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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags. Im vorliegenden Fall, in dem der rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft den undeutlichen Fristvermerk zwar kontrollierte, aber nicht beanstandete, und überdies die mit der Terminsverwaltung betraute Sekretärin ihre eigene Schrift falsch las, kann von einem minderen Grad des Versehens keine Rede sein. Dem Vertreter ist zur Last zu legen, daß er die Kanzleikraft nur aufgefordert hat, das Ende der Beschwerdefrist im Terminkalender einzutragen, ohne darauf zu achten, daß die am Aktenstück laut seinem eigenen Vorbringen undeutlich vermerkte Frist unmißverständlich und eindeutig lesbar ist. Der Sekretärin wiederum hätte, zumal ihr schon einmal bei Vermerken dieser konkreten Frist ein Fehler unterlaufen war, bei gehöriger Aufmerksamkeit bei Übertragung der Frist in den Terminkalender der Fehler nicht unterlaufen dürfen.Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung hat mit Berufungsbescheid vom 10. August 1993 (dem Rechtsanwalt der beschwerdeführenden Gesellschaft zugestellt am 20. August 1993) dem Rechtserwerb von Miteigentumsanteilen an einer Liegenschaft in Reutte durch einen ausländischen Verein ihre Zustimmung versagt.
2. Diesen Bescheid bekämpft die beschwerdeführende Gesellschaft mit ihrer auf Art144 B-VG gestützten, am 7. Oktober 1993 zur Post gegebenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Sie verbindet damit einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist und führt dazu aus, daß in der Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin die Eintragung der Termine derart geregelt sei, daß ein Vermerk über das Fristende auf dem jeweiligen Aktenstück durch die mit der Terminsverwaltung betraute Sekretärin, die seit 13 Jahren in der Kanzlei arbeite und sich durch ihre Verläßlichkeit und Genauigkeit einen ausgezeichneten Ruf erworben habe, angebracht werde. Diese Frist überprüfe der Rechtsanwalt und erteile der Sekretärin sodann Anweisung, dieselbe im Terminkalender einzutragen. Die Tatsache der erfolgten Eintragung im Kalender werde dadurch dokumentiert, daß beim Vermerk auf dem Aktenstück ein Haken oder ein sonstiges Zeichen der Sekretärin angebracht werde. Der Rechtsanwalt überprüfe zudem regelmäßig - bei etwa der Hälfte der Fristen - die Eintragungen im Terminkalender. In der Kanzlei würden Terminsachen üblicherweise zwei bis drei Tage vor Ende der Frist vorgelegt. Im konkreten Fall sei aufgrund eines "Schreibfehlers" der mit der Terminsverwaltung betrauten Sekretärin des Rechtsanwaltes die mit 1. Oktober 1993 richtig berechnete und vom Rechtsanwalt überprüfte Frist zur Einbringung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde undeutlich am bekämpften Bescheid vermerkt und in der Folge das Fristende versehentlich mit 7. Oktober 1993 im Terminkalender eingetragen worden. Der Rechtsanwalt habe sich sodann nur darüber vergewissert, daß das Fristende im Terminkalender eingetragen worden sei, nicht aber die Eintragung selbst überprüft. Bei Vorlage der Terminsache zur weiteren Bearbeitung am 4. Oktober 1993 sei der Irrtum aufgefallen.
3.1. Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gleiches gilt für Verschulden von Kanzleikräften (§39 ZPO, vgl. etwa VfSlg. 12372/1990).
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).
3.2. Im vorliegenden Fall, in dem der rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft den undeutlichen Fristvermerk zwar kontrollierte, aber nicht beanstandete, und überdies die mit der Terminsverwaltung betraute Sekretärin ihre eigene Schrift falsch las, kann von einem minderen Grad des Versehens keine Rede sein. Dem Vertreter ist zur Last zu legen, daß er die Kanzleikraft nur aufgefordert hat, das Ende der Beschwerdefrist im Terminkalender einzutragen, ohne darauf zu achten, daß die am Aktenstück laut seinem eigenen Vorbringen undeutlich vermerkte Frist unmißverständlich und eindeutig lesbar ist. Der Sekretärin wiederum hätte, zumal ihr schon einmal bei Vermerken dieser konkreten Frist ein Fehler unterlaufen war, bei gehöriger Aufmerksamkeit bei Übertragung der Frist in den Terminkalender der Fehler nicht unterlaufen dürfen. Als Wiedereinsetzungsgrund kann aber nur ein Ereignis in Betracht kommen, das den Anwalt und seine Kanzleikraft ohne ihr Verschulden oder wegen eines Versehens minderen Grades hindert, die Frist einzuhalten (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 12369/1990, VfGH 15.6.1993, B628/93). Ein derartiger Grund liegt angesichts des geschilderten Sachverhaltes hier nicht vor.
Der Antrag war daher wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung abzuweisen (§35 VerfGG 1953 iVm. §§146 ff. ZPO).
4. Aus den angeführten Gründen erweist sich die am 7. Oktober 1993 zur Post gegebene Beschwerde als verspätet; sie war daher zurückzuweisen.
5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33, zweiter Satz, und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B1748.1993Dokumentnummer
JFT_10068870_93B01748_00