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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Dezember 1993, Zl. SD 797/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. Dezember 1993 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 Fremdengesetz (FrG), BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.
Begründend führte die belangte Behörde aus, als bestimmte Tatsache im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG habe gemäß Abs. 2 Z. 7 leg. cit. zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermöge. Auf diese Bestimmung stütze sich im wesentlichen der erstinstanzliche Bescheid. Der Beschwerdeführer habe angegeben, von der Caritas nicht genug zu erhalten, um damit auszukommen, und daß er deshalb Bilder, die er von einem Händler in Wien übernommen habe, verkaufe. Neuerlich zum Nachweis des Besitzes der Mittel zum Unterhalt verhalten, habe er sich dahingehend geäußert, daß er über keinerlei Barmittel verfüge; eine legale Beschäftigung habe er nicht ausgeübt; er werde von seiner Gattin - einer österreichischen Staatsbürgerin - unterstützt. Seine Gattin sei Medizinstudentin und habe derzeit kein Einkommen; beide würden von ihren Ersparnissen leben. Damit habe der Beschwerdeführer in keiner Weise den Nachweis erbracht, daß und über welche Mittel zur Finanzierung seines Unterhaltes er verfüge und vor allem auch nicht, daß er über die für einen längerfristigen Aufenthalt ausreichenden Mittel verfüge. Für das Fehlen dieser Mittel spreche auch der Umstand, daß er bzw. seine Gattin auf die Unterstützung von Verwandten angewiesen sei, wobei er auch diesbezüglich keinerlei Nachweise hinsichtlich der Unterstützungsmöglichkeit seitens dieser Verwandten und eines Unterstützungsanspruches seinerseits erbracht habe. Zum Nachweis des Besitzes der Mittel zum Unterhalt wäre er aber von sich aus (initiativ) verpflichtet gewesen. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG - die Ausnahmebestimmung hinsichtlich eines in der Vergangenheit bestandenen Beschäftigungsverhältnisses liege nicht vor - gegeben. Mit der Erfüllung eines der im § 18 Abs. 2 FrG genannten Tatbestände lägen aber Tatsachen vor, die die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten. In einem solchen Fall sei ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, sofern nicht die §§ 19 oder 20 FrG entgegenstünden.
Der Beschwerdeführer sei am 7. Juli 1993 mit einem bis August 1993 gültigen Touristensichtvermerk aus Nigeria nach Österreich eingereist. Sein Asylantrag sei rechtskräftig abgewiesen worden. Er halte sich im Hinblick auf sein offensichtlich nicht den Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 entsprechendes Asylansuchen seit Ablauf seines Touristensichtvermerkes und jedenfalls auch seit der rechtskräftigen Ablehnung des Asylantrages (Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Oktober 1993) unerlaubt in Österreich auf. Während dieses unerlaubten Aufenthaltes habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Im Hinblick auf seinen kurzen, noch dazu illegalen Aufenthalt in Österreich, während dem er die Ehe geschlossen habe, könne von einem (relevanten) Eingriff in sein Privat- und Familienleben nicht gesprochen werden. Jedenfalls sei der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff "im Interesse der Verteidigung der Ordnung, d. h. eines geordneten Fremdenwesens" notwendig, weil der Beschwerdeführer anders nicht gewillt erscheine, seinen illegalen Aufenthalt zu beenden. Aus den angeführten Gründen komme auch den Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin gegenüber den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes "keine Relevanz zu".
