Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18. Oktober 1994, Zl. Fr-170/94, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen eine Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (der belangten Behörde) vom 18. Oktober 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 9. März 1994, mit dem gegen den Beschwerdeführer die Ausweisung verfügt worden war, gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.
Nach zusammengefaßter Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sowie des Inhaltes der dagegen erhobenen Berufung führte die belangte Behörde begründend folgendes aus: Die Schwester des Beschwerdeführers habe dessen vormaligen Rechtsvertreter ersucht, ihn rechtsfreundlich zu vertreten. Wenn dieser die im fremdenpolizeilichen Verfahren notwendigen rechtlichen Schritte nicht gesetzt habe, so sei hiezu - entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - festzuhalten, daß das Verschulden des Rechtsanwaltes der Partei an der Versäumung eine Wiedereinsetzung nach § 71 AVG ausschließe. Der Ausweisungs-Bescheid sei dem Beschwerdeführer zugestellt worden; der Erhalt des Bescheides sei von ihm mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt worden. Folge man der in der Berufung vertretenen Ansicht, daß der Beschwerdeführer aufgrund der "psychisch stark beanspruchten Situation" in der Schubhaft keine Möglichkeit gehabt habe, ein Rechtsmittel zu ergreifen, so würde dies bedeuten, daß Fremden, die in Schubhaft genommen worden seien, ein Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt werden könnte. Da psychische Beanspruchungen nicht meßbar seien, könnte jeder Fremde später den Bescheid erfolgreich außer Kraft setzen bzw. die Berufungsfrist u.U. um ein beträchtliches Ausmaß "verlängern".
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Inhaltlich rechtswidrig ist der angefochtene Bescheid nach Auffassung des Beschwerdeführers deshalb, weil er nicht vom Inhalt des Ausweisungs-Bescheides in Kenntnis gesetzt worden sei, was, da er "kein Wort deutsch(spricht)", erforderlich gewesen wäre, er (deswegen) nicht gewußt habe, welche Bescheidbegründung er bekämpfen solle, und er darauf vertraut habe, daß sein vormaliger Rechtsvertreter auch die Vertretung im fremdenpolizeilichen Verfahren übernommen habe.
2.1. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde dem Beschwerdeführer anläßlich seiner im Beisein eines Dolmetschers durchgeführten Vernehmung vor der Erstbehörde abschließend zur Kenntnis gebracht, daß er, da er sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, ausgewiesen werde. Der Beschwerdeführer bestätigte mit seiner Unterschrift, "alles verstanden" zu haben (Niederschrift vom 9. März 1994 mit dem Vermerk: Ende der Amtshandlung um 16,45 Uhr). Angesichts dieses Sachverhaltes sowie der gleichfalls durch seine Unterschrift bestätigten eigenhändigen Übernahme des Ausweisungs-Bescheides durch den Beschwerdeführer um 16,55 Uhr, also lediglich zehn Minuten nach Beendigung seiner Einvernahme, hätte er jedenfalls - auch unter der Annahme des von ihm behaupteten Fehlens der Kenntnis der deutschen Sprache - den amtlichen (behördlichen) Charakter des ihm ausgehändigten Schriftstückes erkennen und sich aufgrund der im gegebenen Zusammenhang bestehenden Wahrscheinlichkeit damit verbundener rechtlicher Konsequenzen zumutbarerweise um Rechtsbeistand kümmern müssen.
2.2. Daß er aber letzteres getan hätte, ist der Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages (vom 26. April 1994) nicht zu entnehmen. Vielmehr ergibt sich daraus, daß ihm sein "vormaliger Rechtsvertreter" (Rechtsanwalt Dr. H) lediglich in dem ihn betreffenden Asylverfahren Rechtsbeistand leistete, er "im fremdenpolizeilichen Verfahren daher anwaltlich nicht vertreten (war)". Dies wird in der vorliegenden Beschwerde bestätigt, indem darauf hingewiesen wird, daß "Dr. H ... jedoch keine Vertretung im fremdenpolizeilichen Verfahren übernahm". Wenn der Beschwerdeführer ungeachtet dessen meint, er habe darauf vertrauen dürfen, auch im Ausweisungs-Verfahren von dem genannten Rechtsanwalt vertreten zu werden, so tut er nicht nachvollziehbar dar, worauf er dieses "Vertrauen" zu stützen vermochte. Sollte er es darauf gründen wollen, daß - wie im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht - seine Schwester Rechtsanwalt Dr. H ersucht habe, ihn "rechtlich zu vertreten", wäre ihm entgegenzuhalten, daß mit dieser Maßnahme nach den Umständen des Falles nicht in ausreichender Weise dem Erfordernis Rechnung getragen worden wäre, die zur Wahrung offenstehender Rechtsverfolgungsmöglichkeiten im Ausweisungs-Verfahren gebotenen Schritte zu setzen. Dazu hätte es in Anbetracht dessen, daß die Schwester des Beschwerdeführers offensichtlich aus eigenem Antrieb - daß ein Auftrag des Beschwerdeführers zugrunde lag, wurde von ihm nicht einmal behauptet - einen Rechtsanwalt "ersuchte", ihren Bruder "rechtlich zu vertreten", und damit offenblieb, auf welches der gegen ihn anhängigen Verfahren sich dieses "Ersuchen" bezog, jedenfalls der Kontaktnahme des Beschwerdeführers mit seiner Schwester oder dem Rechtsanwalt bedurft, um überhaupt das Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses sicherzustellen und gegebenenfalls dessen Umfang zu klären.
3. Darin, daß es der Beschwerdeführer verabsäumte, anläßlich der Zustellung (Übernahme) des Ausweisungs-Bescheides die (gerade) angesichts der von ihm ins Treffen geführten mangelnden Kenntnis der deutschen Sprache erforderlichen und auch zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung der ihm in diesem Verfahren offenstehenden Rechtsverfolgungsmöglichkeiten zu ergreifen, kann nicht bloß ein minderer Grad des Versehens i.S. des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG erblickt werden. Die belangte Behörde wies daher den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers im Ergebnis zu Recht ab.
4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994181076.X00Im RIS seit
20.11.2000