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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der R in M, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 30. Juli 1993, Zl. B 65-6/91, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die zuvor schon vier Jahre in einer anderen Steuerberatungskanzlei gearbeitet hatte, ist seit 6. April 1981 als Angestellte bei der Wirtschaftstreuhandges.m.b.H. Dr. Z (im folgenden: GmbH) beschäftigt. Sie ist keine geprüfte Steuerberaterin, aber nach eigener Darstellung im Verwaltungsstrafverfahren eine "qualifizierte Fachkraft" ohne Vertretungsbefugnis. Zu den ihr übertragenen Aufgaben gehört u.a. die Erstellung von Bilanzen und Abgabenerklärungen für Klienten der GmbH.
Mit Straferkenntnis vom 15. Februar 1991 erkannte das Finanzamt Radkersburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz die Beschwerdeführerin schuldig, bei der Erstellung der Umsatzsteuer-Jahreserklärungen für die Jahre 1982 bis 1984 für einen bestimmten Klienten grob fahrlässig Umsätze in der Höhe von S 16.607,66 (1982), von S 21.317,72 (1983) und von S 75.230,18 (1984) statt mit dem erhöhten Umsatzsteuersatz von 30 % bzw. 32 % mit dem Normalsteuersatz berechnet und damit grob fahrlässig bewirkt zu haben, daß die Umsatzsteuer um S 1.993,-- (1982), S 2.558,-- (1983) und S 9.028,-- (1984) verkürzt wurde. Sie habe dadurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG begangen. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) verhängt. Begründend hieß es, die Beschwerdeführerin hätte im Hinblick auf die §§ 25 und 26 WTBO beim Ausfüllen der Umsatzsteuererklärungen für die genannten Jahre und bei der Erstellung der Vorsteuernachweise, Mehrwertsteuerproben und Beilagen zu den Abgabenerklärungen eine besondere Sorgfalt an den Tag legen müssen. Auf Grund ihrer fachlichen Qualifikation hätte ihr bei Prüfung der Unterlagen das Mißverhältnis zwischen dem Wareneingang und den dazugehörigen Erlösen auffallen müssen. Zumindest wäre sie zu einer Rücksprache mit dem Klienten bzw. zur Aufklärung der Sache verpflichtet gewesen, wobei Bestandserhöhungen zum jeweiligen Jahresende keine hinreichende Erklärung geboten hätten. Die Beschwerdeführerin habe somit die objektiv gebotene und ihr subjektiv zumutbare Sorgfaltspflicht verletzt. Die Frage nach einem Auswahlverschulden ihres Arbeitgebers sei in einem anderen Verfahren zu prüfen und für das Verschulden der Beschwerdeführerin bedeutungslos.
Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nur insoweit statt, als sie die verhängte Geldstrafe von S 5.000,-- auf S 3.000,-- bzw. die Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen auf einen Tag herabsetzte; dies im wesentlichen mit der Begründung, es erscheine erwiesen, daß die Beschwerdeführerin den vom Klienten vereinbarungsgemäß neben Monatsaufstellungen übermittelten Grundaufzeichnungen "trotz Kenntnis ihrer Bedeutung für die Aufteilung der Erlöse nach Steuersätzen" nicht die pflichtgemäße Bedeutung geschenkt habe. Auf Grund der Übernahme der Steuersätze aus den unvollständig gekennzeichneten Fakturenzusammenstellungen hätten sich augenscheinliche Diskrepanzen zwischen den dem erhöhten Steuersatz unterliegenden Wareneingängen und den mit diesem Satz zu versteuernden Umsätzen ergeben. Ohne daß dafür ein "spezifisch technisches Wissen" erforderlich gewesen wäre, hätte dies der Beschwerdeführerin auffallen bzw. sie veranlassen müssen, die von ihr verfaßten Beilagen zu den Abgabenerklärungen "anhand der Grundaufzeichnungen zu überprüfen bzw. dieses Mißverhältnis durch Rückfrage beim Pflichtigen zu klären". Die Beschwerdeführerin habe infolgedessen bei der Erstellung der genannten Steuererklärungen die zur Vermeidung einer