Für die vorliegende Entscheidung seien weder die Motive für die Eheschließung des Beschwerdeführers noch der Verdacht auf Vorliegen eines Suchtgiftdeliktes maßgebend. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde gegen den Asylbescheid käme keine Relevanz zu, weil das Fremdengesetz gemäß § 9 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 hinsichtlich der §§ 18 ff über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes selbst auf Flüchtlinge, die Asyl haben, sowie auf Asylwerber, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung haben, Anwendung finde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermöge, bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe übersehen, daß der Unterhaltsanspruch seiner Ehegattin gegenüber ihren der Eheschließung zustimmenden Eltern aufrecht bestehe und es daher nicht allein auf die Frage ankomme, ob seine Ehegattin ein eigenes Erwerbseinkommen beziehe, sondern auch darauf, ob ihr auch Mittel in jener Höhe und mit jener Regelmäßigkeit zur Verfügung stünden, die die Abdeckung der gemeinschaftlichen Lebensbedürfnisse sicherten.
Im Hinblick auf die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde ist dem Beschwerdeführer der von ihm initiativ zu erbringende (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0289, u.a.) Nachweis für den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht gelungen. Der Hinweis auf eine Unterstützung durch seine studierende und einkommenslose Ehegattin reicht für den genannten Nachweis keinesfalls aus. Er brachte auch nicht vor, daß seine Gattin über bestimmte ausreichende Ersparnisse verfüge, von denen beide leben könnten. Er legte auch nicht dar, daß seine Gattin von ihren Eltern so ausreichend versorgt würde, daß auch sein Unterhalt gesichert wäre. Mangels konkreter Vermögensangaben reicht der Hinweis des Beschwerdeführers, gemeinsam mit seiner Gattin nach der Eheschließung eine "selbständige Wohnung" gemietet zu haben, für den Nachweis, über ausreichende Mittel zu seinem Unterhalt zu verfügen, nicht aus.
Weiters führt der Beschwerdeführer aus, die belangte Behörde hätte darauf Bedacht nehmen müssen, daß er mit Rücksicht auf den aufrechten Bestand einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin Anspruch auf die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe und bei entsprechender Arbeitswilligkeit seinerseits davon ausgegangen werden könne, daß er jedenfalls in naher Zukunft durch eine seiner bisherigen beruflichen Ausbildung als Pharmazeut entsprechende Berufstätigkeit in angemessenem Maß zur Deckung der gemeinsamen Unterhaltsbedürfnisse werde beitragen können. Mit diesem Vorbringen gesteht der Beschwerdeführer zu, daß sein Einkommen von einem zukünftigen ungewissen Umstand abhängt. Der Beschwerdeführer erbringt einen Nachweis weder für seine Arbeitswilligkeit noch für eine zukünftige berufliche Tätigkeit.
Der Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer im Grunde des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermöge - die dort angeführte Ausnahmebestimmung liegt nicht vor -, kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Daran ändert nichts, daß die belangte Behörde - wie vom Beschwerdeführer aufgezeigt - die Unterhaltsberechtigung seiner Gattin als "Unterstützung" bezeichnet hat.
2. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß sein Aufenthalt im Gebiet der Republik Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Grunde des § 18 Abs. 1 leg. cit. gefährde, bringt der Beschwerdeführer vor, aus der Begründung des angefochtenen Bescheides sei nicht zu entnehmen, durch welche konkreten Tatsachen diese Annahme gerechtfertigt sei. Es sei in keiner Weise zum Vorschein gekommen, daß er irgendwelche Handlungen gesetzt hätte, welche die Sicherheit der Republik Österreich sowie die Ruhe und Ordnung in irgendeiner Weise gefährden könnten. Soweit die belangte Behörde daher auf die genannte Bestimmung verweise, liege lediglich ein Zitat des Gesetzeswortlautes, keineswegs aber ein materielles Substrat vor.
Durch die - zweifellos sehr knappe - diesbezügliche Begründung im angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Mittellosigkeit eines Fremden im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt eine ausreichende Grundlage für das Gerechtfertigtsein der im § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme dar (vgl. das Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0212, 206, m.w.N.). Dazu kommt, daß im vorliegenden Fall diese Annahme durch die - vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogene - Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes in Österreich erheblich verstärkt wird.
