungsfrist

a. Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die belangte Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Für das gegenständliche Zulassungsverfahren ist gesetzlich keine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen. Daher ist für die Frage der Zulässigkeit der Einbringung einer Säumnisbeschwerde die allgemeine Sechsmonatsfrist heranzuziehen.

b. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war (§ 8 Abs 1 Satz 1 und 2 VwGVG). Die Beschwerdeführerin hat den verfahrenseinleitenden Antrag auf Zulassung am 11.05.2020 gestellt und dieser Antrag ist an diesem Tag auch bei der zuständigen Einbringungsstelle, der Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), eingelangt (siehe hierzu: Beilage ./1 - Antrag auf Zulassung eines neuartigen Tabakproduktes samt Übermittlungs-Email von T. U. an tabak@ages.at und V. W. am 11.05.2020 um 14:57 sowie Beilage .12 - interne E-Mail zwischen AGES [X. Y.] und der belangten Behörde [Z. AA.] vom11.05.2020 um 15:15 über den eingebrachten Zulassungsantrag [diese E-Mail hat die Beschwerdeführerin im Rahmen der Akteneinsicht am 01.03.2021 erhalten]). Die sechsmonatige Frist ist daher am 11.11.2020 abgelaufen.

c. Nach manchen Entscheidungen des VwGH beginnt die Frist erst mit der Beantwortung eines Verbesserungsauftrags zu laufen. Dies allerdings nur dann, wenn der Verbesserungsauftrag berechtigt und unverzüglich erteilt wird. Selbst wenn man dementsprechend davon ausginge, dass die sechsmonatige Entscheidungsfrist erst nach Übermittlung der Unterlagen infolge des 1. Verbesserungsauftrags, also am 27.08.2020, zu laufen begonnen hätte, wäre die die Frist - mit 27.02.2021 - ebenfalls bereits abgelaufen.

d. Jedenfalls sind der 2. Verbesserungsauftrag (07.12.2020) bzw die Übermittlung der Unterlagen infolge des 2. Verbesserungsauftrags (18.12.2020) für den Beginn des Laufs der Frist nicht beachtlich, weil der 2. Verbesserungsauftrag ungesetzlich war (siehe dazu näher unten Punkt 4.2.i.) und erst etwa vier Monate nach Beantwortung des 1. Verbesserungsauftrags und damit nicht unverzüglich ergangen ist (siehe dazu noch unten Punkt 4.2.ii). Nach der stRsp des VwGH beginnt die Frist in derartigen Fällen bereits mit dem Einlangen des Antrags zu laufen, weil es die Behörde sonst in der Hand hätte, durch ein rechtswidriges Vorgehen die Entscheidungsfrist zu verlängern (VwGH 25.06.2009, 2006/07/0040; Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz 22 [Stand 15.02.2017, rdb.at]).

e. Die Entscheidungsfrist ist damit am 11.11.2020 oder allenfalls spätestens am 27.02.2021 abgelaufen. Da der Antrag derzeit weiterhin unerledigt ist, ist die belangte Behörde säumig.

4.2. Vorwerfbarkeit der Säumnis

a. Damit eine Säumnisbeschwerde berechtigt ist, muss die Verzögerung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 VwGVG auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen sein. Der Begriff des Verschuldens der Behörde ist dabei nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern, sondern objektiv zu verstehen. Verschulden ist demnach dann anzunehmen, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde

• weder durch schuldhaftes Verhalten der Partei

• noch durch unüberwindliche Hindernisse (die eine Entscheidung vor Ablauf der Entscheidungsfrist - trotz zweckentsprechender und zügiger Verfahrensführung - unmöglich gemacht haben)

an der Entscheidung gehindert war (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz 37 [Stand 15.02.2017, rdb.at]).

b. Entscheidend für das überwiegende Verschulden der Behörde ist nicht, ob sich mit Sicherheit absehen lässt, dass das Verfahren bei regulärem Fortgang innerhalb der Entscheidungsfrist tatsächlich hätte beendet werden können, sondern ob die tatsächlich eingetretene Verzögerung überwiegend auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist (Fischer/Steiner, Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, in Bergthaler/Grabenwarter [Hrsg], Musterhandbuch Öffentliche Recht Rz 124 [Stand 1.7.2019, rdb.at]).

c. Gegenständlich hat die belangte Behörde die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlassen und dadurch die Verfahrensverzögerung verschuldet: Die von ihr erteilten Verbesserungsaufträge sind weitgehend ungesetzlich (siehe Punkt i).

