Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. Oktober 1994, Zl. Fr 2001/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Oktober 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 16. März 1992 zweimal wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG und mit Straferkenntnissen derselben Behörde vom 28. März 1994 und 13. April 1994 jeweils wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG bestraft worden sei, wobei sämtliche Bestrafungen in Rechtskraft erwachsen seien. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG - beim Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung handle es sich um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung i.S. dieser Bestimmung - verwirklicht. Dem im Jahr 1990 in das Bundesgebiet eingereisten Beschwerdeführer sei ein Sichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 19. Februar 1994 erteilt worden. Sein am 4. März 1994 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei gemäß § 6 Abs. 3 AufG zurückgewiesen worden. Er halte sich demnach seit 20. Februar 1994 nicht mehr rechtmäßig in Österreich auf. Die Rechtsordnung messe der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung paßrechtlicher (nunmehr fremdengesetzlicher) Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege (und damit die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG erfüllt seien).
Der seit dem Jahr 1990 im Bundesgebiet aufhältige Beschwerdeführer lebe gemeinsam mit seiner Schwester und deren beiden Kindern in einer Wohnung; er beteilige sich an den Mietkosten. Der Beschwerdeführer verfüge bis 19. Jänner 1996 über eine Arbeitsbewilligung; er sei sozial integriert. Dennoch sei die belangte Behörde der Ansicht, daß angesichts des hohen Stellenwertes der vom Beschwerdeführer übertretenen fremdengesetzlichen Vorschriften für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten (und daher nach § 19 FrG zulässig) sei. Die mehrfachen Verstöße des Beschwerdeführers gegen die österreichische Rechtsordnung rechtfertigten die Annahme, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eies Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wögen als die nicht unbeträchtlichen Auswirkungen dieser Maßnahme auf den privaten Bereich des Beschwerdeführers (§ 20 Abs. 1 FrG).
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Nach Auffassung der Beschwerde sei es nicht gerechtfertigt, die "bloßen Formaldelikte" der Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG und des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG durch den Beschwerdeführer als "schwerwiegende Verwaltungsübertretungen" i. S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG zu werten.
1.2. Soweit sich diese Meinung auf die zweimalige rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen § 64 Abs. 1 KFG bezieht, steht sie in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge - von der belangten Behörde zutreffend erkannt - das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrgesetz zählt und dementsprechend als "schwerwiegende Verwaltungsübertretung" i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG zu qualifizieren ist (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0474, vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0427, vom 4. Mai 1995, Zl. 94/18/0093, und vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0324). Soweit aber die Beschwerde einwendet, es handle sich bei den Übertretungen des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG (nicht rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet) nicht um "schwerwiegende" gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit., verkennt sie den insoweit eindeutigen Inhalt dieser Norm, wonach deren Tatbestand u.a. auch dann erfüllt ist, wenn ein Fremder "mehr als einmal wegen ... einer Übertretung dieses Bundesgesetzes" rechtskräftig bestraft worden ist. Die Frage einer "schwerwiegenden Verwaltungsübertretung" stellt sich somit in dieser Hinsicht nicht.
1.3. Die von der belangten Behörde auf der Basis des von ihr als wesentlich erachteten - unbestritten gebliebenen - Sachverhaltes vorgenommene rechtliche Beurteilung, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei, stößt nach den vorstehenden Ausführungen auf keine Bedenken.
2. Entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Ansicht ist auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Wenngleich dem Beschwerdeführer einzuräumen ist, daß die durch seine Verstöße gegen § 64 Abs. 1 KFG hervorgerufene Gefährdung der öffentlichen Ordnung aufgrund der von ihm am 17. Juni 1993 erworbenen Lenkerberechtigung weggefallen ist, so war von der belangten Behörde doch darauf Bedacht zu nehmen, daß das den beiden rechtskräftigen Bestrafungen wegen § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers und sein im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides nach wie vor unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) bewirken.
3. Ausgehend von der Annahme eines relevanten Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes hatte die belangte Behörde zu prüfen, ob diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK angeführten Ziele dringend geboten, mithin im Grunde des § 19 FrG zulässig sei. Sie hat dies zu Recht bejaht. Anders als der mit der Behauptung des Vorliegens "bloßer Formaldelikte" das Gegenteil vertretende Beschwerdeführer war von der belangten Behörde das Fehlverhalten des Beschwerdeführers als schwerwiegend zu werten. Dies vor allem im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer seinen seit 20. Februar 1994 unerlaubten Aufenthalt in Österreich ungeachtet des seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung negativ erledigenden - in Rechtskraft erwachsenen - Bescheides der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 7. März 1994 (erlassen am 11. März 1994) und auch ungeachtet des daraufhin mit Schreiben derselben Behörde vom 5. April 1994 (zugestellt am 8. April 1994) ergangenen Hinweises, daß er, sollte er das Bundesgebiet nicht verlassen, "mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung zu rechnen" habe, nicht beendet, sich vielmehr auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Bundesgebiet aufgehalten hat. Die sich in diesem Sachverhalt manifestierende Hartnäckigkeit des Beschwerdeführers, sich über für ihn (als Fremden) maßgebliche Rechtsnormen bewußt hinwegzusetzen, ließ die belangte Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gelangen, daß die Aufrechterhaltung der Ordnung im Bereich des Fremdenwesens die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes notwendig mache.
4. Unter Zugrundelegung dieses gewichtigen öffentlichen Interesses ist auch die von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Abwägung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Denn wenngleich die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf seine privaten und familiären Beziehungen nicht unbeträchtlich sind und von der belangten Behörde auch so gewertet wurden, sind sie doch nicht schwerer zu gewichten als jenes öffentliche Interesse bzw. die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Dies deshalb, weil der vierjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich hinsichtlich seiner Bedeutung im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessen durch seine Unrechtmäßigkeit während der letzten acht Monate vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine nicht unerhebliche Minderung erfährt; weil der solcherart gekennzeichnete Aufenthalt noch kein hohes Ausmaß an Integration begründet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0173); weil nicht unberücksichtigt bleiben darf, daß die für eine Integration mitbedeutsame Beschäftigung des Beschwerdeführers zwar auf einer Arbeitserlaubnis beruht, ab 20. Februar 1994 jedoch in die Zeit eines unrechtmäßigen Aufenthaltes fällt; weil für die familiäre Bindung des Beschwerdeführers (Zusammenleben mit der Schwester im Familienverband) nicht außer acht gelassen werden darf, daß er bereits erwachsen ist; schließlich, weil die vom Beschwerdeführer behauptete finanzielle Unterstützung seiner Schwester und deren Kinder auch vom Ausland aus geleistet werden kann.
5. Da nach dem Gesagten dem bekämpften Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994181117.X00Im RIS seit
20.11.2000