Rechtsgutbeeinträchtigung (Abgabenverkürzung) erforderliche Sorgfalt nicht aufgewendet. Mit der grundsätzlichen Übernahme der "Angaben aus den Monatsfakturenzusammenstellungen" habe sie, obwohl ihr bekannt gewesen sei, daß darin die Steuersätze unvollständig gekennzeichnet gewesen seien und ihr entsprechend der Vereinbarung mit dem Klienten die zur ordnungsgemäßen Erstellung der Steuererklärungen erforderlichen Unterlagen auch zur Verfügung gestanden seien, die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt und durch die dadurch bewirkte Abgabenverkürzung im Gesamtausmaß von S 13.579,-- den Tatbestand des § 34 Abs. 1 FinStrG verwirklicht. Ob dem Dienstgeber der Beschwerdeführerin ein Überwachungsverschulden zur Last falle bzw. wer die Steuererklärungen für den Klienten der GmbH unterschrieben habe, sei für die Frage, ob die Beschwerdeführerin das ihr angelastete Finanzvergehen zu verantworten habe, nicht ausschlaggebend.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtwidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt, wobei gemäß Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Abgabenverkürzung bewirkt ist, wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt werden.
Gemäß § 34 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenverkürzung schuldig, wer die im § 33 Abs. 1 leg. cit. bezeichnete Tat fahrlässig begeht. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist ein Notar, ein Rechtsanwalt oder ein Wirtschaftstreuhänder, der sich in Ausübung seines Berufes bei der Vertretung oder Beratung in Abgabensachen einer fahrlässigen Abgabenverkürzung schuldig macht, nur dann strafbar, wenn ihn ein schweres Verschulden trifft.
Die Beschwerde meint zunächst, der Beschwerdeführerin fehle im Hinblick auf ihre nicht gegebene Vertretungsbefugnis für die GmbH die "finanzstrafrechtliche Passivlegitimation". Eine solche sei nur bei einer hier nicht vorliegenden Vorsatztat denkbar und jedenfalls ausgeschlossen, wenn der Abgabepflichtige die Steuererklärungen selbst unterschrieben habe, was mangels entsprechender Feststellung durch die belangte Behörde vom Sachverhalt her unklar sei. Sollte ein vertretungsbefugtes Organ der GmbH die in Rede stehenden Umsatzsteuererklärungen unterfertigt haben, so sei einzig dieses Organ finanzstrafrechtlich verantwortlich.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Täter einer Abgabenhinterziehung - der objektive Tatbestand des § 34 Abs. 1 FinStrG entspricht dem Tatbild des § 33 Abs. 1 leg. cit. (siehe hiezu Fellner, FinStrG, TZ 1 zu § 34) - jeder sein, der unmittelbar, also durch kausales Handeln, eine Abgabenverkürzung unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht herbeiführt. Neben dem Abgabe- und dem Abfuhrpflichtigen kommen somit jedenfalls auch diejenigen Personen als Täter in Betracht, die die Angelegenheiten dieser Personen - sei es als steuerliche Vertreter, sei es als Auftragnehmer derselben eingebunden in den letztenendes die Interessen des Abgabengläubigers schützenden Pflichtenkreis - wahrnehmen. Dies trifft auf die Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu.
Der Tatbestand der fahrlässigen Abgabenverkürzung gemäß § 34 Abs. 1 FinStrG erfordert einerseits, daß zwischen dem entsprechenden Tun oder Unterlassen und dem Eintritt der Verkürzung ein Kausalzusammenhang besteht, also aus der Art und Weise des Täterverhaltens kausal der Eintritt der Verkürzung erfolgt, und andererseits, daß der Täter insoweit fahrlässig handelt, d.h. die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet sowie nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist, und die ihm außerdem zuzumuten ist (vgl. hiezu das Urteil des OGH vom 23. Oktober 1979, 9 Os 123/78).