Zudem hat sie jedenfalls den 2. Verbesserungsauftrag (Punkt ii.) und den Gutachtensauftrag (Punkt iii.) nicht unverzüglich erteilt. Dies alles ungeachtet des Umstandes, dass die lange Verfahrensdauer für die Beschwerdeführerin mit großen wirtschaftlichen Herausforderungen verbunden ist (siehe iv.). Dazu im Einzelnen:

(i) Die Verbesserungsaufträge sind überschießend

a. Ein Verschulden der Behörde liegt schon insofern vor, als die beiden Verbesserungsaufträge gesetzlich nicht gedeckt waren.

b. § 10a TRNSG und § 5 NTZulV legen fest, welche Unterlagen der Antragsteller in einem Zulassungsverfahren vorzulegen hat. Darunter gibt es Unterlagen, welche die Behörde für die Prüfung der Zulassungsfähigkeit und damit die Sachentscheidung benötigt (zB Beschreibung des Tabakerzeugnisses und Informationen über die Inhaltsstoffe). Außerdem nennt § 10a TNRSG Unterlagen, die für die materiell-rechtliche Prüfung der Zulassungsfähigkeit irrelevant sind und die daher der Information der Aufsichtsbehörde dienen. Dies betrifft etwa Informationen über Emissionen und verfügbare wissenschaftliche Studien zu Toxizität, Suchtpotential und Attraktivität des Tabakerzeugnisses; derartige Informationen sind für die Aufsichtsbehörden zweifellos von Interesse, sie sind aber für die Zulassungsprüfung nicht relevant, weil das TNRSG keine diesbezüglichen Zulassungskriterien normiert.

c. Wie Prof. AB. in einem Rechtsgutachten (Beilage./3; vgl insbesondere Rn (19) und die Zusammenfassung) dargelegt hat, darf § 10a TNRSG nicht so extensiv ausgelegt werden, dass die Zulassungsbehörde in einem auf Antrag eingeleiteten Zulassungsverfahren Informationen einholen kann, die für die Marktbeobachtung von Interesse sein mögen, aber für die Prüfung des Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen ohne Relevanz sind. Fehlen Unterlagen, die für die Prüfung materiell-rechtlich notwendig sind, kann die Behörde die Übereinstimmung mit gesetzlichen Anforderungen nicht prüfen. Fehlen hingegen bloß - von Prof. AB. treffend als "informativ" bezeichnete - Unterlagen, die für die Zulassungsprüfung keine Relevanz haben, dann beeinträchtigt dies nicht die Prüfung der Behörde. In diesem Sinne handelt es sich insbesondere bei den emissionsbezogenen Informationen nicht um notwendige Unterlagen bzw Aufzeichnungen oder erforderliche Auskünfte. Sie sind den informativen Antragsunterlagen zuzuordnen. Folglich dürfte selbst ein Fehlen solcher Unterlagen nicht dazu führen, dass die Behörde eine inhaltliche Behandlung der Sache unterlässt (s Rechtsgutachten Prof. AB., S 9 ff).

d. Konkret kommt Prof. AB. zu dem Ergebnis, dass sowohl der 1. als auch der 2. Verbesserungsauftrag überschießend sind und in § 10a TNRSG keine Deckung finden. Insbesondere gehen die von der Behörde gestellten Anforderungen hinsichtlich der Emissionen zu weit. Ebenso ungesetzlich ist die Aufforderung, "neue toxikologische Studien zu den einzelnen Produkten" vorzulegen (zumal schon in § 10a TNRSG explizit nur von „verfügbaren“ Studien die Rede ist; Rechtsgutachten Prof. AB., S 14 ff).

e. Im Einzelnen ist der 2. Verbesserungsauftrag aus folgenden Gründen unberechtigt.

