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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag NiederösterreichNorm
BauO NÖ 1996 §11 Abs5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der revisionswerbenden Partei D GmbH in T, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 8. Juli 2022, LVwG-AV-992/001-2021, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg; mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 20. April 2021 wurde der Revisionswerberin gemäß § 1 NÖ Bau-Übertragungsverordnung 2017 und § 23 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) die baubehördliche Bewilligung für das Bauvorhaben „Errichtung und Betrieb einer mobilen Betonmischanlage inkl. Anlagenteile und Infrastruktur“ auf einem näher bezeichneten Grundstück der Katastralgemeinde X erteilt.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis statt und wies den Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung der Baubewilligung ab. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit für die Frage der Zulässigkeit der Revision relevant - aus, es sei im Kreuzungsbereich einer näher bezeichneten Landesstraße und der zum geplanten Betrieb führenden S Straße mit Begegnungsverkehr zu rechnen. Dafür seien an der Kreuzung keine ausreichenden Aufstellflächen für LKW vorhanden. Ein auf die Ausfahrt wartender LKW würde einen Vorrangverzicht eines Fahrzeuges auf der Landesstraße erzwingen, was zu unklaren Situationen führen würde. Die S Straße sei im derzeitigen Ausbauzustand für die Erschließung des Bauvorhabens nicht ausreichend ausgebaut. Die Fahrbahn der S Straße liege auf dem als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeten Grundstück der Mitbeteiligten. Die Fläche dieses Grundstücks wäre breit genug, um die Fahrbahn für den Begegnungsfall von LKW zu verbreitern. Seitens der Mitbeteiligten sei keine Verbreiterung der Fahrbahn beabsichtigt.
4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, gemäß § 13 Abs. 1 NÖ BO 2014 dürfe auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 leg.cit., der an eine im Flächenwidmungsplan vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenze, eine Baubewilligung nicht erteilt werden (Bauverbot), solange diese Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspreche. Abzustellen sei dabei auf die tatsächliche Ausgestaltung der öffentlichen Verkehrsfläche und auf das zu erwartende Verkehrsaufkommen (Verweis auf VwGH 28.9.2010, 2009/05/0198). Eine alternative Möglichkeit der Erschließung im Sinn des § 13 Abs. 1 zweiter Satz NÖ BO 2014 (Fahr- und Leitungsrecht, private Verkehrsfläche, die mit einer anderen öffentlichen Verkehrsfläche verbunden ist, die den Verkehrserfordernissen entspricht) sei von der Revisionswerberin verneint worden. Die S Straße bzw. deren Anbindung an das Straßennetz entspreche nicht den vom beantragten Projekt zu erwartenden Verkehrserfordernissen; daher liege ein Bauverbot gemäß § 13 Abs. 1 NÖ BO 2014 vor.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst fehlende höchstgerichtliche Rechtsprechung zu unterschiedlichen Fragen in Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 NÖ BO 2014 geltend macht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Mit ihrem eingangs erstatteten Vorbringen zu einer Verletzung des aus Art. 1 und Art. 18 B-VG abgeleiteten Rechtsstaatsprinzips und der Frage, ob ein Bauverbot verfassungswidrige Folgen nach sich ziehen könne, macht die Revisionswerberin verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geltend, gegen die das Verwaltungsgericht verstoßen hätte. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte bildet gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG die Prozessvoraussetzung für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen, ihre Verletzung zu prüfen (vgl. etwa VwGH 1.2.2022, Ra 2021/05/0192 bis 0202, mwN).
10 Mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen zu einem pflichtwidrigen Handeln der verantwortlichen Straßenerhalterin mangels widmungsentsprechenden Straßenausbaus vermag die Revision ebenso keine Rechtsfrage darzutun, die vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen wäre, denn das Vorgehen der Straßenerhalterin ist nicht vom Prüfgegenstand des gegenständlichen Bauverfahrens umfasst.
11 Die Revision macht in dem Zusammenhang auch eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung geltend, weil das Verwaltungsgericht als Zweck der Bestimmung des § 13 Abs. 1 NÖ BO 2014 unter anderem die Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen herangezogen habe. Damit hat es aber nur das auch vom Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung entwickelte Berücksichtigungsgebot beachtet, wonach es dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft verboten ist, die vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelungen damit zu unterlaufen (vgl. VwGH 24.6.2020, Ra 2019/05/0016, mit Verweis auf VfSlg. 10.292/1984). In dem Sinne kann die Zulässigkeit der Revision mit diesem Vorbringen nicht dargetan werden.
12 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin wurde die von ihr weiters als von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfene Frage, wie der Begriff „Verkehrsfläche“ gemäß § 13 Abs. 1 NÖ BO 2014 zu verstehen sei, vom Verwaltungsgerichtshof bereits beantwortet. Mit der Novelle zur NÖ BO 2014 wurden die Vorgängerbestimmungen zum Bauverbot (§ 11 Abs. 5 und § 49 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 [NÖ BauO 1996] in § 13 NÖ BO 2014 übernommen, sodass die zur NÖ BauO 1996 in dieser Frage ergangene Rechtsprechung auf § 13 NÖ BO 2014 übertragbar ist (vgl. auch Motivenbericht zur Einführung der NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 1/2015, Ltg. -477/B-23/2-2014, 13). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht daher auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 2010, 2009/05/0198, verwiesen, in dem eine Auseinandersetzung mit einer der Aufschließung eines Bauplatzes dienenden Verkehrsfläche erfolgte. Demnach bestehe unter anderem dann ein Bauverbot, wenn der bestehenden Widmung der tatsächliche Ausbauzustand dieser Straße in der Natur nicht entspreche. Der Begriff „Verkehrsfläche“ wurde somit höchstgerichtlich bereits ausgelegt. Dass diese Judikatur auf den hier zu beurteilenden Fall nicht übertragbar wäre - wie von der Revision behauptet - ist nicht ersichtlich. Das genannte Erkenntnis stellt explizit darauf ab, dass die fragliche Straße „derzeit“ nicht den Verkehrserfordernissen entspreche. Die Auslegung der Bestimmung, die die Revisionswerberin in Zweifel zieht, hat der Verwaltungsgerichtshof somit bereits vorgenommen. Im Übrigen stellte bereits der dem geltenden § 13 Abs. 1 NÖ BO 2014 insoweit gleich gelagerte § 20 NÖ BauO 1976 in Bezug auf die „Verkehrserfordernisse“ auf das betreffende Bauvorhaben ab (s. Hauer/Zaussinger/Kraemmer, NÖ Bauordnung4 (1993) S 144). Eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nicht vor, wenn diese durch zu früheren Rechtslagen ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde (vgl. VwGH 23.5.2017, Ra 2017/05/0074).
13 Zum Vorbringen der Revisionswerberin im Zusammenhang mit den Feststellungen zur Verkehrsabwicklung im Kreuzungsbereich, die auf dem Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik samt Ortsaugenschein beruhen, ist zunächst festzuhalten, dass die Würdigung eines Sachverständigengutachtens, und damit auch die Frage, ob ein Verwaltungsgericht einem Gutachten folgt oder nicht, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Teil der Beweiswürdigung ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 20.4.2022, Ra 2020/06/0157, mwN). Dies vermag die Revision mit ihrem Verweis auf Rechtsprechung zur Mindestbreite eines Fahrstreifens bei geradem Straßenverlauf und die Aussage eines, wenn auch fachkundigen, Zeugen ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Amtssachverständigen nicht aufzuzeigen.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 13. Dezember 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050155.L00Im RIS seit
09.01.2023Zuletzt aktualisiert am
09.01.2023