3. Erkennbar im Hinblick auf § 19 FrG verweist der Beschwerdeführer auf einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in familienrechtliche Beziehungen mit dem Vorbringen, der Schutz von Familie und Ehe sei ein besonderes Anliegen des Verfassungsgesetzgebers und der Beschwerdeführer werde durch das Aufenthaltsverbot an einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft während eines Zeitraumes gehindert, welcher nach den Bestimmungen des Ehegesetzes bereits ausreiche, auch ohne Verschulden der Ehegatten eine unheilbare Zerrüttung der Ehe als gegeben anzunehmen.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß - unter der Annahme, es liege ein im Grunde des § 19 leg. cit. verbundener relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers vor - der belangten Behörde beizupflichten ist, daß das Aufenthaltsverbot im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultierende Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen sowie einer finanziellen Belastung der Republik Österreich und auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0518).
Im Hinblick darauf, daß die familiäre Situation des Beschwerdeführers erst kurz vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes und überdies zu einem Zeitpunkt geschaffen wurde, zu dem er sich unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hat, können die familiären Interessen nicht mit großem Gewicht veranschlagt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 95/18/1197). Von daher gesehen ist nicht zu erkennen, daß dem genannten öffentlichen Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegende private Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstünden (§ 20 Abs. 1 FrG).
4. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, daß durch die Unterlassung einer Befragung seiner Ehefrau wesentliche Umstände und Tatsachen nicht festgestellt worden seien. Konkret meint der Beschwerdeführer, daß in einem ordnungsgemäßen Verfahren zum Vorschein gekommen wäre, daß seine Eheschließung keineswegs nur im Hinblick auf die Erwirkung seines weiteren Verbleibes in Österreich erfolgt sei und der ursprünglich gehegte Verdacht, daß er sich in der Suchtgiftszene betätige, in jeder Hinsicht unbegründet gewesen sei.
Dem ist zu entgegnen, daß diesen Behauptungen die rechtliche Relevanz mangelt. Das genannte öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer ist unabhängig davon gegeben, ob er sich in der Suchtgiftszene "betätige" und es wurde ihm auch nicht zur Last gelegt, die Ehe zur Erwirkung seines weiteren Verbleibes in Österreich geschlossen zu haben.
Bei seinem weiteren Vorbringen, seine Ehefrau sei bereit, ihr Studium zur Aufnahme einer Berufstätigkeit und damit zur "weiteren und unabhängigen Sicherung" des gemeinsamen Unterhaltes so lange zu unterbrechen, bis er durch eine eigene Erwerbstätigkeit zum Familienunterhalt in ausreichendem Maße beitragen könne, handelt es sich um eine im Verwaltungsgerichtshofverfahren unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Letztlich wäre nach Ansicht des Beschwerdeführers "in einem ordnungsgemäßen Verfahren" hervorgekommen, daß die Eltern seiner Ehefrau gegen diese Eheschließung nicht nur keine Einwendungen erhoben, sondern sich auch bereit erklärt hätten, ihrer Tochter und auch ihm eine entsprechende Hausstandsgründung zu ermöglichen und auch - soweit erforderlich - die notwendigen Mittel für den gemeinsamen Unterhalt zur Verfügung zu stellen.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß eine gesetzliche Verpflichtung der Eltern der Gattin des Beschwerdeführers zur Unterhaltsgewährung gegenüber dem Beschwerdeführer nicht besteht und daher eine unbestimmte Erklärung, "die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen" nicht ausreicht, um im Grunde des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG die erforderlichen Mittel nachzuweisen. Das Bestehen einer - rechtlich bindenden - Verpflichtungserklärung seiner Schwiegereltern wird vom Beschwerdeführer jedoch nicht einmal behauptet, ebensowenig - wie zu II.1. ausgeführt - eine ausreichende tatsächliche Unterstützung durch seine Schwiegereltern. Auch hier mangelt der Verfahrensrüge daher die rechtliche Relevanz.
5. Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Durchführung einer Verhandlung Abstand genommen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994180083.X00Im RIS seit
20.11.2000