• "Ad 1.1. und 1.2. des ersten Verbesserungsauftrags: Nach Ansicht der Behörde waren die übermittelten Emissionswerte zu den einzelnen Produkten nicht vollständig. Sie forderte, dass zu jeder Produktvariante Emissionswerte hinsichtlich mindestens 42 Stoffen angegeben werden und in einer speziellen Weise (so wie im 1. Verbesserungsauftrag angegeben) dargestellt werden (ua im Vergleich zu einer Referenzzigarette und den zugelassenen Produkten “EHTP O.‘ und “EHTP P.""

Die belangte Behörde darf im gegenständlichen Zulassungsverfahren ausschließlich Informationen verlangen, die sich aus 10a TNRSG und § 5 NTZulV ergeben. Erstens ergibt sich aus diesen Bestimmungen nicht, dass die Informationen über Emissionen in einer speziellen Weise vorzulegen wären. Schon gar nicht ist vorgesehen, dass ein Vergleich mit anderen Produkten anzustellen wäre. Diese Forderung ist überschießend und ungesetzlich. Was zweitens den "Mindestkatalog" an Stoffen anbelangt, hinsichtlich derer die Emissionswerte angegeben werden müssten, bleibt im Dunklen, aus welcher rechtlichen Quelle die belangte Behörde die Maßgeblichkeit eines solchen "Mindestkatalogs" ableitete. Das TNRSG und die NTZulV enthalten keinen Mindestkatalog an Stoffen, die untersucht werden müssten. Es ist nicht ersichtlich, warum die in der Anlage 5 zum Antrag vorgelegten Emissionsdaten für alle beantragen Produktvarianten (und zusätzlich für alle schon zugelassenen Produktvarianten) und die in Anlage 1 ihrer Eingabe vom 27.08.2020 umfassende Werte zu allen Produktvarianten nicht ausreichen sollen (zumal diese überprüften Stoffe mit dem - gesetzlich nicht normierten - "Mindestkatalog" der Behörde ohnedies großteils übereinstimmen). Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin ohnehin eine ausführlichere Untersuchung, nämlich hinsichtlich 58 Stoffen (statt der von der Behörde angegebenen 42 Stoffen), durchgeführt. Diese Stoffe sind spezifisch für die verfahrensgegenständlichen Produkte relevant. Mit der Forderung Informationen zu Emissionen in bestimmter Art und Weise vorzulegen (Vergleiche und Untersuchung hinsichtlich bestimmter Stoffe), verzögert die belangte Behörde das Verfahren schuldhaft.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das TNRSG und die NTZulV für die antragsgegenständlichen neuartigen Tabakerzeugnisse keine Emissionshöchstwerte oder anderweitig emissionsbezogene Zulassungskriterien enthalten. Daher dienen die Unterlagen zu Emissionen (konkret: Informationen über Emissionen, verfügbare wissenschaftliche Studien zu Emissionen und Auflistung der allfälligen Emissionen) lediglich der Information der Behörde, sind also nicht entscheidungsrelevant. Auch in diesem Fall wäre das Ergebnis, dass die belangte Behörde das Verfahren schuldhaft verzögert hat.

• "Ad 1.5. des ersten Verbesserungsauftrags: Nach Ansicht der Behörde sollen neue toxikologische Studien zu den einzelnen Produkten vorgelegt werden. Nach dieser Ansicht fehlen Studien im folgenden Mindestumfang:

1.5.1 Zytotoxitätstests (entsprechend der Health Canada Richtlinie T-502 oder einer äquivalenten Richtlinie)

1.5.2.Bakterieller Rückmutationstest (entsprechend der OECD Richtlinie 471, der Health Canada Richtlinie T-501 oder einer äquivalenten Richtlinie)

1.5.3. In vitro Genmutationstest oder Chromosomenaberrationstest an Säugerzellen (entsprechend der Richtlinien OECD 476, OECD 490, OECD 487, Health Canada T-503 oder einer äquivalenten Richtlinie) Dabei verlangte das BM SGPK spezifische Anforderungen an die Tests (zB Durchführung entsprechend anerkannten Richtlinien wie VO (EG) Nr. 440/2008, Durchführung in mehreren technischen und biologischen Replikaten) und die Übermittlung bestimmter Ergebnisse (zB statistische Vergleiche zur Referenzzigarette, vollständiger Studien-Report).''

