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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. November 2021, W150 2162056-1/18E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: O Y), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, sohin in Spruchpunkt A) Spruchteil 1) und 2), soweit damit der Mitbeteiligten der Status der Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt wurde, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Sohn - alle syrische Staatsangehörige - nach Österreich und stellte am 28. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend stützte sie sich auf das Fluchtvorbringen des Ehemannes, wonach dieser von der syrischen Regierung entführt und eingesperrt worden sei.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. Mai 2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab, erkannte der Mitbeteiligten den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres.
3 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
4 Im Mai 2020 wurde die Ehe zwischen der Mitbeteiligten und ihrem Ehemann einvernehmlich geschieden.
5 Mit Erkenntnis vom 2. November 2021 gab das BVwG der Beschwerde statt, erkannte der Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
6 Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - aus, dass die Mitbeteiligte einen gemeinsamen Sohn mit ihrem mittlerweile geschiedenen in Österreich asylberechtigten Ehegatten habe. Da dem Kindsvater der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, sei dieser auch auf den Sohn zu übertragen gewesen. Der Mitbeteiligten sei der Status ihres Sohnes zu übertragen, weil sie als dessen Mutter auch dessen gesetzliche Vertreterin sei.
7 Dagegen richtet sich die gegenständliche Revision des BFA, welche zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass die Bestimmungen gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten selbst im Rahmen eines Familienverfahrens zuerkannt worden sei, nicht anwendbar seien. Ein Fremder, der seinen Status nicht originär erhalten habe, sondern selbst nur im Rahmen eines Familienverfahrens durch die Schutzgewährung zugunsten eines Angehörigen in den Genuss dieser Berechtigung gelangt sei, könne diesen Status nicht im weiteren Familienverfahren weitergeben. Da der Sohn der Mitbeteiligten den eigenen Schutzstatus von seinem Vater abgeleitet habe, seien die Bestimmungen des Familienverfahrens auf die Mitbeteiligte nicht anwendbar.
8 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig und begründet.
11 Gegenständlich ist dem BVwG bei der Beurteilung, ob der Mitbeteiligten aufgrund der Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen ist, ein maßgeblicher Fehler unterlaufen.
12 Der in § 34 AsylG 2005 verwendete Begriff des Familienangehörigen ist - anders als etwa bei der Anwendung des § 35 AsylG 2005, der in seinem Abs. 5 festlegt, wer nach dieser Bestimmung als Familienangehöriger anzusehen ist - im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen (vgl. VwGH 14.9.2022, Ra 2022/20/0191, mwN).
13 Bei der Mitbeteiligten handelt es sich - wie seitens des BVwG im Ergebnis zutreffend festgestellt worden ist - im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005 um einen Elternteil eines minderjährigen Asylberechtigten. Bezugnehmend auf die Bestimmungen des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 führte das BVwG aus, dass dem Sohn der Mitbeteiligten der Status des Asylberechtigten nach seinem asylberechtigten Vater - dem zwischenzeitlich geschiedenen Ehemann der Mitbeteiligten weshalb sie nicht mehr als dessen „Familienangehörige“ anzusehen ist (vgl. etwa VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040, mwN) - zu übertragen war.
14 Das BVwG verkennt damit jedoch, dass in diesem Fall die Bestimmung des § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 maßgeblich ist und einer Zuerkennung des Status der Asylberechtigten im Familienverfahren entgegensteht.
15 § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 sieht vor, dass die Bestimmungen dieses Abschnitts - sohin des aus § 34 und § 35 bestehenden 4. Abschnittes des 4. Hauptstückes des AsylG 2005 über das Familienverfahren - nicht auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, anzuwenden sind, es sei denn, es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind. Damit soll verhindert werden, dass es zu sogenannten „Ketten-Familienverfahren“ und damit über verschiedene Familienverhältnisse vermittelte Gewährungen von Asyl oder subsidiären Schutz kommt, ohne dass oftmals noch ein relevanter familiärer Bezug zum ursprünglichen Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten besteht (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2018/20/0031, mwN samt Hinweis auf die Materialien zu § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005).
16 Nach dem Gesagten war es beim vorliegenden Sachverhalt aber unzulässig, der Mitbeteiligten den Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 als Mutter ihres minderjährigen asylberechtigten Kindes zuzuerkennen (vgl. zu dem Ganzen erneut VwGH 14.9.2022, Ra 2022/20/0191; 14.9.2022, Ra 2022/20/0195, mwN). Dass der Revisionswerberin (weiterhin) die gesetzliche Vertretung für ihr Kind zukommt, was vom BVwG als Argument für die Übertragung des Schutzes auf sie herangezogen wird, erweist sich als rechtlich irrelevant und ändert am Ergebnis nichts.
17 Da das BVwG das angefochtene Erkenntnis sohin mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat, war es aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 5. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021180409.L00Im RIS seit
09.01.2023Zuletzt aktualisiert am
09.01.2023