TE Vwgh Beschluss 2022/12/14 Ra 2022/19/0296

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Veröffentlicht am 14.12.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2
  1. AVG § 69 heute
  2. AVG § 69 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 69 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. AVG § 69 gültig von 01.01.1999 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  5. AVG § 69 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des T H, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2022, W215 2184077-2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Usbekistans. Am 22. Juni 2016 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

2        Mit Erkenntnis vom 28. Februar 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - im Beschwerdeverfahren - den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Usbekistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Zur Nichtgewährung des Status des Asylberechtigten führte das BVwG begründend aus, dass der Revisionswerber eine Verfolgung durch den usbekischen Sicherheitsdienst nicht glaubhaft gemacht habe. Dass der Revisionswerber die Partei ERK unterstütze oder politisch interessiert gewesen sei, habe nicht festgestellt werden können, ebenso wenig, dass dem Revisionswerber Verfolgung wegen illegaler Ausreise aus Usbekistan drohe.

4        Mit Schreiben vom 2. Mai 2022 beantragte der Revisionswerber die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 28. Februar 2022 abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Begründend wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Revisionswerber am 19. April 2022 wegen einer akuten suizidalen Krise - ausgelöst durch die drohende Abschiebung des Revisionswerbers - stationär im Krankenhaus aufgenommen habe werden müssen. Dies bestätige ein am 29. April 2022 ausgestellter Kurzarztbrief. Es sei daher davon auszugehen, dass das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers - entgegen der Annahme des BVwG - der Wahrheit entspreche. Hätte das BVwG vor Erlassen des Erkenntnisses von diesen Umständen gewusst, hätte es dem Revisionswerber internationalen Schutz gewähren müssen.

5        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BVwG den Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 28. Februar 2022 abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

6        Begründend führte das BVwG aus, dass der im Kurzarztbrief vom 29. April 2022 beschriebene Gesundheitszustand des Revisionswerbers selbst dann, wenn dieser bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses vom 28. Februar 2022 vorgelegen wäre, zu keiner im Hauptinhalt des Spruchs anders lautenden Entscheidung geführt hätte. Der Revisionswerber sei ohne Hinweise auf akute Selbst- oder Fremdgefährdung entlassen worden und befinde sich nicht in stationärer Behandlung. Da auch nicht davon auszugehen sei, dass er nicht reisefähig sei, stehe der Gesundheitszustand des Revisionswerbers seiner Abschiebung nicht entgegen.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG begründe seine Abweisung des Wiederaufnahmeantrags lediglich damit, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers keine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde, verkenne dabei jedoch, dass die akute Suizidalität des Revisionswerbers als nachträglicher Beweis dafür vorgebracht worden sei, dass das durch den Revisionswerber erstattete Fluchtvorbringen - unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen zum politischen System in Usbekistan - der Wahrheit entspreche. Es habe daher wesentliches Parteivorbringen übergangen.

11       Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens unter anderem dann stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten. Dieser Wiederaufnahmegrund ist § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nachgebildet, sodass zu dessen Auslegung auf das bisherige Verständnis zum Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG zurückgegriffen werden kann. (vgl. VwGH 3.12.2021, Ra 2020/07/0069; VwGH 5.2.2021, Ra 2020/19/0432, mwN).

12       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; Gleiches gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf „alte“ - das heißt nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. VwGH 9.3.2020, Ra 2019/12/0005, mwN).

13       Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0510, mwN).

14       Die Beurteilung, ob im Wiederaufnahmeantrag die Gründe für die Wiederaufnahme konkretisiert und schlüssig dargelegt wurden und ob Tatsachen vorgebracht werden, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einer anderen Entscheidung geführt hätten, ist als Einzelfallbeurteilung in der Regel nicht revisibel, solange das Verwaltungsgericht nicht von den Leitlinien der hg. Rechtsprechung abgewichen ist (vgl. VwGH 22.10.2020, Ra 2018/11/0126). Ein solches Abweichen zeigt die Revision nicht auf.

15       Das BVwG ging im Ergebnis davon aus, dass das im Wiederaufnahmeantrag erstattete Vorbringen gemeinsam mit dem vorgelegten Kurzarztbrief nicht geeignet war, ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis zu begründen. Ausgehend von der vorgenannten Rechtsprechung wird eine Zulässigkeit der vorliegenden Revision, die im Wesentlichen das Vorbringen des Wiederaufnahmegrundes wiederholt, nicht dargetan, zumal die behauptete Suizidalität nicht zwingend auf das Zutreffen des Fluchtvorbringens schließen lässt.

16       Soweit die Revision pauschal rügt, das BVwG sei auf maßgebliches Parteivorbringen nicht eingegangen, macht sie Ermittlungs- und Begründungsmängel geltend.

17       Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0506, mwN). Dies ist der Revision jedoch nicht gelungen.

18       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Dezember 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022190296.L00

Im RIS seit

09.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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