Nach § 10a Abs 2 Z 3 TNRSG sind lediglich verfügbare wissenschaftliche Studien zu Toxizität, Suchtpotential und Attraktivität des neuartigen Tabakerzeugnisses, insbesondere was seine Inhaltsstoffe und Emissionen anbelangt vorzulegen. Wenn die Behörde also die Vorlage neuer Studien verlangt, ist diese Vorgehensweise ungesetzlich. Ebenso darf von der Beschwerdeführerin auf Grundlage von § 10a Abs 2 Z 3 TNRSG nicht verlangt werden, dass diese verfügbaren Studien spezifische Standards (wie in 1.5.1, 1.5.2 und 1.5.3 beschrieben) aufweisen. Mit der Forderung neue Studien in bestimmter Art und Weise vorzulegen, verzögert die belangte Behörde das Verfahren schuldhaft.

• "Ad 2. des ersten Verbesserungsauftrags: Vorlage vorhandener toxikologischer Studien."

4 Schon im ersten Verbesserungsauftrag wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, vorhandene toxikologische Studien vorzulegen. Daraufhin hat die Beschwerdeführerin alle verfügbaren Studien vorgelegt. Die belangte Behörde dürfte aber davon ausgegangen sein, dass die Beschwerdeführerin zusätzlich zu den bereits vorgelegten Studien (siehe insbesondere Anlagen 2a bis 2g der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 27.08.2020) noch weitere nicht vorgelegte Studien besitze. Dies ist unrichtig und nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin hatte bereits alle ihr vorliegenden bezughabenden toxikologischen Studien zur Verfügung gestellt. Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen auch gar kein Interesse daran, der Behörde Studien vorzuenthalten, sondern trachtet allein nach einer möglichst raschen Marktzulassung. Wenn also die Behörde die Vorlage weiterer Studien verlangt, über welche die Beschwerdeführerin aber nicht verfügt, und bis zu deren Vorlage die Sache nicht erledigt, verzögert sie das Verfahren schuldhaft.

• "Ad 3.3. des ersten Verbesserungsauftrags: Q.-Gerät- Beweisführung, die darlegt, dass sich die Emissionsmesswerte der Produkte EHTP O. und EHTP P. durch Verwendung der unterschiedlichen Geräte nicht verändert (Angabe welche C. Produkte untersucht wurden, Angabe des jeweiligen Werts des LOQ.j"

Erstens ist das Q.-Gerät - das elektrische Tabakerhitzungsgerät (Tobacco Heating Device, "THD") nicht Gegenstand des Zulassungsantrags. Aufforderungen, die sich auf ein nicht verfahrensgegenständliches Gerät beziehen, sind nicht zulässig. Zweitens sehen §10a TNRSG und § 5 NTZulV eine solche vergleichende Beweisführung nicht vor. Da gesetzlich nicht vorgesehen ist, dass solche Informationen vorzulegen sind, können diese Informationen auch keine Auswirkung auf das gegenständliche Zulassungsverfahren haben. Die Aufforderung der belangten Behörde ist daher unzulässig. Die belangte Behörde, darf daher auch nicht nur deshalb mit der Sachentscheidung zuwarten, weil solche rein informativen und gesetzlich nicht vorgesehenen Informationen fehlen. Wenn die Behörde dennoch denkt nicht entscheiden zu müssen, bis diese Informationen vorliegen, verzögert sie infolge dieser unrichtigen Annahme das Verfahren auch insoweit schuldhaft (vgl zu alldem Rechtsgutachten AB., S 14 ff).

f. Wie aus den vorstehenden Erwägungen ersichtlich, liegen weder ein schuldhaftes Verhalten der Partei noch unüberwindliche Hindernisse vor. Vielmehr hat die belangte Behörde zu Unrecht die Mangelhaftigkeit des Anbringens angenommen. Der 2. Verbesserungsauftrag ist rechtswidrig ergangen, weil die angeforderten Unterlagen keine Deckung im TNRSG, der NTZulV oder dem AVG finden. Der gegenständliche Zulassungsantrag war nicht mangelhaft. Indem die belangte Behörde dennoch einen Verbesserungsauftrag erlassen hat, hat sie es unterlassen, unverzüglich über den offenen Antrag zu entscheiden. Folglich trifft die belangte Behörde das überwiegende Verschulden an der Verzögerung.