Auf dem Boden dieser Rechtslage zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die finanzstrafrechtliche Verantwortung der Beschwerdeführerin wird weder durch das Fehlen ihrer Vertretungsbefugnis für die GmbH noch dadurch ausgeschlossen, daß die ihr zur Last gelegte Tat ein Fahrlässigkeits- und kein Vorsatzdelikt ist. Auch der Umstand, daß die von der Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen verfaßten Steuererklärungen noch vom Abgabepflichtigen oder vom steuerlichen Vertreter (vertretungsbefugten Organ der GmbH) unterfertigt wurden, stellte kein rechtliches Hindernis dafür dar, die Beschwerdeführerin wegen Verletzung der von ihr zu beobachtenden Sorgfalt bei Abfassung von Steuererklärungen, wodurch eine Abgabenverkürzung bewirkt wurde, als Nebentäter eines Fahrlässigkeitsdeliktes zu bestrafen. Ob einem Dritten ebenfalls Fahrlässigkeit zur Last fällt, ist nämlich nicht entscheidend (vgl. hiezu Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, 536 zu § 80). Daß die Ausführungshandlung der Beschwerdeführerin die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angenommene Abgabenverkürzung bewirkt hat bzw. daß insofern der erforderliche Kausal- und Risikozusammenhang besteht, bestreitet die Beschwerde im übrigen ebensowenig wie den Umstand, daß die Tat unter Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht des Klienten geschah.
Die Beschwerde meint weiters, auch wenn man die "finanzstrafrechtliche Passivlegitimation" der Beschwerdeführerin bejahen könnte, sei der angefochtene Bescheid dennoch in Ansehung der Bestimmungen des § 34 FinStrG in zweifacher Hinsicht rechtswidrig: Zum einen deswegen, weil ihr zu Unrecht GROBE Fahrlässigkeit zur Last gelegt worden sei, und zum anderen deswegen, weil die belangte Behörde zu Unrecht die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Abs. 3 des § 34 FinStrG verneint habe.
Zum ersten Punkt ist der Beschwerde zu erwidern, daß zwar die Finanzstrafbehörde erster Instanz das grobe Verschulden der Beschwerdeführerin als straferschwerend gewertet hat, daß aber die belangte Behörde diesen Grund nicht mehr als gegeben ansah und deswegen die Strafe mit dem angefochtenen Bescheid herabsetzte. Die zum zweiten Punkt erhobene Rechtsrüge ist indes - anders als es die belangte Behörde gesehen hat - aus folgenden Gründen berechtigt:
Nach § 34 Abs. 3 FinStrG ist ein Notar, ein Rechtsanwalt oder ein Wirtschaftstreuhänder, der sich in Ausübung seines Berufes bei der Vertretung oder Beratung in Abgabensachen einer fahrlässigen Abgabenverkürzung schuldig macht, nur dann strafbar, wenn ihn ein schweres Verschulden trifft.
Diese Bestimmung soll nach ihrer Intention einer besonderen "Gefahrengeneigtheit" der rechtsberatenden Berufe Rechnung tragen. Schon der unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Interpretation gebotene Größenschluß zwingt zur Annahme, daß Personen, derer sich die genannten Rechtsberater als Erfüllungsgehilfen in Ausübung ihres Berufes bei der Vertretung oder Beratung in Abgabensachen bedienen, nicht in höherem Maße als die Rechtsberater selbst einzustehen haben, sohin also ebenfalls nur bei schwerem Verschulden.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin in der genannten Funktion für einen Wirtschaftstreuhänder tätig war. Da die belangte Behörde der Beschwerdeführerin auch kein schweres Verschulden (grobe Fahrlässigkeit) anlastet, haftet somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes an; dieser Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Gebührenersatz für Beschwerdebeilagen war nur insoweit zuzuerkennen, als diese Beilagen zur Beschwerdeführung erforderlich waren, somit also im ein- und nicht dreifachen Ausmaß.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1993150157.X00Im RIS seit
07.06.2001