(ii) Die Behörde handelte nicht unverzüglich und wartete mit dem 2. Verbesserungsauftrag grundlos zu

a. Abgesehen davon, dass die beiden Verbesserungsaufträge schon inhaltlich gesetzwidrig sind und aus diesem Grund die belangte Behörde die Verfahrensverzögerung überwiegend verschuldet hat, trifft sie aber auch deshalb Verschulden, weil sie den 2. Verbesserungsauftrag - wenn sie einen solchen schon für erforderlich hält - nicht unverzüglich erteilt hat.

b. Die Beschwerdeführerin stellte den verfahrenseinleitenden Antrag am 11.05.2020. Am 29.05.2020 erging der 1. Verbesserungsauftrag, dem die Beschwerdeführerin am 27.08.2020 entsprach. Erst am 07.12.2020 - also mehr als 14 Wochen später - erging ein 2. Verbesserungsauftrag.

c. Es ist davon auszugehen, dass Verbesserungsaufträge in der Regel innerhalb von vier Wochen erteilt werden können (und müssen) und dass darüber hinausgehende Verzögerungen überwiegendes Verschulden der Behörde begründen (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz 21, 22 [Stand 15.02.2017, rdb.at] mit Verweis auf AB zur AVG-Nov BGBl 1998/158). Dass dieser Zeitraum auch im konkreten Fall realistisch gewesen wäre, zeigt sich schon daran, dass die Behörde - bzw die von Gesetzes wegen mit der Bewertung betraute, fachkundige „Bewertungsstelle“ - die Antragsunterlagen innerhalb von etwa zwei Wochen durchsehen und den 1. Verbesserungsauftrag erteilen konnte (und außerdem das antragsgegenständliche Produkt EHTP bereits einmal bewertet und zugelassen hat). Umso mehr wäre auch bei der Durchsicht der nachgereichten Unterlagen und allenfalls Erteilung eines weiteren Verbesserungsauftrags möglich gewesen.

d. Im Übrigen vertritt der VwGH, dass auch der Umstand, dass es sich um eine komplexe Materie handelt (dies ist in der konkreten Situation jedenfalls aufgrund der Vorerfahrung nicht der Fall), nicht alleine ausreicht, um das Verschulden der Behörde zu entkräften bzw zu begründen, dass einer zügigeren Verfahrensführung ein "Hindernis" entgegengestanden sei (VwGH 25.11.2015 Ra 2015/08/0102; Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz 38 [Stand 15.02.2017, rdb.at]).

e. Somit beruht gegenständlich die erhebliche Verfahrensverzögerung auf einem überwiegenden Verschulden der belangten Behörde. Statt innerhalb des Richtwerts von zwei bis vier Wochen einen etwaigen weiteren Verbesserungsauftrag zu erteilen, benötigte die Behörde fast vier Monate zur Erteilung eines (überdies rechtswidrigen) Verbesserungsauftrags. Wie aus den vorstehenden Erwägungen ersichtlich, liegen auch weder ein schuldhaftes Verhalten der Partei noch sonstige unüberwindliche Hindernisse vor. Die belangte Behörde trifft folglich das überwiegende Verschulden an der Verzögerung.

(iii) Die Beauftragung eines Gutachtens in einem so späten Stadium eindeutig schuldhaft verfahrensverzögernd

a. Die belangte Behörde hat jüngst - fast ein Jahr nach dem verfahrenseinleitenden Antrag- die Erstellung eines Gutachtens hinsichtlich der Abgrenzungserfordernisse ("Rauchtabakerzeugnis" vs "rauchloses Tabakerzeugnis") in Auftrag gegeben. Auch insoweit besteht ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde.

b. Erstens ist schon nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Behörde Zweifel daran hat, dass es sich beim antragsgegenständlichen Tabakprodukt um ein rauchloses Tabakerzeugnis handelt. Dies umso mehr, als die belangte Behörde in einer Vorentscheidung aus 2019 andere Varianten von EHTP selbst als rauchlos eingestuft hat. Außerdem hat die Beschwerdeführerin in den mit dem Zulassungsantrag vorgelegten Unterlagen das Fehlen eines Verbrennungsprozesses und die Rauchlosigkeit des Tabakerzeugnisses umfassend dargelegt. Mit Eingabe vom 26.03.2020 hat die Beschwerdeführerin spezifisch zur tabakrechtlichen Klassifizierung von EHTP erneut Stellung genommen und dabei zwölf internationale, von anerkannten und renommierten Wissenschaftlern durchgeführte Studien zur Verfügung gestellt, die allesamt zum Ergebnis kommen, dass EHTP als "rauchlos" einzustufen ist. Schließlich ist auch wissenschaftlich kein Grund bekannt, die von der belangten Behörde im Vorverfahren vorgenommene Einstufung als rauchloses Tabakerzeugnis abzuändern (auf diesbezügliche Erkundigungen des Vertreters der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde lediglich auf ein wissenschaftliches „Poster“ verwiesen, das allerdings öffentlich nicht zugänglich ist und außerdem 2018 veröffentlicht wurde und von daher keinesfalls neue, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten in Frage stellende Erkenntnisse zum Inhalt hat. Es ist mit einer zügigen Verfahrensführung nicht vereinbar, ein Gutachten über eine wissenschaftlich nicht strittige Frage in Auftrag zu geben und damit die Sachentscheidung noch weiter hinauszögern, zumal auch nicht mit einer raschen Gutachtenserstellung gerechnet werden kann.

c. Zweitens hätte die belangte Behörde - wenn sie tatsächlich die Rauchlosigkeit des antragsgegenständlichen Produkts in Frage stellt - die Einholung eines entsprechenden Gutachtens zeitnah nach der Antragstellung veranlassen müssen. Die Behörde hat dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist. Hierzu gehört auch, dass die Behörde sich hinsichtlich des Verfahrensgegenstands und der sich stellenden Tat- und Rechtsfragen so rechtzeitig kundig macht, dass sie in der Lage ist, ohne schuldhafte Verzögerung die erforderlichen Ermittlungsschritte zu setzen und gegebenenfalls zeitnahe ein Gutachten in Auftrag zu geben. Diese Organisationspflicht hat die Behörde fallbezogen nicht eingehalten, wenn sie erst nach einem Jahr Überlegungen dahin anstellt, welche Bestimmungen des TNRSG überhaupt anwendbar sind (nämlich jene zu "rauchlosen Tabakerzeugnissen" oder jene zu "Rauchtabakerzeugnissen") und ob für die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen die Einholung eines Gutachtens notwendig ist. Außerdem ist es vor diesem Hintergrund befremdlich, dass die Behörde zwei umfangreiche Verbesserungsaufträge erteilt hat, wenn sie sich offenbar noch keine Gedanken dahin gemacht hat, welche Bestimmungen des TNRSG überhaupt zur Anwendung kommen sollen (dies bestätigt auch, dass die Behörde die Verbesserungsaufträge nicht dazu einsetzt, die entscheidungswesentlichen Unterlagen einzuholen, sondern ohne Rücksicht auf die konkret anwendbaren Gesetzesbestimmungen umfassende Unterlagen, Studien und Beweisführungen einfordert). Verschärfend kommt hinzu, dass die Behörde EHTP in einem abgeschlossenen Verfahren bereits zugelassen hat (BMASGK-.../2019) und insoweit mit dem Produkt und seiner rechtlichen Einordnung vertraut sein sollte.

d. Umgekehrt hat die Beschwerdeführerin ihrerseits schon mit dem verfahrenseinleitenden Antrag, welcher detaillierte Produktbeschreibungen, Studien, Publikationen etc enthielt, klar dargestellt, um welches Produkt es sich handelt und wie es funktioniert. Konkret hat die Beschwerdeführerin auch bereits mit dem Antrag und danach umfassende Unterlagen, Studien und Informationen über die Einordnung in anderen EU Mitgliedstaaten vorgelegt, die nachweisen, dass es sich bei EHTP um ein rauchloses Tabakerzeugnis handelt.

e. Hinzu kommt, dass sich die belangte Behörde hinsichtlich des Verfahrensstands - in einer auch für die Vertreterin der Beschwerdeführerin ungekannten Weise - intransparent gezeigt hat. Zunächst war schon bemerkenswert, dass Teile des Akts "im Hinblick auf die mögliche Beeinträchtigung des Verfahrens" gemäß § 17 Abs 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen wurden (vgl Beilage ./4). Im Zusammenhang mit der sodann offenbar in Aussicht genommenen Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde die Beschwerdeführerin - trotz mehrfacher Nachfragen - über Wochen darüber im Dunkeln gelassen, ob nun noch ein solches Gutachten eingeholt, welcher Gutachter damit beauftragt und wie die Gutachtensfrage formuliert werden soll. Die belangte Behörde hat sich diesbezüglich auf die angebliche Vertraulichkeit derartiger Informationen berufen sowie die Akteneinsicht verweigerte, "da sich diese Maßnahme des Ministeriums im Rahmen der behördlichen Entscheidungsfindung bewegt" (vgl Beilage .15). Bis heute hat die Beschwerdeführerin demzufolge keine Gewissheit über den genauen Status und Inhalt der Gutachtensbeauftragung.

f. Somit liegen auch in diesem Zusammenhang weder ein schuldhaftes Verhalten der Partei noch unüberwindliche Hindernisse für eine Sachentscheidung vor. Hingegen mutmaßt die Behörde substratlos und irrig, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Produkten um Rauchtabakerzeugnisse handeln könnte und führt durch einen nicht gerechtfertigten Gutachtensauftrag die damit verbundene (zusätzliche) Verfahrensverzögerung schuldhaft herbei. Zweitens ist auch - unter der Annahme, dass der Gutachtensauftrag gerechtfertigt wäre - nicht einsichtig, aus welchem Grund die Behörde nicht schon in einem früheren Verfahrensstadium ein Gutachten in Auftrag gegeben hat. Ein zeitlich derart langes Zuwarten ist mit einer zügigen Verfahrensführung nicht vereinbar. Indem die belangte Behörde mit dem Gutachtenauftrag bis lange nach Verstreichen der Entscheidungsfrist zugewartet hat, trifft sie das überwiegende Verschulden an der Verzögerung.

4.3. Diese Verzögerung hat erhebliche Auswirkungen auf die Beschwerdeführerin

a. Die Beschwerdeführerin hat der Behörde mehrfach mitgeteilt, dass die oben beschriebene Verzögerung der Verfahrenserledigung für die Beschwerdeführerin aus einer kommerziell-praktischen Warte äußerst problematisch ist und ebenso höflich wie dringlich um eine rasche stattgebende Erledigung des Antrags ersucht. Dennoch wurde der Antrag weiterhin nicht behandelt.

b. Die antragsgegenständlichen Produktvarianten sind nämlich bereits in sämtlichen anderen Mitgliedsstaaten der EU (wo erforderlich) zugelassen und in Vertrieb. Die derzeit in Österreich erhältlichen Varianten sind im EU-Raum nur noch in Österreich in Verkehr und müssen daher unter Anfall erhöhter Produktions- und Logistikkosten für den österreichischen Markt eigens hergestellt werden. Auch dies ist voraussichtlich nur noch zeitlich begrenzt möglich, sodass eine Situation droht, in der die derzeit am Markt erhältlichen EHTP, welche im Vergleich zu Zigaretten und anderen klassischen Tabakerzeugnissen erwiesenermaßen weniger gesundheitsschädlich sind, nicht mehr produziert und verfügbar sein werden. Dies wäre sowohl für die Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich, aber auch kommerziell für die Antragstellerin, welche im Zusammenhang mit dem Markteintritt erhebliche Investitionen getätigt hat, überaus nachteilig.“

In der Stellungnahme des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 16.8.2021 zur gegenständlichen Säumnisbeschwerde wird ausgeführt wie folgt:

„l.

Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz legt die Säumnisbeschwerde der A. Austria GmbH vom 17.5.2021, vertreten durch die B. Rechtsanwälte GmbH (in der Folge B.), betreffend den Antrag vom 11.5.2020 auf Zulassung von 5 Varianten eines neuartigen Tabakerzeugnisses (EHTP/C.) gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG zur weiteren do. Entscheidung vor.

Die Verfahrensakten samt Beilagen liegen nebst einem Aktenverzeichnis dieser Erledigung bei. Unter einem ergeht mit gegenständlichem ho. Schreiben eine bezugnehmende Stellungnahme/BMSGPK mit entsprechender Hintergrundinformation und einer ho. Bewertung zum Verfahren.

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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